Die Redewendung Nabel der Welt „Mittelpunkt, wichtigstes Zentrum der Welt“ geht auf das Griechenland im 7. Jahrhundert vor Christus zurück, als man diesen Mittelpunkt treffenderweise im Omphalosstein in Delphi sah. Später war der Nabel der Welt beispielsweise auch als Umbilicus urbis in Rom, im Felsendom in Jerusalem, als Katholikon in der Grabeskirche in Jerusalem, auf den Osterinseln und in Cuzco in Peru zu finden.
Nabelhernien sind gleichsam eine weltweit häufige Erkrankung. Nabelhernien zählen definitionsgemäß zu den primären Ventralhernien. Doch hierin liegt bereits das erste Problem. In der wissenschaftlichen Literatur wurde bereits in der Vergangenheit häufig eine mangelnde Abgrenzung primärer von sekundären Ventralhernien kritisiert [6]. Rezidiv-Nabelhernien und Trokarhernien gehören laut EHS-Klassifikation (European Hernia Society) eindeutig zu den sekundären Ventralhernien bzw. Narbenhernien. Diese Abgrenzung scheint entsprechend der Registerdaten auch in Deutschland bis heute noch nicht klar umgesetzt zu sein [5].
Bisher wurden die Nabelhernien entsprechend der EHS-Klassifikation von 2009 in klein, mittel und groß eingeteilt [6]. Doch zehn Jahre später zeigt sich nun in der wissenschaftlichen Literatur, dass diese bisherige Einteilung für eine Therapieentscheidung möglicherweise nicht sinnvoll ist.
Zudem ist eine Therapieentscheidung bei Nabelhernien häufig abhängig von einer zeitgleich bestehenden Rektusdiastase [4]. Seit 2019 besteht entsprechend der Publikation von Reinpold et al. eine zusätzliche sehr differenzierte Klassifikation der Rektusdiastase [7].
Entsprechend einer 2014 publizierten Datenanalyse aus dem Deutschen Hernienregister Herniamed treten Nabelhernien bei Männern häufiger auf als bei Frauen auf [5]. Nabelhernien haben ihren Altersgipfel zwischen dem 40. und dem 60. Lebensjahr. Dicke Menschen und Raucher scheinen häufiger Nabelhernien zu entwickeln. Der größte Anteil der Nabelhernien scheint eher klein zu sein.
Der Anteil von Notfalleingriffen scheint bei Nabelhernien mit 7,12 % deutlich höher zu liegen als bei Leistenhernien (2,68 %) (5). Zahlreiche wissenschaftliche Studien bestätigten bisher sehr gute Ergebnisse auch mit alleiniger Nahtversorgung [1, 2]. Auch in Deutschland wurde eine große Mehrheit der Nabelhernien bisher mit Naht versorgt [5].
Auf Initiative der Amerikanischen und Europäischen Herniengesellschaften wurde 2017 eine Expertengruppe zur Entwicklung von Leitlinien für primäre Ventralhernien gegründet.
Diese 12-köpfige internationale Expertengruppe führte eine Recherche der bestehenden wissenschaftlichen Literatur durch und entwickelte im Rahmen von mehreren Treffen entsprechende Leitlinien zur Behandlung von primären ventralen Hernien. Die Ergebnisse wurden im Rahmen des Europäischen Hernienkongress im September 2019 in Hamburg erstmals der Fachwelt vorgestellt. Trotz einer stellenweise lückenhaften bzw. geringen wissenschaftlichen Evidenz können dabei folgende grundsätzliche Empfehlungen zusammengefasst werden.
Tab. 1: EHS-Klassifikation primärer Ventralhernien 2009 [6]
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Klein=Small (S) |
Mittel=Medium (M) |
Groß=Large (L) |
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< 2cm |
≥ 2–<4 cm |
≥ 4 cm |
Mittellinie |
Epigastrisch |
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Umbilikal |
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Lateral |
Spieghel’ |
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Lumbal |
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Tab. 2: Nabelhernien nach EHS-Klassifikation – Herniamed-Daten [5]
EHS Small klein (< 2 cm) |
EHS Medium mittel (≥ 2–4 cm) |
EHS Large groß (≥ 4 cm) |
58,9% |
35,2% |
5,9% |
Empfehlungen
- Die Diagnostik der Nabelhernien sollte durch eine klinische Untersuchung erfolgen. Ein dynamischer Ultraschall oder eine Computertomografie kann im Zweifelsfall helfen und zusätzliche Informationen liefern.
- Watchful waiting scheint bei asymptomatischen Nabelhernien eine sichere Option zu sein.
- Grundsätzlich sollte bei allen Nabelhernien aufgrund der geringeren Rezidivraten ein Netzverfahren zur Anwendung kommen.
- Bei kleinen Nabelhernien bis 2 cm sollte dabei eine offene Technik zur Anwendung kommen. Bei mittelgroßen Nabelhernien von 2 bis 4 cm sollte ein offener oder endoskopischer Zugang erfolgen. Alle großen Hernien über 4 cm sollten wie Narbenhernien operativ versorgt werden.
- Nahtverfahren stellen bei allen Nabelhernien kleiner als 1 cm eine Behandlungsoption dar.
- Grundsätzlich wird bei offener Technik die Verwendung eines Flachnetzes in präperitonealer Netzposition empfohlen.