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Dabrock: Patient muss Souverän seiner Daten bleiben

Wie Big Data im Gesundheitswesen unter Wahrung von Persönlichkeitsinteressen sinnvoll genutzt werden kann, erklärt der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates in der aktuellen Ausgabe von „KBV Klartext“.

„Ein Zurück in eine Vor-Big-Data-Zeit ist nicht realistisch. Vielmehr müssen wir uns fragen, um welcher Ziele willen wir diese Technologien nutzen wollen.“ Das betont Prof. Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, im Interview mit „KBV Klartext“, dem Magazin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Dies gelte ganz besonders für das Gesundheitswesen. Entscheidend dabei sei, bisherige Regeln den veränderten Bedingungen anzupassen: „Wenn wir die Vorteile von Big Data im Gesundheitsbereich nutzen wollen, dann müssen wir uns eingestehen, dass wir mit dem gut bewährten Paradigma der informationellen Selbstbestimmung und der alten Datenschutzprinzipien nicht mehr einfach fortfahren können. Der Ethikrat schlägt deshalb vor, vom ‚Datenschutz‘ auf ein neues Konzept der ‚Datensouveränität‘ umzusteigen. Wir nennen das ‚informationelle Freiheitsbestimmung‘“, erklärt Dabrock.

Nötig seien dafür neue technische Möglichkeiten, die es dem Einzelnen erlauben, in den Verwertungsprozess seiner persönlichen und vor allem gesundheitsbezogenen Daten jederzeit eingreifen zu können. Die Bürger sollten außerdem die Möglichkeit haben, „sich proaktiv als ‚Datenspender‘ zur Verfügung zu stellen“, so Dabrock weiter. Dies hat der Ethikrat in seiner Ende November veröffentlichten Stellungnahme zum Thema „Big Data und Gesundheit“ weiter ausgeführt. Er hat damit einen Vorschlag der KBV aufgegriffen, wonach es Bürgern ermöglicht werden sollte, Gesundheitsdaten auf freiwilliger Basis zu spenden und beispielsweise für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Dies müsse allerdings unter Wahrung eines strengen und effektiven Datenschutzes mit konkreter Zweckbindung der Daten geschehen.

Das vollständige Interview mit dem Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates ist in der aktuellen Ausgabe von „KBV Klartext“ nachzulesen.

Komplettes Interview mit Prof. Peter Dabrock (Stand: 14.12.2017)

Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, www.kbv.de, 14.12.17

Studienplatzvergabe teilweise mit dem Grundgesetz unvereinbar

Die bundes- und landesgesetzlichen Vorschriften über das Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen an staatlichen Hochschulen sind, soweit sie die Zulassung zum Studium der Humanmedizin betreffen, teilweise mit dem Grundgesetz unvereinbar. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute verkündetem Urteil entschieden. Die beanstandeten bundesgesetzlichen Rahmenvorschriften und gesetzlichen Regelungen der Länder über die Studienplatzvergabe für das Fach Humanmedizin verletzen den grundrechtlichen Anspruch der Studienplatzbewerberinnen und -bewerber auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot. Außerdem verfehlen die landesgesetzlichen Bestimmungen zum Auswahlverfahren der Hochschulen teilweise die Anforderungen, die sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes ergeben. Eine Neuregelung ist bis zum 31. Dezember 2019 zu treffen.

Sachverhalt

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat die Frage, ob die für die Studienplatzvergabe für das Fach Humanmedizin im Hochschulrahmengesetz (HRG) und in den Vorschriften der Länder zur Ratifizierung und Umsetzung des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung vorgesehenen Regelungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind, dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, Schlossbezirk 3, 76131 Karlsruhe, www.bundesverfassungsgericht.de, 19.12.17

Urteil vom BGH
Bundesärztekammer - Montgomery: „Das richtige Signal zur richtigen Zeit“
Marburger Bund - NC-Urteil erfordert grundlegende Reform des Auswahlverfahrens
Kassenärztliche Bundesvereinigung: Gassen begrüßt Urteil zur Studienplatzvergabe

Passion Chirurgie: Herzchirurgie

Liebe Chirurginnen und Chirurgen,

50 Jahre nach der Durchführung der ersten Herztransplantation widmet sich diese Ausgabe der Passion Chirurgie  dem Thema Herzchirurgie. Seitdem ist viel passiert. Spezialisiert und hoch technisiert stellt die Herzchirurgie Kolleginnen und Kollegen mit innovativen Therapieansätzen vor neue  Herausforderungen – ein spannendes Fachgebiet im Wandel.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und eine besinnliche und erholsame Weihnachtszeit

Ihre PASSION CHIRURGIE

Passion Chirurgie 12/2017

Digitales Krankenhaus: große Hoffnungen, ernüchternde Realität

Krankenhausärzte verbinden mit der zunehmenden Digitalisierung ihres Arbeitsplatzes große Hoffnungen, vor allem einen Zuwachs an Qualität in den Arbeitsprozessen, schnellere Abläufe und weniger Aufwand als bisher. 80 Prozent sind der Meinung, dass durch die Digitalisierung die ärztliche Arbeit im Krankenhaus zukünftig weiter verbessert werden kann.

Dies geht aus einer bundesweiten Umfrage unter rund 1.800 angestellten Ärztinnen und Ärzten hervor, die der Marburger Bund im September/Oktober 2017 durchgeführt hat.

Die Ergebnisse der Befragung zeigen aber auch, dass die Krankenhäuser vielfach unzureichend auf die Digitalisierung vorbereitet sind. Es mangelt an aktueller, vor allem benutzerfreundlicher Hard- und Software, an digitaler Dokumentation und an regelmäßigen Schulungen für IT-gestützte Abläufe. Häufig findet eine Doppeldokumentation von Befunden statt – auf Papier und zusätzlich in digitaler Form.

Zwar gibt es genügend Computer an den ärztlichen Arbeitsplätzen, für die Hälfte der Befragten sind die digitalen Arbeitsmittel aber größtenteils nicht auf einem ausreichend aktuellen Stand. Nur 19 Prozent der Ärzte sind mit der IT-Ausstattung an ihrem Arbeitsplatz zufrieden, 47 Prozent sind es nicht (34 % sind unentschieden).

Trotz dieser Widrigkeiten sind schon jetzt 46 Prozent der Klinikärzte davon überzeugt, dass die Digitalisierung die medizinische Qualität ihrer Arbeit verbessert, 18 Prozent sehen noch keinen Qualitätszuwachs und 36 Prozent können nicht einschätzen, ob es zu einer Verbesserung gekommen ist. Ein ähnliches Bild ergibt sich aus den Antworten auf die Frage, ob durch die Digitalisierung die eigene Arbeit vereinfacht worden ist: 40 Prozent antworten mit Ja, 21 Prozent mit Nein und 39 Prozent sind unentschieden.

„Die Umfragedaten zeigen, dass die Digitalisierung im Krankenhaus vielfach noch in den Kinderschuhen steckt. Die Ärztinnen und Ärzte sehen das Potenzial zur Verbesserung der Arbeitsprozesse, müssen aber mit unzulänglicher, veralteter Technik zurechtkommen und können deshalb viele Möglichkeiten nicht nutzen, die anderswo zum Standard gehören. Jetzt liegt es an der Politik im Bund und in den Ländern, die Modernisierung der IT in den Krankenhäusern endlich in Angriff zu nehmen. Wir brauchen ein staatliches Sonderprogramm zum Aufbau eines adäquaten digitalen Netzes im Krankenhausbereich. Dafür müssen finanzielle Mittel in Höhe von 10 Mrd. € in den nächsten 6 Jahren zur Verfügung gestellt werden“, erklärte PD Dr. Peter Bobbert, Bundesvorstandsmitglied des Marburger Bundes.

Zusammenfassung der Umfrage-Ergebnisse PDF
Präsentation der MB-Umfrage zur Digitalisierung im Krankenhaus PDF

Quelle: Marburger Bund Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e.V., Reinhardtstr. 36, 10117 Berlin, www.marburger-bund.de

BDC|Webinar: S3-Leitlinie „Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin“

Seit September gibt es das neue Fortbildungsangebot des BDC kostenfrei für Mitglieder. Beim nächsten Webinar am 14. Dezember 2017 wird Prof. Dr. Christian Waydhas alles rund um die S3-Leitlinie: “Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin” erläutern und steht live für Fragen im Chat zur Verfügung.

Analgesie, Sedierung und Delirmanagement sind nicht nur von zentraler Bedeutung für den Patientenkomfort; eine zu tiefe Sedierung oder ein ungenügendes Delirmanagement führen zu vermehrten Komplikationen, verlängerten Liegedauern auf der Intensivstation und im Krankenhaus, einer erhöhten Sterblichkeit und verschlechtertem Langzeitoutcome.

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„Weg mit Dauerzwangsrabatt der Ärzte an Krankenkassen“

„Weg mit der Budgetierung! Die war schon immer falsch. Sie ist es erst recht unter den sich ändernden Bedingungen einer immer mehr zunehmenden Ambulantisierung der Medizin“, erklärte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) bei der Vertreterversammlung heute in Berlin. Er machte eine Rechnung mit eindeutigem Ergebnis auf: „Ausgehend vom Leistungsbedarf des Jahres 2016 würde die Ausbudgetierung der fachärztlichen Grundleistungen rund 350 Millionen Euro kosten. Das sind Peanuts im Vergleich zum Finanzpolster von 19 Milliarden Euro, auf dem die Krankenkassen derzeit ruhen.“

Er kritisierte, dass die Politik die Kliniken längst aufgegeben hat. „Es traut sich nur keiner, das zu sagen“, so Gassen. „Unter solchen Umständen müssen wir die Weichen stellen, dass der ambulante Sektor fit gemacht wird. Unsere Ideen für eine Umwandlung von stationären in teilstationäre Strukturen oder in ambulante Versorgungsangebote finden mittlerweile immer mehr Gehör. Und dieser fitgemachte ambulante Sektor ist ein klares Angebot an unsere Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken. Denn die wollen wir unbedingt mitnehmen“, führte Gassen aus.

Zugleich wunderte sich der KBV-Chef, dass einige in der Politik „bei der Frage, ob es eine Große Koalition gibt, eine Bürgerversicherung als Bedingung dafür formuliert haben“. Sie liefere keine einzige Antwort auf die für das Gesundheitswesen wirklich wichtigen Fragen. „Finger weg von Experimenten wie der Bürgerversicherung oder einer einheitlichen Gebührenordnung“, warnte er. Und weiter: „Das Problem sind nicht verschiedene Versicherungsarten, das Problem ist ein Dauerzwangsrabatt der Ärzte an die Krankenkassen.“ Die von manchen Experten beschriebene Zwei-Klassen-Medizin bestehe eigentlich nur bei den Ärzten. „Ein Euro angefordertes Honorar in der PKV ist ein Euro auf dem Konto, ein Euro angefordertes Honorar in der GKV bedeutet ungefähr 80 bis 90 Cent, abhängig nach Region und Versorgungsbereich“, rechnete Gassen vor.

Zuversichtlich fiel sein Blick ins nächste Jahr aus. „Mit unserem Konzept KBV 2020 haben wir einen großen inhaltlichen Bogen geschlagen. Wir sind gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen als Gesamtsystem wieder sprachfähig geworden. Diese Qualität müssen wir uns erhalten, um dem ungezügelten Leistungsversprechen der Politik etwas Realitätssinn entgegenzusetzen. Wir sind stark genug, um viele Dinge selbst in die Hand zu nehmen.“

Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, www.kbv.de

Schulterstudie liefert keine neuen Erkenntnisse – Deutsche Standards erweisen sich als bewährt

Stellungnahme zur Studie „Arthroscopic subacromial decompression for subacromial shoulder pain (CSAW)“ am 20.11.2017 auf www.thelancet.com

Berlin, 08. Dezember 2017: Sechs Fach- und Berufsverbände aus Orthopädie und Unfallchirurgie und der Chirurgie nehmen unter Führung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU) Stellung zur jüngst im Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlichten Studie „Arthroscopic subacromial decompression for subacromial shoulder pain (CSAW)“ zur Wirksamkeit der Schulterdacherweiterung – der sogenannten arthroskopischen subakromialen Dekompression (ASD). Die Autoren der Studie kamen zu dem Ergebnis, dass Patienten mit einem subakromialen Schmerzsyndrom zu häufig ohne Nutzen operiert würden. Allerdings lässt sich das Ergebnis nicht auf Deutschland übertragen. Denn anders als in der CSAW-Studie abgebildet, wird die ASD-Methode zur Linderung von unspezifischen Schulterschmerzen in Deutschland nicht eingesetzt. Für das deutsche Gesundheitssystem ergeben sich aus Sicht von Orthopäden und Unfallchirurgen daher keine Konsequenzen aus der Studie. „Wir kritisieren, dass eine in Deutschland bewährte Versorgungspraxis angegriffen wird, ohne zuvor hiesige Experten zu Rate zu ziehen. Wenig sachkundige Urteile sind schlechter Stil und schaden dem Gesundheitswesen und vor allem den Patienten“, sagt DGOU-Generalsekretär Prof. Dr. Reinhard Hoffmann.

Die Stellungnahme wurde notwendig, weil mit den nicht ohne weiteres übertragbaren Ergebnissen der Studie das Therapieverfahren der Schulterarthroskopie und gängige Behandlungsmethoden unter Generalverdacht gestellt wurden. Dabei wird die ASD-Methode in Deutschland nur bei einem bestimmten orthopädischen Schulterproblem angewandt, dem sogenannten Engpasssyndrom (subakromiales Impingementsyndrom). Betroffene Patienten leiden unter Schmerzen, wenn sie den Arm seitlich anheben. Das liegt daran, dass der Bewegungsspielraum des Schultergelenks durch knöcherne Strukturen, gereizte Schleimbeutel oder degenerierte Sehnen zu eng ist, sodass der Kopf des Schultergelenks an das Schulterdach schlägt. Zur Abhilfe vergrößert der Arzt mit Hilfe der ASD-Methode den subakromialen Gleitraum des Gelenks, indem er das entzündete Gewebe und knöcherne Veränderungen des Schulterdaches entfernt. „Leider wurden keine klinischen und radiologischen Parameter für die Diagnose eines subakromialen Impingementsyndroms dieser Studie zugrunde gelegt und in der Summe Patienten mit unspezifischen subakromialen Schulterschmerzen eingeschlossen“, kommentiert Prof. Dr. Markus Scheibel, Präsident der DGOU-Sektion Deutsche Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie e. V. (DVSE). „Das pragmatische Design der CSAW-Studie vernachlässigt bewährte Auswahlkriterien zwischen Therapieoptionen und führt deshalb zu sehr undifferenzierten Ergebnissen.“

So schließt die Studie auch Patienten ein, deren Schmerzen nicht von einem mechanischen Engpasssyndrom bzw. von einer Funktionsstörung wie einer Schulterblattfehlhaltung herrühren können. Bei diesen Schmerzursachen wird nach deutschem medizinischen Standard keine subakromiale Dekompression als Therapiemaßnahme durchgeführt. „Eine alleinige Dekompression führt bei diesen Diagnosen in der Regel zu keinen guten Ergebnissen. Diese Fälle hätten bei der Studie ausgeschlossen werden müssen“, sagt PD Dr. Ralf Müller-Rath, Vorsitzender des Berufsverbandes für Arthroskopie e. V. (BVASK).

Da also ein Therapieverfahren ausgewertet wird, das in Deutschland bei unspezifischen subakromialen Schulterschmerzen nicht üblich ist, können daraus keine Schlüsse zur Wirksamkeit einer arthroskopischen Dekompression gezogen werden. Vielmehr ist für den Erfolg entscheidend, dass die zur Diagnose passende Therapieoption zum Einsatz kommt. In diesem Zusammenhang kritisiert die DGOU öffentliche Äußerungen, in denen ohne vorheriges Einholen einer medizinischen Fachexpertise die Bezahlung des Therapieverfahrens durch die Krankenkassen zur Disposition gestellt wird – so wie es vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG)  geschehen ist.

Weiterhin bezeichnen die Autoren die alleinige Arthroskopie, mit der die ASD-Methode in der Studie verglichen wurde, als Placebo-Operation. „Es ist jedoch unzulässig, bei einer Gelenkspülung von Placebo-Chirurgie zu sprechen. Möglicherweise hat eine solche mechanische Intervention schon einen therapeutischen Effekt“ sagt Prof. Dr. Helmut Lill, Präsident der Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA). Das zeigen auch die Studienergebnisse, die einen messbaren Zusatznutzen bei einer arthroskopischen Spülung im Vergleich zu einer nicht-operativen Behandlung aufzeigen. 

Aus den Daten der vorliegenden Studie kann nur folgende Schlussfolgerung gezogen werden: Patienten mit unspezifischen Schulterschmerzen über einen Zeitraum von drei und mehr Monaten scheinen von einem operativen Eingriff an der betroffenen Schulter im Vergleich zu einer reinen Beobachtung zu profitieren. Allerdings erfolgte, ein weiterer Schwachpunkt der Studie, die  Endpunktanalyse nach nur sechs Monaten. Die klinisch-wissenschaftliche Gemeinschaft fordert Nachbeobachtungsintervalle von wenigstens zwei Jahren.

Die DGOU fordert weitere wissenschaftliche Studien in Deutschland, um noch genauer herauszufinden, wer von einer subakromialen Dekompression langfristig profitiert und wer nicht. 

Die Stellungnahme wird getragen von

Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU)
Deutsche Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie e.V. (DVSE)
Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V. (BVOU)
Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC)
Berufsverband für Arthroskopie e.V. (BVASK)
Gesellschaft für orthopädisch-traumatologische Sportmedizin (GOTS)
Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA)

Hintergrund

Die CSAW-Studie („Can Shoulder Arthroscopy Work?“) untersucht den Nutzen einer arthroskopischen Dekompression bei Patienten mit seit über drei Monaten bestehenden subakromialen Schulterschmerzen. Die Studie wurde kürzlich in der britischen Fachpublikation The Lancet veröffentlich. „The Lancet“ kommt zu dem Ergebnis, dass eine arthroskopische subacromiale Dekompression (ASD) des Schultergelenks offenbar keine besseren Ergebnisse als ein Scheineingriff liefere, bei dem lediglich eine Arthroskopie vorgenommen wird. Beide Maßnahmen scheinen Schmerzen in der Schulter jedoch etwas besser zu lindern als gar keine Therapie.

Referenzen

1) Gemeinsame Stellungnahme zum CSAW-Trail 
2) Beard DJ, Rees JL, Cook JA, Rombach I, Cooper C, Merritt N, et al. Arthroscopic subacromial decompression for subacromial shoulder pain (CSAW): a multicentre, pragmatic, parallel group, placebo-controlled, three-group, randomized surgical trial. Lancet 2017 Nov 20. pii: S0140-6736(17)32457-1. doi: 10.1016/S0140-6736(17)32457-1. [Epub ahead of print]
www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(17)32457-1/fulltext

komplette Stellungnahme

Gemeinsame Stellungnahme zur Schulterstudie

Zum CSAW-Trial (ISRCTN33864128), veröffentlicht in Beard DJ, Rees JL, Cook JA, Rombach I, Cooper C, Merritt N, et al. Arthroscopic subacromial decompression for subacromial shoulder pain (CSAW): a multicentre, pragmatic, parallel group, placebo-controlled, three-group, randomized surgical trial. Lancet 2017 Nov 20. pii: S0140-6736(17)32457-1. doi: 10.1016/S0140-6736(17)32457-1.

Die aktuell im Lancet veröffentlichte pragmatische, randomisierte multizentrische CSAW-Studie („Can Shoulder Arthroscopy Work?“) zum Nutzen einer arthroskopischen Dekompression bei Patienten mit mehr als drei Monaten bestehenden subakromialen Schulterschmerzen, welche keinen Vorteil einer chirurgischen „Placebo“-Intervention gegenüber einem operativen Standard (subakromiale Dekompression), sehr wohl jedoch gegenüber einer Kontrollgruppe ohne spezifische Behandlung zeigt, hat kurz nach der Veröffentlichung eine journalistisch sicher wünschenswerte, medizinisch aber zweifelhafte Mediendebatte angestoßen.

Da auch in Deutschland aufgrund der o. g. Arbeit zu einem umschriebenem Indikationsgebiet das gesamte Feld der Schulterarthroskopie unter Generalverdacht und seit Jahren erfolgreiche Behandlungsstandards infrage gestellt wurden, sehen sich die unterzeichnenden Fachgesellschaften zu dieser Stellungnahme verpflichtet. Sie soll der Information und Aufklärung, insbesondere aber der Beseitigung einer durch die bisherige Berichterstattung hervorgerufene Unsicherheit bei Patientinnen und Patienten dienen.

Die CSAW-Studie erfüllt im Hinblick auf Planungsumfang und Transparenz sicher alle Anforderungen, wie sie heute an klinische Prüfungen gestellt werden (u.a. prospektive Registrierung, Publikation des Clinical Investigation Plan [CIP] [1], zentrale Randomisierung und Datenmanagement usw.). Besonders (und medial spektakulär) ist natürlich v.a. die „Placebo“-Kontrolle, auf die später noch eingegangen wird. Löblich ist, dass die Ergebnisse uneingeschränkt im Volltext (open-access) veröffentlicht wurden und somit der klinisch-wissenschaftlichen Gemeinschaft eine unverzerrte Auseinandersetzung mit den Daten erlaubt.

Das CSAW-Trial wurde im National Institute for Health Research (NIHR) Netzwerk mit öffentlichen Fördermitteln durchgeführt. Von zwischen September 2012 und Juni 2015 an 32 britische Zentren zugewiesenen 2975 Patienten erwiesen sich 740 als für die Studienteilnahme gemäß Protokoll geeignet, von denen wiederum 313 mittels eines Minimierungs-Designs zentral randomisiert wurden: arthroskopisches subakromiales Debridement [„Verum“]: n = 106; arthroskopische Inspektion [„Placebo“]: n = 103; aktive Nachuntersuchung [„Kontrolle“]: n = 104. 232 Patienten wurden in eine parallele Beobachtungskohorte aufgenommen. Eingeschlossen wurden Patienten mit jeder Form eines subakromialen Schmerzsyndroms, um den Nutzen einer arthroskopischen subakromialen Dekompression zu überprüfen.

Dieses Einschlusskriterium ist ein grundsätzliches Problem dieser Studie: Die Technik der subakromialen Dekompression (in der Terminologie der Autoren als „critical surgical element“ bezeichnet) wird nämlich genau nicht zur Therapie eines unspezifischen subakromialen Schulterschmerzes eingesetzt, sondern vielmehr zur Behandlung des nosologisch definierten mechanisch bedingten subakromialen Impingementsyndroms.

Beim Screening auf die Eignung zur Studienteilnahme wurde die Bedeutung klinischer und radiologischer Impingementzeichen zugunsten einer generellen ärztlichen Einschätzung i. S. des pragmatischen Studiendesigns unterschlagen. Somit konnten auch Patientinnen und Patienten mit subakromialen Schulterschmerzen aufgrund von Ätiologien wie ACG-Arthrose, internes bzw. funktionelles Impingement, Tendinosis calcarea, Skapuladyskinesie usw. eingeschlossen werden, bei denen überhaupt keine Indikation zu einer subakromialen Dekompression bestand.

Singh et al. [2] und Magaji et al. [3] haben präzise Parameter beschrieben, um Patienten für eine Dekompression zu selektieren. Zumindest die von Kappe et al. vorgeschlagenen klinischen Testbatterien hätten berücksichtigt werden müssen. positive Zeichen nach Hawkins-Kennedy, Neer und Jobe sind mit günstigen Patienten-zentrierten Ergebnissen nach Dekompressions-Operation assoziiert [4]. Ebenso hätten radiologische Kriterien, die mit einem mechanischen Impingement vergesellschaftet sind, beschrieben werden müssen [5-8].

Der Erfolg der subakromialen Dekompression hängt somit von der geeigneten Patientenauswahl ab. Das pragmatische Design der CSAW-Studie unterminierte jedoch bekannte Selektionskriterien und musste somit zwangsläufig zu einer hohen Varianz in den Ergebnisindikatoren führen.

Eingeschlossen wurden auch Patienten mit einer Partialruptur der Rotatorenmanschette, obwohl in einigen dieser Fälle möglicherweise eine Rotatorenmanschettennaht indiziert gewesen wäre. Eine alleinige Dekompression führt bei Partialrupturen in der Regel zu keinen guten Ergebnissen. Die Einschätzung des Ausmaßes einer Partialruptur ist allerdings nur intraoperativ sicher möglich [9, 10]. Fälle mit einer intraoperativ festgestellten rekonstruktionswürdigen Partialruptur hätten daher ausgeschlossen werden müssen, was jedoch nur nach einer zumindest partiellen Bursektomie möglich gewesen wäre. Diese hätte auch ein tatsächliches mechanisches Impingement aufgrund einer Irritation oder Aufrauhung der Oberseite der Rotatorenmanschette bzw. der Unterseite des Lig. coracoacromiale gesichert.

Die Autoren bezeichnen die alleinige Arthroskopie als Placebo-Operation. Das Studienteam hat viel Aufwand betrieben, um geeignete Kontrollinterventionen zu definieren (wie im publizierten CIP niedergelegt [1]). Dennoch ist es unzulässig, von Placebo-Chirurgie zu sprechen, da sowohl eine glenohumerale als auch subakromiale Gelenkspülung erfolgte. Da die Autoren angeben, Partialrupturen klassifiziert zu haben, kann man unterstellen, dass die Bursoskopie auch zusätzlich mindestens mit einer partiellen mechanischen Verdrängung der Bursa einherging, denn sonst wäre eine Betrachtung der Rotatorenmanschettenoberseite nicht sicher möglich gewesen. Möglicherweise hat eine solche mechanische Intervention im Rahmen der Bursoskopie schon einen therapeutischen Effekt, denn bekanntermaßen tragen Maßnahmen an der Bursa substanziell zum positiven Ergebnis einer Operation im subakromialen Raum bei [11].

Im Mittel wurden lediglich zwei Patienten pro Chirurg bzw. drei Patienten pro Einrichtung und Jahr im Rahmen der Studie operiert. 16 Prozent und 22 Prozent der Verum- und „Placebo“-Chirurgie-Gruppe zugeteilten Patienten unterzogen sich keinem Eingriff, knapp ein Viertel aller Kontrollpatienten innerhalb von zwölf Monaten nach Randomisierung hingegen einer subakromialen Dekompression. In diesem Falle wird das akzeptierte Intent-to-Treat (ITT) Prinzip überstrapaziert. Die Autoren berichteten zwar auch Per-Protocol (PP) – Analysen sowie die Ergebnisse der multiplen Imputation, welche aufgrund von fehlenden Daten notwendig wurde – die Varianz der Ergebnisschätzer ist jedoch hoch.

Die nachberechneten Effektstärken für den Vergleich zwischen Verum und Kontrolle schwanken zwischen 0,28 und 0,52, zwischen „Placebo“ und Kontrolle zwischen 0,39 und 0,57. Somit kann allein für eine arthroskopische Lavage im Vergleich zu einer nicht-operativen Behandlung von einem messbaren, wenn auch geringen bis moderaten Zusatznutzen ausgegangen werden.

Im Gegensatz zu übergeordneten („general medical“) Journals wie Lancet fordern fachspezifische Publikationsorgane wie z. B. Journal of Bone and Joint Surgery American Volume Nachbeobachtungsintervalle von wenigstens zwei Jahren. Die hier gewählte primäre Endpunktanalyse nach nur sechs Monaten, welche sich auch nur auf den Zeitpunkt der Randomisierung und nicht der Intervention bezieht, widerspricht allgemeinen Übereinkünften der klinisch-wissenschaftlichen Gemeinschaft.

Der Oxford Shoulder Score (OSS) ist für die Schultergelenk-Arthrose, nicht aber für das Schulter-Impingement validiert und zeigt hier eine geringe inter-individuelle Diskrimination zwischen betroffenen und nicht-betroffenen Gelenken [12]. Instrumente wie der ASES oder Simple Shoulder Test wären evtl. besser geeignet, um spezifische Therapieeffekte zu evaluieren.

Aus den Daten der vorliegenden Studie kann nur folgende Schlussfolgerung gezogen werden: Patienten mit unspezifischen Schulterschmerzen über einen Zeitraum von drei und mehr Monaten profitieren von einem operativen Eingriff an der betroffenen Schulter im Vergleich zu einer reinen Beobachtung. Diese Verbesserung ist durch den positiven Effekt der Lavage und Bursoskopie mit mechanischer Intervention an der Bursa zu erklären. Ein zusätzlicher Effekt durch das „critical surgical element“ der Entfernung eines knöchernen Sporns konnte in der hier untersuchten unselektierten Stichprobe nicht gezeigt werden – dies ist aber unter Berücksichtigung aller genannten Punkte auch nicht überraschend.

Die oben genannten Fachgesellschaften und Berufsverbände verstehen daher auch nicht die Aufmerksamkeit, welche der CSAW-Studie durch die Laienpresse eingeräumt wurde. Die CSAW-Studie liefert entgegen der bisherigen Berichterstattung unter Expertensicht keine neuen Erkenntnisse, da die subakromiale Dekompression auch bisher nicht zur Behandlung des unspezifischen Schulterschmerzes empfohlen wurde. Für das deutsche Gesundheitssystem ergeben sich keine Konsequenzen aus der CSAW-Studie.

Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU)
Deutsche Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie e.V. (DVSE)
Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU)
Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC)
Berufsverband für Arthroskopie e.V. (BVASK)
Gesellschaft für orthopädisch-traumatologische Sportmedizin (GOTS)
Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA)

Literatur via [email protected]

DGOU, DVSE, BVOU, BDC, BVASK, GOTS, AGA: Gemeinsame Stellungnahme zur Schulterstudie. Passion Chirurgie. 2018 Januar, 8(01): Artikel 05_01.

Gütesiegel direkt von Chirurgen – So erkennen Patienten gute Operateure

Der Erfolg einer Operation hängt in vielen Fällen von der Erfahrung des Behandlungsteams ab. Allgemein- und Viszeralchirurgen legen nun konkrete Zahlen vor, wie häufig Eingriffe durchgeführt werden müssen, damit eine Einrichtung für eine bestimmte Behandlung als qualifiziert zertifiziert werden kann. Dabei basieren die Anforderungen der Allgemeinchirurgen an ihr eigenes Fach auf umfangreichen Datensammlungen und liegen weit über den geforderten derzeitigen Mindestmengen.

So gilt etwa für Leistenbrüche, aber auch für Mast- und Dickdarmeingriffe eine Mindesteingriffszahl von 100 Operationen pro Jahr und Zentrum. „Dies ist ein wertvoller Beitrag zur Patientensicherheit, der von den Fachexperten selbst erarbeitet wurde“, erklärte Professor Dr. med. Jörg Fuchs, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, (DGCH) auf der Jahrespressekonferenz der DGCH.

Zentrumsbildung, Komplikationsraten, Audits: Faktoren, die auf chirurgische Qualität hindeuten sollen, sind für Patienten oft nur schwer einzuordnen. Um den Patienten eine klare Information an die Hand zu geben, hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) bereits im Jahr 2008 ein aufwändiges Zertifizierungsprojekt gestartet. Seither hat die Fachgesellschaft mehr als 74.000 Falldaten zu operativen Ergebnissen an verschiedenen Organbereichen gesammelt und ausgewertet. “Die Daten, die uns die Kliniken übermitteln, werden sorgfältig aufbereitet”, sagt Professor Dr. med. Albrecht Stier, Präsident der DGAV. “Dazu gehört unter anderem, die Fallschwere mit jeweils zulässigen Komplikationsraten zu berücksichtigen.”

Insgesamt hat die DGAV bisher 330 Zentren als sogenannte „Kompetenzzentren“ zertifiziert. Nicht jede Einrichtung erhält das Gütesiegel der Fachgesellschaft – in 29 Fällen erfolgte eine Ablehnung. „Die Durchfallquote beträgt damit fast zehn Prozent“, so Stier. Patienten und Angehörige können die zertifizierten Kompetenzzentren über die Webseite der DGAV unter http://www.dgav.de/zertifizierung/zertifizierte-zentren.html abrufen. Dort besteht auch die Möglichkeit einer Suche nach Postleitzahlen. Insgesamt wurden Kliniken für folgende Eingriffe bzw. Eingriffstechniken zertifiziert: Hernien, End- und Dickdarm, minimalinvasive Chirurgie, Adipositaschirurgie, Schilddrüsen und Nebenschilddrüsen, Bauchspeicheldrüse, Leber, Endoskopie, oberer Gastrointestinaltrakt, Peritoneum und endokrine Chirurgie.

Folgende erforderliche Eingriffshäufigkeiten pro Jahr hat die DGAV unter anderem für eine erfolgreiche Zertifizierung festgelegt:

  • Leistenbruch: 100
  • Dick- und Mastdarmeingriffe: 100
  • Minimalinvasive Adipositaschirurgie: 75
  • Magenband, Magenbypass und andere Eingriffe am Magen mit metabolischer Indikation: 50
  • Speiseröhrenkrebs: 15
  • Schilddrüsenknoten: 120
  • Bauchspeicheldrüse: 25
  • Komplexe Leberoperationen: 25
  • Hämorrhoiden: 30

Das Zertifikat überprüft neben der operativen Erfahrung eine Vielzahl weiterer Faktoren, die für ein gutes Behandlungsergebnis entscheidend sind. „Dazu gehören etwa die apparative und diagnostische Ausstattung des Zentrums, Anzahl und Art der Sprechstunden sowie Kooperationen mit anderen Fachabteilungen bis hin zur Quote wiederaufgetretener Krebsherde innerhalb von zwei bzw. fünf Jahren“, betont DGAV-Präsident Stier. Ebenfalls eindeutig geregelt: Findet ein Wechsel des verantwortlichen Chirurgen statt, verliert das Zertifikat seine Gültigkeit.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e.V., Luisenstraße 58/59, 10117 Berlin, www.dgch.de, 06.12.2017

BDI fordert Ende der Debatte zur Neuordnung der Notfallversorgung

Die Debatte in den letzten Tagen über die Neuordnung der Notfallversorgung in Deutschland zwischen den Selbstverwaltungspartnern zeigt wieder einmal, dass die Akteure nichts hinzugelernt haben. Gegenseitige polemische Vorwürfe passen in die Vergangenheit und sind nicht geeignet, gegenüber Versicherten, Patientinnen und Patienten, Bürgern und Bürger und zuletzt der Politik, ein funktionierendes System der Selbstverwaltung abzubilden. Leider scheinen alle gerade an der Grenze ambulant/stationär konfliktiv unterwegs zu sein, anstatt zu kooperieren.

Der Berufsverband Deutscher Internisten (BDI e. V.) hat bereits im Mai 2017 ein Konzept zur sektorübergreifenden Notfallversorgung dargestellt. Wichtige Inhalte wie beispielsweise ein Triagezentrum („Gemeinsamer Tresen“) als erste Anlaufstelle für Notfälle wurden beispielsweise auch vom Sachverständigenrat des Deutschen Bundestages in seine Überlegungen übernommen. Solche Triagezentren könnten die konkurrierende Situation zwischen der Notfallversorgung der Kassenärztlichen Vereinigung und Klinik-Notaufnahmen zukünftig auflösen. Die bislang uneinheitlich organisierte Struktur von Rettungsdienst, vertragsärztlichem Bereitschaftsdienst und Notaufnahmen in Kliniken wird damit zum Patientenwohl vereinheitlicht. Finanziert werden könnte eine solche Struktur über selektivvertragliche Regelungen, wobei die Krankenkassen zum Abschluss solcher Verträge gesetzlich verpflichtend werden müssen. Auch die alternativen Finanzierungsvorschläge des Sachverständigenrates sind gangbar.

„Für Unfälle und lebensbedrohliche Zwischenfälle bleiben weiterhin die Rettungsdienste mit ihren Notfallärzten verantwortlich.“, so BDI-Präsident Dr. Hans-Friedrich Spies. „Leichtere Fälle sollen aber an die Triagezentren weitergeleitet werden, die dann klären, ob tatsächlich ein Notfall vorliegt und ob eine ambulante oder stationäre Versorgung sinnvoll ist.“

Wenn die Selbstverwaltungspartner von Kassenärztlicher Vereinigung und Deutsche Krankenhausgesellschaft schon ihre unterschiedlichen Interessen vertreten, täten sie gut daran, die tatsächlichen Gründe für die derzeitige Misere zu nennen. Auf der einen Seite ist letztlich die Budgetierung der Auslöser, warum eine ambulante Notfallversorgung eingeschränkt funktioniert. „Grund ist die Vergütungssystematik, durch die erbrachte Leistungen nach einer Überschreitung des Budgets nicht mehr bezahlt werden. Viele Vertragsärzte haben ihre Praxisstruktur deshalb zu einer Bestellpraxis umgewandelt. Hier finden Notfallpatienten schlicht und einfach keinen Platz mehr“-, stellt Dr. Spies klar. Selbst bei einem gut organisierten Notdienst außerhalb der Sprechstundenzeiten gibt es deshalb Engpässe.

Auch in den Kliniken spielt die Vergütung der Notfallversorgung eine wichtige Rolle. Sie müssen Patienten schon deshalb aufnehmen, um entscheiden zu können, ob eine stationäre Behandlung überhaupt notwendig ist.

Nur eine einheitliche Struktur kann hier Abhilfe schaffen. Finanziert werden können solche Strukturen mittels Selektivverträgen. „Damit können Verträge vereinbart werden, die nicht am unterschiedlichen Leistungsrecht ambulant/stationär scheitern, die außerhalb des üblichen Budgets vergütet werden und bei denen das Honorar frei kalkuliert und vereinbart werden kann.“, schlägt Spies vor. Auch könnten regional gut funktionierende Strukturen einfach abgebildet werden. Der Gesetzgeber muss hierzu allerdings die Krankenkassen gesetzlich verpflichten, solche flexiblen Selektivverträge für die Notfallversorgung abzuschließen.

Quelle: Berufsverband Deutscher Internisten e.V., Schöne Aussicht 5, 65193 Wiesbaden, www.bdi.de