01.05.2014 Qualitätssicherung
Das APS – Aktionsbündnis Patientensicherheit
Erreichtes und aktuelle Herausforderungen
Primum nil nocere – Kranken und Verletzten durch unser Tun keinen Schaden hinzuzufügen ist Basis und Anspruch zugleich. Wir arbeiten in einem hochkomplexen, zunehmend industrialisierten, stark differenzierten und arbeitsteiligen Hoch-Risikosystem. Fehler mit und ohne Schadensfolge und Beinahe-Fehlern (s. Glossar am Ende) ereignen sich jeden Tag.
Bei jeder zehnten Krankenhausbehandlung kommt es zu vermeidbaren unerwünschten Ereignissen – v. a. nosokomiale Infektion, Medikationsfehler und perioperativ.
Sie sind meistens multicausal, haben ihre Ursache nicht nur im Versagen eines Einzelnen sondern sind häufig Symptom auch eines Versagens der Organisation, des Prozessablaufes und des Systems!
Ursachen erkennen, bewerten und Lösungswege zu entwickeln sind geeignete Maßnahmen den „Sumpf“ aus zu trocknen.
Dazu ist ein Bewußtseinswandel notwendig: Nicht wer war/ist Schuld für den Fehler sondern, warum trat der Fehler auf? Welche Umstände begünstigten das unerwünschte Ereignis?
Wir sollten nicht den Fehler „kultivieren“ – Fehlerkultur – sondern eine Haltung mit Kompetenz (Kultur) entwickeln, die mit Überzeugung und durch Handeln Sicherheit in der Versorgung von Kranken und Verletzten kultiviert – Sicherheitskultur.
Ziele
‚Gemeinsam in Aktion – Das Aktionsbündnis Patientensicherheit’ hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, die Patientensicherheit in Deutschland kontinuierlich, nachhaltig und nachweisbar zu fördern.
Nach dem APS-Konzept 2020 „Für mehr Patientensicherheit in Deutschland“ ist Patientensicherheit ein gesellschaftlich akzeptierter Wert und in allen Bereichen des Gesundheitswesens als integraler Bestandteil der Versorgung von Patienten nachhaltig verankert. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS) ist das anerkannte interdisziplinäre und interprofessionelle Kompetenz- und Koordinationszentrum für Patientensicherheit in Deutschland. Als Mittler von der Praxis für die Praxis definiert es Kriterien und Normen und ist wichtigster und verlässlicher Ansprechpartner für Politik, Wissenschaft und Forschung [APS Konzept 2020, Vision].
Das APS steht für:
– Glaubwürdigkeit durch Unabhängigkeit
– Bündelung von Fachkompetenz
– Multidisziplinäre Vernetzung
– Orientierung an der Praxis.
Die Organisation
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit wurde 2005 als eingetragener Verein gegründet. Seine satzungsgemäßer Ziele bestehen in der Erforschung, Entwicklung und Verbreitung von Methoden zur Verbesserung der Patientensicherheit sowie im Aufbau des Risikomanagements in der Gesundheitsversorgung (§2 APS-Satzung).
Heute zählt das APS 469 Mitglieder, ca. die Hälfte davon sind Einzelpersonen. Die andere Hälfte setzt sich zusammen aus allen relevanten Organisationen des Gesundheitswesens. Apotheker- und Ärztekammern, Krankenhäuser und Klinikverbünde, Pflegeverbände, Krankenkassen, Patientenvertretungen, Kooperationspartner aus Industrie und Wirtschaft. Unternehmen zusammen. Alle zeichnet Ihr Engagement aus, in dieser Plattform gemeinsam ein Mehr an Patientensicherheit zu erreichen. Die Entwicklung einer wirkungsvollen Sicherheits-Kultur im Gesundheitswesen erfordert einen Rahmen; Das APS bietet diesen Rahmen.
Der Vorstand, die Organe des APS und die Mitglieder in den Arbeitsgruppen engagieren sich alle ehrenamtlich. Finanziert wird der Verein durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und eine öffentliche Projektförderung. Im Jahr 2013 standen so 160.000 Euro an Mitgliedsbeiträgen und Spenden sowie 350.000 Euro an Projektförderung zur Verfügung. Unterstützt werden dadurch die Arbeit der interdisziplinären und interprofessionellen Arbeits-Projektgruppen, Workshops und Foren, die Geschäftstelle mit 1,5 Mitarbeitern in Berlin und der Betrieb des Instituts für Patientensicherheit der Universität Bonn. Einmalig in Deutschland, ist es uns gemeinsam mit Förderung durch das Bundesministerium für Gesundheit, der Universität zu Bonn und zahlreichen Projektförderern gelungen, dieses Institut 2008 einzurichten. Ein erster Fünf-Jahres-Vertrag endete 2013. Der Vertrag für diese Stiftungsprofessur des APS wurde 2014 für weitere fünf Jahre verlängert. Die Neu-Berufung des Lehrstuhles steht kurz vor dem Abschluss.
Projekte des Instituts für Patientensicherheit
– Häufigkeit von vermeidbaren unerwünschten Ereignissen – systematischer Review (2010),
– Krankenhausbefragung in Deutschland zum aktuellen Stand des klinischen Risikomanagements (2012 )
– Gemeinsam mit dem Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) :Evaluation von Maßnahmen zur Förderung der Patientensicherheit in der Praxis im Rahmen des WHO Projektes „high 5s“,
– Identifikation von Patientensicherheitsindikatoren zur Unterstützung des Risikomanagements,
Projekte und Kooperationen des APS
– Seit 2010 betreibt das APS mit Partnern (ÄZQ, Deutsche Krankenhausgesellschaft und Deutscher Pflegerat) das Krankenhaus CIRS-Netz – Deutschland. Aus Fehlern auch anderer zu lernen, offenes Aussprechen und emotionsloser transparenter Umgang mit bedeutsamen beinahe Schäden sind Anlass zur Einrichtung dieses deutschlandweiten, öffentlich zugänglichen Fehlerberichts- und Lernsystems für Kliniken. Das gemeinsame Lernen über die engen Grenzen von Berufsgruppen und Einrichtungen hinaus wird durch die Darstellung konkreter Ereignisse und das Aufzeigen von Problemlösungen befördert. Der Nutzen dieser aufwändigen Maßnahme ist trotz noch bestehender Organisations- und Verständnisprobleme groß und ist 2013 im Patienten Rechte Gesetz als Einrichtungsübergreifende Maßnahme und Aufgabe im Rahmen des verpflichtenden Risikomanagements den Kliniken zur Umsetzung „verordnet“. Der G-BA hat hierzu Richtlinien erlassen, die demnächst publiziert werden.
– Der Lernzielkatalog „Wege zur Patientensicherheit“(2013) eine Empfehlung zur Aus-Fort und Weiterbildung für alle Berufsgruppen im Gesundheitswesen, der beschreibt, welche Fertigkeiten, welches Wissen und welche Kompetenz diese in der Patientennahen wie -fernen Versorgung verfügen sollen, um die Behandlung von Kranken und Verletzten sicherer machen zu können. Eine Empfehlung, die aktuell die Bearbeitung des Nationalen Lernziel Katalog Medizin – NKLM – durch die verschiedenen Arbeitsgruppen der medizinischen Fakultäten und Fachgesellschaften unterstützen.
– Aktion „Saubere Hände“ eine nationale Kampagne zur Förderung der Händedesinfektion in Krankenhäuser, Praxen und Pflegeeinrichtungen in der das APS partnerschaftlich mit weiteren Trägern zusammen arbeitet.
– Aktionsplan des BMG zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit zur Umsetzung eines Maßnahmenkatalogs zur Förderung der Arzneimitteltherapiesicherheit durch gezielte Aus- und Fortbildung, Qualitätssicherung und Etablierung einer zentralen Datenbank für Medikationsfehler.
– „Joint Action“ der EU Mitgliedsländer zum Ausbau eines Netzwerks (European Union Network for Patient Safety – EUNetPaS).
– Deutscher Preis für Patientensicherheit des APS. Er wurde erstmalig Anfang April auf dem Kongress für Patientensicherheit in Hamburg verliehen und zeichnet zukunftsweisende Best-Practise-Beispiele zur Beförderung der Patientensicherheit und Studien der Patientensicherheit-bezogenen Forschung aus. Aus 70 Bewerbungen wurden die drei erstplatzierten Preisträger von einer hochkarätig besetzten Jury ausgewählt.
Der mit insgesamt 19.500 Euro dotierte Preis wird jährlich vergeben. Stifter des Preisgeldes sind die Aesculap Akademie, der Ecclesia Versicherungsdienst, das Gesundheitsunternehmen MSD SHARP & DOHME GMBH und der medizinische Fachverlag Thieme.
Was das APS leistet
In Arbeitsgruppen, in denen engagierte Menschen aus allen Professionen, Bereichen Politik wie Wirtschaft und Forschung zusammen wirken, werden Empfehlungen zur Minimierung konkreter Praxis relevanter Risiken erarbeitet. Alle Empfehlungen stehen kostenfrei auf der Homepage des APS zum Download zur Verfügung. Sie dienen den Kliniken und Praxen als Anregung diese Einrichtungsspezifisch an zu passen.
Derzeit werden folgende Themen bearbeitet:
Arzneimitteltherapiesicherheit
Ziel: Handlungsempfehlungen für mehr Sicherheit in der Arzneimitteltherapie
Behandlungsfehlerregister
Ziel: Identifikation von Risiken durch koordinierte Registerauswertung
– Fertigstellung eines Kerndatensatzes zur Erfassung und Auswertung von Behandlungsfehlern mit Schadensfolge in Zusammenarbeit mit: MDK/MDS; ärztliche Gutachter- und Schlichtungsstellen, Haftpflichtversicherer
– z. B.: Hüftgelenknahe Fakturen, Geburtshilfe, Hüft-Endoprothetik
Bildung und Training
Patientensicherheit muss gelehrt, gelernt und finanziert werden
Ziel: Entwicklung von Ausbildungs- und Trainingsinhalten und –methoden
Angebote des APS:
– simparteam®: Ein interprofessioneller und interdisziplinärere Simulations-Trainingskurs für den Kreissaal
– „Wege zur Patientensicherheit“, Lernzielkatalog für Kompetenzen in der Patientensicherheit, Empfehlungen für Aus-Weite4rbildugnscurricula aller Berufsgruppen
Informieren – Beraten – Entscheiden
Wie und wer soll bei einem eingetretenen Schaden, der eventuell auf einen Behandlungsfehler zurück zu führen, reagieren ?
Mit weiteren Partnern hat das APS das Krankenhaus CIRS Netz Deutschland aufgebaut. Auf deren Homepage finden sich u. a. die „Fälle des Monats“. Hinweise aus der Praxis für die Praxis – um aus Fehlern anderer zulernen!
Ziel: Handlungsempfehlungen für Patienten und Angehörige zur Stärkung der Patientensouveränität
Medizinprodukt-assoziierte Risiken
Ziel: Handlungsempfehlung zur Verbesserung des gesetzlichen Meldeverfahrens
Patientensicherheit im Alter – Sturzprävention
Ziel: Handlungsempfehlungen zur Prävention (Patienten) und Risikominimierung (Ärzte, Pflegende) von Stürzen im Krankenhaus
Die Mitarbeit in einer der Arbeitsgruppen stehe jedem auch nicht Mitglied des APS frei, um möglichst alle Perspektiven zu berücksichtigen
Broschüren zur Förderung der Sicherheitskultur im Gesundheitswesen
• „Aus Fehlern lernen“ 2008 publiziert, zur Enttabuisierung von Behandlungsfehlern und dem Umgang einzelner aber auch der Öffentlichkeit damit – nicht wer war Schuld, sondern warum und welche Umstände haben dieses verursacht?
• Schweigen oder Reden ? : „Reden ist Gold“ Kommunikation im Schadensfall ( 2012 ) stellt beispielhaft dar wie Ärzte im konkreten Schadensfall sich verhalten sollten, um durch größtmögliche Transparenz weiteren Schaden zu vermeiden. Eine mit Haftpflichtversicherern und Juristen abgestimmte Handlungsempfehlung.
Das APS ist zudem als sachkundige Organisation in Stellungnahme-Verfahren zu Gesetzgebungsverfahren oder Kommentierungen von patientensicherheitsrelevanten Verfahren gefragt und gefordert.
Aktuelle Herauforderungen
• Die Diskussion um einen Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds im Nachgang zum Patientenrechtegesetz muss weiter geführt werden müssen. Modelle zur Erprobung wurden vorgelegt
• Fehler – Schadensregister: Die Frage nach der Häufigkeit von Behandlungsfehlern und unerwünschten Ereignissen in den Kliniken und Praxen ist weiter zu fundieren und erfordert mehr Transparenz und Forschung. Der Stand des klinischen Risikomanagements in den Kliniken muss aktualisiert werden.
• Ökonomie und Patientensicherheit: Die wechselseitige Beeinflussung von Ökonomie und Patientensícherheit, höhere Risiken bei Mangel an personellen, qualifizierten Ressourcen können nicht alleine durch weitere Rationalisierung der Prozesse verhindert werden. Die Abbildung von Qualitäts- und Sicherheitsorientierter Leistung im ambulanten wie stationären Vergütungssystem bedarf einer dringlichen Bearbeitung durch Politik und die Selbstverwaltung. Hier dürfen Ärzte und Pflegende- das Behandlungsteam- aber auch das Krankenhausmanagement nicht weiter ungeschützt den zunehmenden Risiken ausgesetzt bleiben. Damit sind nur einige wenige Aufgaben genannt. Diese Aufgaben müssen erledigt werden, meint man es ernst mit der Patientensicherheit im Gesundheitssystem.
• All diese Aufgaben erfordern eine tragfähige und nicht nur Projekt und durch Mitglieder und Förderer finanzierte Vereins- Organisation.
Patientensicherheit ist eine öffentliche Aufgabe und geht alle an.
Das APS fordert daher eine Diskussion zur Basisfinanzierung von Anliegen der Patientensicherheit im Rahmen einer nationalen Patientensicherheitsstrategie.
Glossar :„Fehler“, „unerwünschtes Ereignis“, „Behandlungsfehler“
Im Zusammenhang mit der juristischen Betrachtung eines Behandlungsfehlers ist eine Schädigung des Patienten, hervorgerufen (Kausalität ) durch eine unsachgemäße Behandlung Voraussetzung der Haftung – konkret: Die Behandlung erfolge „unterhalb des Facharztstandards“ oder „Pflegestandards“ oder „Leitlinien-Standards“. Dies kann die Pflegekraft, den Arzt oder den Betreiber/Krankenhausträger betreffen.
Im Bereich der Patientensicherheit wird zwischen einem „Fehler als einer Handlung oder eines Unterlassens, bei dem eine Abweichung vom Plan, ein falscher Plan oder kein Plan vorliegt, unabhängig davon ob ein Schaden für den Patienten entstanden ist“, und einem „unerwünschten Ereignis“ = schädliches Vorkommnis, „das eher auf der Behandlung, denn auf der Erkrankung beruht“, unterschieden. Weiter wird differenziert zwischen einem „vermeidbaren“ und „unvermeidbaren unerwünschtem Ereignis“. Ein Fehler, der zu einem eher durch die Behandlung verursachten Schädigung des Patienten führt.
Beispiel für einen „Fehler“ ist das Unterlassen einer Zählkontrolle von Instrumenten und Materialien vor Wundverschluss bei einer Operation. Ein Schaden ist nicht entstanden, jedoch wurde eine Regel verletzt.
Beispiel für ein unerwünschtes vermeidbares Ereignis: wie oben, aber der Patient erleidet nach drei Wochen eine Infektion in der OP-Wunde, bei der Revision wird eine Kompresse als „Herd“ für die Infektion festgestellt.
Beispiel: Im folgenden Fall liegt ebenfalls ein unerwünschtes Ereignis vor: Sechs Monaten nach Implantation einer Hüft-Endoprothese erleidet der Patient ohne Fremdeinwirken einen Schaftbruch der Prothese. Dies ist ein erheblicher Schaden für den Patienten – ob dieses unerwünschte Ereignis vermeidbar oder unvermeidbar war, muss geklärt werden, unter anderem muss ein Produktschaden ausgeschlossen werden.
Unerwünschte vermeidbare Ereignisse treten meistens als Folge mehrerer unterschiedlicher Umstände ein, wie Unachtsamkeit der handelnden Person(en) („Human Factors“), Organisationsmängel im Prozessablauf, oder fehlende oder mangelhafte Schulungen.
Literatur beim Verfasser oder unter www.aps-ev.de.
Kostenlose Empfehlungen zur Minimierung konkreter Praxis relevanter Risiken auf der Homepage der APS |
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