16.01.2021 Politik
BDC-Kommentar: IT-Sicherheits-Richtlinie der KBV muss von den Krankenkassen erstattet werden
BDC-Vizepräsident Dr. Kalbe kommentiert die Verabschiedung der IT-Sicherheitsrichtlinie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
Die Bundesregierung treibt die Digitalisierung im Gesundheitswesen (und nicht nur dort) mit erheblichem Druck voran. Der zwangsweise Anschluss aller Arztpraxen an die Telematik-Infrastruktur hat bei vielen Vertragsärzten zu großem Verdruss geführt, zumal die Ärzte dabei jahrelang nur als kostenlose Dienstleister für den Stammdatenabgleich der Krankenkassen fungiert haben. Für das Jahr 2021 sind nunmehr weitere Funktionen der IT in der Pipeline, die wenigstens für die Patientinnen und Patienten (Notfalldaten-Management) und hoffentlich im Verlauf des Jahres auch durch die verbesserte innerärztliche Kommunikation (KIM-Dienste) einen gewissen Benefit versprechen.
Allerdings hat die zwangsweise elektronische Vernetzung der Ärzteschaft in einzelnen Praxen auch gravierende Sicherheitslücken in der Infrastruktur und Sicherheit der EDV-Anlagen und deren Anbindung offengelegt, die es Hackern ermöglichen würden, in die Praxissysteme einzudringen und sensible Patientendaten zu entwenden. Insofern ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass die KBV nach einem langen Diskussionsprozess nunmehr eine IT-Sicherheitsrichtlinie verabschiedet hat, deren Vorgaben alle Arztpraxen nach einer Übergangsfrist einzuhalten haben. Der Autor war als Delegierter der KBV-Vertreterversammlung in diesen Prozess eingebunden und kann bestätigen, dass diese – zweifellos immer noch sehr umfänglichen – technischen Vorgaben den besterreichbaren Kompromiss darstellen und dass eine erhebliche Verschlankung und pragmatische Anpassung gegenüber den ursprünglichen Forderungen des BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) erreicht werden konnte:
Abstufung des Sicherheitsaufwandes
Es war der Ärzteschaft besonders wichtig, den Umfang der vorgeschriebenen Maßnahmen an die Praxisgröße anzupassen. Dies ist nunmehr gelungen, indem 3 Stufen definiert und der IT-Sicherheitsaufwand daran angepasst wurde:
- Praxis: Praxis mit bis zu 5 ständig mit der Datenverarbeitung betrauten Personen
- Mittlere Praxis: Praxis mit 6-20 ständig der Datenverarbeitung betrauten Personen
- Großpraxis mit Datenverarbeitung im erheblichen Umfang: Praxis mit mehr als 20 ständig mit der Datenverarbeitung betrauten Personen oder mit komplexen EDV-Strukturen
Gestufte Umsetzung mit Fristen bis 2022
Darüber hinaus konnte eine gewisse zeitliche Streckung der Umsetzung bis zum 01.01.2022 erreicht werden. Trotzdem sollte man als Praxis-Inhaber ohne Verzögerung darangehen, die Anbindung der Praxis an das Internet zu überprüfen und notwendige Änderungen/Ergänzungen in Auftrag zu geben, zumal zahlreiche Vorgaben schon bis zum 01.04.2021 umzusetzen sind. Dies dürfte in den meisten Fällen die Einbeziehung von IT-Experten erfordern, für welche die KBV darüber hinaus ein Zertifizierungsverfahren anbietet. Dies ist zwar nicht obligatorisch, bietet aber dem Auftraggeber eine gewisse Sicherheit, dass der externe Dienstleister zumindest weiß, worum es geht.
Bei aller verständlichen Unzufriedenheit über diese erneute zusätzliche Belastung der Praxen ist zu berücksichtigen, dass es sich um die Umsetzung einer gesetzlichen Verpflichtung (§ 75b SGB V) handelt und dass damit auch die Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung gewährleistet werden.
Kosten und Refinanzierung
Es steht außer Frage, dass die Umsetzung der Vorgaben aus der IT-Sicherheitsrichtlinie mit erheblichen Investitionen und darüber hinaus mit laufenden Kosten für die Praxen verbunden ist. Deren Höhe ist abhängig von der Praxis-Größe und der bereits vorhandenen IT-Infrastruktur.
Bisher sind in der Refinanzierung der Telematik-Infrastruktur nur die zusätzlichen Kosten für den Konnektor, die Kartenlesegeräte und die Installation berücksichtigt. Die KBV und die Berufsverbände fordern einhellig, dass den Praxen auch die zusätzlichen Kosten für die in der Richtlinie vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen von den Krankenkassen erstattet werden müssen. Diese Forderung wird von der KBV in den Bewertungsausschuss eingebracht.
Konsequenzen für die niedergelassenen Chirurgen
Alle chirurgischen Praxen sollten Kontakt mit ihrem IT-Dienstleister aufnehmen und gemeinsam die IT-Sicherheitsrichtlinie als Checkliste abarbeiten. Sofern bestimmte dort empfohlene Maßnahmen unter Bezug auf die individuelle Praxisstruktur für nicht erforderlich gehalten werden, sollte dies mit einer Begründung schriftlich fixiert werden. Eine Beratung bieten neben den Softwareherstellern oft auch lokale IT-Dienstleister. Die Angebote sollten nach Leistungsumfang und Kosten verglichen werden.
Eine kompetente Beratung zur IT-Sicherheit und zu speziellen Versicherungslösungen bietet auch unser Kooperationspartner Ecclesia-med.
Darüber rät Ihnen Ihr Berufsverband dringend, Ihren elektronischen Arztausweis zu beantragen, sofern dies noch nicht geschehen ist. Dazu rufen Sie bitte die entsprechende Homepage einer der bisher zugelassenen Dienstleister auf:
- Bundesdruckerei
- Medisign
- Telekom
Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte an die IT-Beratung Ihrer Kassenärztlichen Vereinigung oder an Ihren Berufsverband.
Dr. med. P. Kalbe Vizepräsident
Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V.
Weitere Artikel zum Thema
01.02.2018 Politik
Leben retten und Fehler vermeiden: Was Intensivmediziner von der Luftfahrt lernen können
Auf der Intensivstation kann eine falsche Entscheidung schnell zum Tod oder zur dauerhaften Behinderung des Patienten führen. „Jeden Tag arbeiten Ärzte und Pflegekräfte hier an einer kritischen Grenze. Die Intensivmedizin ist ein Hochrisikobereich“, sagt Dr. Jens-Christian Schwindt, Gründer der Firma SIMCharacters, die Simulationstrainings für Teams pädiatrischer Intensivstationen anbietet.
01.02.2018 Politik
Kliniken müssen ausreichend Personal auf Intensivstationen vorhalten
Krankenhäuser müssen verpflichtet werden, ausreichend Personal auf Intensivstationen vorzuhalten, fordert der Marburger Bund. „In den Kliniken werden zunehmend mehr Intensivpatienten versorgt, ohne dass die Personalausstattung damit Schritt hält. Die Betreuungsrelation ist zu gering, überlastet Ärzte und Pflegende, erhöht die Fehlerrate und führt zwangsläufig zu Verschlechterungen in der Versorgung.
01.02.2018 Aus- & Weiterbildung
Nachwuchsförderungsprogramm der DGCH und des BDC für Studierende
Im Sommer 2017 fand bereits zum fünften Mal in Folge die Veranstaltung „Chirurgische Woche“ in Tübingen statt, an welcher 25 Studenten aus Berlin, Düsseldorf, Greifswald, Marburg, München, Würzburg, Kiel, Köln aber auch Thessaloniki (GRC) und Riga (LVA) teilnahmen. Die „Chirurgische Woche“ ist eine Initiative der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) sowie dem Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) zur Begeisterung Studierender für die Chirurgie und Förderung des chirurgischen Nachwuchses durch enge Einbindung der Assistenten in das Kursprogramm.
31.01.2018 Politik
Arzneimittelausgaben 2017: Anstieg niedriger als erwartet
Die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind im Jahr 2017 um 3,1 Prozent auf 35,2 Mrd. Euro gestiegen. Das ist weniger als in der Rahmenvorgabe von Ärzten und Krankenkassen erwartet (3,2 Prozent) und bedeutet eine Wachstumsabschwächung im dritten Jahr in Folge – nach 8,9 Prozent (2014), 5,0 Prozent (2015) und 3,8 Prozent (2016).
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.