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AOK fordert schärfere Mindestmengenregelungen für mehr Qualität im Krankenhaus

Je häufiger ein Eingriff erfolgt, desto besser sind die Behandlungsergebnisse für den Patienten. Das belegen wissenschaftliche Untersuchungen immer wieder. Neue Analysen dazu enthält auch der aktuelle Krankenhaus-Report 2017, den das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) und der AOK-Bundesverband vorstellen. Die AOK setzt sich seit langem dafür ein, die Mindestmengenregelungen in der stationären Versorgung auszuweiten. Sie geben vor, wie oft eine bestimmte Behandlung in einer Klinik durchgeführt werden muss. „Die Mindestmengenregelungen müssen zum Schutz der Patienten dringend auf weitere stationäre Leistungen ausgeweitet werden. Neben dem Hüftgelenkersatz sind dies beispielsweise Schilddrüsen- und Brustkrebsoperationen oder auch die Geburtshilfe“, fordert deshalb Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Nur für sieben komplexe Leistungsbereiche gibt es bislang gesetzliche Mindestmengenregelungen, darunter Nierentransplantationen, Knieendoprothesen-Operationen sowie die Versorgung von Frühchen.

Auch Wissenschaftler und Fachgesellschaften empfehlen weitergehende Mindestmengenregelungen. Sie beziehen sich beispielsweise auf den Hüftgelenkersatz bei Arthrose, für den sich der Zusammenhang zwischen der Behandlungshäufigkeit und dem Behandlungsergebnis besonders deutlich zeigt. 134.000 AOK-Patienten erhielten in den Jahren 2012 bis 2014 in 1.064 Krankenhäusern bei Arthrose ein neues Hüftgelenk. In einem Fünftel der Kliniken fanden maximal 38 Operationen pro Jahr statt. Das Risiko für eine erneute Hüftoperation binnen Jahresfrist war für Patienten dieser Häuser mehr als doppelt so hoch wie für die Patienten, die in dem Fünftel der Kliniken mit den höchsten Fallzahlen operiert wurden. In solchen Zentren fanden 211 oder mehr
planbare Hüft-OPs statt.

Doch selbst wenn es Mindestmengenvorgaben gibt, werden diese in vielen Kliniken Deutschlands nicht eingehalten, wie der Report anhand von Operationen an der Speiseröhre sowie der Bauchspeicheldrüse belegt. Führten 2014 rund 700 Krankenhäuser rund 12.000 Bauchspeicheldrüsenoperationen durch, so erreichte knapp die Hälfte der Häuser die Mindestmenge von zehn nicht. Bei den Eingriffen an der Speiseröhre waren es fast drei Viertel aller Kliniken. „Wir brauchen Transparenz darüber, welche Kliniken die Mindestmengen nicht einhalten. Per Gesetz sind diese Leistungen von den Krankenkassen dann auch nicht zu bezahlen. Bei der Umsetzung dieses Weges brauchen wir deutlich mehr Mut und Willen aller Beteiligten“, so Litsch weiter.

Zu den Lücken des Systems gehört auch, dass Kleinstversorger ihre Leistungen im Rahmen von Ausnahmeregelungen weiterhin anbieten können, obwohl sie die Mindestmengen nicht einhalten. „Ob ein Haus mit Kleinstmengen im Einzelfall gute oder schlechte Arbeit geleistet hat, ist statistisch nicht bewertbar und widerspricht dem grundlegenden Prinzip von Mindestmengen. Das gefährdet die Versorgung der Patienten“, sagt Jürgen Klauber, Geschäftsführer des WIdO und Mitherausgeber des Krankenhaus-Reports. „Wenn eine Mindestmenge besteht, muss das die Messlatte für alle Kliniken sein, so wie auch Geschwindigkeitsbeschränkungen im Straßenverkehr keine Ausnahmen kennen.“ Temporäre Ausnahmeregelungen seien nur gerechtfertigt, wenn gute strukturelle Gründe vorliegen, beispielsweise gerade eine neue Einheit mit einem neuen Chefarzt aufgebaut wird.

Prof. Dr. Hartwig Bauer, ehemaliger Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, sieht weitere Lücken in der Mindestmengenregelung: „Den positiven Zusammenhang zwischen Behandlungshäufigkeit und -ergebnis gibt es nicht nur auf Klinikebene, sondern auch bei der Spezialisierung des Chirurgen selbst. Seine Erfahrung zeigt sich in kürzeren Operationszeiten und damit geringeren Komplikationsraten. Doch dieses Wissen wird in Deutschland nicht umgesetzt.“ Wichtig seien außerdem die Einhaltung von Leitlinien und die Organisationsstruktur des Krankenhauses. „Eine abgestimmte, eingeübte Prozesskette geht naturgemäß immer mit höheren Mengen einher“, so Bauer, der mit einem Appell schließt: „Wir wissen längst, was zu tun ist, nur müssen wir auch tun, was wir wissen.“

Diese Forderung teilt auch der AOK-Bundesverband und setzt sich dafür ein, dass sich Kliniken in Zukunft stärker auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und in Deutschland endlich ein qualitätsorientierter Umbau der Krankenhauslandschaft stattfindet, der diesen Namen verdient.

Quelle: AOK-Bundesverband GbR, Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin, www.aok-bv.de, 28.02.2017

Vergütung für Videosprechstunde geregelt – Start schon im April

Die Videosprechstunde kann als neue telemedizinische Leistung ab April und somit eher als vorgesehen durchgeführt werden. KBV und GKV-Spitzenverband haben sich im Bewertungsausschuss auf eine Vergütungsregelung geeinigt und eine entsprechende Anpassung des EBM beschlossen.

Nunmehr steht auch fest, bei welchen Krankheitsbildern eine Videosprechstunde zur Verlaufskontrolle in Frage kommt. Zudem wurden die Arztgruppen festgelegt, die die Videosprechstunde einsetzen und abrechnen können. Bereits im November vorigen Jahres hatten sich KBV und GKV-Spitzenverband auf die technischen Anforderungen für die Praxis und den Videodienst geeinigt (Anlage 31b zum Bundesmantelvertrag-Ärzte). Auf dieser Grundlage wurde nunmehr die Anpassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) vorgenommen.

Technik- und Förderzuschlag von bis zu 800 Euro

Für Videosprechstunden erhalten Praxen bis zu 800 Euro jährlich pro Arzt. Ab April gibt es für jede Videosprechstunde einen Technikzuschlag von 4,21 Euro (GOP 01450, Bewertung: 40 Punkte). Dieser wird für bis zu 50 Videosprechstunden im Quartal gezahlt, auch mehrmals im Behandlungsfall.

Diese Mittel – bei vier Videosprechstunden pro Woche – dienen zur Hälfte zur Deckung der Kosten, die durch die Nutzung eines Videoanbieters anfallen; die andere Hälfte der Förderung von Videosprechstunden.

Der Bewertungsausschuss geht davon aus, dass eine Kostendeckung bereits bei zwei Videosprechstunden pro Woche erreicht ist. Die Lizenzgebühren für Videodienste liegen aktuell bei etwa 100 Euro im Quartal.

Neue GOP bei Arzt-Patienten-Kontakt nur per Video

Videosprechstunden sollen eine persönliche Vorstellung in der Praxis ersetzen. Die Konsultation ist deshalb Inhalt der Versicherten- beziehungsweise Grundpauschale und somit nicht gesondert berechnungsfähig. Für Fälle, bei denen der Patient in einem Quartal nicht die Praxis aufsucht, wurde eine analoge Regelung zum telefonischen Arzt-Patienten-Kontakt vereinbart: Ärzte rechnen hier die neue GOP 01439 ab; sie wird ebenfalls zum 1. April in den EBM aufgenommen.

Die GOP 01439 ist mit 88 Punkten (9,27 Euro) bewertet und kann einmal im Behandlungsfall abgerechnet werden, wenn der Patient in den vorangegangenen zwei Quartalen mindestens einmal in der Praxis persönlich vorstellig geworden ist und die Verlaufskontrolle durch dieselbe Praxis erfolgt wie die Erstbegutachtung. Diese Vorgabe ist notwendig, weil Ärzte sonst gegen das Fernbehandlungsverbot verstoßen könnten.

Persönlichen Kontakt durch Videosprechstunde ersetzen

Außerdem wurde vereinbart, dass für eine Reihe von Gebührenordnungspositionen, die mindestens drei persönliche Arzt-Patienten-Kontakte im Behandlungsfall voraussetzen, einer dieser Kontakte auch im Rahmen einer Videosprechstunde stattfinden kann. Dies gilt unter anderem für die Behandlung von Wunden, eines Decubitus und Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates.

Anlässe für eine Videosprechstunde

Für eine Videosprechstunde sind aus Sicht des Bewertungsausschusses nicht alle Krankheitsbilder geeignet, weshalb die Leistung zunächst nur für bestimmte Indikationen vergütet wird. Dazu zählen die visuelle Verlaufskontrolle von Operationswunden, Bewegungseinschränkungen und -störungen des Stütz- und Bewegungsapparates sowie die Kontrolle von Dermatosen, einschließlich der diesbezüglichen Beratung. Daneben kann auch die Beurteilung der Stimme, des Sprechens oder der Sprache per Videosprechstunde erfolgen. Eine Erweiterung des Leistungsspektrums ist vorgesehen.

Grundlage für die Festlegung der Krankheitsbilder waren Erfahrungsberichte aus verschiedenen Pilotprojekten. Zudem schreibt der Gesetzgeber vor, dass Videosprechstunden nur für Verlaufskontrollen bei bekannten Patienten gefördert werden sollen.

Festgelegt wurden auch die Arztgruppen, die Videosprechstunden einsetzen und abrechnen können. Dies sind unter anderem Hausärzte, Kinder- und Jugendärzte sowie bestimmte weitere Facharztgruppen wie Haut- und Augenärzte, Chirurgen und Orthopäden.

Anforderungen an Videodienstleister

Ärzte, die Videosprechstunden anbieten wollen, bedienen sich eines Videodienstanbieters. Dieser muss über entsprechende Sicherheitsnachweise verfügen. So muss die Videosprechstunde während der gesamten Übertragung nach dem Stand der Technik Ende-zu-Ende verschlüsselt sein. Ferner ist festgelegt, dass die apparative Ausstattung der Praxis und die elektronische Datenübertragung eine angemessene Kommunikation mit dem Patienten gewährleisten müssen. Näheres ist in der Anlage 31b zum Bundesmantelvertrag-Ärzte geregelt.

Im E-Health-Gesetz war vorgesehen, dass Videosprechstunden ab 1. Juli 2017 finanziell gefördert werden. Durch den frühzeitigen Vertragsabschluss zur Vergütung kann das neue Angebot bereits drei Monate eher an den Start gehen.

Videosprechstunden können bei folgenden Anlässen durchgeführt werden:

  • Visuelle postoperative Verlaufskontrolle einer Operationswunde
  • Visuelle Verlaufskontrolle einer/von Dermatose(n), auch nach strahlentherapeutischer Behandlung
  • Visuelle Verlaufskontrolle einer/von akuten, chronischen und/oder offenen Wunden
  • Visuelle Beurteilung von Bewegungseinschränkungen/-störungen des Stütz- und Bewegungsapparates, auch nervaler Genese, als Verlaufskontrolle
  • Beurteilung der Stimme und/oder des Sprechens und/oder der Sprache als Verlaufskontrolle
  • Anästhesiologische, postoperative Verlaufskontrolle
Videosprechstunde: technische Anforderungen vereinbart

Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, www.kbv.de, 23.02.2017

Upcoding, Beiträge und Krankengeld – Gesetz beinhaltet zahlreiche Nebenregelungen

Der Gesetzgeber hat das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz für zahlreiche weitere Themen der GKV genutzt. Im Vordergrund hierbei stehen Regelungen zum Risikostrukturausgleich (RSA), zum Anspruch auf Krankengeld, zum Schutz von Sozialdaten, zur Beitragserhebung bei Selbstständigen und zur Versicherungspflicht. Ein wichtiges Thema klammert die Regierung dabei jedoch weiterhin aus.

Wesentlicher Inhalt des am 16.02.2017 vom Bundestag beschlossenen Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG) sind die Regelungen zur Versorgungsqualität und -transparenz für Versicherte sowie für eine angemessene Vergütung der Leistungen von Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Podologen (vgl. “Links zum Thema”). Darüber hinaus regelt das Gesetz jedoch eine Vielzahl anderer Themen, die jeweils für sich genommen kein eigenes Gesetz rechtfertigen würden.

Maßnahmen gegen das “Upcoding” von Diagnosen

Ein skandalträchtiges Thema im Jahr 2016 war das nachträgliche Ändern von Patientendiagnosen, das sogenannte “Upcoding” (vgl. Box). Die genaue Kodierung der Diagnosen hat besondere Relevanz für die Höhe der Erstattungen aus dem krankheitenbezogenen Finanzausgleich der Krankenkassen im Gesundheitsfonds, dem morbiditätsorientierten Risikistrukturausgleich (Morbi-RSA). Einer entsprechenden Einflussnahme von Krankenkassen auf Arzt-Diagnosen wolle man nun einen Riegel vorschieben, sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vor dem Beschluss des Gesetzes im Bundestag. Das HHVG sieht hierzu laut Bundesundheitsministerium (BMG) vor:

  • Mit verschiedenen Regelungen wird die Beeinflussung von Diagnosen, die für den Risikostrukturausgleich relevant sind, unterbunden. Dazu wird der Bestandsschutz bei Betreuungsstrukturverträgen eingeschränkt sowie zusätzliche Vergütung für Diagnosen in Gesamt- und Selektivverträgen, nachträgliche Diagnoseübermittlung im Rahmen von Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen sowie Kodierberatung durch die Krankenkassen verboten. Außerdem erhält das Bundesversicherungsamt bei der Durchführung des Risikostrukturausgleichs verbesserte Prüfungsmöglichkeiten.

Beitragseinstufung für Selbstständige

Mit einem neuen Beitragsverfahrenssystem will die Regierung die Beitragsbemessung für freiwillig in der GKV versicherte Selbstständige entbürokratisieren. Hierzu heißt es:

  • Die Beitragsbemessung erfolgt in Bezug auf das Arbeitseinkommen und gegebenenfalls anderer ebenfalls starken Schwankungen unterworfenen beitragspflichtigen Einnahmen zunächst vorläufig aufgrund des zuletzt erlassenen Einkommenssteuerbescheids. Nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheids für das Kalenderjahr, für das die Beiträge zu zahlen sind, wird der endgültige Beitrag für dieses Kalenderjahr rückwirkend entsprechend der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt.

Die Möglichkeit zur Korrektur des Einkommens besteht drei Kalenderjahre. Die Beeinflussung der Beitragseinstufung durch lange Bearbeitungszeiten zuständiger Finanzämter oder der verzögerten Abgabe von Einkommenssteuerbescheiden soll damit beendet werden.

Ausgenommen von den hierdurch möglichen nachträglchen Korrekturen bleibt der Anspruch auf Krankengeld. Dieser leite sich aus einer vereinfachten Erhebung des unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielten Einkommens ab und bleibe auch durch eine nachträgliche Korrektur des Einkommens für die Beitragsberechnung weiter bestehen.

Kernproblem der Beiträge für Selbstständige bleibt

Ein drängendes Problem bei der Beitragsbemessung für Selbstständige wird dadurch jedoch weiterhin nicht angegangen. So gilt die finanzielle Überforderung hauptberuflich Selbstständiger durch die Mindestbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung als Hauptursache für die milliardenschweren Außenstände der Krankenkassen (vgl. “Links zum Thema”). Über die Mindesbemessungsgrenzen müssen Selbstständige in der GKV von virtuellen Mindesteinkünften Beiträge zahlen, die das tatsächliche Einkommen weit übersteigen können. Anträge der Opposition zur Absenkung dieser Mindestbemessungsgrenzen wurden durch die regierungsdominierten Ausschüsse bisher abgelehnt.

Neue Datenschutzrichtlinie für Krankenkassen

Mit einer neuen Richtlinie zum Schutz von Sozialdaten soll der Wiederholung von Datenpannen bei Krankenkassen vorgebeugt werden. In der Vergangenheit hatten mehrere Medien über Sicherheitslücken bei Online-Portalen einzelner Krankenkassen berichtet (vgl. Box). In diesem Zusammenhang spielte auch die Sicherheit der Authentifizierung bei telefonischen und elektronischen (per Internet beziehungsweise E-Mail übermittelten) Anfragen von Versicherten bei ihren Krankenkassen eine wichtige Rolle, insbesondere bezüglich der für Versicherte bestehenden Möglichkeit, die Stammdaten auf diesem Wege zu ändern.

Mit dem HHVG wird nun der GKV-Spitzenverband zur Erstellung einer Richtlinie verpflichtet, die geeignete Schutzmaßnahmen der Krankenkassen im Kontakt mit ihren Versicherten verbindlich vorgibt. Hierfür hat der Verband neun Monate ab Inkrafttreten des Gesetzes Zeit. Im Hinblick auf die hohe Sicherheitsrelevanz und die genannten Vorkommnisse hält der Gesetzgeber die Frist für angemessen. Weitere Vorgaben für die Richtlinie sind eine Zertifizierung der Umsetzung der Maßnahmen bei den Krankenkassen durch anerkannte unabhängige Gutachter sowie die Zusammenarbeit mit dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und dem BSI. Das BMG muss die Richtlinie schlussendlich genehmigen.

Weitere themenfremde Regelungen des HHVG

Darüber hinaus enthält das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz weitere Maßnahmen in anderen Bereichen der GKV. Dazu gehören:

  • Es wird eine Versorgungslücke beim Krankengeld zwischen dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses und dem Bezug von Arbeitslosengeld geschlossen. Mit dem Vorziehen des Beginns der Versicherungspflicht wird erreicht, dass künftig grundsätzlich bereits ab dem ersten Tag einer Sperrzeit oder einer Urlaubsabgeltung Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht und darüber ein Krankengeldanspruch hergeleitet werden kann.
  • Eine Benachteiligung von Kinder erziehenden Ehegatten und Lebenspartnern bei der Berücksichtigung von Vorversicherungszeiten für die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) wird beseitigt. Zukünftig können unabhängig von der Krankenversicherung des Ehe- und Lebenspartners jeweils pauschal drei Jahre pro Kind auf die Vorversicherungszeit für die KVdR angerechnet werden. Damit wird der Zugang zur KVdR für die Ehegatten und Lebenspartner verbessert, die in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens die Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung von Kindern unterbrochen haben und in dieser Zeit nicht gesetzlich krankenversichert waren. Sie erfüllen teilweise nicht die geforderte Vorversicherungszeit für eine in der Regel günstigere Pflichtmitgliedschaft in der KVdR (sogenannte 9/10 Regelung).
  • Privat krankenversicherte selbstständige Frauen werden während der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz finanziell besser abgesichert. Durch Änderungen des Versicherungsvertragsgesetzes haben selbstständige Frauen, die eine private Krankentagegeldversicherung abgeschlossen haben, während der Mutterschutzfristen einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Krankentagegeldes. Dann können Schwangere und Wöchnerinnen unabhängig von finanziellen Erwägungen entscheiden, ob und in welchem Ausmaß sie in dieser Zeit beruflich tätig sein wollen.
  • Um auch in Zukunft eine flächendeckende Notarztversorgung sicherstellen zu können, soll die zusätzliche Tätigkeit als Notarzt durch eine Befreiung von Sozialversicherungsbeiträgen flexibler möglich werden. Die Regelung sieht daher vor, dass Ärzte, die ihre notärztliche Tätigkeit im Rettungsdienst neben einer Beschäftigung mit einem Mindestumfang von 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes ausüben oder als Ärzte niedergelassen sind, von den Beiträgen zur Sozialversicherung für diese zusätzliche Tätigkeit befreit sind.

Das HHVG bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.

Bundestag beschließt Heil- und Hilfsmittelreform - Inhalte des HHVG
Gesundheitsausschuss beschließt Hilfsmittelreform
Qualität der Inkontinenzversorgung wird deutlich verbessert
GKV-Beitragsschulden: Bundesratsinitiative soll Selbstständige entlasten
Effektive Beitragssätze für Selbstständige oftmals über 20 Prozent

Quelle: Krankenkassen direkt, Postfach 71 20, 53322 Bornheim, www.krankenkassen-direkt.de, 18.02.2017

SpiFa-Umfrage zu Antikorruption: Chirurgen gesucht

Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) startet Befragung der Fachärzte in Klinik und Praxis zu den neuen Straftatbeständen im Gesundheitswesen.

Mit dem „Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“ wurden Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen als Straftatbestände im Strafgesetzbuch (StGB) in den Paragraphen 299a und 299b StGB verankert. Es soll damit der besonderen Verantwortung der im Gesundheitswesen tätigen Heilberufsgruppen Rechnung getragen und gewährleistet werden, dass heilberufliche Entscheidungen frei von unzulässiger Einflussnahme getroffen werden.

Die konkrete Umsetzung des Gesetzes und welche Auswirkungen dieses auf die Fachärzte in Klinik und Praxis sowie deren Tätigkeit hat, ist jedoch weiterhin unklar. Der Spitzenverband Fachärzte Deutschland e.V. (SpiFa) hat sich daher dazu entschlossen, mit Hilfe einer Online-Befragung den Bereich der Kooperationen im Gesundheitswesen sowie die Bemessungsgrundlagen für die Vergütung im Rahmen von Kooperationen näher zu beleuchten.

Das „Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“ wird zweifelsohne Veränderungen im Umgang mit Kooperationen mit sich bringen. Staatsanwaltschaften und Gerichte werden tatbestandliche Unschärfen des Gesetzes in ihren Begründungen für einen Anfangsverdacht und später durch Urteile ausfüllen müssen.

Die Erarbeitung eines erläuternden Katalogs und die Beschreibung von Eckpunkten können für Ärzte, Gerichte und Staatsanwaltschaften bei der Bestimmung des „Üblichen“ hilfreich sein. Hier sind alle beteiligten Organisationen und Körperschaften gefordert.

Zur Umfrage, welche bis Ende März 2017 laufen wird, gelangen Sie HIER

Quelle: Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa), Straße des 17. Juni 106 -108, 10623 Berlin, www.spifa.de

Auf dem Weg zur einheitlichen Gebührenordnung für Ärzte?

Reinhardt: Auf Basis von Honorarpauschalen und Budgets kann diese Diskussion nicht geführt werden

Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, hat einer einheitlichen Gebührenordnung von Privater- und Gesetzlicher Krankenversicherung auf der Basis von Honorarpauschalen, Budgets und ungesteuerter Flatrate-Mentalität der Versicherten eine klare Absage erteilt.

„Bei allem Verständnis dafür, dass die CDU angesichts der zu erwartenden Gerechtigkeitsdebatte offensichtlich soweit wie möglich den Druck vom Kessel des Themas Bürgerversicherung nehmen möchte, darf niemand den Blick dafür nicht verlieren, dass eine Diskussion um eine einheitliche Gebührenordnung – wenn überhaupt – nur im Rahmen einer praktikablen Einzelleistungsvergütung und sozialverträglich organisierter Kostenerstattung geführt werden kann“, sagte Reinhardt. Auch vor einer Diskussion über intelligente Instrumente zur Mengensteuerung durch sozial verträgliche Elemente einer Selbstbeteiligung von Patientinnen und Patienten dürfe man sich seitens der politischen Entscheidungsträger vor diesem Hintergrund nicht weiter drücken, so Reinhardt.

Kompromisslos ablehnend zeigte sich der Vorsitzende des Hartmannbundes mit Blick auf eine drohende sukzessive Verstaatlichung des Gesundheitssystems. Dies habe sich in der Regel als patientenfeindlich und wenig leistungsfördernd erwiesen, betonte Reinhardt unter anderem mit Hinweis auf aktuelle Probleme des britischen Gesundheitssystems und skandinavische Rationierungsmedizin.

„Im Sinne verantwortungsbewusster und lösungsorientierter Politik ist es auch hier brandgefährlich, den Menschen weismachen zu wollen, es gäbe auf sehr komplexe Fragestellungen ganz einfache Antworten. Diesem sich aktuell offenbar wieder einmal ausbreitenden Hang zum Populismus darf die Politik nicht verfallen. Dies gilt auch für das Thema Bürgersversicherung“, sagte Reinhardt abschließend.

Quelle: Hartmannbund – Verband der Ärzte Deutschlands e.V., Kurfürstenstr. 132, 10785 Berlin, www.hartmannbund.de, 14.02.2017

32 Thesen zur Gesundheitspolitik nach der Bundestagswahl 2017

Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC), der Berufsverband Deutscher Internisten e.V. (BDI), der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands e.V. (VKD) und der Verband der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e.V. (VLK) als Spitzenverbände maßgeblicher Berufsgruppen im Krankenhaus und in der ambulanten Versorgung stellen nachfolgend die aus ihrer Sicht zentralen Anforderungen an die Gesundheitspolitik nach der Bundestagswahl 2017 vor.

Das Thesenpapier soll als Leitfaden für politische Gespräche der beteiligten Verbände mit Politikern dienen und zugleich eine schnelle Orientierung darüber geben, wo aus Sicht der unterzeichnenden Verbände Handlungsbedarf besteht.

A. Nach der Standortbestimmung des Ethikrates

  1. In Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Deutschen Ethikrates sind sich die beteiligten Verbände einig: Das leitende normative Prinzip der Gesundheitsversorgung muss wieder das Wohl des einzelnen Patienten sein.
  1. Die dazu erforderliche Neugestaltung der Finanzierungssysteme (Betriebs- und Investitionsfinanzierung) muss dafür sorgen, dass die Ökonomie der Patientenversorgung dient und nicht umgekehrt.
  1. Über die Neugestaltung der Finanzierungssysteme muss die Behandlungsqualität des Patienten gefördert werden. Leistungserbringer dürfen nicht in Entscheidungssituationen gebracht werden, in denen ökonomische Vorgaben Vorrang vor medizinischen Notwendigkeiten gewinnen. Die Behandlungsqualität findet ihren Ausdruck insbesondere auch in einer verantwortungsvollen und nach den individuellen Gesundheitsbedürfnissen des Patienten abgewogenen medizinischen Indikationsstellung.
  1. Eine Zuteilung von Ressourcen mit fehlender Effektivität und mangelnder Effizienz erzeugt Ungerechtigkeit mit Über- und Unterversorgung des Patienten. Sie ist daher nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus ethischen Gründen zu vermeiden.
  1. Die Neugestaltung der Finanzierungssysteme muss dafür sorgen, dass Kommunikation und Zuwendung im Krankenhaus sowie eine sektorübergreifende Betreuung auch im ambulanten Bereich ausdrücklich Teil der Patientenversorgung werden. Der organisatorische Aufwand muss bei den Vorgaben des Vergütungssystems berücksichtigt werden. Im derzeitigen DRG-System sind die Komponenten auf der Bundesebene (Katalog der Bewertungsrelationen) und auf der Landesebene (Landesbasisfallwert) darauf eingestellt, die Vergütungsentwicklung unterhalb der Kostenentwicklung zu halten. Gleiches gilt für die strenge Budgetierung der niedergelassenen Vertragsärzte. Damit wird ein von Jahr zu Jahr steigender Rationalisierungsdruck auf die Patientenversorgung ausgeübt.
  1. Die Verbände fordern eine intensive Diskussion über die Führungsstrukturen am Krankenhaus, zu welcher der Ethikrat ausführt: „Eine fachinklusive Leitungsstruktur am Krankenhaus, die kaufmännische Leitung, ärztliche Direktion und Pflegeleitung gleichberechtigt und unbelastet durch arbeitsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten in der Krankenhausleitung zusammenführt, kann ein geeignetes Modell darstellen, um eine fachübergreifende Perspektive auf den Patienten auch strukturell abzubilden. Für die Sicherung der Transparenz ist auch die Einrichtung von Gremien im Krankenhaus denkbar, die als Beratungs- und Kommunikationsstellen fungieren und ggf. zwischen der Leitung und den Mitarbeitern vermitteln.“
  1. Die Dokumentationspflichten sollten auf das Notwendige reduziert und nicht ständig erweitert werden. Dokumentation zur Transparenz der Qualität ist gut. Es darf jedoch nicht zum Aufbau einer „Qualitätsbürokratie“ kommen.
  1. Zwischen ambulanter Versorgung im niedergelassenen Bereich und stationärer Versorgung im Krankenhausbereich erfährt der Patient regelhaft einen Bruch seiner Behandlungskette. Dies führt zu systemisch bedingten Informationsverlusten, Wartezeiten, Fehlerrisiken, Fehlzuweisungen, unnötigen Zusatzausgaben für die Krankenversicherung und Risiken einer schlechten Behandlungs- und Betreuungsqualität. Es ist dringend geboten, über die bisherigen gesetzlichen Vorgaben hinaus eine echte sektorübergreifende Versorgung einzurichten. Hierzu erwarten die Verbände Lösungen vom Gesetzgeber. Ein erster Schritt wäre die gemeinsame Sicherstellung der ambulanten Notfallversorgung durch Vertragsärzte und Krankenhäuser mit gleichen Rechten und Pflichten und angemessener Vergütung. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen konnten diese für den Patienten belastende Versorgungslücke nicht schließen.
  1. Eine echte sektorübergreifende Versorgung ist gekennzeichnet durch gemeinsame Betreuung eines individuellen Patienten je nach medizinischer Notwendigkeit des Einsatzes von Kompetenzen und Ressourcen. Zu einer sektorübergreifenden Versorgung gehört daher nicht nur der Austausch von Informationen, sondern auch eine gemeinsame Verantwortung für die Gesamttherapie einschließlich der damit verbundenen finanziellen Ressourcen.
  1. In Deutschland gilt mit gutem Grund die freie Arztwahl durch den Patienten. Das schließt im Falle einer stationären Behandlung auch die Freiheit ein, das Krankenhaus der eigenen Wahl, ggf. auf Empfehlung des behandelnden Arztes aufzusuchen.
  1. Angesichts der zunehmenden Zahl von Behandlungen im ambulanten Bereich muss die fachärztliche Weiterbildung in allen Disziplinen in der ambulanten Praxis ermöglicht werden. Dies kann nicht auf ausgewählte Fachgebiete begrenzt werden. Im Besonderen muss eine Finanzierung von Weiterbildungsassistenten gewährleistet werden. In Weiterbildungspraxen müssen die Budgetgrenzen angepasst werden.
  1. Angedachte Vergütungsmodelle unter dem Schlagwort „Pay for Performance“ müssen sich an plausibler und nachweisbarer Ergebnisqualität orientieren. Dies ist ohne adäquate Risikoadjustierung unter Einbeziehung ärztlichen Sachverstandes nicht vorstellbar. Erfahrungen in den USA zeigen, dass hier durch mangelnde Risikoadjustierung – insbesondere auf Grund der sozioökonomischen Faktoren der Patienten – und durch Förderung einer Qualitätsbürokratie die Negativeffekte überwiegen und die Versorgung dadurch nicht besser wird.

B. Antikorruptionsgesetz

  1. Die Verbände stimmen vom Grundsatz her der Strafbewehrung korruptiven Verhaltens auch im ärztlichen Bereich zu. Es muss verhindert werden, dass Geldmittel der Sozialversicherung in Form von Prämienzahlungen fehlgeleitet werden.
  1. Andererseits führt das aktuelle Gesetz zu erheblichen Verunsicherungen, weil die Straftatbestände nur sehr vage ausformuliert sind. Insbesondere fehlt eine eindeutige Regelung zu innerärztlichen und sektorübergreifenden Kooperationen.
  1. Angesichts einer immer weiter fortschreitenden und im Sinne der Patientenversorgung auch notwendigen Spezialisierung als Konsequenz aus dem medizinischen Wissensfortschritt ist es zwingend geboten, die Breite der Medizin durch Zusammenführung der einzelnen Spezialisten zu gewährleisten. Das betrifft sowohl ambulante Versorgungsstrukturen, beispielsweise in der Kooperation zwischen Operateuren und Anästhesisten, als auch die Kooperationsnotwendigkeit zwischen selbstständig tätigen Fachärzten und Krankenhäusern oder Krankenhausverbünden. Dazu gehört auch die Hinzuziehung selbstständig tätiger Spezialisten für bestimmte Leistungen am Krankenhaus.
  1. Die genannten erforderlichen Kooperationen stehen allerdings prinzipiell unter Strafandrohung des Antikorruptionsgesetzes und werden deshalb aktuell in großem Umfang aufgelöst. Dies ist für die Patientenversorgung kontraproduktiv und bedarf einer umgehenden gesetzlichen Klarstellung.

C. Qualitätsoffensive und planungsrelevante Qualitätsindikatoren

Vorbemerkung:

Die Verbände unterstützen ausdrücklich eine sachgerechte und mit Augenmaß geführte „Qualitätsoffensive“, die zu einer Verbesserung der qualitativen Standards bei der Versorgung der Bevölkerung im stationären und ambulanten Bereich führen kann. Deren Erkenntnisse können eine Krankenhausplanung unterstützen, dürfen aber nicht Vehikel einer verkappten Mengenbegrenzung sein.

Vor diesem Hintergrund haben die Verbände erhebliche – methodische und inhaltliche – Bedenken, dass dieser Weg auf der Basis des vom IQTIG vorgelegten Abschlussberichtes zur „Auswahl und Umsetzung planungsrelevanter Qualitätsindikatoren“ zielführend beschritten werden kann. Aus Sicht der Verbände sind hier folgende Kritikpunkte anzuführen:

  1. Das Konzept „Patientengefährdung“ wurde als Konstrukt zur Legitimierung der Einschränkung der beruflichen Praxis in Planungsentscheidungen bei anhaltenden Qualitätsmängeln geschaffen. Es steht im Widerspruch zu dem international üblichen Prinzip der Patientensicherheit. Es stammt aus dem Katastrophenschutz und ist nach Expertenmeinung rechtsunsicher. Das moderne Fehlerverständnis bezieht sich nicht auf Gefahr, sondern auf die Analyse von Fehlerketten und hat Prävention als Ziel, nicht Strafe.
  1. Um die Versorgungsqualität einer Abteilung beurteilen zu können, hat das IQTIQ Indikatoren ausgewählt, die gemeinsam über die Hälfte der Fälle der Fachabteilung abdecken, das sogenannte „Repräsentationsprinzip“. Der Ansatz, Qualitätsindikatoren (esQS) nach dem Repräsentationsprinzip zu benennen, ist aber wissenschaftlich nicht belegt und führt zu einer Selektion von Indikatoren, die viele Fachbereiche gänzlich auslassen und bietet so keinen Ansatz zur Bewertung einer Klinik als Ganzes.
  1. Vor dem Hintergrund existenzbedrohender Konsequenzen der Anwendung der planungsrelevanten Qualitätsindikatoren für die Krankenhäuser ist für die Rechtssicherheit vor allem eine hohe Evidenzstufe nötig. Der Nachweis des Zusammenhangs zwischen Qualitätsmängeln und potentiellem Schadensereignis muss demnach wissenschaftlich hochgradig abgesichert sein. Dies ist bei den ausgewählten esQS nur sehr bedingt gegeben.
  1. Bei der Validierung der von den Krankenhäusern an die Daten-Annahme-Stelle gelieferten Daten dürfen durch den MDK nur Fachärzte und – wo entsprechend der Weiterbildungsordnung gegeben – Fachärzte mit Schwerpunkt des betroffenen Gebietes eingesetzt werden.
  1. Die als Kommentierungsverfahren inklusiver fachlicher Klärung bezeichnete abschließende Stellungnahme des IQTIG von auffälligen Leistungserbringern bedarf einer Klärung hinsichtlich der Einbindung eines Teams medizinischer Fachexperten. Sie müssen einerseits vor jeder planungsrelevanten Entscheidung zwingend hinzugezogen werden, andererseits bedarf es eines Besetzungsrechts durch die Fachgesellschaften (mindestens 50 Prozent). Im Abschlussbericht wird argumentiert, dass Fachexperten durch ihre Zugehörigkeit zu den Leistungserbringern nicht frei von Interessenskonflikten seien und daher nicht beteiligt werden können. Dies geht an der Sachnotwendigkeit einer qualifizierten Evaluation vorbei und wird deshalb strikt abgelehnt. Mit dieser Argumentation wäre keines der in der Qualitätssicherung erfolgreich eingeführten Peer Review-Verfahren mehr möglich.
  1. Stellungnahme der Einrichtung: Das IQTIG lässt keine Einzelfallanalysen zu, sondern nur Ausnahmekonstellationen zu spezifischen Risikokonstellationen einer Klinik, die nicht in der Risikoadjustierung berücksichtigt sind, da alle anderen Faktoren in den statistischen Verfahren bewertet seien. Diese Argumentation ist abzulehnen, da die Risikoadjustierung der esQS unzureichend ist. Es sollen nur systematische Einflüsse erfasst werden, die es aber bei der Bewertung von Komplikationen häufig nicht gibt, insbesondere wenn diese selten auftreten. Hier ist die medizinische Konstellation des Einzelfalles mit all seinen Facetten entscheidend für die Bewertung, wie sie heute üblicherweise in Peer Review-Verfahren bewertet wird. Eine solche Berücksichtigung muss auch bei der Bewertung planungsrelevanter Indikatoren erfolgen.
  1. Die für den Bereich der Frauenheilkunde und Geburtshilfe vom IQTIG empfohlenen Qualitätsindikatoren waren zum Teil bereits als esQS Indikatoren umstritten und sind erst recht für den geplanten Zweck der Planungsrelevanz von geringer Aussagekraft und Relevanz. Sie beinhalten zusätzlich im Bereich der Geburtshilfe einen hohen Fehlanreiz z. B. zu einer Steigerung der Kaiserschnitte.
  1. Keinesfalls dürfen ungeeignete esQS aus dem Fachbereich Gynäkologie und Geburtshilfe nur deshalb zum Einsatz kommen, um unverantwortlich kurze Zeitvorgaben des GBA und des KHSG einzuhalten und eine Art Testlauf für planungsrelevante Qualitätsindikatoren zu ermöglichen, der die Übertragung in andere Fachbereiche vorbereitet.

Zwischenfazit:

Nach Auffassung der Verbände kann die vorgenannte Zielstellung einer sachgerechten „Qualitätsoffensive“ – nämlich die Verbesserung der qualitativen Standards bei der Versorgung der Bevölkerung im stationären Bereich – nachhaltig nur durch folgende Vorgehensweise erreicht werden:

  1. Es müssen aussagefähige Indikatoren für die Bewertung der Ergebnisqualität der Krankenhausleistungen entweder aus dem Pool der esQS-Daten entnommen oder anderenfalls neu erarbeitet bzw. durch Verknüpfung mit Sozialdaten ertüchtigt werden. Neue Indikatoren zur Ergebnisqualität, die wissenschaftlich fundiert und rechtssicher entwickelt werden, sind nicht im Schnellverfahren bereitzustellen, sondern erfordern einen Zeitraum von Jahren. Sie müssen manipulations- und rechtssicher sein und einen möglichst geringen Fehlanreiz bieten.
  1. Sollten in Zukunft Indikatoren zur Struktur- und Prozess-Bewertung von Krankenhausleistungen herangezogen werden, kann das nur bei gesicherter Gegenfinanzierung erfolgen. Bei diesen Indikatoren werden aller Voraussicht nach kostenintensive Vorgaben im Personal- und Sachkostenbereich durch den G-BA vorgegeben, die vor dem Hintergrund der seit Jahren zu konstatierenden Unterversorgung der Krankenhäuser im Betriebskostenbereich und vor allem auch im Bereich der Investitionsfinanzierung nur schwer erfüllt werden können.
  1. Zum Nachweis der Effizienz und Validität der planungsrelevanten Qualitätsindikatoren und zur frühzeitigen Erkennung zu erwartender Fehlanreize ist eine Begleitforschung zwingend nötig.
  1. Das gesamte Verfahren im GBA und IQTIG bedarf dringend einer Transparenz. Es liegen von 51 Fachgesellschaften und Verbänden Stellungnahmen zu dem Vorbericht des IQTIG vor, die konkrete, wissenschaftlich begründete Einwände gegen das jetzt geplante Verfahren enthalten. Sie sollen beim IQTIG bis zur Abschlussentscheidung in der Sache beim GBA unter Verschluss bleiben. Dies verhindert jeden konstruktiven Dialog in diesem komplexen Verfahren zwischen den medizinischen Fachleuten und dem GBA/IQTIG in der entscheidenden Phase der Entwicklung. Dies ist nicht zu akzeptieren, da es zu unausgewogenen Entscheidungen vor allem bei den Mehrheitsverhältnissen im GBA führt.

 

D. MDK – Fehlsteuerungen des Abrechnungssystems

  1. Das derzeitige System der Abrechnungsprüfung durch den MDK enthält aus Sicht der Krankenhäuser nicht akzeptable Fehlsteuerungen. Die Trägerschaft des Medizinischen Dienstes durch die Krankenkassen erweckt zumindest den Anschein fehlender Neutralität und potenzieller Ungerechtigkeit gegenüber Krankenhäusern. Es entsteht der Eindruck, dass der MDK beauftragt wird, unter dem Deckmantel der Rechnungsprüfung größere finanzielle Volumina von den Krankenhäuser zurückzuholen – teilweise mit dem Risiko von Verstößen gegen eine leitliniengerechte Medizin. Zudem kommt es auf beiden Seiten zum „Wettrüsten“ und damit zu einer Verschwendung von Ressourcen, die der Patientenversorgung fehlen.
  1. Abrechnungsprüfungen sind grundsätzlich erforderlich und werden auch von Krankenhausseite unterstützt. Ziel muss die korrekte Abrechnung sein.
  1. Dazu sollte eine neue unabhängige Institution geschaffen werden, die den Auftrag hat, Abrechnungen der Krankenhäuser allein sachbezogen und neutral zu prüfen. Statt einer weiteren Erhöhung der Prüfquote sollte je Krankenhaus eine nach statistischen Kriterien repräsentative Stichprobe von Abrechnungen erhoben und geprüft werden. Eine Stichprobe von fünf Prozent ist dazu völlig ausreichend, wenn sie statistischen Anforderungen genügt.
  1. Krankenhäuser, die nachweislich und regelhaft zu hoch abrechnen, müssen die Beträge zurückzahlen und sich zusätzlich einem Review-Verfahren unterziehen mit dem Ziel, das Abrechnungsverhalten gegen Auflagen an zu definierende Standards für korrekte Abrechnung anzupassen. Vorsätzliche Falschabrechnung ist als Straftat zu werten. Krankenhäuser, die zu wenig abrechnen, sollten darüber informiert werden. Die zu wenig gezahlten Erlöse sollten im Interesse der Fairness ausgeglichen werden.

Neue Ausgabe Passion Chirurgie

Was hat der Fischfang mit dem BDC zu tun?

Was braucht die Verbandsarbeit: Angeln oder Fischen? Die Antwort gibt Herr Dr. Rüggeberg in seinem Editorial zur vorliegenden Ausgabe von PASSION CHIRURGIE: Beides! Wie ein geduldiger Angler müssen wir die Fische, mal klein, mal groß an Land ziehen, aber die großen Projekte müssen wir gemeinsam stemmen. Wir brauchen fest geflochtene Netze, das „Networking“, um in der Politik oder der Selbstverwaltung etwas zu erreichen. Wir bilden Allianzen, weshalb der BDC in den Gremien der KBV und der Bundesärztekammer regelmäßig vertreten und beim DIMDI und in vielen anderen Institutionen tätig ist.

In dieser Ausgabe der Passion Chirurgie finden Sie ein gemeinsames Thesenpapier von BDC, BDI, dem Verband leitender Krankenhausärzte und dem Verband der Krankenhausdirektoren mit den Anforderungen an die Gesundheitspolitik nach der Bundestagswahl 2017.

Denken Sie daran: Am 22. März 2017 findet die BDC-Mitgliederversammlung im Rahmen des 134. Chirurgenkongresses in München statt. Wir freuen uns, Sie dort zu treffen.

Wir wünschen viel Freude beim Lesen der aktuellen Ausgabe.

Passion Chirurgie 02/2017

ZiPP: Einkommen der Ärzte gestiegen – Investitionen stagnieren

Das Einkommen niedergelassener Ärzte ist seit 2011 leicht gestiegen, liegt aber weiterhin unter den Gehältern von Krankenhausärzten. Das ergab das Zi-Praxis-Panel, mit dem das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung die wirtschaftliche Lage der Praxen zwischen 2011 und 2014 analysiert hat.

„Trotz gestiegener Jahresüberschüsse bei den niedergelassenen Ärzten ist die Arbeit als angestellter Arzt im Krankenhaus finanziell attraktiver“, betonte KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen am Donnerstag bei der Vorstellung der Zahlen des Zi-Praxis-Panels (ZiPP). Gleichzeitig stagnierten die Investitionen. Grund sei, dass die Niedergelassenen kein Vertrauen in die Stabilität der finanziellen Rahmenbedingungen hätten.

Der KBV-Chef forderte die Politik auf, sich klar zur ambulanten Versorgung zu bekennen. „Die Verdienstmöglichkeiten in der eigenen Praxis mit hohem wirtschaftlichem Risiko müssen mindestens genauso gut sein, wie in der sicheren Anstellung im Krankenhaus.“

Hohe Personal- und Betriebskosten

Insgesamt hat sich die wirtschaftliche Lage in den Praxen aus Sicht der Wissenschaftler des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) im Berichtszeitraum verbessert. Demnach ist der Jahresüberschuss im Jahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 6,6 Prozent gestiegen. Allerdings bestehen Unterschiede in den einzelnen Fachgruppen.

Das hohe Wachstum der Betriebskosten sei durch eine Steigerung der Einnahmen kompensiert worden. Die deutlich gestiegenen Personalkosten könnten aus Sicht des Zi dazu beitragen, dass niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten weniger investierten.

Investitionen nach wie vor zögerlich

Die Praxisinvestitionen stagnieren den Zi-Wissenschaftlern zufolge auf niedrigem Niveau. Knapp die Hälfte der ZiPP-Praxen wendeten im Jahr 2014 weniger als 2.700 Euro für Investitionen auf. Im Durchschnitt über alle Fachbereiche war 2014 im Vergleich zu 2011 zuletzt ein Rückgang der Investitionen um rund acht Prozent zu beobachten. Eine Ausnahme bildet der hausärztliche Bereich mit einer Steigerung von 13 Prozent.

Die Entwicklung zeigt sich auch in den niedrigen Abschreibungen (-13,9 Prozent). Zugleich sind aber die Aufwendungen für Wartung und Instandhaltung mit 20,1 Prozent deutlich gestiegen.

Unterschiede in den Fachgebieten

In den einzelnen Fachgebieten verlief die wirtschaftliche Entwicklung im Erhebungszeitraum unterschiedlich – sowohl bei Einnahmen und Aufwendungen als auch beim Jahresüberschuss. Besonders stiegen die Aufwendungen bei den Anästhesisten mit 6,3 Prozent bei einem schwachen Wachstum des Jahresüberschusses von durchschnittlich 1,6 Prozent.

Der größte Zuwachs beim Jahresüberschuss mit 6,6 Prozent wurde im Fachgebiet Augenheilkunde erzielt. Im Bereich Psychosomatische Medizin und Psychotherapie hingegen verringerte sich der Jahresüberschuss um 1,1 Prozent.

Markant sind die Unterschiede zwischen Ärzten mit konservativer Tätigkeit und Ärzten, die operative Leistungen erbringen. Einen deutlich geringeren Überschuss je Inhaberarbeitsstunde erzielten die meisten Fachgebiete bei konservativer Tätigkeit.

Das Zi-Praxis-Panel

Die vorliegenden Ergebnisse beruhen auf der Befragung des Jahres 2015 und beziehen sich auf die Berichtsjahre 2011 bis 2014. An der Erhebung nahmen knapp 5.000 Praxen teil.

Mit dem Praxis-Panel erfasst das Zi seit 2010 jährlich die wirtschaftliche Gesamtlage von niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten. Berücksichtigt werden sowohl die Einnahmen aus kassenärztlicher als auch aus privatärztlicher Tätigkeit. Basis bildet die steuerliche Überschussrechnung der Praxen. Auftraggeber sind die Kassenärztlichen Vereinigungen und die KBV.

Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, www.kbv.de, 02.02.2017

Schaufenster Februar 2017

Die Akademien der Chirurgie im Überblick

Bei all den Fort- und Weiterbildungsangeboten kann man schon mal den Überblick verlieren. Deshalb finden Sie seit Anfang des Jahres einen Überblick der „Akademien der Chirurgie“ auf der DGCH-Homepage.

Unter anderem sind die BDC|Akademie, das Weiterbildungsangebot der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen, die Private Akademie Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin und die Akademie für Kinderchirurgie vertreten.

Knochenschrauben aus Stahl und Titan bald Vergangenheit?

Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) haben nun offenbar gemeinsam mit Forschern der Unikliniken Bonn und Gießen-Marburg sowie der Uni Bremen eine Alternative gefunden. Es handelt sich um einen Schraubnagel aus biokeramischem Material, konkret: aus Kalziumphosphat oder Hydroxylapatit, beides Stoffe, die dem Knochengewebe sehr ähnlich sind. Dieser sogenannte „Schragel“ kann im Körper verbleiben und verwächst mit den Knochen, soll sogar auch das Knochenwachstum fördern können.

Forschungspreis
Ausschreibung: Ferdinand-Sauerbruch-Forschungspreis 2017

Ziel ist die Anerkennung und Förderung herausragender wissenschaftlicher Arbeiten jüngerer Chirurgen (Assistenten und Oberärzte). Er wird jährlich im Rahmen der Berliner Chirurgentreffen vergeben und ist zurzeit dotiert mit 2500 Euro. Die Ausschreibung erfolgt jährlich. Soweit in der Ausschreibung nichts anderes bestimmt ist, sind Bewerbungen bis zum 31. März einzureichen. Näheres ist den Richtlinien zu entnehmen.

Leserbrief
Kommentar zu „Chirurgie in Zahlen“, Passion Chirurgie IV/2016 (S. 9)

Seit den 1980er Jahren wird ein Endoprothesenregister geplant und scheiterte sicher nicht an den Operateuren.

1989 hatte ich mich freiwillig an ein Register der Firma Aesculap in Tuttlingen angeschlossen, da es sonst kein offizielles Register gab.

Mit Einführung der DRGs wäre die Erweiterung in ein gesamtdeutsches Endoprothesenregister ohne weiteres verpflichtend möglich gewesen, warum wurde diese Möglichkeit nicht genutzt? Das Nicht-Ausfüllen der Prothesendokumentation wurde von den Krankenkassen mit einer Strafe geahndet. Warum haben die Krankenkassen mit den Fachverbänden diese verpflichtende Dokumentation nicht genutzt? In dieses Dokument bei der Erstimplantation und auch der Revision hätten ohne weiteres die Daten der verwendeten Implantate und z. B. auch Angaben zur Erstoperation bei Revision ohne weiteres eingefügt werden können.

Steckt gar die Industrie dahinter? Es wäre ja möglich, bei der Vielzahl von angebotenen Implantattypen, dass durch eine ordentliche Dokumentation z. B. häufiger Komplikationen oder vermehrten Revisionsraten, das ein oder andere Produkt vom Markt hätte genommen werden müssen, eventuell wäre auch so manches Krankenhaus ins nähere Visier gekommen!

Warum also gibt es dieses Endoprothesenregister nicht verpflichtend für Alle die Prothesen einbauen?

Mir ist das nach all den Jahren (immerhin habe ich hier in Neuburg seit 1988 und schon vorher in Heidenheim Hüft- und auch Knieprothesen implantiert) noch immer nicht klar geworden, wo doch ansonsten in Deutschland fast alles bis ins Detail reguliert und kontrolliert ist.

Schande über die Deutsche Chirurgie bzw. auch Orthopädie!

Dr. Ludwig Krätzig, Neuburg
[email protected]

Herzbericht 2016 – Herzchirurgie in Deutschland

Der in Berlin vorgestellte Herzbericht 2016 bestätigt, dass die herzchirurgische Versorgung bundesweit mit 78 Abteilungen auf hohem Qualitätsniveau etabliert ist. Die Verbesserung der Lebenserwartung – und insbesondere auch der Lebensqualität – der Patienten ist eine wesentliche Prämisse für die in Deutschland knapp 1.000 tätigen Herzchirurgen. „Insgesamt wurden im Jahr 2015 in Deutschland 128.175 Herzoperationen durchgeführt“, erläutert PD Dr. Wolfgang Harringer, erster Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG). „Trotz des kontinuierlichen Anstiegs des Lebensalters, und den damit einhergehenden Begleiterkrankungen, liegen die Überlebensraten der Patienten dank der kontinuierlichen Weiterentwicklungen bestehender, und Initiierung minimalinvasiver, schonenderer Operationsverfahren, weiterhin bei ca. 97 Prozent.“

Selbstverständlich hat der demographische Wandel auch einen Einfluss auf die Entwicklung der Herzchirurgie. „Seit 1990 ist ein kontinuierlicher Anstieg von Patienten höheren Alters zu beobachten“, erklärt Herzchirurg Harringer. Im Jahr 2015 waren bereits 15 Prozent aller herzchirurgischen Patienten mindestens 80 Jahre alt. Betrachtet man alle Herzerkrankungen, ist festzustellen, dass die Prävalenz bei Männern höher ist. Beispielsweise waren die Patienten mit koronarer Herzerkrankung, die eine Bypass-Operation erhielten, in 78 Prozent Männer und nur in 22 Prozent Frauen (2015). Die Herzchirurgie leistet mit vielfältigen Verfahren und patientenindividuellen Therapien bedeutende Beiträge in der Herzmedizin. Umso mehr begrüßt die DGTHG die obligate Umsetzung interdisziplinärer Herzteams.

Entscheidung im Herzteam: bestmögliche Patientenversorgung und -sicherheit

Interdisziplinärer Austausch und fachgebietsübergreifende Kooperation bedeuten für den Patienten in jedem Fall die bestmögliche Option und führen zu einer auf ihn abgestimmten Therapieempfehlung. Aus diesem Grund sind mit Blick auf die hochwertige medizinische Versorgung Herzteams – im Kern bestehend aus Herzchirurgen, Kardiologen, Kinderkardiologen und Anästhesisten – die optimale personelle Basis für eine erfolgreiche Patientenbehandlung. Das „Herz-Team-Konzept“ ist in zahlreichen nationalen und internationalen Leitlinien explizit als ein wesentlicher Faktor der Patientenversorgung ausgewiesen (Guidelines on myocardial revascularisation ESC/EACTS 2014; aktualisierte Nationale Versorgungsrichtlinie chronische Koronare Herzkrankheit 2016). „Wir begrüßen das empfohlene Herzteam-Konzept ausdrücklich, dies im Hinblick auf alle Therapieverfahren in der Herzmedizin. Für die Behandlung der Koronaren Herzkrankheit gibt es aus Sicht der Herzchirurgen noch Verbesserungspotential“, so Harringer.

Koronare Herzkrankheit (KHK) und Herzchirurgie: in 90 Prozent aller Fälle sind Verkalkungen die Ursache der Herzerkrankung

Die Koronare Herzkrankheit als Erkrankung der Arterien des Herzens ist die häufigste Todesursache in den westlichen Industrieländern. Ablagerungen an den Gefäßwänden (Plaques) verursachen die Arterienverkalkung (Arteriosklerose) und damit Gefäßverengungen (Stenosen) bis hin zu Verschlüssen, welche zu einer Mangelversorgung des Herzens mit Sauerstoff führen. In 10 Prozent aller Fälle sind andere Ursachen verantwortlich für die Entstehung der KHK. Die Folgen können von der Angina pectoris über Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzinfarkt reichen. Die stationäre Morbiditätsziffer der KHK hat von 2013 bis 2015 nur marginal um 0,8% abgenommen (2013: 807,1; 2015:800,5). Das patientenindividuelle Versorgungskonzept der Koronaren Herzkrankheit richtet sich nach diversen Parametern.

Bypass-Operation: besonders vorteilhaft bei komplexen Gefäßverengungen, kein Patientenhöchstalter für Operationen; Diabetes-Patienten profitieren überproportional

Bei komplexen koronaren Mehr-Gefäßerkrankungen und/oder Hauptstammstenose (Verengung der großen Herzkrangefäße im Ursprungsteil) besteht eine klare Indikation für die koronare Bypass-Operation. Dies sowohl bezogen auf die Beschwerdefreiheit und insbesondere auch im Hinblick auf die Überlebensrate und Lebensqualität (siehe 5-Jahres-Ergebnisse der Syntax-Studie) der betroffenen Patienten. „Patienten jeglichen Alters können herzchirurgisch revaskularisiert werden“, betont Harringer. „Es gibt keine fixe Altersobergrenze. 2015 machte die Altersgruppe der ab 70+ Jahre 48,4 Prozent aller koronaren Bypass-Patienten aus.“ Männer sind in allen Altersgruppen häufiger betroffen als Frauen – nur jede vierte Frau erhält eine koronare Bypass-Operation. Insgesamt wurden 2015 bundesweit rund 52.000 isolierte und kombinierte Bypass-Operationen durchgeführt.

„Welches Verfahren für den Patienten das bestmögliche ist, muss im interdisziplinären Kompetenzteam – dem Herzteam – entschieden werden. Die im Jahr 2014 aktualisierte ESC/EACTS „Guidelines on myocardial revascularisation“ bestätigt ebenso wie die Nationale Versorgungsleitlinie chronische KHK die Konzeption der Kooperation und Entscheidungsfindung im Herz-Team“, betont Harringer. „Jeder Patient muss individuell und im Kontext seines Herzleidens, wie auch seiner Begleiterkrankungen betrachtet und beraten werden. Zum Beispiel profitieren Patienten mit Diabetes mellitus überproportional von einer koronaren Bypass-Operation im Vergleich zu anderen Therapiekonzepten. Für multimorbide Hochrisikopatienten im hohen Lebensalter kann durchaus auch eine Intervention das Mittel der ersten Wahl sein. Wie konsequent und erfolgreich sich die Zusammenarbeit im Herzteam gestalten kann, sieht man an der seit mehreren Jahrzehnten praktizierten engen Zusammenarbeit und Abstimmung von Herzchirurgen und Kinderkardiologen bei der Behandlung von Patienten mit angeborenen Herzfehlern.“

Herzklappenchirurgie: kontinuierlicher Anstieg der Eingriffe; Mitralklappe kann zumeist rekonstruiert werden, G-BA Richtlinie etabliert Herzteam bei TAVI und Mitral Clip

Europaweit gehört die Verengung der Aortenklappe (Aortenklappenstenose) zu den häufigsten Herzklappenerkrankungen, die verschleißbedingt, insbesondere im hohen Lebensalter, auftritt. „Die Aortenklappenstenose ist derzeit die häufigste invasiv therapierte Herzklappenerkrankung, gefolgt von der Mitralklappeninsuffizienz. Insgesamt stieg 2015 die Anzahl der Herzklappeneingriffe um ca. 3 Prozent auf 32.346 (2014: 31.359) an. 11.183 dieser Eingriffe waren im Jahr 2015 konventionelle Aortenklappenersatz-Operationen“, erklärt Harringer. Mit 6.027 isolierten Mitralklappen-Operationen setzte sich der kurative Ansatz auch im 2015 fort: Bei rund zwei Drittel (63,6 Prozent) der Operationen konnte die patienteneigene Herzklappe rekonstruiert, und in ihrer Funktion wiederhergestellt werden. Biologische oder mechanische Mitralklappen-Prothesen waren in 36,4 % aller Fälle notwendig.

Neben den konventionellen Operationsverfahren bieten minimalinvasive kathetergestützte Techniken (TAVI und Mitral Clip) eine schonende Alternative für ausgewählte Patienten höheren Lebensalters in Kombination mit erheblichen Begleiterkrankungen. Die Zahl kathetergestützter Aortenklappenimplantationen (TAVI) im Jahr 2015 beträgt laut des deutschen Herzberichtes 15.573. „Die kathetergestützte Aortenklappen-implantation und die transvenöse Clip-Rekonstruktion der Mitralklappe unterliegen in Deutschland besonderen Voraussetzungen und dürfen seit dem 20. Juli 2015 nur nach interdisziplinärem Konsens des etablierten Herzteams mit festgelegten Prozessen und verbindlich definierter Infrastruktur durchgeführt werden“, erklärt PD Dr. Harringer. „So sieht es die Richtlinie zu minimalinvasiven Herzklappeninterventionen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vor. Wir begrüßen dies ausdrücklich.“

Neues Rekordtief: Mangel an Spenderherzen

Die dramatische Entwicklung bei den Herztransplantationen setze sich auch mit einem Rekordtief im Jahr 2015 fort. Wurden 2014 noch 294 Herztransplantationen durchgeführt, so sank die Anzahl weiter auf 283 im Jahr 2015. Zwar werden nach Angaben der DGTHG Herzunterstützungssysteme, welche als Alternative oder als Überbrückung bei mehr als 90 Prozent der Patienten implantiert werden, immer leistungsfähiger, stellen jedoch keinen adäquaten bzw. vollumfänglichen Ersatz für ein Spenderherz dar. „Aufgrund ihrer lebensbedrohlichen Erkrankung müssen viele der schwerst-herzkranken Patienten meist mehrere Monate im Krankenhaus oder gar auf einer Intensivstation auf die lebensrettende Transplantation warten“, erklärt Herzchirurg Harringer. „Alle Beteiligten sollten daher weiter an die Spendebereitschaft der Bevölkerung appellieren.“

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, Luisenstraße 58/59, 10117 Berlin, www.dgthg.de, 25.01.2016