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BDC-Praxistest: Video-Sprechstunden in der Chirurgie

Vorwort „Die Online-Sprechstunde – Fortschritt oder Gimmick?“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung in der Medizin einen weiteren Schub verliehen. Die Kontaktsperren belasten neben vielem anderen auch die Arzt-Patienten-Kommunikation. Dazu meiden viele Menschen Praxis oder Krankenhaus aber auch aus Angst sich zu infizieren. Online-Sprechstunden könnten dem entgegenwirken.

Doch das Thema existiert nicht erst seit der Virus-Vulkan in Wuhan ausgebrochen ist. Tatsächlich hatte der Deutsche Ärztetag bereits 2018 durch die Lockerung des Fernbehandlungsverbots die Möglichkeit einer Online-Sprechstunde geschaffen. Und im Nachgang übernahmen auch die Landesärztekammern die Lockerung in ihre Berufsordnungen – allerdings mit der Einschränkung, dass die teilnehmenden Ärzte nur max. 20 Prozent der Patient:innen ausschließlich online behandeln dürfen.

Danach blieb es um die Online-Sprechstunde zunächst doch wieder sehr ruhig – zu groß war wohl die Skepsis auf Seiten der Betreiber und auch das Interesse auf Seiten der Empfänger. Doch durch die umfangreichen Einschränkungen der Pandemie ist das Thema wieder richtig aufgepoppt, denn die „Kontaktfreudigkeit“ aller Beteiligten hat nachgelassen. Und so wurde bereits zum 01. April 2020 die „20-Prozent-Beschränkung“ (befristet) aufgehoben. Seitdem dürfen außer Radiologen, Pathologen, Nuklearmedizinern und Laborärzten alle Arztgruppen unbegrenzt ihre Patient:innen online beraten.

Doch weiterhin bleibt das Echo zur Online-Sprechstunde geteilt. Einige Beteiligte sparen sich hoch erfreut lange Wege und Wartezeiten vor allem in spezialisierten Zentren und loben, dass online auch in Corona-Zeiten die Angehörigen am Arzt-Gespräch teilnehmen können. Das spiegelt auch die aktuelle Umfrage des Digitalverbandes Bitkom aus März 2020, in der zwei Drittel das Angebot von Online-Sprechstunden begrüßen. Die Kritiker fürchten dagegen eine weitere Entfremdung des Arzt-Patienten-Verhältnisses weg von der alten Basis des tiefen, persönlichen Vertrauens hin zu einer konsumatorischen Dienstleistung, die Fehldiagnosen oder Behandlungsfehler fördert.

Grund genug für uns das Thema von verschiedenen Standpunkten zu beleuchten.

Erhellende Lektüre wünschen

Prof. Dr. med. C. J. Krones und Prof. Dr. med. D. Vallböhmer

Wer hat in den letzten Monaten der COVID-Pandemie nicht mit dem Gedanken gespielt, seinen ambulanten Patienten eine Video-Sprechstunde anzubieten – und musste dann nach einer ersten Recherche unter dem Stichwort „Telemedizin“ feststellen, dass alles gar nicht so einfach ist, wie von den Protagonisten dieses Formats immer propagiert wird. Deswegen dieser Beitrag „Video-Sprechstunde“, der für den niedergelassen wie klinisch tätigen Chirurgen die rechtlichen Grundlagen, technische Umsetzung, ökonomische Aspekte sowie Praktikabilität und Akzeptanz im chirurgischen Alltag darstellen und bewerten soll.

Video-Sprechstunden als Teil der Telemedizin

Zunächst zu den Begrifflichkeiten. Wie von der Arbeitsgemeinschaft Telemedizin der Bundesärztekammer (BÄK) beschrieben, werden unter dem Begriff Telemedizin verschiedene ärztliche Versorgungskonzepte zusammengefasst, die alle den prinzipiellen Ansatz aufweisen, dass die medizinische Leistung einer Gesundheitsversorgung in den Bereichen Diagnostik und Therapie sowie ärztlicher Entscheidungsberatung über eine räumliche oder auch zeitliche Distanz erbracht wird [1]. Hierfür werden digitale Informations- und Kommunikationstechnologien verwendet, die zwei grundsätzlich unterschiedliche Anwendungsbereiche bieten.

Auf der einen Seite werden zunehmend Applikationen (APP) mit einer eigenen Funktionalität entwickelt, mit denen eine Indikations- und Diagnosestellung erfolgt, die automatisiert ausgewertet und in die Behandlung mit einbezogen wird. Das beste Beispiel hierfür ist die digitale Überwachung von Patienten mit Herzinsuffizienz, deren Nutzen mittlerweile in großen Studien evaluiert wurde (Fontane Studie), sodass die routinemäßige (digitale) Anwendung in Leitlinien empfohlen wird und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) diese Leistung in die Versorgung übernimmt [2, 3]. Entscheidend für diese Form der Telemedizin ist, dass die ärztliche Aufgabe der Bewertung von Patientendaten zum Teil automatisiert durch digitale Algorithmen ersetzt wird (Arztvorbehalt). Auf der anderen Seite stehen die telemedizinischen Sprechstunden (sog. Video-Sprechstunden), die zwar eine fundamentale Änderung der ärztlichen Arbeitsweise im Hinblick auf die Arzt-Patient Kommunikation nach sich ziehen, aber keine grundsätzliche Veränderung der medizinischen Beratung, Indikationsstellung und Behandlung beinhalten. Um diese Form der Telemedizin geht es im weiteren Beitrag.

Akzeptanz und Nutzung der Video-Sprechstunden

Die gegenwärtige Corona-Pandemie hat einen erheblichen Impuls zur Implementierung dieser online-Sprechstunden ausgelöst, auch wenn die Notwendigkeit einer solchen digitalen Neuorientierung im Gesundheitswesen schon lange vor der Pandemie erkannt und auch auf verschiedenen Ebenen initiiert wurde. Die Corona-Pandemie ist somit nicht Auslöser, sondern lediglich Treiber dieses grundlegenden Wandels der Arzt-Patient Kommunikation.

Verdeutlicht wird die zunehmende Bedeutung von Online-Sprechstunden durch verschiedene Förderprogramme, die Bund und Ländern seit 2015 für diesen telemedizinischen Bereich eingerichtet haben. Das Bundesland Hessen hat Mitte 2017 eine E-Health Initiative gestartet und stellte für telemedizinische Innovationsprojekte bis zu 6 Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Ende 2019 wurde ein vom Land NRW mit 2 Millionen Euro gefördertes Programm zusammen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen vorgestellt, welches zum Ziel hatte, verschieden Aspekte der Telemedizin in der Fläche zu implementieren. Das größte Förderprogramm wurde 2015 vom Bund aufgelegt. In diesen Innovationsfond wurden zwischen 2016 und 2019 jedes Jahr 225 Millionen Euro zur Förderung neuer Versorgungsformen, also auch der Telemedizin, investiert. Der zuständige Ausschuss dieses Innovationsfonds, der beim G-BA und Leitung des Vorsitzenden Prof. Hecken angesiedelt ist, entscheidet hier anhand von Evaluationsberichten, welche Projekte realistisch in die Regelversorgung überführt und deshalb weiter gefördert werden [4].

Auch wenn die Tagespresse versucht, Online-Videosprechstunden schon zum Standard der medizinischen Kommunikation zu erheben, sind diese gegenwärtig weit davon entfernt, das traditionelle Arzt-Patient Gespräch in Präsenz der beiden Kommunikationspartner zu ersetzen. Auch in den kommenden Jahren ist eine flächendeckende Anwendung in der ärztlichen Kommunikation nicht zu erwarten. Verlässliche Zahlen zum anteilmäßigen Gebrauch dieses online-Mediums an den ambulanten Patientenkontakten liegen nicht vor und so sind es überwiegend Einzelberichte, welche die verschiedenen Möglichkeiten einer sinnvollen Nutzung aufzeigen. Die Akzeptanz von Seiten der Patienten scheint hier ein Generationsproblem zu sein und daraus ergibt sich die Frage nach Zugang und Kenntnis der notwendigen Hard- und Software. In einer Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gaben 50 Prozent der über 70-Jährigen an, kein Internet zu nutzen. Insofern ist die Skepsis vieler Versicherten bei der Digitalisierung des Arzt-Patienten-Kontaktes gut nachvollziehbar. Auf der anderen Seite zeigen zwei repräsentative Umfragen zur Digitalisierung und Technologisierung im Gesundheitswesen, dass es insgesamt eine hohe Bereitschaft zur Inanspruchnahme dieser Dienste gibt [5].

Die möglichen Vorteile der Online-Sprechstunden liegen für beide Seiten, Arzt wie Patient, auf der Hand. Diese sind:

  • eine flexible Integration in den Praxis- und Klinikalltag mit Verkürzung von Wartezeiten der Patienten, damit ein effizientes Zeitmanagement im Rahmen des seit Mai 2019 geltenden Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG),
  • einen besseren Zugang zu wohnortfernen Spezialisten und damit verbunden die Steigerung eines flächendeckenden medizinischen Angebotes,
  • daraus resultierend eine bessere Nutzung der personellen ärztlichen Ressourcen,
  • Zeit- und Kostenersparnis für den Patienten durch redundante Fahrten zum Arzt
  • sowie unter den Bedingungen der gegenwärtigen Pandemie eine Reduktion der Patientenkontakte und damit eine Steigerung des Infektionsschutzes für Patienten sowie für ärztliches und nicht-ärztliches Personal.

Stand 2020 ist jedoch, dass entsprechend den Anforderungen der Bundesärztekammer telemedizinische Sprechstunden primär additiv zu den herkömmlichen Versorgungsmaßnahmen zu verstehen sind. Der Deutsche Ärztetag 2018 stellte mit Änderung der Musterberufsordnung fest, dass nach wie vor der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt der Goldstandard ist und bleibt. Unter dieser Maxime kann jetzt überlegt werden, in welchem Setting Online-Sprechstunden zum Einsatz kommen und medizinisch sinnvoll sind.

  • Von rund 13.800 Chirurg:innen sowie Orthopäd:innen und Unfallchirurg:innen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, haben im 2. Quartal 2020 n = 685 (5%) und im 3. Quartal 2020 n = 380 (3%) die Videosprechstunde nach der GOP 01450 mindestens einmal berechnet.
  • Mehr als 30 Mal je Quartal berechneten Chirurg:innen bzw. Orthopäd:innen und Unfallchirurg:innen n = 93 (0,7%) im 2. Quartal und n = 44 (0,3) im 3. Quartal die Videosprechstunde (GOP 01450).
  • 73% der Chirurg:innen (einschl. O&U), die die 01450 abrechnen sind Orthopäd:innen und Unfallchirurg:innen, 11% Allgemeinchirurg:innen.

Quelle: Abrechnungsstatistik der KBV

Fachbezogene Anwendung der Video-Sprechstunden

Es liegt auf der Hand, dass die oben beschriebenen Vorteile nicht für alle Fachdisziplinen gleiche Gültigkeit haben und auch innerhalb einer Fachdisziplin das Krankheitsbild über die Sinnhaftigkeit einer Nutzung von Online-Sprechstunden entscheidet.

Einen festen Platz haben sich Online-Formate in den psychotherapeutischen Sprechstunden inklusive der neuropsychologischen Therapie erobert, wobei ein großer Teil dieser Behandlungen zunächst in einem Face-to-Face Setting begonnen und dann online fortgesetzt wird [6, 7]. Auch in der Pneumologie wird den Online-Sprechstunden ein großes Potential attestiert, da bei steigender Prävalenz der häufigen Erkrankungen COPD, Asthma bronchiale und Schlafapnoe eine flächendeckende Versorgung gerade im ländlichen Bereich zunehmend schwieriger wird. Sinnvoll ist die Nutzung der Videosprechstunden im Verbund mehrerer Ärzte verschiedener Disziplinen. Ein Beispiel hierfür ist ein vom Innovationsfond gefördertes Projekt im Bereich der Teledermatologie. Hier wird in der ländlichen Region Mecklenburg-Vorpommern der Aufbau eines Netzwerkes evaluiert, der die Behandlung von Patienten mit dermatologischen Erkrankungen in einer koordinierten Versorgungskette zwischen erstbetreuenden Hausarzt, Dermatologen und Krankenhaus durch telemedizinische Konsile sicherstellen soll.

Was folgt aus diesen Beispielen für die Umsetzung von Online-Sprechstunden in der Chirurgie? Auf der eine Seite des Spektrums stehen alle Krankheitsbilder, die zwingend eine körperliche Untersuchung und Befunderhebung zur Diagnosefindung erfordern und daher nicht geeignet für dieses Kommunikationsmedium sind. Das gilt sicherlich für das akute Abdomen, bei dem die klinische Untersuchung führend für die Diagnosestellung ist. Schwierig erscheint auch, in der Orthopädie und Unfallchirurgie Bewegungsausmaße verschiedener Gelenke online zu untersuchen, um den Erfolg einer Operation sicher beurteilen zu können. Aber ist die postoperative Beurteilung einer Wunde über ein Online-Medium möglich? Hier wird es unter den Chirurgen schon geteilte Meinungen geben und die angebotene Bildqualität über das Internet wird einen wesentlichen Faktor darstellen. Sinnvoll dagegen erscheint der Einsatz bei allen chirurgischen Erkrankungen, die multiple Arztkontakte beinhalten und bei denen, nach einem persönlichen Erstkontakt mit Festlegung eines Behandlungskonzeptes, die Befundkontrollen im weiteren Verlauf der Behandlung online durchgeführt werden. So ist es in der chirurgischen Onkologie problemlos möglich, im Verlauf eines multimodalen Therapiekonzeptes einschließlich der Tumornachsorge, den Patienten zu festgesetzten Terminen über das Online-Medium an die behandlungsführende Klinik zu binden. Die wenigen Beispiele zeigen, dass sich die Chirurgie ihr fachbezogenes Anwendungsgebiet von Online-Sprechstunden erst noch erobern muss und sich erst durch die Nutzung dieses Mediums die wirklichen Limitationen herauskristallisieren werden.

Rechtliche Grundlagen und Datenschutz der Video-Sprechstunden

Ein Beschluss der Bundesärztekammer (BÄK) und eine Gesetzesinitiative des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) mit den bestehenden gesetzlichen Grundlagen im Sozialgesetzbuch (SGB V) schaffen gegenwärtig die notwendigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Implementierung von telemedizinischen Sprechstunden.

Auf dem 121. Deutschen Ärztetag 2018 in Erfurt wurde von den Delegierten nach kontroverser Diskussion, dann aber mit großer Mehrheit eine Änderung der Musterberufsordnung (MBO-Ä) beschlossen und das bisher geltende berufsrechtliche Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen aufgehoben. Demnach sollen eine Beratung und Behandlung über verschiedene Kommunikationsmedien zukünftig auch ohne persönlichen Erstkontakt erlaubt sein, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt gewahrt wird und der Patient über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über diese Medien aufgeklärt wurde (MBO-Ä § 7, Abs. 4) [8]. Detaillierte Hinweise und Erläuterungen sowie ein Fragekatalog zur Änderung der Musterberufsordnung finden sich in den Bekanntmachungen der BÄK (Stand 03/2019) [9, 10]. Da die Regelungen der MBO-Ä in den Berufsordnungen der einzelnen Bundesländer umgesetzt werden müssen, muss jeder Arzt die Voraussetzungen der Zulässigkeit der ausschließlichen Fernbehandlung in seinem Bundesland prüfen.

Nach einem ersten Referentenentwurf im Mai 2019 trat bereits am 19. November 2019 das ‚Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation‘ (Digitales Versorgungsgesetz, DGV) in Kraft (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019, Teil I Nr.49) [11]. Dieses Gesetzespaket umfasst drei Schwerpunkte: Neben der verpflichtenden Einführung eines sicheren digitalen Netzwerkes im Gesundheitsbereich sowie dem möglichen Gebrauch von Gesundheits-Apps auf Rezept soll der Ausbau und Zugang zu Videosprechstunden im klinischen Alltag als eine ergänzendes Medium in der Arzt-Patient Kommunikation vorangetrieben werden.

Für Vertragsärzte ist des Weiteren die Videosprechstunde als telemedizinisches Verfahren gesetzlich geregelt in §§ 365, 368 SGB V. Hierzu hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit dem GKV-Spitzenverband eine Vereinbarung über die Anforderungen an die technischen Verfahren zur Videosprechstunde geschlossen, die als Anlage 31b dem BMV-Ä beiliegt. Ebenso haben diese Parteien eine Vereinbarung über telemedizinische Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung geschlossen, die dem BMV-Ä als Anlage 31 beigefügt ist. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat auf ihrer Homepage Informationen zu Anforderungen, Vergütung und Organisation der Video-Sprechstunde zur Verfügung gestellt [12].

Mit der Novellierung der ärztlichen Berufsordnung und der Lockerung des Verbots der ausschließlichen Fernbehandlung durch den Deutschen Ärztetag 2018 werden aus juristischer Sicht zwei Fragen aufgeworfen, die gegenwärtig noch nicht abschließend beantwortet sind. Dies sind zum einen die rechtswirksame Qualitätssicherung der ärztlichen Beratung und Behandlung und zum anderen die Datensicherheit und Datenschutz der ärztlich erhobenen Informationen. Die Komplexität nimmt ohne Frage zu. Wie vom Deutschen Ärztetag festgestellt und von Rechtsexperten bestätigt, gilt die physische Präsenz des Arztes weiter hin als Goldstandard der ärztlichen Beratung und Behandlung. Bei der ausschließlichen Fernbehandlung ist jedoch die Einhaltung dieses fachlichen Standards nicht gewährleistet, zumal ein „Fernbehandlungs-Standard“ noch nicht definiert wurde. Daher ist fraglich, ob im Schadensfall einer fehlerhaften Beratung oder einem Befunderhebungsfehler dieses online-Medium juristischen Bestand hat. Von Seiten der Juristen wird zudem darauf hingewiesen, dass die Inanspruchnahme einer Video-Sprechstunde keine stillschweigende Vereinbarung einer Abweichung vom Standard impliziere und daher Zivilgerichte solchen privatautonomen Vereinbarungen Im Sinne des Patientenschutzes engen Grenzen ziehen würden. Dies bedeutet, dass der behandelnde Arzt für einen Schaden haftbar gemacht werden kann, den der Patient in einer persönlichen Behandlung oder Beratung nicht erlitten hätte [13].

Die wichtigste juristische Implikation dieser bestehenden Rechtsunsicherheit betrifft die Aufklärung zur Operation. Aufgrund der BGH-Rechtsprechung zur wirksamen Aufklärung per Telefon dürfte aus juristischer Sicht eine Fernaufklärung allerdings nur in medizinisch einfach gelagerten Fällen als zulässig anzusehen sein, wenn der Patient sich mit der fernmündlichen Aufklärung einverstanden erklärt hat, der Arzt die Möglichkeit hatte, auf individuelle Belangte des Patienten einzugehen und Fragen zu beantworten und er sich davon überzeugt hat, dass der Patient die Aufklärung verstanden hat. Bei komplizierten Eingriffen bzw. Behandlungen mit erheblichen Risiken ist eine fernmündliche Aufklärung nach der geltenden Rechtslage regelmäßig unzureichend. Aus den genannten Gründen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer ausschließlich fernmündlichen, also telemedizinischen OP-Aufklärung abzuraten, eine erste dokumentierte Aufklärung in der online-Sprechstunde im Rahmen der Stufenaufklärung, wenn also eine weitere Aufklärung dann im persönlichen Gespräch noch erfolgt, aber statthaft. Dies gilt insbesondere für komplexe chirurgische Eingriffe, die eine klinisch relevante Morbidität und Mortalität haben.

Hinsichtlich des Datenschutzes ist der Arzt, der telemedizinische Verfahren einsetzt, grundsätzlich Verantwortlicher i. S. d. Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO). Bei Einsatz eines Webportals oder Ähnlichem besteht ggf. eine gemeinsame Verantwortlichkeit nach Art. 26 DS-GVO mit dem Plattformbetreiber. Dies bedeutet, dass der Arzt jedenfalls innerhalb seiner Praxis die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Datensicherheit und zum Datenschutz zu ergreifen hat. Für die Anwendung der Telematik-Infrastruktur regeln die §§ 306, 307 SGB V die Verantwortlichkeiten des Vertragsarztes. Bei Einsatz solch neuer Technologien muss auch stets geprüft werden, ob der Arzt vor deren Anwendung eine Datenschutzfolgenabschätzung nach Art. 35 DS-GVO durchführen muss. Ist dies der Fall, ist der Arzt auch zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet.

Technische Voraussetzungen und Durchführung der Video-Sprechstunde

Um einen ordnungsgemäßen Ablauf einer Online-Sprechstunde gewährleisten zu können, müssen bestimmte Grundvoraussetzungen geschaffen werden. Diese haben einerseits zum Ziel, durch funktionelle Technik eine störungsfreie und angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Andererseits sind bestimmte strukturelle, bauliche und digitale Bedingungen notwendig, um den juristischen Voraussetzungen im Umgang mit sensiblen und persönlichen Patientendaten zu genügen und um durch die korrekte Dokumentation die Abrechenbarkeit mit den Krankenkassen zu ermöglichen.

Der Patient selbst muss lediglich dafür Sorge tragen, dass er ein internetfähiges Endgerät sowie eine stabile Internetverbindung zur Verfügung hat. Dies kann ein Tablet, ein Smartphone, ein Laptop oder ein PC darstellen, die selbstverständlich mit einer funktionstüchtigen Kamera, einem Mikrofon sowie Lautsprechern ausgestattet sein müssen. Obwohl die meisten zertifizierten Videodienstanbieter auch einen Login auf Ihrer Webpage über einen Zugangscode anbieten, wird der Kontakt am einfachsten über einen Link hergestellt. Dieser wird digital versandt, so dass der Patient zudem noch auf eine E-Mail-Adresse Zugriff haben muss.

Die Anforderungen an die technischen Verfahren zur Durchführung von Videosprechstunden in der vertragsärztlichen Versorgung, insbesondere Einzelheiten hinsichtlich Qualität und Sicherheit sowie die Anforderungen an die technische Umsetzung werden in der Anlage 31 b des Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) geregelt [14]. Die Zugangsbedingungen im technischen Bereich auf der Seite der Praxen/Krankenhäuser entsprechen in etwa den Voraussetzungen auf Patientenseite. Allerdings empfiehlt sich, im Hinblick auf Professionalität und Außendarstellung einen gewissen Grad an Ton- und Bildqualität zu gewährleisten. Dies wird am ehesten durch ein fest installiertes Kamera- und Videosystem garantiert; von einer Videosprechstunde über ein Smartphone auf ärztlicher Seite wird dringend abgeraten. Mit diesen Vorrausetzungen braucht es dann lediglich noch eine stabile Internetverbindung.

Grundsätzlich gilt, dass eine Videosprechstunde nur unter den Rahmenbedingungen eines reellen Arzt-Patientengespräch stattfinden sollte. Daher wird empfohlen, einen entsprechend ausgestatteten Raum zu schaffen, der neben stabilen technischen Voraussetzungen auch einen störungsfreien und vertraulichen Verlauf des Arzt-Patientengesprächs sichert. Ebenso wie bei einem Präsenzkontakt eines Patienten darf das Gespräch keinen unbeteiligten Personen zugänglich sein. Der digitale Einblick in das persönliche Büro des Arztes ist der erste Eindruck des Patienten von seinem behandelnden Arzt.

Vor der Durchführung der Sprechstunde muss der Patient seine Einwilligung erklären, dies kann in Abhängigkeit des verwendeten Anbieters über das System oder direkt über den Arzt selbst erfolgen. Für den Fall, dass der Patient zuvor noch nicht in der Praxis oder Klinik vorstellig war, müssen seine Stammdaten (Bezeichnung der Krankenkasse, Name und Vorname, Geburtsdatum, Versichertenart, Postleitzahl des Wohnorts, Krankenversichertennummer) digital erfasst werden. Hierzu kann der Patient seine Versichertenkarte in die Kamera halten, so dass seine Identität geprüft werden kann. Insgesamt darf eine Sprechstunde nicht anonym ablaufen, der Klarname des Patienten (Identität) muss für den Arzt erkenntlich sein. Zu Beginn der Sprechstunde der Videosprechstunde hat auf beiden Seiten eine Vorstellung aller im Raum befindlichen Personen zu erfolgen. Im Anschluss an das Sprechstundengespräch ist eine korrekte Dokumentation der Diagnosen und Leistungen selbstverständlich, um einen nachvollziehbaren medizinischen Verlauf und eine möglichst vollständige Abrechnung zu gewährleisten.

Kommerzielle Anbieter von Video-Sprechstunden

Die Zahl der kommerziellen Anbieter ist groß und unter der COVID-Pandemie noch größer geworden. Viele bieten ihre Dienste zudem für Einsteiger kostenfrei an. Bei der Wahl des Videodienstanbieters ist darauf zu achten, dass dieser bei der KBV in Bezug auf die technische Sicherheit und den Datenschutz zertifiziert ist. Der Videodienstleister muss zwingend gewährleisten, dass die Video-Sprechstunde während der ganzen Übertragung Ende-zu-Ende verschlüsselt ist und die Übertragung über eine Peer-To-Peer-Verbindung (d. h. ohne Nutzung eines zentralen Servers) stattfindet. Die genauen Voraussetzungen hierfür sind in der Anlage 31b zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) geregelt, die voraussichtlich im ersten Quartal 2021 in einer neuen Fassung erscheint. Auch wenn die KBV selbst nicht die Zertifizierungsinstanz der verschiedenen Anbieter darstellt, bietet Sie auf Ihrer Homepage eine Liste der zertifizierten Anbieter an. Vergleichbare Listen sind ebenfalls auf den Webseiten der meisten Kassenärztlichen Vereinigungen zu finden. Auf der Liste der KBV sind zum aktuellen Zeitpunkt 44 zertifizierte Anbieter aufgeführt (Stand 19.10.2020) [12]. Aufgrund der großen Anzahl und unterschiedlichen Leistungen lohnt sich ein Vergleich der Konditionen. Die Anbieter unterscheiden sich in der vertraglichen Laufzeit und Kündigungsfristen sowie vielfältigen technischen Details wie der Möglichkeit des Dokumentenaustauschs über die Plattform oder der Anzahl der möglichen Gesprächsteilnehmer. Die Kosten liegen gegenwärtig zwischen 39 und 139 Euro monatlich, je nach Anbieter und Leistungsumfang. Zudem offerieren manche Anbieter die Möglichkeit einer Einzelgesprächsabrechnung, die zwischen 1,99 Euro und 3,99 Euro pro Gespräch angeboten wird.

Abrechnung von Video-Sprechstunden

Das Bemühen, Online-Sprechstunden unbürokratisch attraktiv zu machen, ist unübersehbar. Die KBV und der GKV-Spitzenverband einigten sich aufgrund der Corona-Pandemie über zahlreiche Sonderreglungen in der ambulanten Versorgung. Hierzu gehören auch die Videosprechstunden, die hinsichtlich Fallzahl und Leistungsmenge weiter unbegrenzt in der ambulanten Versorgung angeboten werden können. Diese Sonderregelungen wurden zuletzt im Dezember 2020 für weitere drei Monate verlängert und gelten nun zunächst mindestens bis zum 31. März 2021. Video-Sprechstunde müssen jedoch zunächst bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) anzeigt werden, die im Rahmen der Corona-Pandemie in der Regel ein unbürokratisches Verfahren zur Anmeldung anbieten [15]. Die Verfahren hier sind regional unterschiedlich und können über die zuständige KV erfragt werden, eine gute Übersicht bietet hier die KBV auf ihrer Homepage.

Die Abrechnung der Videosprechstunde über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) ist seit dem 01. April 2017 möglich und wird über die übliche Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale vergütet [16]. Zusätzlich kann ein Technikzuschlag GOP 01450 (40 Punkte/4,45 Euro) abgerechnet werden, dieser ist auf maximal 1899 Punkte (205,52 Euro) gedeckelt. Im Rahmen der Anschubfinanzierung können Arztpraxen ebenso die GOP 01451 (92 Punkte/10,23 Euro) ansetzen, wenn die Praxis mindestens 15 Sprechstunden im Quartal durchführt. Diese Ziffer ist auf 50 Videosprechstunden pro Quartal begrenzt und gilt seit dem 01.10.2019 für zwei Jahre. Weiterhin existiert bis zum 30.09.2021 befristet die GOP 01444 (10 Punkte/1,11 Euro). Diese soll dem zusätzlichen Aufwand des Praxispersonals für die Authentifizierung neuer Patienten Rechnung tragen, wenn die persönlichen Stammdaten aufgrund der virtuellen Vorstellung des Patienten nicht über die elektronische Gesundheitskarte automatisiert erfasst werden können. Insgesamt wird die Pauschale neben den möglichen Zuschlägen in voller Höhe gezahlt, wenn im selben Quartal noch ein weiterer persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden hat. Wird der Patient in dem Quartal nicht mehr persönlich vorstellig, ist wie zum Beispiel in der Chirurgie ein Abschlag von 25 Prozent vorzunehmen. In der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) liegt, insbesondere in der momentanen Pandemiephase, eine vergleichbare Situation vor. Hier sind allerdings nur die Ziffern 01450 und 01444 zusätzlich abrechenbar. Ob diese Möglichkeit der Abrechnung in Zukunft bestehen bleibt, ist abzuwarten.

Fazit

Es besteht kein Zweifel. Telemedizinische Angebote mit Schwerpunkt der Video-Sprechstunden werden in absehbarer Zukunft fester Bestandteil in der Kommunikation Arzt-Patient sein und diese auch nachhaltig verändern. Dabei ist auch klar, dass nicht alle Bereiche des persönlichen Kontaktes in der Chirurgie für dieses Medium zugängig sind. Gegenwärtig ist die Nachfrage zur Nutzung der online-Sprechstunden von Arzt- und von Patienten-Seite noch überschaubar, auch wenn die aktuelle Pandemie die Bereitschaft deutlich erhöht hat. Hardware und Software zur Implementierung einer solchen Online-Sprechstunde sind auch für nicht IT-affine Chirurgen gut umzusetzen. Am Wichtigsten erscheint, die hohen Auflagen des Datenschutzes zu kennen und bei Praktizierung zu beachten. Die KBV hat alle Vorrausetzungen zur Abrechnung dieser ärztlichen Leistung geschaffen. Deshalb – alle Chirurg:innen, die das Zeitmanagement ihres klinischen Alltags optimieren möchten, sollten diese Möglichkeit nutzen und den Einstieg in diese neue Medium wagen.

Literatur

[1]   https://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/telematiktelemedizin/telemedizin/
[2]   Koehler F, et al.. Efficacy of telemedical interventional management in patients with heart failure (TIM-HF2): a randomised, controlled, parallel-group, unmasked trial. Lancet 2018, https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)31880-4
[3]   Gemeinsamer Bundesausschuss, Pressemitteilung und Beschluss von 17. Dezember 2020, www.g-ba.de
[4]   Deutsches Ärzteblatt 2018, Jg.115, Heft 15, Seite A684 ff.
[5]   Deutsches Ärzteblatt 2019, Jg. 116, Heft 9, Seite 420 ff; Zitat 3 und 4.
[6]   Eichenberg C, Hübner L. Psychoanalyse via Internet: Ein Überblick zum aktuellen Stand der Diskussion um Möglichkeiten und Grenzen. Psychotherapeut 2018, 63(4): 283-90. DOI: 10.1007/s00278-0180294-0
[7]   Eichenberg C. Trendwende in der Online-Psychotherapie. DÄB 06/2020, Seite 255 ff.
[8]   https://www.bundesaerztekammer.de/recht/berufsrecht/muster-berufsordnung-aerzte/muster-berufsordnung/
[9]   https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Recht/HinweiseErlaeuterungenFernbehandlung.pdf
[10] https://www.bundesaerztekammer.de/recht/publikationen/fragenkatalog/
[11] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/digitale-versorgung-gesetz.html
[12] https://www.kbv.de/html/videosprechstunde.php
[13] Katzenmeier C, DÄB 2019, Jg.116 Heft 15, Seite A728
[14] www.kbv.de: Vereinbarung über die Anforderungen an die technischen Verfahren zur Videosprechstunde gemäß § 291g Absatz 4 SGB V vom 21. Oktober 2016 in der Fassung vom 27. Juli 2020 / Anlage 31b zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä)
[15] Verfahren zur Anzeige der Videosprechstunde bei der KV (Stand: 06.04.2020) https://www.kbv.de/media/sp/Anzeige_Videosprechstunde-KV.pdf; Kassenärztliche Bundesvereinigung 2020
[16] Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM), Stand: 1. Quartal 2021, KBV; Kassenärztliche Bundesvereinigung, Berlin 2021

Schröder W, Urbanski A: BDC-Praxistest: Video-Sprechstunden in der Chirurgie. Passion Chirurgie. 2021 Mai; 11(05): Artikel 05_01.

AUS DER KLINIK

Interview mit DR. MED. MAXIMILIAN ANHEIER
Oberarzt der Klinik für Allgemein- und
Viszeralchirurgie
Zentrum für onkologische und minimalinvasive
Chirurgie
Kaiserswerther Diakonie
Florence-Nightingale-Krankenhaus
Kreuzbergstr. 79
40489 Düsseldorf
[email protected]

1. 
Die Covid-Pandemie hat dem online-Kontakt zwischen Arzt und Patient nochmals deutlich Aufschwung verliehen. Was ist das Fazit Ihrer Erfahrungen?

Das vorher wenig bespielte Spielfeld des Online-Kontaktes hat durch die Pandemie einen großen Schub erhalten. Ich sehe das nur positiv, weil so ein einfacher und schneller Kontakt zu Patienten möglich ist.

 

2.
Wird sich die Arzt-Patienten-Beziehung durch die Digitalisierung verändern? Und wenn ja – wie?

Ich glaube nicht, dass sich die Arzt-Patienten-Beziehung verändern wird. Und falls doch, dann eher zum guten, weil durch die Digitalisierung ein schneller und persönlicher Kontakt herzustellen ist. Sicher gibt es auch Dinge, die nicht in den digitalen Bereich gehören. Zum einen die Dinge, die digital schlicht nicht machbar sind, wie eine eingehende klinische Untersuchung aber sicher auch die Besprechung eines Befundes mit deutlichen Konsequenzen für den Patienten wie beispielsweise das Überbringen einer Krebs-Diagnose. Aber ist hier das erste Gespräch persönlich und nicht digital geführt, so können Folgegespräch dann ggf. auch digital erfolgen.

3.
Echter Fortschritt oder nice to have. Wie sehen Sie die Zukunft der Online-Sprechstunde?

Echter Fortschritt! Ich hoffe, dass auch nach der Pandemie weiter Online-Sprechstunden angeboten werden. Man kann online viele Fragen beantworten, Befunde und Bilder demonstrieren, ggf. sogar Wunden betrachten. Und falls es am Ende in der Online-Begutachtung unklar bleibt, so kann der Patient ja dann immer noch persönlich in die Klinik kommen.

AUS DER KLINIK

Interview mit PROF. DR. MED. WOLFGANG SCHRÖDER, FACS, FEBS
Leiter der Deutschen Akademie für chirurgische
Fort- und Weiterbildung
Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V.
Leitender Oberarzt
Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Tumor- und
Transplantationschirurgie
Universitätsklinik Köln
[email protected]

1.
Die Covid-Pandemie hat dem online-Kontakt zwischen Arzt und Patient nochmals deutlich Aufschwung verliehen. Was ist das Fazit Ihrer Erfahrungen?

Ich kann hier nur über erste Erfahrungen berichten, die aber durchgehend positiv sind. Wir nutzen Video-Sprechstunden im UK Köln in unserem hochspezialisierten Zentrum für Ösophagus- und Magenchirurgie, das onkologische Patient:innen aus ganz Deutschland zugewiesen bekommt. Wir haben die Sprechstunden in Kooperation mit dem Zentrum für integrierte Onkologie (CIO) nach der ersten Pandemie-Welle eingerichtet. Was vorher schon lange in der Planung war, wurde jetzt in der Not zügig umgesetzt. Aber nur durch die Video-Sprechstunde war es möglich, den vielen Patienten weiterhin den Kontakt zu unserem Zentrum zu ermöglichen. Als weiterer, großer Vorteil erwies sich auch, dass online alle Angehörige teilnehmen konnten, denen sonst aufgrund der Kontaktverbote der Zugang zum Sprechzimmer verwehrt geblieben wäre. Außerdem freuen sich wirklich viele Patienten und Angehörige, dass ihnen die langen Anfahrtswege erspart bleiben. Am Ende der Online-Sprechstunde rechnen wir für alle Patienten die nicht-gefahrenen Kilometer zusammen. Gerade für onkologische Patient:innen, die überregional versorgt werden, in ein multimodales Therapiekonzept eingebunden sind und sich an verschiedenen Eckpunkten der Therapie immer wieder vorstellen müssen, ist dieses online-Medium doch eine große Erleichterung. Bei uns wird diese innovative Variante der Arzt-Patienten-Kommunikation gut angenommen.

2.
Wird sich die Arzt-Patienten-Beziehung durch die Digitalisierung verändern? Und wenn ja – wie?

Viele paramedizinische Berufe ohne direkten Patientenkontakt verbreiten das Credo, dass die Arzt-Patienten-Beziehung wegen der unaufhaltsamen Spezialisierung in der Medizin von einer Service-orientierten Leistung lebt, die der/die beratende und behandelnde Arzt/Ärztin unter ökonomischen Gesichtspunkten zu erbringen hat. In diesem Konzept hat die zunehmende Digitalisierung die alleinige Aufgabe, die Effizienz der Leistungserbringer zu steigern. Das mag für Teilbereiche der Medizin zutreffen, aber die meisten Patienten haben eine abweichende Vorstellung von der Beziehung zu ihrem/r Arzt/Ärztin. Digitale Kontaktformen bleiben von Patientenseite willkommen, aber nur solange der eigentliche Ur-Kern der Arzt-Patienten-Beziehung unangetastet bleibt. Dieser Kern ist das grundlegende, häufig unausgesprochene Vertrauen in eine kompetente und emphatische Behandlung. Ist diese Basis gelegt, läuft Kommunikation auch digital.

3.
Echter Fortschritt oder nice to have. Wie sehen Sie die Zukunft der Online-Sprechstunde?

Online-Sprechstunden sind grundsätzlich nur ein weiteres Tool, das gegenwärtig auch lediglich einen sehr kleinen Teil der Arzt-Patienten-Kommunikation bedient. Doch der Trend in diese Richtung ist in der Digitalwelle nicht mehr umzukehren. Wir erwarten, dass dieses Medium noch größere Teile der Arzt-Patienten-Kommunikation erobern wird. Zu offensichtlich sind die Vorteile in einer digitalisierten Welt, die in vielen Bereichen doch schon ausschließlich digital kommuniziert. Die Akzeptanz ist gegenwärtig noch stark vom Patientenalter abhängig und so wird wohl erst eine spätere Generation die Online-Sprechstunde als ihr zentrales Medium der Arzt-Patienten-Kommunikation besetzen. Aber so wird es kommen.

AUS DER NIEDERLASSUNG

Interview mit DR. HANS-JÜRGEN BECKMANN
FA Chirurgie, Visceralchirurgie, Phlebologie,
D-Arzt
Aesthetische Lasermedizin (D.A.L.M.)
Vorstand Medizin u. Mehr eG
Holzhauser Str. 4
32257 Bünde
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1.
Die Covid-Pandemie hat dem online-Kontakt zwischen Arzt und Patient nochmals deutlich Aufschwung verliehen. Was ist das Fazit Ihrer Erfahrungen?

Die aktuellen Zahlen der KV Westfalen Lippe verdeutlichen, dass viele, alte Argumente gegen die Durchführung von Videosprechstunden mit Beginn der Corona Pandemie nicht mehr zu halten sind. Der Gesetzgeber hatte bereits 2019 die Möglichkeit geschaffen, Videosprechstunden abzurechnen und das zu durchaus akzeptablen Honoraren. Trotzdem wurden im vierten Quartal 2019 im gesamten Versorgungsgebiet nur insgesamt 320 Videosprechstunden zur Abrechnung gebracht. Mit Beginn der Corona Pandemie stiegen die Nutzerzahlen aber exponentiell an, sodass zum Ende des zweiten Quartals 2020 bereits 100.000 Video-Sprechstunden an die KV gemeldet wurden. Ein ähnliches Bild bietet das Bundesgebiet mit mehr als 1,2 Millionen Videosprechstunden für den gleichen Zeitraum. Obgleich wir in Bünde schon seit 2015 in verschiedensten Szenarien Vorteile und Zugewinn durch Videosprechstunden erprobt, evaluiert und publiziert haben, konnte erst das einschneidende Ereignis der Pandemie die Kollegen:innen von der einfachen und sinnstiftenden Anwendbarkeit zu überzeugen.

2.
Wird sich die Arzt-Patienten-Beziehung durch die Digitalisierung verändern? Und wenn ja – wie?

Die Arzt-Patienten-Beziehung wird sich genauso ändern, wie unsere normale Kommunikation sich bereits geändert hat. Im Aufenthaltsraum meiner Praxis versenden die Mitarbeiter in der Pause eher Nachrichten über das Handy statt miteinander zu reden. Das ist eine nachhaltige Verhaltensänderung. In den letzten Jahren habe ich im Rahmen von Präsentationen viele Diskussionen mit Gegnern von Videosprechstunden geführt. Diese Diskussionen waren oft dann beendet, wenn ich darauf hinwies, dass man z. B. mit Kindern im Ausland auch per Skype oder Whats-App kommuniziere und vertrauliche familiäre Informationen über die Internet-Kanäle teile, die in ihrer hinsichtlich Datensicherheit mit ärztlichen Videosprechstunde überhaupt nicht zu vergleichen sind.
An dieser Stelle muss man aber betonen, dass die Videosprechstunde in den allermeisten klinischen Disziplinen nicht die Erstuntersuchung und das Kennenlernen Vis-a-Vis ersetzen kann. Eine Ausnahme mag in rein „sprechenden Disziplinen“ wie der Psychotherapie gelten – Psychotherapeuten stellen mittlerweile die größte Nutzergruppe. Nicht aber in Disziplinen, wo die körperliche Untersuchung am Anfang allen Handelns steht. Was die Videosprechstunde in den Wochen danach aber sehr wohl und gerade bei langwierigen Behandlungsverläufen gut leisten kann, ist eine intensivere Betreuung von Patient:innen. Die Befundkontrolle per Video ist viel unkomplizierter als etwa ein Hausbesuch oder die wiederholte Vorstellung in der Praxis. Wir haben diese positiven Effekte in verschiedensten Szenarien immer wieder nachweisen können.

3.
Echter Fortschritt oder nice to have. Wie sehen Sie die Zukunft der Online-Sprechstunde?

Aus meiner Sicht stellt die Videosprechstunde erst den Anfang einer neuen Arzt-Patienten-Beziehung und damit auch einer komplett neuen Form der Patientenuntersuchung und -beurteilung ist. Bereits in unserem ersten Videoprogramm, elVi®, hatten wir Schnittstellen programmiert, die etwa die Fernableitung von EKGs oder die Übertragung von Temperatur und Sauerstoffspannung im Blut möglich machen. Die Zeit war aber 2015 dafür noch nicht reif. Patient:innen und Ärzt:innen mussten sich erst an den Umgang mit der Videosprechstunde selbst gewöhnen. Meiner Meinung nach ist es aber überhaupt keine Frage mehr, dass diese Zusatzfunktionen zukünftig an die Videosprechstunde angedockt werden. Und auch wegen Corona, können doch viele potentiell riskante Besuche in überfüllten Praxen und Krankenhäusern durch die Videosprechstunde vermieden werden. Das Unternehmen Teleclinic etwa bietet bereits 14 verschiedene Selbsttests für zu Hause an, deren Ergebnisse dann per Videosprechstunde mit den Ärzten der Teleclinic besprochen werden können. Der Schritt zur sensorbasierten Messung und Übertragung von Körperdaten ist dann nur noch logisch. Erst vor kurzem las ich über sog. „Biopads“, deren technischer Reifegrad mittlerweile die Messung verschiedener Blutwerte durch die Haut zulässt. Warum soll man diese Messwerte gerade bei bekannten Patient:innen nicht per Videosprechstunde erörtern? Und ein letztes von noch vielen möglichen Beispielen: Mit Beginn der Corona Pandemie wurde im März 2020 das „Virtuelle Krankenhaus NRW“ eröffnet, um kleineren Krankenhäusern die Möglichkeit zu geben, schwere Verläufe der Virusinfektion mit den Universitätskliniken Aachen, Münster und Essen per Videoschaltung zu diskutieren. Mehr als 2.000 videogestützten Konsile dieser Art wurden seitdem abgehalten. Schneller und unmittelbarer kann es doch nicht gehen! Ich bin ganz davon überzeugt, dass wir uns auf weitere Digitalisierung bei Diagnose und Patientenbesprechungen einstellen müssen, und das ist auch nicht negativ. Gerade die junge Generation möchte für ein fünfminütiges Gespräch nicht mehr weite Wege zurückzulegen und viel Zeit zu opfern, wenn sie auf der anderen Seite Bankgeschäfte und Besprechungen mit Anwälten oder Steuerberatern online erledigen kann. Die Videosprechstunde und Digitalisierung stellen einen echten Fortschritt. Man sollte es einfach einmal ausprobieren.

BDC|eAkademie – einfach starten!

Aller guten Dinge sind eins: eAkademie des BDC gestartet

Die Corona-Pandemie ist weltweit das all bestimmende Ereignis des Jahres 2020, mit langfristigen Auswirkungen auf große Teile des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Von dieser Krise ist auch die BDC|Akademie nicht verschont geblieben. Mehr als fünf Monate konnten keine Präsenzveranstaltungen angeboten und durchgeführt werden. Mittlerweile ist eine Vielzahl der BDC-Veranstaltungen wieder schrittweise und unter besonderen hygienischen Voraussetzungen

 in der Durchführung. Trotz allem gibt es ein positives Aber in diesem Kontext: Die Corona-Pandemie hat den chirurgischen Fort- und Weiterbildungsmarkt nachhaltig beeinflusst und dem Trend zu allen Formen digitaler Angebote einen explosionsartigen Schub verliehen. Auch unabhängig von dieser Entwicklung stand für die BDC|Akademie seit über einem Jahr der Aufbau einer neuen, modernen und leistungsfähigen E-Learning Plattform auf der Agenda. Unter www.bdc-eakademie.de ist diese neue Plattform jetzt an den Start gegangen.

Am Anfang dieses Projektes stand eine solide, langfristige Finanzierung für die laufenden Kosten sowie die Wahl eines erfahrenen, unabhängigen Anbieters, der die technischen Möglichkeiten für eine visionäre Gestaltung digitaler Lernformen bereitstellen konnte. Diesen Partner hat die BDC|Akademie mit der Medienagentur Monks – Ärzte im Netz GmbH in München gefunden, die ihren Schwerpunkt im digitalen Sektor des Gesundheitsmarktes hat. Die zweite Kernaufgabe dieses Projektes lag auf der inhaltlichen Strukturierung der Plattform mit der Integration bereits vorhandener Angebote, gefolgt von der Gestaltung der Website im traditionellen BDC-Design. Einfach einloggen und mit wenigen Klicks die Inhalte zum gesuchten Thema finden – das war das Ziel bei der Gestaltung der Startseite. BDC|eAkademie bedeutet also: Zugang zu allen digitalen Lerninhalten mit nur einem BDC-Login..

Damit ist die BDC|Akademie gut aufgestellt für die Anforderungen in der digitalen Fort- und Weiterbildung. Die Kernstruktur der neuen BDC|eAkademie folgt den unterschiedlichen Formaten des E-Learnings und wird ergänzt durch eine inhaltlich ausgerichtete Suchfunktion. Das Angebot umfasst Webinare, Online-Kurse, Podcasts, und ergänzende Online-Unterlagen zu den BDC-Präsenzseminaren. Folgende Beispiele verdeutlichen das Spektrum aktueller Angebote und geplanter digitaler Projekte:

  • Ein Klassiker der Online-Kurse ist das jährlich erscheinende Periodikum „Was gibt es Neues in der Chirurgie?“, welches die wesentlichen Publikationen des Vorjahres aus allen Fachgebieten der Chirurgie prägnant zusammenfasst. Jedes Kapitel ist mit entsprechenden CME-Fragen versehen, die nicht nur der Rekapitulation des aktuellen Wissens dienen, sondern auch helfen, das Punktekonto verpflichtender ärztlicher Fortbildung zu füllen.
  • Stark nachgefragt ist nach wie vor das Blended-Learning Programm zum Erwerb der Zusatzqualifikation „Hygienebeauftragter Arzt“. Diese curriculare Fortbildung, bestehend aus 21 Online-Lernmodulen und einer Präsensveranstaltung, lässt sich einfach und flexibel in den Klinik- und Praxisalltag integrieren.
  • Monatliche Webinare zu den aktuellen „Leitlinien in der Chirurgie“ sind fest etabliert im Programm der BDC|Akademie. Mittlerweile sind über 30 dieser Leitlinien aus allen chirurgischen Fachdisziplinen in der BDC|eAkademie abrufbar. Eine Erfolgsgeschichte der BDC|Akademie, die ab 2021 durch eine zweite Webinar-Serie ergänzt wird. „Chirurgie Aktuell“ heißt das neue BDC-Produkt, in welchem ebenfalls einmal monatlich ein aktuelles chirurgisches oder auch berufspolitisches Thema live referiert wird. Damit wird die BDC|eAkademie jeden Monat um zwei Beiträge erweitert.
  • Ein weiteres neues Produkt ist die Podcast-Serie „Perioperative Medizin“, die Anfang 2021 an den Start gehen wird und fachübergreifend die wichtigsten Themen im perioperativen Management zusammenfasst. Kurze Lerneinheiten als Download für zwischendurch. Weitere Podcast-Serien für Studierende und den chirurgischen Nachwuchs sind bereits in Planung.
  • Die BDC|eAkademie ist verlinkt mit der Mediathek der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Medien (CAM) der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und zeigt ein breites Spektrum aktueller chirurgischer Techniken in qualitativ hochwertigen Videos.
  • Nicht zuletzt sind auch alle CME-Artikel der PASSION Chirurgie online über die neue Plattform abrufbar.

Noch mehr Fortbildungsservices finden BDC-Mitglieder und Interessierte in der neu gestalteten BDC|eAkademie, deren Angebot stetig weiterentwickelt wird. Viele Online-Fortbildungen stehen den BDC-Mitgliedern als Service der Akademie kostenfrei zur Verfügung. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Fortbildung – einfach starten!

Schröder W, Joachimi S: BDC|eAkademie – einfach starten! Passion Chirurgie. 2020 Oktober, 10(11): Artikel 04_01.

Rezension: Illustrated Abdominal Surgery

Illustrated Abdominal Surgery – Based on Embryology and Anatomy of the Digestive System
Hisashi Shinohara
Springer Verlag 2020
515 Seiten
€ (D) 192,59
ISBN 978-981-15-1796-9

Beim Verlag bestellen: https://bit.ly/3m11Tf4

Anatomie ist und bleibt die Grundlage jeder operativen Tätigkeit. Und dennoch wissen praktizierende ChirurgInnen, dass sich mit zunehmender Erfahrung die Sicht auf anatomische Strukturen kontinuierlich ändert. Minimal-invasive und robotische Verfahren mit hochauflösender Kameratechnologie haben ihren Teil dazu beigetragen, da sie die ChirurgInnen durch die unvermeidliche Visualisierung chirurgischer Schichten in die korrekte Präparationsebene förmlich zwingen. Einen weiteren Ansatz zum Verständnis chirurgischer Anatomie verfolgt das vorliegende Werk des japanischen Viszeralchirurgen Professor Shinohara und der ist bemerkenswert. Sein Verständnis topographischer Anatomie basiert auf der embryologischen Entwicklung intestinaler Organe und den daraus resultierenden Membranen als Leitschienen chirurgischer Präparation. Das Resultat dieses anatomischen Ansatzes sind 678 handgefertigte Illustrationen, die thematisch den gesamten Verdauungstrakt abbilden.

Das Buch wurde erstmalig 1994 in japanischer Sprache publiziert (Illustrated Surgery: Points of Surgical Techniques from the Anatomical Perspective of Membranes) als der Autor im 5. Jahr seiner Facharztweiterbildung war. Die 3. Auflage mit aufwendigen Überarbeitungen der Abbildungen und des Textes erschien 2010. Hierfür hatte sich der Autor – wie er in seinem Vorwort schreibt – zum Ziel gesetzt, jeden Tag eine anatomische Skizze zu zeichnen, so dass das Buch nach dreieinhalb Jahren fertig gestellt wurde. Es folgten 2013 und 2014 Übersetzungen in die chinesische und koreanische Sprache. In diesem Jahr erschien das Werk im Springer Verlag in englischer Sprache.

Das Buch ist in 20 Kapitel gegliedert und umfasst alle wesentlichen Prozeduren der Viszeralchirurgie – von der operativen Versorgung einer Leistenhernie bis zur Ivor-Lewis Ösophagektomie. Der chirurgische Schwerpunkt des Autors ist einfach zu erkennen, da die Kapitel zur subtotalen Magenresektion und Gastrektomie mehr als 100 von insgesamt 500 Buchseiten umfassen, der Pankreaskopfresektion dagegen „nur“ 45 Seiten. Von herausragender Qualität sind insbesondere die ersten beiden Kapitel, die embryologisches Detailwissen in die chirurgische Praxis transferieren. Selbst erfahrenen ViszeralchirurgInnen wird hier die volle Konzentration abverlangt, um anhand der exzellenten Skizzen die intestinalen Rotationen nachvollziehen zu können. Aber der Aufwand lohnt sich und so mancher Leser wird hier eine Wissenslücke schließen, die immer zu seinen unerledigten Fortbildungsaufgaben gehörte. Auch in anderen Kapitel bestätigt der Autor seine profunden topographisch-anatomischen Kenntnisse. Da ist es auch nicht weiter störend, dass alle Illustrationen als primär offener Situs dargestellt sind. Erfahrene ViszeralchirurgInnen können leicht die anatomischen Strukturen in die minimal-invasiven Prozeduren überführen. Der Text ist knappgehalten, ausführlicher und ausreichend verständlich sind die englischsprachigen Legenden zu den einzelnen Abbildungen – es ist eben ein grandioses „Bilderbuch“.

Die Liebe zum anatomischen Detail, die Professor Shinohara hier als Kredo chirurgischer Tätigkeit propagiert und die in seinem Kulturkreis weit verbreitet ist, sollte auch die intrinsische Motivation unseres chirurgischen Nachwuchses beflügeln. Somit ist das vorliegende Werk für ViszeralchirurgInnen bereits in einem frühen Stadium der Ausbildung zu empfehlen.

Schröder W, Bruns C: Rezension: Illustrated Abdominal Surgery. Passion Chirurgie. 2020 10(10): Artikel 04_07.

Rezension: Perioperative Medizin

Perioperative Medizin – Chirurgie ist mehr als Operieren!
Wolfgang Schwenk, Stephan M. Freys, Jörg C. Kalff
Georg Thieme Verlag 2017, Stuttgart-New York
568 Seiten
€ (D) 99,99
ISBN 9783131772916
Beim Verlag bestellen: https://bit.ly/2N0VwrK

Es gehört schon eine Portion Mut dazu, ein so umfassendes Gebiet wie die perioperative Medizin, das einem kontinuierlichen und exponentiellen Zuwachs medizinischer Erkenntnisse unterworfen ist, auf dem gegenwärtigen Stand des Wissens zur Darstellung zu bringen. Die drei Herausgeber, als Chirurgen alle auf diesem Gebiet spezialisiert und als Experten anerkannt, haben sich dieser Herausforderung mit Hilfe von über 100 weiteren Autoren gestellt. Das Ergebnis ist das erste Buch im deutschsprachigen Raum, welches auf über 500 Seiten umfassend das aktuelle Wissen zur perioperativen Medizin und seinen Randgebieten zusammenfasst. Das ist bemerkenswert.

Die Zielgruppe ist weit gespannt, und das Buch ist – gleichermaßen für den Berufseinsteiger wie für den verantwortlich tätigen Chirurgen – sowohl als gezieltes Nachschlagewerk wie auch für ein umfassendes Selbststudium hervorragend geeignet – und das für Kolleginnen und Kollegen aller chirurgischen Fachdisziplinen.

Das Buch ist mit 10 Kapiteln übersichtlich gegliedert. Von herausragender Qualität sind hier insbesondere die Themen, die Gültigkeit für alle chirurgischen Fachdisziplinen haben, da sie profund und gleichzeitig praxisnah dargestellt sind. Dementsprechend sind die graphisch dargestellten Therapie- und Diagnostikalgorithmen ebenfalls umfassend, auch wenn die farbliche Hinterlegung nicht auf den ersten Blick nachzuvollziehen, sondern nur im Zusammenhang mit dem Text verständlich ist.

Die Kapitel zu spezifischen Besonderheiten der einzelnen chirurgischen Fachdisziplinen geben demgegenüber nur einen ersten Überblick. Es übersteigt schlicht weg die Möglichkeiten eines solchen Buches, das Komplikationsmanagement für die Diversität aller operativer Prozeduren in der Tiefe ausreichend darzustellen, auch wenn hier spezialisierte Fachkollegen für die einzelnen Kapitel engagiert wurden.

Die Online Version, die mit dem Kauf des Buches verlagsseitig zur Verfügung gestellt wird, rundet das Bild eines flexiblen und punktuellen Nachschlagewerkes ab. Es bleibt den Autoren nur zu wünschen, dass die Aktualität dieses Werkes trotz eines exponentiellen Zuwachses an neuen Erkenntnissen auch auf dem Gebiet der perioperativen Medizin zumindest für eine Chirurgengeneration bestehen bleibt.

Ohne jede Frage – Chirurgie ist mehr als Operieren! Und der Chirurg, der dies bisher noch nicht in sein Handeln integriert hat, wird durch das vorgestellte Buch zur perioperativen Medizin auf den richtigen Weg seiner beruflichen Tätigkeit geführt. Insgesamt ein umfassendes, aktuelles und damit hilfreiches Standardwerk für den chirurgischen Alltag.

Schröder W: Rezension: Perioperative Medizin. Passion Chirurgie. 2020 10(7/8): Artikel 04_05.

Die BDC|Akademie – The Past and the Future

The Past

Was hat die beiden Chirurgen Wolfgang Müller-Osten und Karl Hempel bewegt, im Jahr 1985 für den Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) eine Akademie zu gründen? Es war die Vision einer überregionalen Einrichtung, die für die klinisch tätigen Chirurgen aktuelle und gleichzeitig praxisnahe chirurgische Fort- und Weiterbildung anbietet. Die Vision ist bis heute geblieben, die Struktur und das Angebot der BDC|Akademie haben sich in den vergangenen 35 Jahren grundlegend geändert.

Jens Witte als erster Leiter der BDC|Akademie von 1987 bis 1994 begann das Programm mit einem mehrtägigen Seminar, welches als Repetitorium für die angehenden Fachärzte vor der Facharztprüfung konzipiert war – ein Klassiker, der immer noch angeboten wird und sich entsprechend der aktuellen Weiterbildungsordnung in die acht Säulen der Chirurgie gegliedert hat. 1994 übernahm Michael Betzler die Leitung der Akademie, ihm folgte von 2001 bis 2012 Joachim Jähne, der zusammen mit dem damaligen Geschäftsführer Jörg Ansorg nach Gründung der BDC Service GmbH das Programm der Akademie maßgeblich ausbaute und mit dem Aufbau einer E-Learning Plattform den Einstieg in die Online-Fortbildung entwickelte. 2018 folgte die Umbenennung in Deutsche Akademie für Chirurgische Fort- und Weiterbildung, begründet dadurch, dass die BDC|Akademie als einziger Anbieter mit allen chirurgischen Fachgesellschaften gemeinsam Seminare organisiert und durchführt.

Gegenwärtig umfasst das Programm der Akademie 170 Seminare, Workshops, Hospitationen und Webinare. Mit 235 Veranstaltungstagen und 4.816 Teilnehmern im Jahr 2019 ist die BDC|Akadmie einer der großen Anbieter auf dem deutschen Markt für chirurgische Fort-und Weiterbildung. Das bundesweite Akademieprogramm orientiert sich heute an der traditionellen chirurgischen Karriereleiter, von der studentischen Ausbildung des potenziellen Nachwuchs über die chirurgische Weiterbildung der FacharztanwärterInnen bis hin zur praxisorientierten Fortbildung für die klinisch und niedergelassen tätigen ChirurgenInnen.

Trotz dieser erfolgreichen Entwicklung sind sich alle Verantwortlichen des BDC darüber einig, dass ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Wandel, die digitale Transformation sowie berufs- und gesundheitspolitische Vorgaben erheblichen Einfluss auf Fort- und Weiterbildung haben werden und sich das Aufgabenfeld und damit das Programm der BDC|Akademie in der nächsten Dekade deutlich verändern wird.

The Future

Für junge Kolleginnen und Kollegen auf dem Weg zum chirurgischen Facharzt ist die jeweils aktuelle Weiterbildungsordnung (WBO) der Landesärztekammern immer noch das Maß aller Dinge, um für die Facharztprüfung als letzten Schritt der Weiterbildung gut gerüstet zu sein. Für diese Zielgruppe ist somit die inhaltliche Gestaltung von Seminaren als Ergänzung zum ‚Training on the job‘ vorgegeben. Mit Novellierung der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) der Bundesärztekammer auf dem Ärztetag in Erfurt 2018 wird sich die Struktur der WBO grundlegend ändern. Im Fokus steht nicht mehr der Operationskatalog mit zu absolvierenden OP-Zahlen in den verschiedenen Organentitäten, sondern der stufenweise Aufbau von fachlicher Kompetenz über „Kennen“, „Können“ bis „Beherrschen“. Der Common Trunk als zweijähriger gemeinsamer Einstieg aller chirurgischen Fachdisziplinen in die Weiterbildung fällt weg. Die neue MWBO wird somit eine Umstrukturierung und Neuausrichtung des Seminar-Portfolios der BDC|Akademie für Facharztanwärter in den nächsten Jahren notwendig machen.

Im Zentrum der Weiterbildung zur chirurgischen Kompetenz wird aber immer das im Fokus stehen, was im klinischen Alltag von den ChirurgenInnen gefordert wird. Bei den praktischen Fertigkeiten wird wohl die Vermittlung der chirurgischen Grundkenntnisse wie beispielsweise Knotenlehre, Instrumentenkunde oder anatomischen Zugangswege unverändert bleiben. Die zunehmende und unausweichliche Spezialisierung in der Chirurgie fordert aber auch in der Weiter- und Fortbildung ihren Tribut. Neben einem enormen theoretischen Wissenszuwachs in allen chirurgischen Disziplinen sind insbesondere durch die Einführung neuer Technologien wie der minimal-invasiven und roboter-gestützten Chirurgie die operative Komplexität bei einer Vielzahl bislang routinemäßig durchgeführter Prozeduren überproportional gestiegen und damit auch ihre Lernkurven prolongiert worden.

Für Einrichtungen wie die BDC|Akademie, die Fort- und Weiterbildung organisieren, hat dies zwei spürbare Konsequenzen. Zum einen sind Hospitationen mit Live-Demonstrationen von OP-Techniken gefragter denn je. Der Markt wird auf diesem Sektor gegenwärtig mit industriellen Angeboten und ihren klinischen Protagonisten geflutet. Zum anderen erfolgt die Verlegung der verlängerten Lernkurven vor die eigentliche Tätigkeit im OP in die verschiedenen Formen der Skills-Labs. Wie kürzlich in einem Beitrag formuliert, erfordert das zukünftige Erlernen von Schlüsselkompetenzen die Integration moderner Simulationstechnik [1]. Neben den klassischen Lernmodellen des humanen Körperspenders und des lebenden Tieres sind es insbesondere das „Virtual-reality“-3D-unterstützte Operieren an Simulatoren, welche eine Reproduzierbarkeit der Aufgabe und damit das motorische Lernen durch Wiederholung erlauben. Ob mit allen Modellen jedoch ein Transfer der in der Simulation erlernten Kompetenz auf die reale Operation möglich ist, wird gegenwärtig kritisch diskutiert. Voraussetzung ist, dass die zu erlernenden Inhalte genau definiert werden und die zeitliche und repetitive Simulationsexposition ausreichend ist. Auch in diesem Sektor hat und wird sich ein großer ökonomischer Markt entwickeln, der das Portfolio von Fort- und Weiterbildungsakademien erheblich beeinflusst.

Der enorme Wissenszuwachs in allen chirurgischen Disziplinen, arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen mit limitierten Arbeitsstunden, aber auch ein hoher Anspruch einer neuen Chirurgengeneration an die Work-Life Balance, machen ein effizientes Lernen und damit auch neue Lernmethoden zwingend notwendig. In einer kürzlich online publizierten Stellungnahme der DGCH zur digitalen Transformation in der Chirurgie [2] wird deshalb eine konsequente Nutzung der Digitalisierung in Edukation und Training gefordert. Gegenwärtig befinden sich Anbieter und Nutzer des digitalisierten Lernens in einem aktiven Prozess der Neuausrichtung und das aktuelle noch überschaubare digitale Angebot muss sich die Akzeptanz der Anwender insbesondere bei den älteren Jahrgängen noch mühsam erarbeiten. Ohne jede Frage wird aber dieser nicht mehr umkehrbare Prozess das Programm der BDC|Akademie in den nächsten Jahren erheblich beeinflussen und finanzielle Ressourcen des BDC binden. Die Akademie hat hier mit der Implementierung von thematisch klar strukturierten Webinar-Reihen, Blended-Learning-Programmen und Kursen in digitalen Skills-Labs den von Jörg Ansorg initiierten Einstieg erfolgreich ausgebaut. In 2020 wird die technisch vollständige Überarbeitung der bestehenden Online-Plattform folgen, die dann eine Vielzahl weiterer bereits in Planung befindlicher E-Learning-Projekte ermöglichen wird.

Eines steht aber auch fest: Mit diesen skizzierten Trends der Spezialisierung sind die Kosten für Fort- und Weiterbildung erheblich gestiegen und die Finanzierung einer BDC|Akademie mit einem solchen großen und veränderten Portfolio wie oben ausgeführt nicht einfacher geworden. Um es auf den Punkt zu bringen. Qualitativ hochwertige Fort- und Weiterbildung ist heutzutage mit Mitgliedsbeiträgen und Erlösen aus den Veranstaltungen allein nicht mehr zu finanzieren, sondern nur mit Unterstützung von industriellen Sponsoren möglich. Unter diesem Aspekt erscheint ein Wettbewerb unter den verschiedenen Anbietern der Fachgesellschaften und Berufsverbänden wie vor 10 Jahre von Joachim Jähne bereits mahnend dargestellt nicht sinnvoll [3], sondern die heutige Redundanz des Angebotes in zentralen Bereichen eher kontraproduktiv. Die Notwendigkeit der Kooperation ergibt sich auch aus der gesetzlich verankerten Pflicht zur zertifizierten Fortbildung (CME), die sich die Landesärztekammern teuer bezahlen lassen. Denn ein relevanter Teil des industriell eingeworbenen Sponsorings für Fort- und Weiterbildung wandert von den Akademien zu den Landesärztekammern, die dann noch die Zusammenarbeit mit der Industrie durch überbordende Compliance-Auflagen zusätzlich erschweren. Auch die BDC|Akademie weiß hier ihr Leid zu klagen.

Die BDC|Akademie ist für die anstehenden Veränderungen ihres Programms gut gerüstet und das aus zwei Gründen: Erstens hat die BDC|Akademie durch ihre Mitglieder ein umfassendes, großes Netzwerk und ist deshalb bei Fachgesellschaften, Verlagen und industriellen Sponsoren ein gefragter Partner. Bei diesen Kooperationen versteht sich die BDC|Akademie als organisatorische Plattform für qualitativ hochwertige Fort- und Weiterbildung. Auch unter diesem Aspekt ist die weitere Zusammenführung des BDC und der DGCH ein wichtiger strategischer Schritt und möglicher Wettbewerbsvorteil. Zweitens aber verfügt der BDC in seinen Reihen über eine große Zahl kreativer und motivierter ChirurgenInnen, die bereit sind, in wissenschaftlich unabhängige Fort- und Weiterbildung zu investieren. Sie sind das eigentliche Kapital der BDC|Akademie und ihnen gilt unser besonderer Dank zum aktuellen Jubiläum.

Literatur

[1] Willy C. Unfallchirurg 2019, 122:481

[2] H.J. Meyer und T. Schmitz-Rixen, www.bdc.de/25-thesen-zur-digitalisierung

[3] Jähne J, Der Chirurg BDC 2010, 4: 221-224

Schröder W: Die BDC|Akademie – The Past and the Future. Passion Chirurgie. 2019 März, 9(03): Artikel 07_01.

Akademie aktuell: Dr. Hierholzer verabschiedet sich aus der BDC|Akademie

Seit 2004 leitete Dr. Hierholzer die Gutachterseminare der BDC|Akademie, mit Ende dieses Jahres verabschiedet er sich aus Altersgründen aus dem aktiven Akademie-Leben.

Der gebürtige Berliner ging im Rheinland zur Schule, studierte Medizin an der Kölner Universität und kehrte nach Weiterbildungsjahren an der Universität Göttingen und Essen wieder nach Köln zurück. Nach mehreren klinischen Stationen in leitender Funktion arbeitete Dr. Hierholzer bis 2006 als niedergelassener Chirurg, danach weiter als Gutachter für die Berufsgenossenschaften und Sozialgerichte. Von 1996 bis 2006 war er als Vorsitzender des BDC-Landesverbands Nordrhein tätig. Im Juni 2010 wurde Dr. Hierholzer vom BDC für seine Verdienste als langjähriger Landesvorsitzender und für die Leitung der Gutachtenseminare die Wolfgang Müller-Osten-Medaille verliehen.

Dr. med. Ekkehardt Hierholzer

Seine große Leidenschaft ist die Unfallbegutachtung und so organisierte Dr. Hierholzer seit 2004 für die BDC|Akademie mit großem Fachwissen das Seminar: „Begutachtung von Arbeitsunfällen“ und seit 2010 zusätzlich das Seminar „Begutachtung von Berufskrankheiten“. Das Markenzeichen der immer ausgebuchten Veranstaltungen war, dass sie in den Sitzungssälen der Kölner Sozialgerichte stattfanden, zu denen Dr. Hierholzer einen persönlichen Kontakt pflegte. Er war davon überzeugt, dass die alleinige Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen seitens der Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV) für die Durchgangsärzte nicht ausreichend ist, um in der gutachterlichen Beurteilung von Arbeitsunfällen fachlich fundiert argumentieren zu können. Eine auf die Praxis bezogene intensive Ausbildung rund um das Thema Gutachten war sein Kernanliegen bei der Planung und Gestaltung der Seminare. Die Organisation der Seminare in der Zusammenarbeit mit der BDC|Akademie war über alle Maßen professionell und angenehm. Die Zahlen sprechen für sich: Insgesamt konnten in den 15 Jahren seiner Tätigkeit in 26 Seminaren über 1.400 Teilnehmer von seiner Erfahrung lernen und profitieren. Kaum ein anderer Seminarleiter hat das bisher geschafft!

Die Leitung der BDC-Gutachterseminare wurde bereits im letzten Jahr an Dr. Boxberg, Vorstand des Bundesverbandes der Durchgangsärzte e.V. (BDD) übergeben. Die letzten Seminare wurden von Dr. Hierholzer dieses Jahr wie gewohnt erfolgreich in Köln und München geleitet.

Der Präsident mit dem erweiterten Vorstand des BDC sowie die Leitung der BDC|Akademie danken Herrn Dr. Hierholzer für sein außergewöhnlich großes und überragendes Engagement in der chirurgischen Fort- und Weiterbildung.

Meyer HJ, Schröder W: Akademie aktuell: Dr. Hierholzer verabschiedet sich aus der BDC|Akademie. Passion Chirurgie. 2019 Dezember, 9(12): Artikel 04_010.

Das Jahresprogramm 2020 der BDC|Akademie

Mit dem Jahresprogramm 2020 heißt die Deutsche Akademie für Chirurgische Fort- und Weiterbildung alle BDC-Mitglieder herzlich willkommen und freut sich, Ihnen wieder aufs Neue ein umfassendes Angebot zur chirurgischen Fort- und Weiterbildung vorstellen zu können.

Auch dieses Jahr bleibt das grundlegende Konzept der BDC|Akademie entsprechend seiner satzungsgemäßen Aufgaben unverändert: Ein auf den chirurgischen Alltag fokussiertes, übersichtlich gegliedertes Programm für alle chirurgischen Fachdisziplinen, welches sich an der chirurgischen Karriereleiter vom Berufseinsteiger über den Facharzt bis zum Chirurgen in Leitungsfunktion orientiert. Das Programm in seinem neuen Format wurde in 2019 von den BDC-Mitgliedern mit erfreulich guter Resonanz angenommen, sodass auch in 2020 das Design mit einem neuen Satz fotorealistischer Darstellungen beibehalten wurde. Erfolgreich fortgesetzt wurde auch die Strategie, Kooperationen mit anderen Berufsverbänden, Fachgesellschaften, Sponsoren aus der Industrie und Verlagspartnern für verschiedene Projekte einzugehen, um gemeinsam die Qualität des angebotenen Programmes weiterhin hoch zu halten.

Neue stellvertretende Leiter

Prof. Dr. med. Julia Seifert und Prof. Dr. med. Michael Paul Hahn sind neue stellvertretende wissenschaftliche Leiter der BDC|Akademie.

In diesem Jahr gab es zwei wesentliche Veränderungen in der Personalstruktur der BDC|Akademie. Um das Angebot im Gebiet der Unfallchirurgie und Orthopädie entsprechend der Mitgliederstruktur des BDC zukünftig weiter auszubauen, ist die Leitung der BDC|Akademie hier gezielt erweitert worden. Die beiden Kollegen arbeiten seit vielen Jahren in der Unfallchirurgie in leitender Position und werden über ihr umfassendes Netzwerk das Portfolio der BDC|Akademie strategisch neu ausrichten. Nach dem tragischen Ausscheiden des früheren Geschäftsführers ist diese Position in der BDC-Geschäftsstelle nun neu besetzt worden. Die jetzige Amtsinhaberin bringt durch ihre frühere Tätigkeit ebenfalls viel Expertise in die Arbeit der BDC|Akademie mit ein.

Die BDC|Akademie stellt sich vor, v. l. n. r.: Dr. phil. N. Kandinskaja, Prof. Dr. J. Seifert, Prof. Dr. M. Hahn, Dr. F. Burgdorf, B. Winkler, H. Becker, J. Dreusch, S. Joachimi, Prof. Dr. W. Schröder

Die Rahmenbedingungen für die Organisation und Durchführung einer chirurgisch zielgerichteten Fort- und Weiterbildung sind auch in diesem Jahr spürbar aufwändiger geworden. Das betrifft zum einen die Unterstützung der Industriepartner, die sich schwertun, die regulierenden gesetzlichen Auflagen der Compliance unter strenger Beobachtung der Öffentlichkeit zu erfüllen. Auch die Landesärztekammern, verantwortlich für die erforderlichen Zertifizierungen, tragen sicherlich ihren Teil zu dieser Entwicklung bei. Zum anderen schränkt der steigende ökonomische Druck in den Krankenhäusern die Möglichkeit ein, Referenten, Tutoren und Seminarleiter für ihre überwiegend freiwillige Tätigkeit freizustellen, obwohl das gesamte Gesundheitssystem und insbesondere viele Krankenhausträger auf eine qualifizierte Fort- und Weiterbildung angewiesen sind und hiervon nur profitieren können. Deshalb ist die BDC|Akademie auch in diesem Jahr allen Chirurginnen und Chirurgen, die an der Gestaltung und Umsetzung des Jahresprogrammes 2020 mitwirken, zu besonderem Dank verpflichtet.

Wir wünschen allen BDC-Mitgliedern viel Freude bei der Lektüre dieses Programms.

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Meyer HJ, Schröder W: Das Jahresprogramm 2020 der BDC|Akademie. Passion Chirurgie. 2019 Dezember, 9(12): Artikel 04_01.

Willkommen zum Jahresprogramm 2019 der BDC|Akademie

Es ist unübersehbar, dass sich die BDC|Akademie mit ihrem aktuellen Programm 2019 in einem neuen Format präsentiert und sie heißt alle Chirurginnen und Chirurgen aufs Neue herzlichst willkommen. Das neue Design entspricht dem, wofür die BDC|Akademie mit ihrem Angebot seit vielen Jahren steht: ein klar gegliedertes und umfassendes Angebot für bewährte und zugleich innovative chirurgische Fort- und Weiterbildung für alle im deutschsprachigen Raum tätigen Chirurginnen und Chirurgen.

Aber nicht nur die Form hat sich geändert, sondern auch der Name der BDC|Akademie wurde entsprechend ihrem Stellenwert auf dem Fort- und Weiterbildungsmarkt angepasst. Für alle chirurgischen Disziplinen hat die BDC|Akademie wieder fachübergreifende und fachspezifische Veranstaltungen in ihrem Portfolio zu bieten. Der neue Name „Deutsche Akademie für chirurgische Fort- und Weiterbildung“ wird diesem breiten Spektrum gerecht. Alle berufstätigen chirurgischen Kolleginnen und Kollegen sollen sich im Programm der BDC|Akademie wiederfinden und angesprochen fühlen – unabhängig davon in welchem Bereich sie arbeiten.

Mit unserem aktuellen Angebot leisten wir auch dieses Jahr einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung chirurgischer Kompetenz – auf allen Karrierestufen und für alle Fachdisziplinen.

Die Idee einer Deutschen Akademie für chirurgische Fort- und Weiterbildung greift aber noch weiter. Der BDC ist der festen Überzeugung, dass zukünftige innovative Fort- und Weiterbildungskonzepte nur dann erfolgreich umgesetzt werden können, wenn Kooperationen aktiv vorangetrieben und ausgebaut werden: Kooperationen mit Akademien anderer Berufsverbände und Fachgesellschaften sowie Industrie- und Verlagspartnern. Diese Zusammenarbeit soll nicht nur helfen, unübersehbare Redundanzen der jeweiligen Angebote zu vermeiden, sondern auch moderne multimediale, aber kostenintensive Lernkonzepte zu implementieren. Hier hat die BDC|Akademie ihr Netzwerk in den letzten Jahren deutlich ausgebaut.

Die erfolgreiche Arbeit unserer Akademie wäre nicht möglich ohne das große Engagement und die fachliche Kompetenz aller beteiligten Referenten, Tutoren und Seminarleiter. Sie sind nach wie vor die entscheidende Säule für das umfassende Fort- und Weiterbildungsprogramm, das die BDC|Akademie Jahr für Jahr für die chirurgisch tätigen Kolleginnen und Kollegen aller Fachdisziplinen auf den Markt bringt. Ihnen möchten wir für die geleistete Arbeit und die Verbundenheit zum BDC unseren besonderen Dank aussprechen.

Bei Fragen wenden Sie sich an die Mitarbeiterinnen der BDC|Akademie unter Tel: 030/28004-120 oder per E-Mail: [email protected]

Schröder W: Willkommen zum Jahresprogramm 2019 der BDC|Akademie. Passion Chirurgie. 2018 Dezember, 8(12): Artikel 04_01.

 

Jahresprogramm 2019 der BDC|Akademie

Editorial: Globale Gesundheit – Was können wir beitragen?

In der letzten Ausgabe ‚Der Chirurg‘ (Ausgabe März 2018) war das Leitthema die Globalisierung in der Chirurgie. Hier wurde in einem bemerkenswerten Artikel herausgestellt, dass mit dem Global-Health-Care-Konzept das zentrale Grundrecht eines jeden Menschen auf Gesundheit verbunden ist [1]. Die Umsetzung eines solchen Konzeptes verlangt die Priorisierung von Gesundheit als politisches Ziel auf nationaler Ebene – dieses in Kombination mit Strukturhilfen, die den lokalen Gegebenheiten angepasst sind. Gesundheit des Einzelnen erfordert eine gesamtgesellschaftliche Strategie mit klinischer Individualmedizin.

Die Realität sieht allerdings anders aus. Drei Viertel der weltweit getätigten Operationen werden an einem Drittel der Weltbevölkerung durchgeführt. Gegenwärtig haben 5 Milliarden Menschen keinen Zugang zu adäquater und bezahlbarer chirurgischer und anästhesiologischer Versorgung. Mangelnde chirurgische Versorgung ist somit eine der wesentlichen Ursachen für unzureichende globale Gesundheit. Schätzungen für das Jahr 2010 gehen von annährend 17 Millionen Toten aus, die an grundsätzlich zu therapierenden chirurgischen Erkrankungen verstorben sind. Unfälle und deren Folgeerkrankungen sind hier die führenden Ursachen. Etwa 90 % der unfallbedingten Todesfälle und dauerhaft körperlichen Schäden werden in Ländern mit niedrigem und mittlerem Pro-Kopf-Einkommen registriert. Hier ist die Wahrscheinlichkeit an Unfallfolgen zu versterben sechs Mal höher als bei uns. Der Fachkräftemangel und die ökonomische Situation der Patienten in diesen Ländern spielen hierbei eine zentrale Rolle.

Was können wir als Chirurgen hier in einem westlichen Industriestaat mit allen Möglichkeiten einer umfassenden medizinischen Versorgung tun? Zuallererst wollen die Gestalter dieses Themenheftes an die Verantwortung der einzelnen Chirurginnen und Chirurgen an das Konzept der globalen Gesundheit erinnern und auch dafür werben. Aber es geht um mehr. Abseits der täglichen Herausforderungen in Klinik und Praxis, die zunehmend von ökonomischen Kennzahlen geprägt sind, bleibt der Beruf als Chirurgin und Chirurg eine der vielfältigsten, extrem fordernden und damit befriedigenden Tätigkeiten in der Medizin. In keinem Fachbereich der Medizin ist die unmittelbare Wirkung der Arbeit so sichtbar, kann mit dem „Handwerk“ so direkt Einfluss auf das Leben und die Lebensqualität genommen werden. Und das weltweit, denn die Grundlagen unseres Faches, der komplizierte Bauplan des menschlichen Körpers, sind unabhängig von jeder technischen Entwicklung in der Chirurgie überall identisch. Der Chirurg kann mit seiner Erfahrung, seinen Händen und einfachsten technischen Mitteln Menschen in der ganzen Welt helfen – Menschen, die wie Zahlen zeigen, diese chirurgische Versorgung und humanitäre Zuwendung dringend benötigen.

Und auch das soll dieses Themenheft zeigen: Die Hürden für einen aktiven Einstieg in die chirurgischen Hilfsprogramme sind nicht unüberwindbar. Die Programme der einzelnen Organisationen, die sich hier vorstellen, richten sich nicht zuletzt an den chirurgischen Nachwuchs, der bereit ist, ein Stück die eigene Komfortzone zu verlassen und spektakuläre Erfahrungen in einer völlig anderen Welt zu sammeln. Auch diese Befriedigung kann Teil des chirurgischen Berufes sein.

Es würde die Autoren und Herausgeber freuen, wenn sich die Leser dieser Beiträge – wenn auch nur für einen kurzen Moment – in die chirurgische Welt der Entwicklungsländer entführen ließen.

[1] H. Mothes, M. Gruendl. Global Health Care. Der Chirurg 2018, 89:172-177

Schröder W, Homann H: Editorial Globale Gesundheit – Was können wir beitragen? Passion Chirurgie. 2018 Juli; 8(07): Artikel 01.

Editorial: Intensivmedizin und Chirurgie

Intensivmedizin und Chirurgie: zwei Disziplinen, die im chirurgischen Alltag nicht voneinander zu trennen sind. Nur wenn Chirurginnen und Chirurgen die Grundlagen der Intensivmedizin beherrschen, sind sie in der Lage, den postoperativen Verlauf richtig zu bewerten und das Komplikationsmanagement ihrer Eingriffe sicher zu beherrschen. Deshalb ist es nach wie vor erforderlich, das Thema Intensivmedizin in die Weiter- und Fortbildung junger Kolleginnen und Kollegen zu integrieren und es ist deshalb seit vielen Jahren fester Bestandteil in den Programmen der BDC|Akademie.

Als wissenschaftlicher Leiter des BDC-Workshops Intensivmedizin geht Dr. Hans Fischer der Frage „Warum Intensivmedizin in der Chirurgie?“ in dieser Ausgabe der PASSION CHIRURGIE auf den Grund. Mit seinen Workshops bereitet er seit vielen Jahren Berufseinsteiger auf die intensivmedizinischen Anforderungen der Weiterbildung vor und weiß genau, worauf es ankommt.

Die BDC|Akademie hat aber noch einen weiteren Workshop zum Thema Intensivmedizin im Angebot. Machen Sie sich selbst ein Bild von den Inhalten und bisherigen Erfahrungen dieses Workshops, der in einem der modernsten Trainingszentren und in enger Anbindung an eine große interdisziplinäre Intensivstation eines Krankenhauses der Maximalversorgung veranstaltet wird (Workshop ‚Intensivmedizin und Reanimation‘).

Die genannten Workshops sind natürlich nur ein Teil der Veranstaltungen, zu denen wir Sie 2018 herzlich einladen. Im Jahresprogramm 2018 finden Sie wie jedes Jahr ein breites Fort- und Weiterbildungsangebot für Chirurginnen und Chirurgen – von Berufseinsteigern bis zu klinisch tätigen Chirurgen. Der Jahresbeginn ist schließlich ein guter Zeitpunkt, den individuellen Fortbildungskalender für das Jahr zu planen.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre dieser Ausgabe und möchte Sie im Namen des gesamten Vorstandes auch an dieser Stelle noch einmal zum Bundeskongress Chirurgie ab dem 23. Februar 2018 einladen. Wir freuen uns, Sie in Nürnberg zu treffen.

Ihr
Wolfgang Schröder

Rechtsberatung auf dem Bundeskongress

BDC-Justitiar Dr. J. Heberer berät Sie an beiden Tagen jeweils in der Zeit von 11:00 bis 13:00 Uhr auf dem BDC-Stand.

Versicherungsberatung auf dem Bundeskongress

Der Ecclesia Versicherungsdienst bietet eine Beratung am BDC-Stand an, nach nach Bedarf während der Kongressöffnungszeit.

Schröder W: Editorial Intensivmedizin und Chirurgie. Passion Chirurgie. 2018 Februar; 8(02): Artikel 01.