01.08.2022 Recht&Versicherung
Das Ende der gleichzeitigen Gesellschafterstellung und Anstellung im MVZ?
Anmerkungen zur Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27.01.2022, Az. B 6 KA 2/21 R
Die Entscheidung
In dem Urteil geht es um ein als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) von zwei Ärzten geführtes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Die GbR beantragte die beiden Gesellschafter in dem von ihr betriebenen MVZ als Ärzte anzustellen. Beide Gesellschafter waren zugleich Geschäftsführer und jeweils zur Hälfte am Vermögen und am Gewinn der Klägerin beteiligt.
Nach Ablehnung durch den Zulassungs- und Berufungsausschuss gab das SG Marburg dem Genehmigungsantrag statt. Dass die beiden Vertragsärzte Gesellschafter der Klägerin mit jeweils hälftigem Anteil seien, schließe den Anspruch nicht aus. Die zu erteilende Genehmigung sei allein an vertragsärztlichen Gesichtspunkten zu messen. Zivil-, gesellschafts-, steuer-, arbeits- oder sozialversicherungsrechtliche Aspekte hinderten die Erteilung der Genehmigung nicht. Ärzte könnten bei einem MVZ angestellt sein, auch und gerade, wenn sie Gesellschafter der Träger-GbR seien. Weder die Größe ihres Gesellschafteranteils noch ihr Einfluss auf die MVZ-GbR und damit die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Einordnung ihrer Beschäftigung als abhängig Beschäftigte oder als selbstständig Tätige erlaube es den Zulassungsgremien, die Genehmigung der Anstellung zu versagen.
Der Berufungsausschuss legte hiergegen Sprungrevision zum BSG ein. Dieses hob die SG-Entscheidung mit Urteil vom 27.01.22 auf. Das schriftliche Urteil liegt noch nicht vor. Aus dem Terminbericht lässt sich entnehmen, dass die Anstellungsgenehmigungen nach Meinung des BSG nicht erteilt werden dürften, weil die verzichtenden Ärzte als Geschäftsführer und Gesellschafter derart an der Gesellschaft beteiligt seien, dass sie über ihre Möglichkeiten der Einflussnahme die Geschicke der Gesellschaft lenken können. Dies stehe einer Angestelltenstellung entgegen. Hierfür sehe das Gesetz die Variante des Vertragsarzt-MVZ vor.
Stellungnahme
Die Entscheidung betrifft zunächst die konkrete Konstellation eines MVZ in der Rechtsform der GbR und mit lediglich zwei Ärzten. Klar ist jedoch auch, dass zukünftig bei vergleichbaren Anträgen auf Anstellungsgenehmigung regelhaft eine Berücksichtigung der gesellschafts- und sozialversicherungsrechtlichen Regeln zu erfolgen hat und nicht nur die vertragsarztrechtlichen Vorgaben maßgeblich sind. Es ist also im Einzelfall zu prüfen, in welcher Rechtsform das MVZ betrieben wird und wie die Rechte der einzelnen Arzt-Gesellschafter konkret ausgestaltet sind.
Denn das BSG orientiert sich in seiner Entscheidung offensichtlich primär an dem sozialversicherungsrechtlichen Begriff der abhängigen Beschäftigung. Dieses Thema ist seit langem relevant bei der Frage, ob Geschäftsführer Sozialversicherungsabgaben zahlen müssen, wenn sie zugleich Gesellschafter sind. Nach der einschlägigen Rechtsprechung hierzu können viele unterschiedliche Aspekte eine Rolle für die Beurteilung des Einzelfalls haben.
Hilfreich kann es z. B. sein, die Befugnisse der Gesellschafter-Ärzte in bestimmten Bereichen so zu beschränken, dass diese sie selbst betreffende Beschlüsse des MVZ nicht verhindern können. Dies wird allerdings in kleineren MVZ, wie das in der BSG-Entscheidung betroffene, kaum möglich sein. Viele Fragen bleiben aber auch offen, wie z. B.:
- Welche Rolle spielt zukünftig die Vertragsarztvariante?
- Gibt es eine wesentlich andere Beurteilung bei der GmbH?
- Besteht Bestandsschutz für vorhandene MVZ mit dieser Konstellation.
Ob die schriftlichen Urteilsgründe etwas mehr Klarheit bringen werden, bleibt abzuwarten. In jedem Fall sollten aber Ärzte, die eine MVZ-Gründung planen, die genannten gesellschafts- und sozialversicherungsrechtlichen Aspekte ebenso wie das Vertragsarztrecht in ihre Beratung mit einbeziehen.
Butzmann O, Heberer J: Das Ende der gleichzeitigen Gesellschafterstellung und Anstellung im MVZ? Passion Chirurgie. 2022 August, 12(07/08), Artikel 04_09.
Autoren des Artikels
Dr. jur. Jörg Heberer
Justitiar des BDC, Rechtsanwalt und Fachanwalt für MedizinrechtRechtsanwaltskanzlei Dr. Heberer & Kollegen kontaktierenOliver Butzmann
RechtsanwaltRechtsanwaltskanzleiDr. Heberer & KollegenPaul-Hösch-Str. 25 A81243München kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
01.05.2018 Datenschutz
Keine Angst vor dem bösen „Wolf“
Die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) wirft ihre Schatten voraus. Zahlreiche Verlautbarungen haben bereits vor dem Inkrafttreten zu großen Verunsicherungen, zum Teil aber auch zu völlig übertriebenem Aktionismus geführt. Richtig ist allein, dass die EU-Datenschutz-Grundverordnung am 25.05.2018 ohne Übergangsregelungen in Kraft treten wird. Die damit einhergehenden Bestimmungen werden zudem zu umfassenden Neuerungen beim Umgang mit personenbezogenen Daten – auch in der ärztlichen Praxis – führen.
21.02.2018 Politik
Niedergelassene Ärztin setzt Löschung auf jameda.de durch
Eine Kölner Ärztin hat sich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) mit Ihrer Klage auf Löschung vom Ärztebewertungsportal jameda.de durchgesetzt. Die Speicherung personenbezogener Arztdaten mit Bewertungen von Patienten ist durch Internetportale laut BGH nur dann zulässig, wenn diese als "neutrale Informationsmittler" auftreten. Durch die Ausgestaltung des Werbeangebots trete diese Eigenschaft bei jameda.de allerdings soweit zurück, dass das Recht auf informelle Selbstbestimmung der Ärztin überwiege. Das Portal hat bereits Konsequenzen gezogen.
30.01.2018 Abrechnung
Unfallversicherung: Neue bundesweite Clearingstelle
Bei Problemen mit Unfallversicherungsträgern können sich Ärzte und Psychotherapeuten ab sofort an eine bundesweite Clearingstelle der KBV wenden. Diese unterstützt bei Streitigkeiten zu Abrechnungsfragen oder bei der Auslegung des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger.
22.11.2017 BDC|News
BDC-Versicherungs-Service: Versicherungssummen in der Heilwesen-Haftpflicht
Die Entscheidung über die Höhe der Haftpflicht-Versicherungssumme ist oft gewagt. Sie hat in der Vergangenheit immer ausgereicht? Glück gehabt! Denn der isolierte Blick in die eigene Vergangenheit offenbart nur einen Bruchteil der Wahrheit. Bei der Beurteilung der Frage, welche Versicherungssumme angemessen ist, sind viele Aspekte zu beachten.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.