Alle Artikel von Prof. Dr. med. Walter Popp

Hygiene-Tipp: Schutzkittel bei medizinischen und pflegerischen Tätigkeiten sowie bei Barrieremaßnahmen und Isolierungen

Schutzkittel können als Mehrweg- oder Einmalprodukte eingesetzt werden. Nach jeder Nutzung sind die Schutzkittel in den Abwurf (wiederaufbereitbar = Wäsche oder Einwegprodukt = Abfall) zu geben. Es gibt bei der Qualität und den Kosten von Einweg- wie auch wieder aufbereitbaren Schutzkitteln z. T. erhebliche Unterschiede. Bei den wieder aufbereitbaren kommen unterschiedlich hohe Kosten für die Aufbereitung hinzu. Zusätzlich ist auch die Qualität der Aufbereitung z. T. sehr unterschiedlich.

Folgende Anhaltspunkte können für die Auswahl herangezogen werden:

Schutzkittel, die als Persönliche Schutzausrüstung (PSA) gegen biologische Gefahren (Blut, Bakterien, Viren, Parasiten usw.) dienen, müssen den Anforderungen der DIN EN 14126 entsprechen. Sie sollen die Körpervorderseite des Trägers bedecken und müssen flüssigkeitsdicht und strapazierfähig sein.

Schutzkittel, die als PSA bei Isolierungen dienen, müssen ausreichend lang, gut und einfach im Rücken zu verschließen, strapazierfähig und langärmlig mit Bündchen sein (Abb. 1). Die Bündchen sollen fest schließen. Bei Bedarf sind zusätzlich flüssigkeitsdichte Schutzschürze oder flüssigkeitsdichte Kittel zu verwenden.

Produktmerkmale, wie Passform, Materialgewicht, Hautgefühl, Atmungsaktivität, Trageeigenschaften, Verschlussarten, antistatische Ausrüstung u. ä. sind neben den Anschaffungskosten (und Entsorgungs- bzw. Aufbereitungskosten) wichtige Auswahlkriterien.

Das Größensortiment soll mitarbeiterbezogen sein z. B. S/M, L/XL, XXL.

Die Farbe der Kittel lässt keine Rückschlüsse auf ihre Eigenschaften zu, sondern ist variabel und kann für Zwecke der Bereichszuordnung genutzt werden.

Sogenannte Besucherkittel erfüllen die obigen Anforderungen für medizinisches/ pflegerisches Personal nicht (Abb. 3). Als Besucherkittel sind daher in der Regel die PSA-Kittel einzusetzen (Ausnahme nur bei ausgeschlossenem direkten Kontakt möglich, in der Praxis jedoch wegen des erforderlichen Logistikaufwandes kaum umsetzbar).

Abb 1: Geeigneter Kittel (A) mit gut schließenden Bündchen. Foto: Prof. W. Popp, Krankenhaushygiene, Klinikum Essen.

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Abb 2: Standard z. B. für Pflege in Isolierzimmern. Foto: Prof. W. Popp, Krankenhaushygiene, Klinikum Essen.

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Abb. 3: Kittel, Material unzureichend, wenig schließendes Bündchen. Als Besucherkittel akzeptabel. Foto: Prof. W. Popp, Krankenhaushygiene,
Klinikum Essen.

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Bei Auftreten schwerer Infektionskrankheiten (z. B. Cholera, Polio, hämorrhagisches Fieber, respiratorische Tropenerkrankungen) sind an die PSA z. T. höhere Anforderungen zu stellen (z. B. Overalls oder Schutzanzüge an Stelle von Schutzkitteln), auf die im Rahmen dieser Empfehlung nicht eingegangen werden kann. Die Anforderungen sind aus den jeweiligen Risiken der Infektionskrankheiten im Kontext mit dem Umfeld und dem zu erwartenden Transmissionsrisiko abzuleiten. Unberücksichtigt bleiben in dieser Empfehlung sterile Kittel für aseptische Tätigkeiten und Schutzkittel für den Umgang mit CMR-Arzneimitteln (krebserzeugende, erbgutverändernde, fortpflanzungsgefährdende oder sensibilisierende Arzneimittel), wie z. B. Zytostatika.

Tabelle 1: Welche Schutzkleidung schützt vor biologischen Arbeitsstoffen?

Anforderung
Norm

Penetrationswiderstand gegen Durchdringung von Blut und Körperflüssigkeiten unter Verwendung von synthetischem Blut

ISO 16603, ASTM F 1670

Widerstand gegen Durchdringung von blutgebundenen Pathogenen unter Anwendung einer Bakteriophage (Simulation der Virusdurchdringung)

ISO 16604, ASTM 1671

Widerstand gegen Durchdringung von biologisch kontaminierten Flüssigkeiten (Keimdurchtritt im feuchten Zustand)

„WET Penetration“, EN 14126, EN ISO 22610

Widerstand gegen Durchdringung von biologisch kontaminierten flüssigen Aerosolen

ISO 22611

Widerstand gegen Durchdringung von biologisch kontaminierten festen Partikeln (Keimdurchtritt im trockenen Zustand)

„DRY Penetration“, EN ISO 22612

Literatur

[1] Zur Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention.Anforderungen der Krankenhaushygiene und des Arbeitsschutzes an die Hygienebekleidung und persönliche Schutzausrüstung. Epid. Bull. 2007;1:3–4.

[2] Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe. Biologische
Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege (TRBA 250).
http://www.baua.de/de/Themenvon– A-Z/Biologische-Arbeitsstoffe/TRBA/ TRBA-250.html

[3] DIN EN 14126:2004-01. Schutzkleidung – Leistungsanforderungen und Prüfverfahren für Schutzkleidung gegen Infektionserreger. Deutsche Fassung EN 14126:2003. Beuth Verlag GmbH, Berlin.

[4] Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene. Sektion „Hygiene in der ambulanten und stationären Kranken- und Altenpflege / Rehabilitation“. Kleidung und Schutzausrüstung für Pflegeberufe aus hygienischer Sicht. Hyg Med 2009;34:102–107.

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift „Hygiene und Medizin“ der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene(2015; 40 – 1/2, Seite 59-60).

Der Kurztipp gibt die Meinung der Verfasser wieder.

Popp W. / Zastrow K.D. Hygiene-Tipp: Schutzkittel bei medizinischen und pflegerischen Tätigkeiten sowie bei Barrieremaßnahmen
und Isolierungen. Passion Chirurgie. 2015 Juli; 5(07): Artikel 03_03.

 

Hygiene-Tipp: Aufbereitung von Medizinprodukten – Behördliche Überwachung

Zunehmend wird durch staatliche Stellen die Aufbereitung von Medizinprodukten überwacht. Dabei gilt es (z. B. gestützt auf die nordrhein-westfälischen Ausführungsregelungen) folgendes zu beachten:

Bei der Aufbereitung von Medizinprodukten, die ausschließlich den Kategorien unkritisch und semikritisch A zuzurechnen sind, können anstatt eines separaten Aufbereitungsraumes abgetrennte Bereiche für die Aufbereitung genutzt werden. Für die Aufbereitung von Medizinprodukten der Kategorien semikritisch B und kritisch ist jedoch ein eigener Aufbereitungsraum, unterteilbar in die entsprechenden Bereiche, vorgeschrieben. Die Aufteilung eines Aufbereitungsraumes in verschiedene Bereiche ist in einer ZSVA und in der Aufbereitungseinheit eines ambulanten OP-Zentrums im Allgemeinen nicht ausreichend.

Im Falle von Zu-, Neu- oder Umbauten von Einrichtungen besteht kein Bestandsschutz von Raumlösungen, die nicht den Anforderungen entsprechen.

Aufbereitungsräume sind über Schleusen in der erforderlichen Bereichskleidung zu betreten. Wenn dieses nicht realisierbar ist und eine (schriftliche) Risikobeurteilung der hygienischen Situation es erlaubt, muss die Bereichskleidung für den Aufbereitungsraum in direkter Nähe dazu angelegt werden können.

Bei Mehrraumlösungen werden Durchlademaschinen für die maschinelle Aufbereitung empfohlen, da sie die Trennung von rein und unrein optimal gewährleisten. Ebenfalls empfohlen sind raumlufttechnische Anlagen. Insbesondere sind mindestens Umluftkühlgeräte erforderlich, da durch Sterilisatoren und Reinigungs-Desinfektionsgeräte (RDG) eine hohe Wärme- und Feuchtigkeitslast anfällt.

Für die maschinelle Reinigung und Desinfektion ist grundsätzlich ein Reinigungs-Desinfektionsgerät (RDG) nach DIN EN ISO 15883 einzusetzen, für das die Aufbereitungsprozesse entsprechend validiert worden sind.

Falls befristet noch Geräte weiterbetrieben werden sollen, die dieser Norm nicht mehr entsprechen, ist eine (schriftliche) Risikoanalyse durchzuführen. Insbesondere ist zu gewährleisten, dass auch mit einem solchen RDG nachweis- und reproduzierbar die notwendigen Aufbereitungsergebnisse erzielt werden. Häufig wird hierzu von Behörden das ständige Mitführen und Auslesen (beurteilen) von Thermologgern vorgegeben, was wiederum so aufwendig und zeitkostend ist, dass es realiter nicht umgesetzt werden kann und insofern ein neues Gerät angeschafft werden muss.

In der Regel erfolgt eine erneute (Leistungs-) Qualifikation der RDG jährlich. Eine gute Hilfestellung geben hierzu für den RDG-Prozess selbst die „Leitlinie von DGKH, DGSV und AKI für die Validierung und Routineüberwachung maschineller Reinigungs- und thermischer Desinfektionsprozesse für Medizinprodukte“ (4. Auflage 2014) und für die erforderlichen manuellen Schritte die „Leitlinie zur Validierung der manuellen Reinigung und manuellen chemischen Desinfektion von Medizinprodukten“ (1. Auflage 2013), die beide auf der Webseite der DGKH zu finden sind.

Der Kurztipp gibt die Meinung der Verfasser wieder.

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Leitlinie von DGKH, DGSV und AKI für die Validierung und Routineüberwachung maschineller Reinigungs- und thermischer Desinfektionsprozesse für Medizinprodukte

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Leitlinie zur Validierung der manuellen Reinigung und manuellen chemischen Desinfektion von Medizinprodukten

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Hygiene in der Arztpraxis – Ein Leitfaden

Popp W. / Martiny H. / Zastrow K.D. Hygiene-Tipp: Aufbereitung von Medizinprodukten – Behördliche Überwachung. Passion Chirurgie. 2015 März; 5(03): Artikel 03_01.

Hygiene-Tipp: Einstufung von Medizinprodukten

Nach geltendem Medizinprodukterecht müssen im Krankenhaus und auch in der Arztpraxis alle Medizinprodukte in jeweils eine Kategorie eingestuft werden. Die Einstufung muss schriftlich erfolgen. Aus dieser Einstufung ergeben sich Anforderungen hinsichtlich der Aufbereitung (Reinigung, Desinfektion, ggfs. Sterilisation), die einzuhalten sind. Nachfolgend die Kategorien:

Tab. 1: Auszug aus World Health Statistics 2012 – Ausgewählte Länder

Einstufung

Definition

Besonderheiten

Aufbereitung

Unkritische Medizinprodukte

Medizinprodukte, die nur mit intakter Haut in Berührung kommen

keine

Reinigung/Desinfektion

Semikritische Medizinprodukte (A oder B)

Medizinprodukte, die mit Schleimhaut oder krankhaft veränderter Haut in Berührung kommen

Semikritisch A:
ohne besondere Anforderungen an die Aufbereitung

Bevorzugt maschinelle Reinigung (bevorzugt alkalisch) und thermische Desinfektion.
Ggfs. Sterilisation (grundsätzlich mit feuchter Hitze)

Semikritisch B:
mit erhöhten Anforderungen an die Aufbereitung.
z. B. Medizinprodukte mit Hohlräumen

Vorreinigung unmittelbar nach der Anwendung.
Bevorzugt maschinelle Reinigung (bevorzugt alkalisch) und thermische Desinfektion.
Ggfs. Sterilisation (grundsätzlich mit feuchter Hitze)

Kritisch Medizinprodukte
(A, B oder C)

Medizinprodukte, die bestimmungsgemäß die Haut oder Schleimhaut durchdringen und dabei in Kontakt mit Blut kommen bzw. an inneren Geweben oder Organen zur Anwendung kommen.
Medizinprodukte zur Anwendung von Blut, Blutprodukten oder anderen sterilen Arzneimitteln/sterilen Medizinprodukten

Kritisch A:
ohne besondere Anforderungen an die Aufbereitung

Bevorzugt maschinelle Reinigung (bevorzugt alkalisch), thermische Desinfektion.
Sterilisation (grundsätzlich mit feuchter Hitze)

Kritisch B:
mit erhöhten Anforderungen an die Aufbereitung.
z. B. Medizinprodukte mit Hohlräumen

Vorreinigung unmittelbar nach der Anwendung.
Grundsätzlich maschinelle Reinigung, bevorzugt alkalisch, thermische Desinfektion.
Sterilisation mit feuchter Hitze

Kritisch C:
mit besonders hohen Anforderungen an die Aufbereitung (= kritisch B Medizinprodukte, die nicht dampfsterilisiert werden können)

Weitere Aufbereitung nur in Einrichtungen mit extern zertifiziertem Qualitätsmanagementsystem nach DIN EN ISO 13485 in Verbindung mit der KRINKO/BfArM-Empfehlung

Nachfolgend beispielhaft, wie eine Auflistung und Klassifizierung von Medizinprodukten erfolgen kann:

Tab. 1: Auszug aus World Health Statistics 2012 – Ausgewählte Länder

Name

Anzahl (fiktiv)

Risiko-einstufung

Vorreinigung

Reinigung. + Desinfektion

Spez. Kennzeich-nung

Sterilisation

EKG-Elektroden

12

Unkritisch

Nein

Ja

Nein

Nein

Ohrtrichter

5

Semikritisch A

Optional

Ja

Nein

Optional

Ohrspülspritze

2

Semikritisch A

Optional

Ja

Nein

Optional

Spekulum

3

Semikritisch A

Optional

Ja

Nein

Optional

Flexible Endoskope (z. B. Gastroskop)

2

Semikritisch B

Ja

Ja

Nein

Bei Einsatz in sterilen Körperhöhlen

Schere

5

Kritisch A

Optional

Ja

Nein

Ja

Chirurgische Pinzette

5

Kritisch A

Optional

Ja

Nein

Ja

Anatomische Pinzette

5

Kritisch A

Optional

Ja

Nein

Ja

Wundhaken

5

Kritisch A

Optional

Ja

Nein

Ja

Pean-Klemme

5

Kritisch A

Optional

Ja

Nein

Ja

Scharfer Löffel

5

Kritisch A

Optional

Ja

Nein

Ja

Nadelhalter

5

Kritisch A

Optional

Ja

Nein

Ja

MIC-Trokar

4

Kritisch B

Ja

Ja

Optional

Ja

ERCP-Katheter

2

Kritisch C

Ja

Ja

Ja

Ja

Teilweise ist die Einstufung nicht eindeutig. Beispielsweise könnte eine Schere auch als Kritisch B eingestuft werden, da das Gelenk schwer zu reinigen ist. Ebenso könnte ein Gastroskop als Kritisch B eingestuft werden, da es häufig mit Blut in Kontakt kommt (z. B. im Rahmen der Biopsie).

Von manchen Kassenärztlichen Vereinigungen werden Broschüren im Internet zur Verfügung gestellt, die sehr detailliert und teilweise bebildert die aktuellen Anforderungen nachvollziehbar darstellen, z. B. „Hygiene in der Arztpraxis“ der KVBW (Download siehe unten).

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Hygiene in der Arztpraxis – Ein Leitfaden

Popp W. / Zastrow K.D. Hygiene-Tipp: Einstufung von Medizinprodukten. Passion Chirurgie. 2015 Februar; 5(02): Artikel 03_02.

Hygiene-Tipp: Multiresistente Erreger – Verlust mindestens 8.000 € pro Fall

Schon eine frühere Studie aus den Vivantes Kliniken zeigte massive finanzielle Einbußen der Krankenhäuser bei der Behandlung von MRE-Patienten im deutschen DRG-System. Die Daten werden nunmehr untermauert durch Auswertungen der InEK-Daten durch Prof. Kersting und Kollegen aus dem IGES-Institut: Danach werden immerhin 3,1 % der Patienten mit einer MRE-spezifischen OPS abgerechnet. Zusätzliche Kosten entstehen vor allem durch Isolierung, Medikamenteneinsatz und längere Liegezeiten.

Die durchschnittlichen Zusatzkosten pro MRE-Patient belaufen sich so auf 10.000 €. Da die Krankenhäuser pro Fall im allgemeinen 1.000 bis 2.000 € maximal zusätzlich erhalten dürften, bleiben sie also pro MRE-Patient auf mindestens 8.000 € Verlust sitzen. Hochgerechnet auf 2.000 Krankenhäuser bedeutet dies wahrscheinlich Einnahmeverluste in Milliarden-Höhe pro Jahr!

Beispiel: Für ein Universitätsklinikum mit 1.000 MRE-Fällen pro Jahr und 50.000 stationären Patienten sind dies Verluste in einer Höhe von 8 Mio. €!

Weiter zeigen die Daten: Die Kosten steigen, je später die Diagnose gestellt wird.

Dies wiederum führt zu der Folgerung, dass alle Hygienemaßnahmen zur Vermeidung der Weiterverbreitung von MRE und ein generelles Eingangsscreening, auch aus wirtschaftlichen Gründen eingeführt werden müssen.

Der Hygienetipp gibt die Meinung der Autoren wieder.

Popp W. / Zastrow K.D. Hygiene-Tipp: Multiresistente Erreger – Verlust mindestens 8.000 € pro Fall. Passion Chirurgie. 2014 Dezember; 4(12): Artikel 03_04.

Hygiene-Tipp: Nosokomiale Infektionen beim ambulanten Operieren erfassen

Auch in Praxen für ambulantes Operieren sind nosokomiale Infektionen aufzuzeichnen, zu bewerten und Rückschlüsse daraus zu ziehen. Als nosokomiale Infektionen kommen im Allgemeinen nur Wundinfektionen in Betracht. Da in vielen Praxen die Zahl möglicher Indikator-Operationen, auf die man sich beschränken könnte, zu klein ist, sollte man sich im Allgemeinen auf die Gesamtheit aller Operationen beziehen, die jährlich zu ermitteln ist.

Bei postoperativen Wundinfektionen sind Daten zum Patienten aufzuzeichnen (z. B. in einer Excel-Tabelle). Dazu zählen:

  • Patientenidentifikation,
  • Alter,
  • Geschlecht,
  • OP-Datum,
  • OP-Art,
  • OP-Dauer,
  • ggfs. ASA-Score,
  • endoskopische OP ja/nein,
  • Operateur (in Gemeinschaftspraxen),
  • Infektionsart,
  • Zeitpunkt der Diagnose (welcher postoperativer Tag),
  • Erreger,
  • Komplikationen,
  • Therapie,
  • ggfs. Abheilung bzw. Ausgang.

Die Genesung der Patienten ist mindestens 14 Tage nach OP weiter zu verfolgen, besser 30 Tage, da die meisten postoperativen Wundinfektionen spät erkannt werden.

Bei Wundinfektionen sollte immer eine Keimsicherung durch Abstriche mit Erstellung eines Antibiogramms erfolgen.

Aus der Zahl der Wundinfektionen und der Gesamtzahl der Operationen kann die Wundinfektionsrate in Prozent ermittelt werden.

Dies muss mindestens jährlich geschehen, bei Häufungen von Infektionen öfter. Die jährliche Auswertung muss dokumentiert werden, einschließlich einer schriftlichen Bewertung. In dieser muss dargelegt werden, ob keine Maßnahmen erforderlich sind (z. B. keine Infektionen) oder welche Maßnahmen ergriffen werden müssen (z. B. Schulung eines Operationsteams, bei dem häufig Infektionen auftreten, Überprüfung der präoperativen Hautdesinfektion usw.). Die Unterlagen sind mindestens zehn Jahre aufzubewahren.

Der Hygienetipp gibt die Meinung der Autoren wieder.

Popp W. / Zastrow K.D. Hygiene-Tipp: Nosokomiale Infektionen beim ambulanten Operieren erfassen. Passion Chirurgie. 2014 November; 4(11): Artikel 03_02.

Hygiene-Tipp: Auswahl des Flächendesinfektionsmittels

Flächendesinfektionsmittel müssen immer wirksam sein. Bei einigen Erregern können Probleme auftreten, so dass darauf geachtet werden muss, dass das eingesetzte Flächendesinfektionsmittel auch wirksam ist.

Generell haben Sauerstoff-abspaltende Verbindungen und Aldehyde (z. B. Glutaraldehyd) die breiteste Wirksamkeit. Quaternäre Ammoniumverbindungen sind in den letzten Jahren wieder vermehrt auf den Markt gekommen. Sie haben allerdings Wirklücken bei Viren und auch bei Gram-negativen Keimen, die heute gerade wegen ihrer Multiresistenz (MRGN) eine bedeutende Rolle spielen.

Immer sollte die Konzentration entsprechend dem Ein-Stunden-Wert (Einwirkzeit) gewählt werden, wobei unter normalen Bedingungen (z. B. keine resistente Viren) die Flächen nach Abtrocknung wieder benutzt werden können.

Eine tuberkulozide Wirksamkeit ist nicht bei allen Präparaten gegeben. Wenn diese erforderlich ist, muss im Produktinfo nachgesehen werden, ob sie besteht und welche Konzentrationen erforderlich sind. Diese können teilweise (unrealistisch) hoch sein, sind aber anzuwenden – oder das Produkt ist zu wechseln.

Probleme können bei der Viruswirksamkeit bestehen. Für HIV, HBV, HCV, Herpesviren und Influenza reicht die sogenannte „begrenzte Viruzidie“ aus. Diese haben praktisch alle Präparate.

Für bestimmte unbehüllte Viren wie Rotaviren, Noroviren, Adenoviren, Papillomviren, Rhinoviren (Erkältung im Winter!) und Hepatitis-A-Virus ist allerdings „Viruzidie“, d. h. volle Viruzidie, erforderlich. Diese Mittel basieren in der Regel auf Sauerstoff-Abspaltern, z. B. Peressigsäure oder – besser – darauf basierenden Chemikalien und Glutaraldehyd oder Hypochlorit-Formulierungen. Auch diese Daten finden sich in der Produktinformation.

In jedem Fall lohnt sich ein Blick in die Produktinformation, da die Hersteller teilweise sehr unterschiedliche Erreger ausgetestet haben und für diese spezifische Konzentrationen und Einwirkzeiten angeben.

Popp W. / Zastrow K.D. Hygiene-Tipp: Auswahl des Flächendesinfektionsmittels. Passion Chirurgie. 2014 August; 4(08): Artikel 03_03.

Der Hygienetipp gibt die Meinung der Autoren wieder.

Hygiene-Tipp: Häufigkeit von multiresistenten Erregern

 

Seit einigen Jahren stagniert die Zahl der MRSA-Infektionen in Deutschland. Dies ist wahrscheinlich auf die in vielen Krankenhäusern gut etablierten Hygienemaßnahmen zurückzuführen. Auch sind Sanierungsmaßnahmen bei MRSA-Trägern in gut 60 % erfolgreich. Derzeit sind 1,5 bis 2 % der stationären Patienten MRSA-Träger, im Bereich der niedergelassenen Ärzte sind es maximal 0,5 %.

Im Unterschied dazu steigt die Zahl der multiresistenten gramnegativen Erreger massiv an. Die ESBL-Trägerschaft (Begriffe siehe Kasten) hat in den letzten zehn Jahren weltweit massiv zugenommen und sich teilweise verzehnfacht. Die Tendenz scheint sich fortzusetzen.

In Deutschland liegt die Trägerrate der Allgemeinbevölkerung für ESBL im Bereich von 3 bis 4 %, das ist fast zehnmal so hoch wie die MRSA-Trägerschaft.

Nach Daten aus mehreren Ländern liegt die Transmissionsrate im Krankenhaus im Bereich von 4 bis 5 %. Bei hohem Hygienestandard (z. B. in Schweizer Krankenhäusern) kann sie noch deutlich niedriger liegen (bei unter 2 %). Dagegen liegt die Übertragungsrate im Haushalt, wenn dort ESBL-Träger leben, bei rund 25 %. Es besteht also durchaus ein Risiko, im Zusammenleben selbst Träger zu werden – und damit natürlich auch im Umgang mit den Patienten.

Ende 2012 hat die Krankenhaushygiene-Kommission am RKI (KRINKO) Empfehlungen veröffentlicht, wie mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen umzugehen ist. Wurde die Multiresistenz in der Vergangenheit eher an der ESBL-Bildungsfähigkeit festgemacht, so entschloss sich die KRINKO zu einer völlig neuen Definition (siehe Kasten): 3- und 4-MRGN bedeuten jetzt gramnegative Erreger, die gegen drei bzw. vier wichtige Antibiotikaklassen resistent sind.

Die Daten zur Dauer der Trägerschaft bei ESBL/MRGN sind derzeit heterogen. Grob geschätzt ist heute davon auszugehen, dass 10 bis 50 % der Träger dies dauerhaft bleiben. Der Rest scheint aber nach einigen Monaten frei von Keimen zu sein. Insofern rentieren sich durchaus Schutzmaßnahmen und Wiederholungsuntersuchungen. Leider liegen derzeit keine gesicherten Sanierungskonzepte vor, die natürlich auch nicht einfach zu definieren sind, da die meisten Keime im Darm leben.

VRE

Vancomycin-resistente Enterokokken: Darmbakterien (Enterococcus faecium, aber auch Enterococcus faecalis), die gegenüber dem Reserveantibiotikum Vancomycin resistent sind.

ESBL

Bakterien, die Extended Spectrum-ß-Lactamasen (ESBL) bilden. Diese Enzyme spalten Antibiotika und machen sie unschädlich. Vor allem Escherichia coli und Klebsiellen (beide im Darm vorkommend) tragen ESBL-Gene.

MRGN

Multiresistente Gram-negative Bakterien. Es handelt sich um Darmbakterien (z. B. Escherichia coli) und einige Umweltkeime wie Pseudomonas und Acinetobacter, die gegen wichtige in der Intensivmedizin verwendete Antibiotika-Klassen resistent sind. Die Einteilung in 3-MRGN (resistent gegen drei Antibiotikaklassen) und 4-MRGN (zusätzlich resistent gegen eine weitere Klasse) ist eine deutsche Regelung der KRINKO.

ESBL-Bildner und MRGN überlappen sich, sind aber nicht identisch.

Der Hygienetipp gibt die Meinung der Autoren wieder.

Popp W. / Zastrow K.D. Hygiene-Tipp: Häufigkeit von multiresistenten Erregern. Passion Chirurgie. 2014 Juli; 4(07): Artikel 03_03.

Hygiene-Tipp: Hygieneposter für Klinik und Praxis

Schriftliche Hygienetipps sind schön und gut. Oft einprägsamer sind aber Bilder oder Grafiken, die kurz und prägnant Arbeitsabläufe und richtiges Vorgehen zeigen. Deshalb erhalten Sie dieses Mal Zugriff auf vier Poster des Universitätsklinikums Essen, die beliebig benutzt, ausgedruckt und (eventuell laminiert) aufgehängt werden können. Insbesondere die Anweisung zum An- und Ablegen von Schutzkleidung ist auch hilfreich für Besucher von isolierten Patienten, die so viel besser als mit Worten sehen können, wie sie sich zu verhalten haben.

Poster ‚Schutzkleidung anlegen’
Poster ‚Legen peripherer Venenverweilkanülen’
Poster ‚Händehygienevorschriften’
Poster ‚Fünf Desinfektionssituationen’

Popp W. / Zastrow K.D. Hygiene-Tipp: Hygieneposter für Klinik und Praxis. Passion Chirurgie. 2014 Juni; 4(06): Artikel 03_03.

Hygiene-Tipp: Automatische Händedesinfektionsmittelspender

In vielen Krankenhäusern und Altenpflegeheimen besteht der Wunsch, automatische Händedesinfektionsmittelspender im Eingangsbereich der Häuser bzw. von Stationen aufzustellen.

  • Bei der Entscheidung für derartige Geräte sollte folgendes bedacht werden:
  • Die Überwachung, Befüllung und ggf. Reparatur der Geräte muss klar geregelt sein.
  • Eine tägliche Kontrolle des Füllungszustandes und der Funktionsfähigkeit
  • (z. B. Batterien) ist erforderlich.
  • Es muss eine regelmäßige Reinigung der Spender gewährleistet sein.
  • Die Spender müssen so gestaltet sein, dass die üblichen im Haus verwendeten Einmalflaschen für Desinfektionsmittel problemlos eingesetzt und benutzt werden können. Ein Umfüllen in spezielle Flaschen ist nicht zulässig.
  • Spender die automatisch Desinfektionsmittel abgeben sind grundsätzlich nicht besser geeignet als Spender mit Handbedienung. Allerdings scheint es so zu sein, dass elektronische Spender bei den Nutzern auf größere Gegenliebe stoßen und häufiger genutzt werden. Soweit derartige Systeme eingesetzt werden, muss darauf geachtet werden, dass eine ausreichende Menge Händedesinfektionsmittel abgegeben wird.

Popp W. / Zastrow KD. Hygiene-Tipp: Automatische Händedesinfektionsmittelspender. Passion Chirurgie. 2014 Februar; 4(02): Artikel 03_05.

Hygiene-Tipp: Zubereitung von Injektionslösungen

Die Zubereitung von Injektionslösungen hat stets auf einer desinfizierten Arbeitsfläche stattzufinden.

Falls ein Waschbecken vorhanden ist soll dies mindestens einen Meter entfernt und durch einen Spritzschutz von der reinen Arbeitsfläche getrennt sein.

Vor Beginn der Zubereitung ist eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen.

Nicht konservierte Arzneimittel oder Lösungsmittel dürfen gemäß Europäischem Arzneibuch nur aus Einzeldosisbehältnissen entnommen werden.

Injektionslösungen/Infusionslösungen mit Konservierungsmitteln (zur Mehrfachentnahme) müssen mit dem Anbruchsdatum versehen und gemäß den Herstellerangaben (Lagertemperatur, Lagerdauer nach Anbruch) verwendet werden.

Bei größeren Ampullen (≥ 50 ml) wird zur Mehrfachentnahme ggf. eine Spike-Mehrfachentnahmekanüle mit Luftfilter verwendet.

Spike-Kanülen sind grundsätzlich nach Entnahme zu verschließen. Bei wiederholter Entnahme aus Mehrdosenbehältnissen ist für jede Entnahme eine frische Kanüle und Spritze zu verwenden.

Ist laut Gebrauchsinformation eine gekühlte Aufbewahrung erforderlich, erfolgt diese im Medikamentenkühlschrank.

Hierbei ist darauf zu achten, dass die Medikamente keinen Kontakt zu der Rückwand des Kühlschranks haben (Gefahr des Einfrierens) und nicht in der Tür gelagert werden (zu warm).

Die Temperatur der Medikamentenkühlschränke wird arbeitstäglich kontrolliert und in einer Liste mit Namen dokumentiert.

Die Kühlschranklisten werden monatlich abgeheftet und aufbewahrt. Über- oder unterschreitet die gemessene Temperatur die Lagertemperatur von +2°C bis maximal +8°C werden die gelagerten Medikamente verworfen und unverzüglich eine Reparatur des Kühlschrankes veranlasst.

Aufgezogene Spritzen sind unverzüglich zu applizieren.

Werden Arzneimittelmischungen oder Infusionen mit zugespritzten Injektionslösungen benötigt, so ist die Zumischung nur unmittelbar vor der Verwendung zulässig.

Popp W. / Zastrow KD. Hygiene-Tipp: Zubereitung von Injektionslösungen. Passion Chirurgie. 2014 Januar; 4(01): Artikel 03_02.