01.09.2024 Politik
Berufspolitik Aktuell: Fehlschlag oder Change Management?
Wenn der Abschlag erst in den Rabatten gelandet ist, ist es schwer wieder herauszukommen. Was beim Golf so betörend offensichtlich ist, ist in der Gesundheitspolitik nicht immer eindeutig. Wobei die Erstveröffentlichung des Bundesklinikatlas auf Basis des Krankenhaustransparenzgesetzes (KHVVG, März 2024 in Kraft getreten) sicherlich als ein Fehlschlag gewertet werden kann.
Bei den weiteren Teilaspekten der Krankenhaureform ist es schon schwieriger. Denn grundsätzlich sind wir uns darüber einig, dass wir eine solche benötigen. Kaum jemand stellt die Kernziele des KHVVG infrage: a) Reduktion der Fallmengenausweitung durch eine Finanzierungsreform, b) Qualitätssteigerung durch Zentralisierung, c) Sicherstellung der Versorgung in der Fläche durch sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen und d) Bürokratieabbau. Wobei sich da gleich die Frage aufdrängt: „Bürokratieabbau – ja, durch was eigentlich?“ Dazu findet sich in den Ausführungen zum Gesetzesentwurf: „die elektronische Datenübermittlung an die Medizinischen Dienste über geschützte digitale Informationsportale“. Na, da sind wir gespannt, ob das genauso gut klappt wie bei der „eAU“ und dem digitalen Rezept, um nur zwei rühmliche Beispiele zu nennen. Ansonsten wird nämlich allein durch das KHVVG vieles komplizierter durch ein zweistufiges Vergütungssystem („DRG klassik“ plus Vorhaltepauschale) und die Ermittlung und Überprüfung von Strukturkriterien und Mindestvorhaltezahlen für die Leistungsgruppen.
Die Schwierigkeiten mit dieser Reform bleiben also trotz Anerkennung der Ziele eklatant und der Minister bezieht die Fachwelt kaum ein. Unstrittig ist, dass die geplanten Strukturveränderungen erhebliche Investitionen erfordern. Nicht nur für die Umwandlung von Krankenhausstandorten in sektorenübergreifende Einrichtungen mit einer entsprechenden Leistungsverlagerung, sondern auch für die Erweiterung von Kapazitäten an Standorten der Maximalversorgung und Schwerpunktmedizin mit Zuordnung höherer Fallzahlen für einzelne Leistungsgruppen. Verunsicherung entsteht insbesondere dadurch, dass eine konkrete Auswirkungsanalyse fehlt. Aus der Regierungskommission hört man lapidar, dass mit einer Reduktion der Bettenkapazität um rund 30 % gerechnet wird. Befürchtungen kommen dabei auch aus strukturschwächeren Bundesländern, für die ein Abbau von Versorgungskonzepten nach Plänen, die überwiegend aus NRW mit einer besonders hohen Versorgungsdichte stammen, besonders prekär sein könnte.
Auch viele der Strukturvorgaben bleiben umstritten. So stellt sich z. B. die Frage, warum für die spezielle Kinderchirurgie eine Mindestpersonalvorgabe von fünf Fachärzten gelten soll, während etwa in der Neurochirurgie drei Fachärzte ausreichen. Belegärzte bleiben bei der Definition der chirurgischen Leistungsgruppen gleich völlig außen vor, was sie zukünftig auf Tätigkeiten in den sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen reduzieren würde. Auch keine Berücksichtigung findet die Ausstattung mit Ärzt:innen in Weiterbildung. Diese sollte aber mindestens in den Vorgaben zur Vorhaltefinanzierung eine Rolle spielen, um die Weiterbildung endlich auch finanziell abzubilden.
Noch vor der Sommerpause hatte der Bundesgesundheitsminister die erste Lesung des KHVVG im Bundestag und damit die Eröffnung des parlamentarischen Verfahrens erreicht. Da es zahlreiche Änderungsanträge geben wird, rechnen wir mit einem heißen Herbst. Die Bundesregierung wäre gut beraten, die Stimmen von Fachgesellschaften und Berufsverbänden einzubeziehen. Einen weiteren Schlag in die Rabatten kann sie sich nicht leisten.
Burgdorf F: Fehlschlag oder Change Management? Passion Chirurgie. 2024 September; 14(09/III): Artikel 05_03.
Autor des Artikels
Dr. med. Friederike Burgdorf
GeschäftsführerinBerufsverband der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC)Luisenstraße 58/5910117Berlin kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
31.01.2020 Politik
AWMF begrüßt Finanzierung von medizinischen Leitlinien
Durch das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) bestehen jetzt Möglichkeiten, medizinische Leitlinien und damit die Leitlinienarbeit der Fachgesellschaften in der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e.V. unabhängig zu finanzieren. Es wird zwei Unterstützungsbereiche geben: Die Förderung der Erstellung oder Aktualisierung kompletter Leitlinien über Mittel des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sowie die Förderung von Evidenzrecherchen zu einzelnen Fragestellungen in Leitlinien über das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Medizin (IQWiG) nach Beauftragung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG).
30.01.2020 BDC|News
BDC bewertet Vorschläge der KOMV positiv
Die Wissenschaftliche Kommission für ein modernes Vergütungssystem, kurz KOMV, hat ihren Bericht mit Vorschlägen für ein modernes Vergütungssystem vorgelegt. Kernfrage war, ob das deutsche Gesundheitssystem in der Vergütung ambulant-ärztlicher Leistungen zwei unterschiedliche Systeme für vergleichbare, wenn nicht sogar größtenteils identische medizinische Leistungen benötigt.
24.01.2020 EBM
EBM-Weiterentwicklung mit Wirkung zum 1. April 2020
Die EBM-Reform ist nunmehr abgeschlossen und der neue EBM tritt zum 1. April 2020 in Kraft. Insgesamt ergeben sich wenige Änderungen für die Fachgruppen Chirurgie und Orthopädie.
21.01.2020 Krankenhaus
Was erwarten Versicherte von einer guten Krankenhausversorgung?
Der vdek stellt auf seiner Neujahrs-Pressekonferenz 2020 die Ergebnisse einer Forsa-Umfrage zur Krankenhausversorgung vor. Wie stellen sich gesetzlich Krankenversicherte eine gute Krankenhausversorgung vor?
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.