STELLUNGNAHME
STELLUNGNAHME DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR CHIRURGIE UND DER WISSENSCHAFTLICHEN CHIRURGISCHEN
FACHGESELLSCHAFTEN SOWIE DER BERUFSVERBÄNDE ZUM STATEMENT DER INTERNISTISCHEN
FACHGESELLSCHAFTEN ZUM GEBIET CHIRURGIE
Das Statement der internistischen Fachgesellschaften zur Definition des Gebiets Chirurgie im Rahmen der anstehenden Novellierung der Musterweiterbildungsordnung wurde mit erheblicher Irritation und Erstaunen zur Kenntnis genommen. Dies umso mehr, da hier erstmalig der Versuch unternommen wird, von einem fachfremden medizinischen Gebiet die flankierenden Inhaltsbeschreibungen des Gebiets Chirurgie vorzugeben. Ein solches Vorgehen ist als völlig inakzeptabel anzusehen, zumal im Vorfeld nicht einmal im Ansatz der Versuch unternommen worden ist, in einem Gedankenaustausch auf Augenhöhe eine interne Abstimmung zwischen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin anzustreben.
Dem Statement der internistischen Fachgesellschaften liegt ein erschreckend schlichter Ansatz zugrunde, der ein antiquiertes Bild der Medizin vermittelt. Bereits im nationalen kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin werden in der Ausbildung des Mediziners Fachgrenzen weitgehend aufgehoben und es wird betont, dass es verschiedene Fachdisziplinen sein können, die eine bestimmte Kompetenz vertreten. Im vorliegenden Statement wird jedoch versucht, die Chirurgie einschließlich ihrer Fachgebiete zu einem ausschließlich methodendefinierten Fach herabzustufen. Zudem wird grundlagenlos behauptet, dass Fehlentwicklungen in einzelnen chirurgischen Fachgebieten dazu führen, dass „schnittfreie“ Interventionen der Inneren Medizin von der Chirurgie vermehrt beansprucht werden. Die Regelung interdisziplinär verankerter Interventionen und Methoden hängt erfahrungsgemäß von den lokalen Gegebenheiten und Absprachen ab, wobei die verschiedenen Fachgebiete jeweils unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen. Beispielhaft sei nur die Implantation von Herzschrittmachern angeführt, die in der Regel durch eine „schnittfreie“ Intervention wohl kaum möglich ist. Trotzdem wird laut aktuellem Deutschen Herzbericht eine Vielzahl dieser Eingriffe durch eine Fachabteilung Kardiologie durchgeführt.
Eine methodenspezifische Definition des Gebiets Chirurgie, reduziert auf die Nutzung des Skalpells, entspricht in keiner Weise dem eigentlichen Versorgungsauftrag der Chirurgen. Die chirurgische Behandlung von Erkrankungen und Verletzungen ist ganz entscheidend dadurch charakterisiert, dass nur bei Kenntnis und Beherrschen der konservativen Therapiemöglichkeiten die Indikation zu einem konservativen bzw. operativen Vorgehen im Sinne des Patienten korrekt gestellt werden kann.
Die chirurgische Behandlung daher ausschließlich auf mögliche operative Verfahren zu beziehen, entbehrt jeglichen Bezugs zur Realität. In den Lehrbüchern der Chirurgie finden sich umfangreiche Kapitel, die die nicht operativen Verfahren darstellen. Im Kontext der Gesamtbehandlung stellt eine operative Intervention immer nur einen, wenn auch oftmals entscheidenden Behandlungsaspekt dar. Gerade das verantwortungsvolle Abwägen der Risiken und Chancen eines operativen Eingriffs gegenüber einer nichtoperativen Therapieoption, die im Detail gekannt und zumindest in Teilen selbst vertreten werden muss, macht ein wesentliches und charakteristisches Merkmal der chirurgischen Tätigkeit aus. Dieses findet sich auch in der sogenannten Formulierungsänderung für das Gebiet Chirurgie bestätigt. Auf eine umfangreiche Auflistung der typischen chirurgisch-konservativen Therapiemaßnahmen sei hier verzichtet, zur Verdeutlichung sei nur die Frakturbehandlung genannt.
Kein Verständnis findet sich für die Sichtweise, dass interventionelle Eingriffe als durchaus risikobehaftete Prozeduren allein dem konservativen Therapiespektrum zugerechnet werden sollen. Unabhängig von möglichen Komplikationen bei solchem Vorgehen, wird bei einigen dieser Eingriffe sogar die generelle Verfügbarkeit eines Chirurgen gefordert. Es ergibt sich daher weder für die konservativen noch für die operativen Fächer ein alleiniger Anspruch für interventionelle Therapiemaßnahmen.
Insgesamt kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass von Seiten der Inneren Medizin versucht wird, andere Fachgebiete auszugrenzen und einen inhaltlich und sachlich nicht begründbaren und schon gar nicht nachvollziehbaren Alleinvertretungsanspruch einzufordern. Diese Einstellung widerspricht allen Bestrebungen, bereits eingeleitete interdisziplinäre Strukturen weiter zu entwickeln, um letztlich für den Patienten einen optimalen Therapieerfolg bei höchstmöglicher Kompetenz aller Beteiligten zu erreichen.
Prof. Dr. T. Pohlemann
Präsident
Prof. Dr. Dr. h.c. H.-J. Meyer
Generalsekretär