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Der Tatendrang zu Beginn des Medizinstudiums ist groß. Ungeachtet der individuellen Motivation hinter der Wahl des Studienfachs sind die allermeisten Erstsemester bestrebt, jegliche Facetten der Medizin in medias res zu erleben.

Trotz der verbesserten Verzahnung von Theorie und Praxis dominiert weiterhin die sehr theoretische Natur der Grundlagenfächer. Der Prozess der Homogenisierung des naturwissenschaftlichen Kenntnisstands birgt somit erhebliches Frustrationspotenzial. Hierbei ist die Relevanz der vorklinischen Fächer absolut unumstritten, dennoch zeigt sich unter Studierenden nach wie vor der Wunsch nach frühzeitigen Einblicken in die klinische Praxis.

Genau dieses Interesse sollte besser genutzt werden, um angehenden Kolleginnen und Kollegen die Faszination Chirurgie nachhaltig näherzubringen. Der zentrale praktische Aspekt der chirurgischen Fächer bietet perfekte Voraussetzungen, um Studierenden eben jene Hands-on-Erfahrungen zu ermöglichen.

Die Ausbildung zur studentischen OP-Assistenz setzt exakt dort an. Das Programm möchte Studierenden die Möglichkeit bieten, parallel zum Studium und individuell angepasst an den Studienfortschritt ihr Kompetenzprofil im klinischen Alltag stetig weiterzuentwickeln. Zielgruppe sind natürlich nicht nur Studienanfänger, sondern auch Studierende aus fortgeschrittenen Fachsemestern, die aufgrund eines ausgeprägten chirurgischen Interesses über den Tellerrand des universitären Lehrangebots hinausschauen möchten.

Des Weiteren ist nicht zu vernachlässigen, dass das Studium für einige Kommilitoninnen und Kommilitonen eine finanzielle Belastung darstellt und so ein Beschäftigungsverhältnis zusätzlich zum zeitintensiven Studium notwendig macht. Eine Anstellung im Rahmen der Ausbildung zur studentischen OP-Assistenz garantiert somit, dass der Zuverdienst und die medizinische Ausbildung Hand in Hand gehen.

Studentische OP-Assistenz – Mehr als nur Haken halten

Die Ausbildung zur studentischen OP-Assistenz beschränkt sich in ihrer ursprünglichen Form auf den Erwerb des gleichnamigen Zertifikats der Chirurgischen Arbeitsgruppe Junge Chirurgie (CAJC) der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). Es soll Medizinstudierenden erste Erfahrungen im OP-Alltag ermöglichen und so das theoretische und praktische Handwerkszeug (Materialkunde, Knoten- und Nahttechniken etc.) für einen aktiveren Einsatz im OP vermitteln. Die Assistenz bei 15 konventionellen und 15 laparoskopischen Eingriffen sowie eine mündliche Abschlussprüfung sind Voraussetzung für die Verleihung des Zertifikats.

An einigen Standorten hat sich der Tätigkeitsbereich der studentischen Hilfskräfte aus diesem exzellenten Programm der CAJC erfreulicherweise jedoch weit über die reine Assistenz im OP hinausentwickelt. Dieser vielversprechende Ansatz geht mit der Etablierung eines „Studierendenpools“ einher, der Erwerb des oben beschriebenen Zertifikats stellt nur noch einen Teilaspekt des Gesamtkonzepts dar. Die im Folgenden beschriebenen Vorteile für Studierende, Ärzteschaft und Klinik basieren aber zum Großteil auf eben dieser Neuausrichtung.

Durch verschiedene Dienstmodalitäten können die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Studierendenpools sehr abwechslungsreiche Einblicke in den Krankenhausalltag erhalten und sich ein breites Spektrum an praktischen Fähigkeiten sowie Softskills aneignen. Beispielsweise beinhalten die Frühdienste unter der Woche das Begleiten der morgendlichen Visite und Frühbesprechung, anschließend erfolgt bei Bedarf die Assistenz bei etwaigen Programmpunkten im OP-Saal oder man widmet sich der Stationsarbeit. So können vor allem Studierende mit geringerem Studienfortschritt frühzeitig eine Routine bezüglich der venösen Punktion, der pVK-Anlage, des Verbandswechsels und des Umgangs mit Drainagen entwickeln.

Die Spät- und Nachtdienste richten sich an erfahrenere Studierende, da hier der diensthabende Assistenzarzt in der Notaufnahme begleitet wird. Im Vordergrund stehen die eigenständige Anamnese, körperliche Untersuchung, die chirurgische Wundversorgung und das Einleiten weiterer diagnostischer Maßnahmen (z. B. Sonographie). Das Ausmaß der delegierten Tätigkeiten richtet sich natürlich nach dem Kenntnisstand der Studierenden und findet unter direkter Supervision bzw. im Verlauf unter Nachkontrolle statt. Die Strukturierung der Dienste kann an die jeweiligen Gegebenheiten der Klinik angepasst werden.

Dienstplangestaltung und Organisation

Die Gestaltung der Dienstpläne erfolgt über ein monatsweise erstelltes Online-Dokument (Google Sheets o. ä.). Dieses wird zu einem vorher angekündigten Zeitpunkt ungefähr vier Wochen vor Beginn des jeweiligen Kalendermonats für den Pool zeitgleich freigeschaltet. Die Studierenden können sich daraufhin selbstständig für Dienste eintragen. Natürlich ist auch ein klassisches Dienstplansystem denkbar, doch zeigt die Erfahrung deutlich, dass die Attraktivität der Beschäftigung im Studierendenpool zu einem großen Teil aus diesem äußerst freien Konzept hervorgeht.

Eine fest vorgegebene Anzahl an Wochenstunden gibt es dabei nicht, sodass das Arbeitspensum flexibel an den individuellen Studienabschnitt angepasst werden kann. Über das Jahr verteilt sollte jedoch auf eine Mindestzahl an Dienstbeteiligungen geachtet werden, um den Workflow zu erhalten. Nach einmaliger Eintragung ist der Dienst für die Studierenden verpflichtend wahrzunehmen. Bei einer Verhinderung, bespielweise wegen Krankheit oder unterschätzter Lernzeit für eine Klausur, kann über einen beliebigen Messenger-Dienst oder Mailverteiler für Ersatz gesorgt werden. Nach dem jeweiligen Dienst bestätigen die Ärzte die abgeleisteten Stunden auf einem Stundenzettel, der als Grundlage für die monatliche Gehaltsabrechnung dient. Die genauen Einzelheiten lassen sich selbstverständlich an die individuellen Gegebenheiten des eigenen Hauses anpassen.

Zur Etablierung und Aufrechterhaltung eines solchen Studierendenpools fallen verschiedenste organisatorische Aufgaben an, für die es sich anbietet, zwei oder drei Studierende des Pools als Poolleitung einzusetzen. In enger Zusammenarbeit und Absprache mit der verantwortlichen Ärzteschaft kann die studentische Leitung eben jene entlasten und eine harmonische Kommunikation zwischen Ärzteschaft und Studierenden garantieren. In ihren Aufgabenbereich fällt dann neben der Erstellung und Freischaltung des Dienstplans auch die Anwerbung und Einstellung neuer Bewerberinnen und Bewerber, inklusive der Führung der Bewerbungsgespräche.

Darüber hinaus sollte die Poolleitung sicherstellen, dass neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durch bereits erfahrene Studierende adäquat eingearbeitet werden und alle weiteren organisatorischen Aspekte zu Beginn des Arbeitsverhältnisses (Namensschild, OP-Schlüssel, Arbeitskleidung, Computerzugang etc.) erledigt worden sind. Schließlich kann auch das Eintragen der Arbeitsstunden durch sie übernommen werden.

Studentische Hilfskräfte – Die Kolleginnen und Kollegen von morgen?

Der Mehrwert für die Klinik besteht offensichtlich in gut geschulten und kompetenten studentischen Hilfskräften, die vornehmlich die Assistentenschaft in Bezug auf Blutentnahmen, pVK-Anlagen, Assistenzen im OP und später auch in weitergehenden ärztlichen Tätigkeiten, beispielsweise in der ZNA, entlasten. Die Unterstützung im Klinikalltag ist dabei deutlich nachhaltiger als beispielsweise in einer Famulatur oder auch im Praktischen Jahr. Die gewonnene Zeit kann neben anderem auch für das Teaching der jungen Kollegen genutzt werden. Die Studierenden fühlen sich abgeholt und mitgenommen und ihr Kompetenzlevel steigt in praktischer und theoretischer Hinsicht weiter.

Daneben lässt sich bei länger andauernder Beschäftigung ein gutes Vertrauensverhältnis zu den Studierenden aufbauen, das zur Akquise des ärztlichen Pools von morgen genutzt werden kann. Durch eine gute Integration und enge Bindung an das Team werden zudem Hemmnisse bezüglich der Wahl eines chirurgischen Fachs abgebaut. Im Idealfall können nach dem Studium neue Mitarbeitende übernommen werden, die sich im Fach und in der Abteilung bereits bestens auskennen und die mit einem breiten, über das normale Maß deutlich hinausgehenden Spektrum an Fähigkeiten ausgestattet sind.

Die Einrichtung eines studentischen Hilfs-Pools birgt also für beide Seiten große Vorteile. Die Studierenden erhalten einen soliden Einblick in den klinischen Alltag chirurgischer Fächer, der in diesem Umfang im Studium keineswegs abgebildet wird. Sie können ihre praktischen Skills verbessern und nachhaltig das klinische Arbeiten erlernen, sodass der Berufseinstieg unabhängig von der dann gewählten Fachrichtung enorm erleichtert wird. Die Abteilung hingegen erhält durch kompetente und vertrauenswürdige Studierende eine echte Entlastung der ärztlichen Mannschaft. Durch das Einsetzen einer studentischen Leitung organisiert sich der Pool nach Etablierung zudem weitestgehend selbstständig. Es fällt also keinerlei Mehrarbeit für die Ärzteschaft an. Im Idealfall können die Studierenden bereits vor dem Berufseinstieg optimal vorbereitet und anschließend als Ärztinnen und Ärzte nahtlos übernommen werden.

Tillman L. Krones

12. Semester an der Goethe Universität Frankfurt

[email protected]

Fynn Vallböhmer

9. Semester an der RWTH Aachen

Universitätsklinikum Aachen

[email protected]

Gesundheitspolitik

Krones T, Vallböhmer F: BDC-Praxistest:
Aus dem Physikpraktikum an den OP-Tisch.
Passion Chirurgie. 2024 Oktober; 14(10):
Artikel 05_01.

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