Alle Artikel von Prof. Dr. med. Walter Popp

Resistenzentwicklung von Bakterien gegen Desinfektionsmittel und Antiseptika

Hygiene Tipp: Die Resistenzentwicklung von Bakterien gegenüber Antibiotika ist eine allgemein bekannte Tatsache. Modernes Antibiotic Stewardship fordert, Antibiotika – gezielt und in ausreichender Dosierung – nur dort einzusetzen, wo sie unverzichtbar sind. Im Gegensatz dazu ist eine Resistenzentwicklung von Bakterien gegen Desinfektionsmittel gegenwärtig kein Gegenstand öffentlicher Diskussionen, obwohl die Ausbildung von bakteriellen Resistenzen (auch als Toleranz bezeichnet) gegen Triclosan, Chlorhexidin, Silber sowie QAV (quaternäre Ammoniumverbindungen) praktische Bedeutung erlangt hat und seit Jahren beschrieben ist. Bei diesen Wirkstoffen treten Resistenzmechanismen auf, die denen der Antibiotikaresistenz gleichen. Es werden durch Punktmutationen veränderte („downregulierte“) Porine oder Effluxpumpen beschrieben, die den Wirkstofftransport in die oder aus der Bakterienzelle verändern. Ausbrüche nosokomialer Infektionen durch Erreger mit erhöhter Resistenz gegen Triclosan, aber auch Chlorhexidin, wurden wiederholt publiziert. G. Kampf beschrieb die Problematik bereits 2016, aktuell hat das Epidemiologische Bulletin (Nr. 39, 2020) darauf hingewiesen.

Bei Chlorhexidin erreichen beispielsweise die beschriebenen minimalen Hemmkonzentrationen bei zahlreichen klinischen Isolaten die üblichen Anwendungskonzentrationen. Es gibt aber keinen Grund, diesen potenten Wirkstoff völlig zu verbannen. Eine verantwortungsvolle Nutzen-Risiko-Abwägung ist angezeigt, vor allem dort, wo das Antiseptikum in Anwendungskonzentrationen unter 0,5 % zum Einsatz kommt (z.B. Mundspüllösungen). Bei der Behandlung der Eintrittstelle intravasaler Katheter sowie der präoperativen Hautdesinfektion sind alkoholische Desinfektionslösungen unter Zusatz von Chlorhexidin zur Minimierung nosokomialer Infektionen durch die KRINKO am RKI ausdrücklich empfohlen.

Praktische Relevanz hat die bakterielle Resistenz gegen quaternäre Ammoniumverbindungen. Zum einen, weil zahlreiche Stämme gramnegativer Bakterien durch diese Desinfektionslösungen nicht mehr abgetötet werden. Das ist beim Einsatz QAV-basierter Desinfektionslösungen in Risikobereichen von Krankenhäusern zu berücksichtigen. Zum anderen, weil auf Veränderungen von Porinen oder Effluxpumpen basierende Resistenzen gegen QAV mit Kreuzresistenzen gegen Antibiotika assoziiert sind. G. Fleming konnte 2010 zeigen, dass die durch veränderte qac A/B Gene mutierte Efflux-Pumpe, mit der Benzalkoniumchlorid aus den Zellen von Pseudomonas aeruginosa transportiert wird, auch das Antibiotikum Ciprofloxacin „entsorgt“. Eine 12-fach verminderte Sensitivität auf Benzalkoniumchlorid korrelierte mit einer Resistenzerhöhung gegenüber Ciprofloxacin um den Faktor 256 (Microbiology, 2010; 156: 30). Analoges trifft auf die Resistenz gegen Colistin zu.

Der Hygiene-Tipp im Auftrag der DGKH gibt die Meinung der Autoren wieder.

Jatzwauk L, Popp W, Schmithausen R, Kohnen W: Hygiene-Tipp: Resistenzentwicklung von Bakterien gegen Desinfektionsmittel und Antiseptika. Passion Chirurgie. 2021 März; 11(03): Artikel 04_05.

Hygiene-Tipp: Masken in der Medizin – eine kleine Geschichte

Masken als Schutzmaßnahme wurden schon im Mittelalter eingesetzt. Sie waren oft aus Leder gefertigt und dienten – neben Mänteln und Handschuhen – als Schutz für die Ärzte bei der Behandlung von Infektionskranken, z. B. Pestkranken. Teilweise waren die Masken so gestaltet, dass sie Räucherrauch abgeben konnten, oft waren sie mit Kräutern und Flüssigkeiten gefüllt – wohl in erster Linie gedacht als Schutz gegen die einwirkenden Miasmen in der Luft, die als Überträger der Infektionen angesehen wurden.

Im Operationssaal (OP) benutzte in Breslau Johann von Mikulicz-Radecki 1897 erstmals eine Maske, die aus einer Lage Mullbinde bestand. Sie hatte den Vorteil, dass sie nicht nur Mund und Nase bedeckte, sondern auch die damals (und heute wieder) üblichen Bärte.

Zeitgleich konnte Fluegge, ebenfalls in Breslau, nachweisen, dass beim Sprechen Tröpfchen mit Bakterien von Mund und Nase abgegeben werden. Schon damals wurde berichtet, dass beim Sprechen Bakterien über vier bis fünf Meter verbreitet werden können.

1898 empfahl Huebner, ebenfalls Breslau, eine Maske aus zwei Lagen Mullbinde und zeigte, dass sie effizienter war. Auch fand er, dass eine Maske nahe an der Nase feucht wurde und ihr Rückhaltevermögen abnahm. Deshalb konstruierte er ein Gestell, das den Abstand zur Nase herstellte.

In den folgenden Jahren wurde gezeigt, dass Masken den Träger schützen. 1918 berichtete Weaver, dass es zu keinen Diphtherie-Übertragungen kam, wenn von Kontaktpersonen zu Diphtheriekranken Masken getragen wurden. Capps konnte im gleichen Jahr in Militärkrankenhäusern nachweisen, dass Masken das Personal vor Infektionen schützen.

Ebenfalls 1918 berichteten Doust und Lyon, dass normales Sprechen relativ wenige Bakterien freisetzt und nur auf eine Distanz von ein bis zwei Fuß. Bei lautem Sprechen wurden mehr freigesetzt, die sich über mehr als drei Fuß ausbreiten konnten.

1910/11 (60.000 Tote) und 1920/21 (9.300 Tote) gab es große Pestausbrüche in der Mandschurei (heute Teile Chinas, Russlands und in geringem Umfang der Mongolei). Mitarbeiter im Gesundheitswesen schützten sich mit Masken aus Baumwolle und Mullbinden. In Konsequenz war die Infektionsrate bei ihnen sehr gering.

1918 wurde in San Francisco während der Spanischen Grippe eine allgemeine Maskenpflicht erlassen. Allerdings wurde die Maskenpflicht zu früh aufgehoben, sodass die zweite Grippewelle die Stadt mit voller Wucht traf. Eine erneute Maskenpflicht wurde zu spät verhängt – Gründe waren u. a. die Sorge um das Weihnachtsgeschäft der Läden und die Verluste der Restaurants beim Shutdown (wen erinnert das nicht an die Corona-Pandemie…).

In den folgenden Jahren wurden die Ergebnisse bestätigt und zunehmend mehr Lagen für die Masken eingesetzt. Ende der 1920er Jahre waren Masken aus Mullbinden weit verbreitet. Engelfried und Farrer zeigten, dass eine sechs-lagige Maske die Bakterien im OP-Feld um 90 Prozent reduzieren konnte.

In den 1930er Jahren wurden zunehmend Berichte publiziert, die eine Abnahme von postoperativen Wundinfektionen – insbesondere durch Staphylococcus aureus und Streptokokken – beim Tragen von Masken durch die Operateure berichteten.

Ebenfalls in den 1930er Jahren wurden neue Masken erprobt, die zusätzlich zum Mull weitere Materialien enthielten, die in erster Linie abweisend waren. Die Zwischenlagen bestanden aus Gummi, Röntgenfilmen oder Cellulose-Baumwoll-Mischgeweben. Später kamen auch Baumwolle, Flanell und Papier zum Einsatz. Erstmals wurde ein Stück Aluminium oberhalb der Nase eingesetzt, sodass man die Maske anmodellieren konnte.

Anfang der 1940er Jahre, als Antibiotika in der Medizin eingeführt wurden, erlosch das Interesse an den Masken. Allerdings beschrieb Duguid 1946, dass beim Nießen im Mittel 39.000 Bakterien-haltige Partikel produziert wurden, 710 beim Husten und 36 beim lauten Reden. Er beschrieb auch, dass Partikel (gemeint sind Tröpfchen) unter 100 µm austrocknen und auf ein Viertel bis ein Siebtel ihrer Originalgröße schrumpfen.

Ende der 1950er Jahre wurden Masken wieder interessanter, als gleichzeitig aseptische Techniken in der Chirurgie an Bedeutung gewannen: Präoperative Hautdesinfektion, Gummihandschuhe (erstmals durch Halsted 1889), Hauben, Kittel (erstmals durch Neuber 1883) und sterile Abdeckungen. Diverse Forscher zeigten, dass die meisten Partikel aus dem Mund von Masken aufgefangen werden.

Erstmals wurden Filtermasken eingesetzt und die Kritik an zu geringer Effektivität der Mullmasken nahm zu.

1958 wurden flexible Polyvinylplastik-Masken entwickelt. 1961 wurden erstmals Filtermasken als Einmalprodukt eingesetzt. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass die Masken an den Seiten dicht anliegen müssen.

1960 definierten Rockwood und O´Donoghue, dass Masken vom gesamten Team im OP getragen werden sollten, Mund und Nase bedecken, eine feuchte Maske entfernt werden soll, nach jeder OP eine neue Maske benutzt wird, eine Maske mit Filter bis zu drei Stunden getragen werden kann, dass Masken auf Filterbasis die besten sind – und dass während der OP Fenster und Türen geschlossen sein sollen.

1967 ermittelten Ford et al. das Rückhaltevermögen diverser Masken (u. a. Papier, Mullbinden, Nylon, Flannel, Polyester) mit 15 bis 99 Prozent, je nach Produkt.

1975 beschrieb Ritter, dass die Anzahl der Bakterien in der Luft massiv ansteigt, wenn mehrere Personen den OP betreten. 1983 berichtete Letts, dass von 5.595 beim Reden ausgestoßenen Kolonien nur eine Staphylococcus aureus war. Alle anderen waren Kommensalen, die selten Infektionen verursachen. Er empfahl wenig Konversation im OP und das Tragen von Masken. Allerdings wurden danach auch Studien (z. B. von Orrs und Chamberlain und Houang) veröffentlicht, die keinen Effekt von Masken auf die Anzahl der Wundinfektionen zeigten. Die Fallzahlen waren jedoch klein. Dazu gab es wiederum weitere Studien, die einen Effekt zeigten (z. B. von Berger). Ab den 90er Jahren wurden Masken auch zunehmend als Schutz des Personals gegenüber Blutspritzern angesehen.

In den 90er Jahren entdeckte die Medizin, dass es außerhalb von ihr ebenfalls Masken im Arbeitsschutz gab – Staubmasken, die z. B. auf Baustellen eingesetzt wurden. Bei Vergleichsuntersuchungen dieser Partikel-filtrierenden Masken vom Typ FFP1-3 (filtering facepiece) mit dem chirurgischen Mund-Nasen-Schutz (MNS) zeigte sich, dass die FFP-Masken überwiegend eine höhere Schutzwirkung hatten, vor allem, weil sie dichter saßen. Auf Grund dessen wurden in den folgenden Jahren und Jahrzehnten vermehrt FFP2- und -3-Masken auch im Gesundheitswesen eingesetzt.

Heute werden die FFP-Masken nach der Norm DIN EN 149 geprüft und der MNS nach der Norm EN 14683. Mindestrückhaltevermögen von FFP-Masken-Filtern (nicht Dichtsitz) bezüglich NaCl-Prüfaerosol:

  • FFP1: 80 %
  • FFP2: 94 %
  • FFP3: 99 %

Beide Masken-Typen dienen sowohl dem Fremd- wie auch Eigenschutz. FFP-Masken können auch Ausatemventile haben, die zumindest das Ausatmen erleichtern. Diese können natürlich nur verwandt werden, wenn der Träger nicht infektiös ist. Bei der häufig getragenen (europäischen) FFP2-Maske entspricht die Qualität ungefähr der US-Norm N95 und in China der Norm KN95.

Die Erfahrungen mit Influenza, SARS und COVID-19 zeigen, dass die Schutzwirkung des MNS nicht wesentlich schlechter ist als die einer FFP2-Maske. FFP2-Masken werden aber unbedingt empfohlen bei Versorgung von Patienten mit Coronaviren, aviärer Influenza und Tbc. Bei MDR-Tbc muss eine FFP3-Maske getragen werden.

Im Rahmen der Schweinegrippe-Pandemie 2009 und der Coronavirus-Pandemie 2020 gab es zeitweise Mangel an MNS und FFP-Masken. Daher wurden teilweise selbst hergestellte Masken eingesetzt, überwiegend aus Textil. Das BfArM hat im Rahmen der Corona-Pandemie diese Masken als Community-Masken bezeichnet:

  • Community-Maske (Behelfs-Mund-Nasen-Maske),
  • medizinische Gesichtsmasken (MNS, OP-Maske),
  • filtrierende Halbmasken (FFP1-3).

Selbst für Textilmasken konnte ein recht gutes Rückhaltevermögen zumindest für größere Partikel gezeigt werden (> 5 µm).

Der Hygiene-Tipp im Auftrag der DGKH gibt die Meinung der Autoren wieder.

Popp W, Jatzwauk L, Schmithausen R, Kohnen W: Hygiene-Tipp: Masken in der Medizin – eine kleine Geschichte. Passion Chirurgie. 2021 Mai; 11(05): Artikel 04_04.

Hygiene Tipp: Neue Desinfektionsverfahren

Das Verdampfen von wässriger Formaldehydlösung galt seit über 100 Jahren als wirksames Verfahren der Flächendesinfektion bei Infektionskrankheiten, bis das Verfahren durch die potenziell kanzerogene Wirkung des Wirkstoffs stark eingeschränkt wurde. In den letzten Jahren wurden zunehmend neue berührungslose Desinfektionsverfahren für Flächen propagiert, die in Modelluntersuchungen eine gute Wirksamkeit zeigen. Insgesamt ist die derzeit vorliegende Evidenz solcher Verfahren zur Minimierung nosokomialer Infektionen im routinemäßigen Einsatz in Gesundheitseinrichtungen jedoch nicht ausreichend belegt und die zu beachtenden Limitationen sind zahlreich:

  • UV-Bestrahlung von Flächen, teilweise durch selbstfahrende Roboter. Die Desinfektion kann aber nur erfolgen, wenn sich keine Personen in den Räumen aufhalten (insbesondere Risiko von Plattenepithelkarzinomen der Haut). Ferner können UV-Strahlen nicht um Ecken biegen, sodass für die UV-Strahlen unzugängliche Bereiche (Schattenbereiche) nicht erfasst werden.
  • Wasserstoffperoxid-Verneblung. Dabei wird allerdings der MAK-Wert für den Arbeitsplatz überschritten, sodass auch hier niemand im Raum sein kann und nach Ende der Verneblung der Raum in Vollschutz (mit Aktivkohlefilter-Maske, FFP-Maske nicht ausreichend) betreten werden muss. Ferner müssen vorher alle Textitilien entfernt und Brandmelder sowie RLT-Anlage ausgeschaltet oder abgeklebt werden. Laut Desinfektionsmittelliste des RKI muss bei diesem Verfahren die Eignung für jede Oberfläche mikrobiologisch überprüft (validiert) werden. Es gibt Oberflächen, auf denen Wasserstoffperoxid oxidativ zerstört und damit unwirksam wird.
  • Ozonierung. Auch hier werden hohe Luftkonzentrationen eingesetzt. Die Limitationen entsprechen denen von Wasserstoffperoxid.
  • Plasma- und Ionisationsverfahren sind noch schwieriger zu beurteilen, da die Bildung von Sauerstoffradikalen, Ozon oder sonstigen Sekundärprodukten nicht auszuschließen ist, die schleimhautreizend oder gar kanzerogen wirken.
  • Kupfer- und silberhaltige Oberflächen. In vitro ist die keimtötende Wirksamkeit von Kupferionen seit Jahrzehnten bekannt, wobei diese Wirksamkeit durch Oxidation schnell abnimmt.

Alle genannten Verfahren verursachen höhere Kosten, da die mechanische Reinigung durch berührungslose Verfahren nicht ersetzt wird und weiterhin erforderlich ist. Verbleibende organische Verschmutzungen führen zur Inaktivierung aller genannten Mechanismen.

Der Hygiene-Tipp im Auftrag der DGKH gibt die Meinung der Autoren wieder.

Popp W, Wehrl M, Jatzwauk L, Schmithausen R, Kohnen W: Hygiene-Tipp: Neue Desinfektionsverfahren. Passion Chirurgie. 2021 April; 11(04): Artikel 04_04.

Hygiene-Tipp: Welche Qualifikation braucht der Krankenhaushygieniker?

Die Umsetzung der Krankenhaushygiene-Verordnungen der Bundesländer fordert nach Ablauf der Übergangsregelungen von zahlreichen stationären, aber auch ambulanten Gesundheitseinrichtungen zwingend die Bestellung eines Krankenhaushygienikers.

Der Begriff Krankenhaushygieniker ist in den KRINKO-Empfehlungen zu den „Personellen und organisatorischen Voraussetzungen zur Prävention nosokomialer Infektionen“ (2009) sowie zum „Kapazitätsumfang für die Betreuung von Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen durch Krankenhaushygieniker/innen“ (2016) beschrieben: Es muss ein Arzt für Hygiene und Umweltmedizin, ein Arzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie oder ein in Krankenhaushygiene curricular fortgebildeter Arzt sein.

Die personellen Voraussetzungen an die Besetzung der Stelle des Krankenhaushygienikers sind weiterhin in den Krankenhaushygiene-Verordnungen der Bundesländer verbindlich geregelt. Somit kann bei Neubesetzung der Stelle des Krankenhaushygienikers nur ein Arzt in Frage kommen, der die entsprechenden Qualifikationen vorweist.

Aktuell versuchen die Ärztekammern auf Basis eines Beschlusses des Ärztetages (und gegen die Hinweise aller beteiligten Medizinischen Fachgesellschaften) eine Zusatzbezeichnung Krankenhaushygiene zu etablieren, die in Umfang der Fortbildung und Qualität deutlich hinter die bisherigen Qualifikationen der o. g. Fachärzte bzw. der curricular Fortgebildeten zurückfällt. Die Auswirkungen auf die Versorgungsqualität der Krankenhaushygiene bleiben abzuwarten.

Der Hygiene-Tipp im Auftrag der DGKH gibt die Meinung der Autoren wieder.

Popp W, Jatzwauk L, Schmithausen R, Kohnen W: Hygiene-Tipp: Welche Qualifikation braucht der Krankenhaushygieniker? Passion Chirurgie. 2021 Januar/Februar; 11(01/02): Artikel 04_04.

Hygiene-Tipp: Berufskrankheiten durch Infektionen

Im Gesundheitswesen können Infektionen nach der Berufskrankheiten-Ziffer BK 3101 („Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war“) anerkannt werden.

Im Jahr 2020 dominiert die durch COVID-19 verursachte BK 3101. Zum Stichtag 9. Oktober 2020 wurden von der Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege 6.938 Fälle als BK 3101 anerkannt.

Grundsätzlich müssen für die Anerkennung drei Voraussetzungen vorliegen:

  • Kontakt mit SARS-CoV-2-infizierten Personen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit im Gesundheitswesen und
  • relevante Krankheitserscheinungen, wie zum Beispiel Fieber oder Husten, und
  • positiver Nachweis des Virus durch einen PCR-Test.
  • Bei einem chronischen Verlauf einer COVID-19 kann auch ein Antikörpertest für die Anerkennung einer BK ausreichend sein.

Auf jeden Fall sollte bei Erfüllung dieser Voraussetzungen jede COVID-19-Infektion bei Mitarbeitern im Gesundheitswesen als BK 3101 angezeigt werden.

Tab. 1: Gemeldete und anerkannte Berufskrankheiten für das Jahr 2017

Infektionskrankheit (n=8.612)

Meldepflichtig und gemeldet

Anerkannt*

gesamt

977

512

Hepatitis B

28

9

Hepatitis C

29

15

HIV-Infektionen (AIDS)

4

2

MRSA

39

1

Skabies

212

172

Tuberkulose

222

98

Latente Tuberkulose

251

201

Influenza

4

1

Keuchhusten

6

0

Masern, Röteln, Mumps

32

5

* Im Berichtsjahr entschiedene Fälle

Der Hygiene-Tipp im Auftrag der DGKH gibt die Meinung der Autoren wieder.

Korrespondierender Autor:

Nienhaus A, Popp W, Jatzwauk L, Schmithausen R, Kohnen W: Hygiene-Tipp: Berufskrankheiten durch Infektionen. Passion Chirurgie. 2020 Dezember; 10(12): Artikel 04_05.

Hygiene-Tipp: Meldepflichten nach Infektionsschutzgesetz

  1. In letzter Zeit sind durch den Gesetzgeber im § 6 des Infektionsschutzgesetzes mehrfach Veränderungen bei den Meldepflichten für die Erstdiagnose einer Infektionskrankheit stellenden ÄrztInnen durchgeführt worden. Spezifische Meldepflichten bei Verdacht, Erkrankung oder Tod werden je nach Infektionskrankheit unterschieden. Die Meldung hat innerhalb von 24 Stunden nach der Diagnosestellung zu erfolgen.
  2. Aktuell und neu in die Meldepflicht aufgenommen wurde der Verdacht, die Erkrankung und der Tod durch SARS-CoV-19.
  3. Zu beachten sind außerdem zahlreiche bundeslandspezifische Meldepflichten, die die ärztliche Meldepflicht teilweise massiv erweitern.
  4. Die im jeweiligen Bundesland gültigen Meldepflichten sind zu finden unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/Meldepflichtige_Krankheiten/Meldepflichtige_Krankheiten_node.html

Die parallel existierende Meldepflicht für Untersuchungslaboratorien nach § 7 IfSG für Labornachweise definierter Krankheitserreger entbindet den die Krankheitsdiagnose stellenden Arzt nicht von der o.g. ärztlichen Meldepflicht.

Der Hygiene-Tipp im Auftrag der DGKH gibt die Meinung der Autoren wieder.

Popp W, Jatzwauk L, Schmithausen R, Kohnen W: Hygiene-Tipp: Meldepflichten nach Infektionsschutzgesetz. Passion Chirurgie. 2020 Juli; 10(9): Artikel 04_05.

Hygiene-Tipp: Wasser und Abwasser

Die KRINKO hat im März ihre „Anforderungen der Hygiene an abwasserführende Systeme in medizinischen Einrichtungen“ veröffentlicht. Betroffen sind unter anderem Waschbecken, WC-Becken, Duschbecken, Abflüsse von Badewannen, Speibecken in Dentaleinheiten, Ausgussbecken, Steckbeckenspüler und Abwasserabläufe in Küchen. Die wichtigsten Erreger im Abwasser sind Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter spp., Enterobacterales, Clostridioides difficile sowie Enterokokken.

Für die Desinfektion von Siphons usw. werden Präparate auf Peroxid- oder Chlorbasis empfohlen, z. B. nach Entlassung oder Verlegung von mit 4MRGN kolonisierten oder infizierten Patienten.

Hilfreich ist der informative Anhang, der viele praktische Beispiele liefert, die allerdings überwiegend erst im Falle von Renovierung bzw. Neubau umzusetzen sind:

  • So sollen persönliche Utensilien der Patienten in ausreichendem Abstand zum Waschbecken aufbewahrt werden.
  • Bei Waschbecken soll künftig die Abflussöffnung rückwärts in der Wandung liegen.
  • Der Abstand zwischen Waschbecken und Bett soll mindestens 1 Meter betragen.
  • Bei Neuplanung ist auf Waschbecken in Patientenzimmern zu verzichten.
  • Toilettenschüsseln sollen spülrandfrei sein.
  • Hygieneduschen über Schlauchverbindungen mit direktem Anschluss an einen Wasserhahn sind verboten.
  • Der Toilettendeckel soll bei Spülung geschlossen bleiben.
  • Auch in Duschen sollen die Bodenabläufe möglichst wandnah sein.
  • Auf Duschvorhänge soll möglichst verzichtet werden.
  • Im unreinen Arbeitsraum soll das Ausgussbecken vom reinen Bereich getrennt sein, notfalls durch Spritzschutz.
  • Desinfektionsmitteldosiergeräte sollen nicht über dem Ausgussbecken hängen, in das kontaminierte Flüssigkeiten entsorgt werden.
  • Bei der Behebung von Verstopfungen im Abwassersystem soll bedacht werden, dass Erregerübertragungen über Reinigungsspiralen und ähnliche Utensilien möglich sind.

Der Hygiene-Tipp im Auftrag der DGKH gibt die Meinung der Autoren wieder.

Popp W, Jatzwauk L, Schmithausen R, Kohnen W: Hygiene-Tipp: Wasser und Abwasser. Passion Chirurgie. 2020 November; 10(11): Artikel 04_05.

Hygiene-Tipp: Die Rolle von Tröpfchen und Aerosolen

Während der Covid-19-Pandemie wurde immer wieder über die Frage diskutiert, ob das SARS-CoV-2-Virus primär über Tröpfchen übertragen wird oder auch in erheblichem Umfang über Aerosole.

Tröpfchen sind relativ groß (> 5 µm), so dass sie schnell zu Boden sinken und nicht mehr eingeatmet werden können. Aerosole dagegen sind relativ klein (0,3 bis 5 µm) und können durch die Wind- und Luftbewegungen über Stunden und große Entfernungen in der Luft gehalten werden. Tröpfchen größer als 8 µm verschwinden innerhalb von 20 Minuten aus der Luft, größer als 4 µm innerhalb von 90 Minuten. Aerosole können bis 30 Stunden in der Luft bleiben (Duguid 1946).

Tröpfchen enthalten dagegen deutlich mehr Viren als Aerosole, so dass die notwendige Infektionsdosis viel schneller erreicht wird. Anschaulich ist folgende Berechnung über die in Partikeln entsprechender Größe transportierte Flüssigkeitsmenge:

Partikelgröße

0,3 µm

0,5 µm

1,0 µm

5,0 µm

10 µm

Volumen

0,014 µ3

0,065 µ3

0.52 µ3

65,5 µ3

523,6 µ3

Aerosole können bis in die Alveolen der Lunge vordringen und umgekehrt auch aus diesen abgehustet werden. Tröpfchen werden beim Einatmen im oberen Respirationstrakt abgelagert und von dort auch wieder abgegeben (Schulze-Röbbecke et al. 2020, Leung et al 2020, Bourouiba 2020, Tellier et al 2019).

Allerdings können sich Tröpfchen bei geringer Luftfeuchtigkeit in Aerosole umwandeln: Wenn Tröpfchen durch die Luft fliegen, verlieren sie Wasser und werden dadurch kleiner, zu so genannten Tröpfchenkernen, die die Größe von Aerosolen haben. Dabei nehmen beispielsweise Tröpfchen von 12-21 µm auf Größen von 4 µm ab (Stadnytsky et al. 2020).

Bei diesen Austrocknungsvorgängen können die in den Tröpfchen enthaltenen Bakterien und Viren allerdings inaktiviert werden, so dass der Übergang in Tröpfchenkerne nicht unbedingt eine weitere Infektiosität bedeuten muss.

Seit Jahrzehnten differenziert die Infektionsepidemiologie Infektionskrankheiten, die eher durch Tröpfchen oder eher durch Aerosole übertragen werden. Masern und Windpocken werden nicht nur durch Tröpfchen, sondern bekanntermaßen über größere Entfernungen aerogen übertragen. Scharlach, Mumps, Pertussis und Influenza gelten dagegen als ausgesprochene Tröpfchen-Infektionen.

Fazit für die Praxis

  1. Das gegenwärtig im Rahmen der Covid-19- Pandemie geltende Abstandsgebot von 1,5 m (Deutschland, Australien) schützt nur vor Tröpfcheninfektionen. In Frankreich, Singapur, Italien und China genügen hierfür 1,0 m. In den USA, UK, Kanada, Spanien und Neuseeland werden dagegen 2 m gefordert (Bourouiba 2020, EMG-SAGE 2020). Ebenso schützt eine textile Mund-Nasenbedeckung oder ein medizinischer (chirurgischer) Mund- Nasenschutz eher vor Tröpfchen. Beides scheint sich bewährt zu haben.
  2. Eine Übertragung von SARS-CoV-2 durch Aerosole ist dagegen über größere Entfernungen möglich. Wegen der viel geringeren Erregermenge im Aerosol und der zusätzlichen Inaktivierung durch Austrocknung ist jedoch ein längerer Kontakt mit dem Aerosol in geschlossenen Räumen ohne ausreichende Raumlüftung erforderlich. Eine niedrige Temperatur und hohe Luftfeuchtigkeit verhindert die Austrocknung der Aerosoltröpfchen und hält diese länger infektiös. Ein zuverlässiger Schutz vor Aerosolen ist eher durch FFP (NIOSH)- Masken möglich. Entscheidend ist dabei der Dichtsitz – vor allem vorgeformte FFP-Masken können bei schmalen Gesichtern einen großen Abstand zur Wange haben.
  3. Bei im Rahmen von medizinischen Prozeduren (z. B. Intubation, NIV, Bronchoskopie, mikroinvasive Chirurgie) entstehenden potentiell SARS-CoV-2-haltigen Flüssigkeiten ist das Verhältnis Tröpfchen/Aerosole bisher nur unzureichend geklärt.

Literatur

  • Bourouiba, L: Turbulent gas clouds and respiratory pathogen emissions potential implications for reducing transmission of Covid-19. JAMA 2020, 323, 1837-1838
  • Duguid, J.P.: The size and the duration of air-carriage of respiratory droplets and droplet-nuclei. J Hyg (London) 1946, 44, 471-479
  • EMG-SAGE 4th June 2020. Transmission of SARS-CoV-2 and mitigating measures
  • Leung, N.H.L. et al: Respiratory virus shedding in exhaled breath and efficacy of face masks. Nature Medicine 2020
  • Schulze-Röbbecke, R. et al: Welche Schutzmaske schützt vor COVID-19? Was ist evidenzbasiert? Krankenhaushygiene up2date 2020, 15, 123-131
  • Stadnytsky, V. et al: The airborne lifetime of small speech droplets and their potential importance in SARS-CoV-2 transmission. PNAS 2020, 117, 11875-11877
  • Tellier, R. et al: Recognition of aerosol transmission of infectious agents: a commentary. BMC Infect Dis 2019, 19, 101

Der Hygiene-Tipp im Auftrag der DGKH gibt die Meinung der Autoren wieder.

Popp W, Jatzwauk L, Schmithausen R, Kohnen W: Hygiene-Tipp: Tröpfchen und Aerosole-(k)ein Widerspruch bei der Übertragung von COVID-19? Passion Chirurgie. 2020 September; 10(9): Artikel 04_05.

Hygiene-Tipp: Tabletts für die Blutabnahme – Wer trägt die Verantwortung?

Bei Begehungen auf der Station sieht man nicht selten schmutzige, mit Blut verschmierte oder inkorrekt zusammengestellte Tabletts, die zur Blutabnahme eingesetzt werden. Auf Abbildung 1 fehlt beispielsweise ein adäquater Abwurfbehälter für Spitzabfälle; stattdessen wurden die Nadeln und Butterflies in einen offenen Becher abgeworfen. Ursache derartiger Situationen ist, dass sich weder die blutabnehmenden Ärzte und PJ-Studenten noch die Pflegekräfte für die Reinigung und Ordnung zuständig fühlen. Die Einhaltung der Ordnung und Sauberkeit der Tabletts muss auf der Station zwischen Ärzten, PJ-Studenten und Pflegekräften geregelt werden. Im Streitfall ist es primär Aufgabe derjenigen, die Blut abnehmen. Abbildung 2 zeigt beispielhaft ein gut strukturiertes, zuvor wischdesinfiziertes Tablett (mit Abwurfbehälter für Spitzabfälle).

Abb. 1: Inkorrekt zusammengestelltes Tablet zur Blutabnahme mit Verschmutzung und ungeeignetem Behältnis für Injektionsabfälle.

Abb. 2: Beispiel eines gut strukturierten und zuvor wischdesinfizierten Tablets.

Popp W, Parohl N, Jatzwauk L, Schmithausen R, Kohnen W: Hygiene-Tipp: Tabletts für die Blutentnahme. Passion Chirurgie. 2020; 10(7/8): Artikel 04_04.

Hygiene-Tipp: Speisen-Versorgungskonzepte

Die Essensversorgung auf der Krankenhausstation erfolgt zunehmend über Zentralküchen im oder außerhalb des Krankenhauses. Die Zubereitung von Essen auf Station („Bütterchen schmieren“) ist obsolet, da dies nicht mehr den heutigen Anforderungen entspricht.

Grundsätzlich gibt es beim Essen, vor allem Mittagessen, drei wichtige Versorgungskonzepte:

  • Beim Cook & Serve-Verfahren wird das Essen warm auf die Station geliefert. Von der Küche bis zur Ausgabe darf die Kerntemperatur von 65°C nicht unterschritten werden und die Zeit darf ­maximal drei Stunden umfassen. Danach ist das Essen zu verwerfen; es darf auch nicht abgekühlt und dann wiedererwärmt werden.
  • Beim Cook & Chill-Verfahren wird das warme Essen in der Küche schnell auf Kühlschranktemperatur gekühlt, im Kühlwagen zur Station transportiert und dort – im Kühlwagen – selektiv erhitzt (sodass z. B. die Suppe warm wird, aber nicht der Salat; dabei müssen 65°C Kerntemperatur erreicht werden). Das Essen muss dann ausgegeben werden und darf nicht mehr abgekühlt und erneut erhitzt werden. Lediglich wenn das Essen vor dem Erhitzen aus dem ­Kühlwagen herausgenommen und in einem Kühlschrank aufbewahrt wird (bei +5 bis +7°C), kann es später in der Mikrowelle erhitzt werden. Dabei muss aber geklärt sein, dass mit der vorhandenen Mikrowelle tatsächlich die Kerntemperatur von 65°C erreicht wird.
  • Beim Cook & Freeze-Verfahren wird das Essen in der Küche nach dem Garvorgang bei ca. -40°C schockgefrostet und kann bei Temperaturen bis -18°C gelagert werden. Kurz vor dem Verzehr erfolgt die Regeneration durch Auftauen und Erhitzen. Ansonsten gilt das gleiche wie für das Cook & Chill-Verfahren.

Bei Stations-Renovierungen oder -Neubauten muss unbedingt auch das Essen-Versorgungskonzept mitbedacht werden, da ggfs. in ausreichender Menge Kühlschränke aufgestellt werden müssen. Hierzu ist zu ermitteln, wie viele Patienten maximal beim Mittagessen nicht anwesend sein können (auf manchen Stationen bis zu 50 Prozent). Außerdem haben die Kühlschränke meist Überbreite, da sie das komplette Tablett aufnehmen müssen.

Die Alternative zur Vorhaltung des Essens auf Station sind Fertiggerichte, kalte Lunch-­Pakete oder eine akute Belieferung aus der Küche bis in den Nachmittag hinein. Die meisten Patienten erwarten auch noch im Laufe des Nachmittags das „ihnen zustehende“ warme Mittagessen.

Der Hygiene-Tipp im Auftrag der DGKH gibt die Meinung der Autoren wieder.

Popp W, Jatzwauk L, Schmithausen R, Kohnen W: Hygiene-Tipp: Speisen-Versorgungskonzepte. Passion Chirurgie. 2020 Juni; 10(6): Artikel 04_02.