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Vorwort: Top-Sharing in der Chefetage – Geht das?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Top-Sharing in Führungspositionen? Hierunter versteht man vereinfacht formuliert, dass zwei oder mehr Personen sich eine Führungsposition teilen. Ein Modell, welches in der Wirtschaft oder Politik bereits etabliert ist. Funktioniert es auch in der Medizin? Sind Kolleginnen und Kollegen an einem solchen Modell interessiert?

Eine vom Deutschen Ärztinnenbund finanzierte Pilotstudie an allen 37 deutschen Medizinfakultäten in den Fächern Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin, konnte aufweisen, dass 58 % der Befragten sich auf eine „Top-Sharing Stelle“ bewerben würden. Zudem erklärten 67 % der Befragten länger als bis zum 65. Lebensjahr arbeiten zu wollen. Interessanterweise betrachteten Frauen und Männer die Frage, ob Top-Sharing zu einer schlechteren Patientenversorgung führen könnte, etwas unterschiedlicher: während 21 % der Männer fürchteten, dass es zu einem Qualitätsverlust kommt, waren dies nur 11 % bei den Frauen.

Nachfolgendes Interview beleuchtet nach unserer Meinung sehr gut dieses Themenfeld.

Erhellende Lektüre wünschen

Prof. Dr. med. C. J. Krones und Prof. Dr. med. D. Vallböhmer

Ein Gespräch mit Dr. Pape-Köhler und Dr. Schulze Eilfing

Das Interview führte Olivia Päßler vom BDC.

Wie oder warum sind Sie Chefärztin geworden?
Pape-Köhler (PK) Am Ende meines Studiums bekam ich jedes Mal, wenn ich sagte, für welches Fachgebiet mein Herz schlägt, die Antwort: als Frau in der Chirurgie – hast du dir das wirklich überlegt. Kinder kannst du dann keine haben und Karriere wird als Frau auch schwer.

Hätte ich daran geglaubt, wäre ich nicht hier, wo ich bin. Solche Aussagen spornen mich eher an und ich dachte mir immer: wenn ich es wirklich will, wird es auch gehen. Während meiner Weiterbildungszeit habe ich oft daran gezweifelt, mir fehlten weibliche Vorbilder, vor Allem in Führungspositionen oder der Wissenschaft. Schnell war mir klar, dass ich in dem starren System nur Dinge verändern kann, wenn ich selbst in einer leitenden Position bin. Wenn ich nur fleißig und engagiert genug wäre, würde ich das erreichen, dachte ich und erlangte als damals erst 95. Chirurgin in Deutschland die Habilitation. Trotzdem musste ich zusehen, wie durch Schwangerschaft, Elternzeit und dann auch Teilzeittätigkeit jüngere oder beruflich unerfahrenere männliche Kollegen an mir vorbeizogen. Ich musste mich gegen viele Widerstände in der Männerdomäne Chirurgie durchsetzen, durfte trotz vieler Steine in meinem Weg, nicht den Mut verlieren, um dorthin zu gelangen wo ich heute bin: eine in Teilzeit arbeitende Chefärztin in einer hochspezialisierten Sparte der Chirurgie.

Was ist das Besondere an Ihrem Beruf?
PK  Als Chefärztin kann ich nun die Dinge verändern, die mich immer gestört haben. Außerdem kann ich Frauen und Männer fördern, die in Teilzeit arbeiten wollen, ich kann Wissenschaft und Klinik sinnvoll miteinander verbinden, ich kann eine patientenorientierte Medizin machen, die meinen Werten entspricht. Natürlich kann ich nicht alles umkrempeln, manche wirtschaftlichen oder organsiatorischen Grenzen muss ich akzeptieren. Aber ich kann vorleben, dass man sich nicht unterkriegen lassen darf, wenn man an etwas glaubt. Die Chirurgie ist ein so tolles Fach. In der Adipositaschirurgie erlebe ich jeden Tag, dass wir für Menschen das Leben verändern können, hin zu einem neuen, leichteren Leben. Diese Freude an dem Beruf darf man sich nicht durch die vielen Hindernisse nehmen lassen.

Schulze Eilfing (SE) In meiner Rolle kann ich Prozesse gestalten, wie ich sie selbst gerne hätte. Dazu gehört für mich das Thema Führung. Die Förderung von Frauen ist mir besonders wichtig: Wir haben es manchmal naturbedingt schwerer als es die Männer haben. Kinder zu bekommen bedeutete bisher oft den Karriereknick. Meine erste Stelle habe ich mit vielen Frauen gemeinsam begonnen. Keine ist in der Viszeralchirurgie geblieben. Viele haben ein Versagensgefühl, weil sie wegen der Familie zurückgesteckt haben. Ich möchte es jungen Frauen ermöglichen, trotz Muttersein bei der Chirurgie zu bleiben. Das bedeutet für mich, dass Frauen bei der Wiederkehr in Teilzeit nicht nur in der Ambulanz arbeiten oder den halben Tag Station machen müssen, sondern wieder operieren dürfen. Ich erlebe es so, dass gerade Frauen sehr engagiert sind und für ihren Beruf brennen. Ich möchte diese Frauen motivieren, dranzubleiben.

Wie schaffen Sie es, Familie und Beruf zu vereinbaren?
PK  Ich glaube, dass jemand, der alles unter einen Hut bekommen möchte, extrem gut organisiert sein muss. Ein Vorteil der geteilten Chefarztposition ist es, in Teilzeit arbeiten zu können. Das Bild des Chefarztes früher war, 24/7 verfügbar zu sein. Dieses Bild wandelt sich. Mir macht mein Beruf unglaublich viel Spaß, aber ich möchte auch für meine Familie da sein. Ich wollte mich nie entscheiden müssen zwischen Kindern und Karriere und arbeite seit 10 Jahren in Teilzeit. Das war manchmal schwer durchzuhalten, weil man als Teilzeitkraft einfach oft nicht ernst genug genommen wird und einem suggeriert wird, dass bestimmte Dinge nur in Vollzeit gehen. Ich wollte das aber nicht akzeptieren. Und unser Modell zeigt, dass es möglich ist.

SE  Unsere Kinder sind 11 und 9 und brauchen uns. Wir schaffen das, indem wir uns unsere jeweils volle Stelle flexibel gestalten können. Ich weiß, dass unsere Position ein echtes Privileg ist. Die Flexibilität, die wir dadurch genießen, möchten wir auch anderen ermöglichen. Wenn im Team jemand wichtige Termine hat für die Kinder, Zeit für das kranke Kind braucht oder Elternzeit nehmen möchte, ist das bei uns kein Problem. Und unser System wird nicht ausgenutzt! Wenn es möglichst planbare Termine sind, geht das gut. Unsere Krankheitsrate im Team ist extrem niedrig. Das Gefühl des Füreinander-da-Seins wirkt sich positiv auf unsere Arbeitskultur aus.

Was sind die Herausforderungen einer geteilten Chefarztrolle?
SE  Es können nicht beide alles machen, daher teilen wir uns die Gebiete auf, in denen wir jeweils führend sind. Auch die Mitarbeitergespräche haben wir uns aufgeteilt. Natürlich gibt es gelegentlich Reibungspunkte zwischen uns, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind. Vor dem Team müssen wir aber den Schulterschluss zeigen. Und was das Privatleben betrifft: So viele Vorteile die gemeinsame Arbeit in einer Ehegemeinschaft hat – zuhause muss manchmal einer von uns das Stoppzeichen zeigen. Auch wenn es schwerfällt: Beim Abendessen blenden wir die Klinik aus.

PK  Das wichtigste für beide Personen, die die Stelle gemeinsam ausfüllen, ist, mit einer Stimme zu sprechen. Schulterschluss ist unumgänglich, so wie bei Eltern auch. So ist das auch bei zwei Chefärztinnnen;). Zudem hat jede von uns ihren persönlichen Grund, weshalb sie in Teilzeit arbeiten möchte, diesen gilt es für beide zu respektieren. Man muss Verständnis füreinander haben.
Im Alltag ist es so, dass wir keine so fest abgegrenzten Aufgabengebiete haben wie es bei Frau Schulze-Eilfing der Fall ist. Unser Fachgebiet ist sehr spezialisiert und damit überschaubar, organisatorisch aber teilen wir uns auf. Um es für die Mitarbeitenden übersichtlich zu gestalten, standardisieren wir viele Prozesse. Vor allem im OP sind wir extrem gut abgestimmt: So führen wir beide exakt die gleichen OP-Schritte durch, damit das Team sich auf die Situation verlassen kann. Im OP sind wir so eingespielt wie Menschen, die in einer langen Beziehung sind.

Wie reagieren Patientinnen und Patienten?
PK  Zwei Frauen in Führung finden die meisten großartig. Viele wertschätzen es, wenn eine Frau Chefärztin ist und begrüßen dieses innovative Modell. Die Patient:innen schenken uns großes Vertrauen.

SE  Die Patientinnen und Patienten reagieren auf unser Modell grundsätzlich positiv. Allerdings bin ich auch schon die Situation gewohnt, in der sich alle Augen auf meinen Mann fixieren, weil er aussieht wie der geborene Chefarzt. Einmal machte ich die zweite Visite, als ein Patient mich fragt: Wollen Sie nicht auch mal Chefin werden? Da ist es wichtig zu kommunizieren, damit sie wissen, mit wem sie es zu tun haben. Und das kommt gut an.

Ihr Fazit?
PK In der geteilten Chefarztposition hat man natürlich auch ein geteiltes Gehalt. Dafür aber mehr Lebensqualität. Ich arbeite gerne im Team, oben wird die Luft aber dünner. Zu zweit wird man nicht einsam wie manch andere Kolleginnen und Kollegen in Chefarztposition. Außerdem können wir Entscheidungen gemeinsam treffen. Diesen „Luxus“ hat man sonst als Chefärztin nicht. Viele verschiedene Modelle der geteilten Chefarztposition sind denkbar und ermöglichen neue Führungsperspektiven in der Medizin bzw. Chirurgie.

SE  Die geteilte Chefarztrolle ist ein Zukunftsmodell, über das man nachdenken sollte, um Führung interessanter zu machen. Ich wollte das nicht alleine machen, weil es mich zeitlich überfordern würde. Es gibt viele Frauen, die sich die Position deshalb nicht zutrauen. Selbst wenn es für einen keine dauerhafte Situation ist, kann es für bestimmte Lebensphasen sinnvoll sein.

Zur Person

PD Dr. med. Carolina Pape-Köhler ist seit 2022 Chefärztin an der Adipositas Klinik in Bielefeld. Die 49-Jährige teilt sich die Stelle mit ihrer Kollegin, Dr. Beate Herbig. Dr. Pape-Köhler ist verheiratet und hat 3 Kinder.

Dr. med. Barbara Schulze Eilfing ist seit 2021 Chefärztin in der Allgemein-Viszeral und Gefäßchirurgie am Klinikum Warendorf. Die 44-Jährige und ihr Ehemann, mit dem sie zwei Kinder hat, arbeiten jeweils Vollzeit – er ebenfalls als Chefarzt.

Pape-Köhler C, Schulze Eilfing B: BDC-Praxistest: Geteilte Chefarztrolle – wie kann es funktionieren? Passion Chirurgie. 2024 September; 14(09/III): Artikel 05_01.

Autoren des Artikels

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Dr. med. Barbara Schulze Eilfing

ChefärztinAllgemein-, Viszeral – & GefäßchirurgieJosephs-Hospital WarendorfAm Krankenhaus 248231Warendorf kontaktieren
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PD Dr. med. Carolina Pape-Köhler

ChefärztinAdipositas KlinikKlinikum BielefeldAn der Rosenhöhe 2733647Bielefeld kontaktieren

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