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VLK warnt zur Notfallversorgung: “Keine Verknappung unter dem Vorwand der Qualitätssicherung”!

 

“Ja zu Strukturverbesserung und Qualitätssteigerung, aber bitte keine Angebotsverknappung als primäres Ziel” fordert der Präsident des VLK, PD. Dr. M. Weber. Die Reform der Notfallversorgung ist überfällig und wird grundsätzlich vom VLK begrüßt. Auch die Ansiedlung an den Kliniken entspricht der Realität und so ist die Übertragung des Sicherstellungsauftrages auf die Länder nur konsequent. Aber jetzt mischen sich Bestrebungen zur Angebotsverknappung unter die in ihrer Gesamtheit guten Vorschläge. Die Absicht, Notfallleistungen an Kliniken ohne Interdisziplinäre Notfallzentren (INZ) mit einem 50-prozentigen Abschlag zu “honorieren”, ist nicht zu akzeptieren. Ebenso wenig der Versuch, die Entscheidung über eine medizinisch notwendige stationäre Aufnahme auf Standorte mit INZ zu begrenzen. Alle Häuser, die nach den neuen Richtlinien des G-BA als Notfall-Krankenhäuser anerkannt sind, müssen an der Versorgung ohne Abschläge teilnehmen. Sonst droht durch diesen Eingriff in die flächendeckende, wohnortnahe Versorgung ein logistisches Chaos mit drastischer Zunahme von Krankentransporten zu INZ’s und dann zurück zur stationären Aufnahme ins nächstgelegene Krankenhaus. Dies muss bei den kommenden Beratungen mit den Bundesländern zur Notfallversorgung dringend korrigiert werden. Eine Angebotsverknappung darf nicht die sonst guten Reformbemühungen zunichte machen.

Quelle: Verband der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e.V., Haus der Ärzteschaft, Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf, www.vlk-online.de, 12.08.2019

 

KBV zu TSVG: Neue Zuschläge für Terminvermittlung

Zur Abrechnung der zeitgestaffelten Zuschläge für TSS-Patienten ab 1. September stehen jetzt die Gebührenordnungspositionen sowie weitere Details der Abrechnung fest. Die Softwarehäuser können mit der Aktualisierung der Praxisverwaltungssysteme beginnen, sodass das Sonderupdate rechtzeitig zur Verfügung steht.

Für die extrabudgetären Zuschläge auf die Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale gibt es pro Arztgruppe jeweils eine neue Gebührenordnungsposition (GOP). Ärzte und Psychotherapeuten rechnen sie ab, wenn Patienten über die Terminservicestellen in die Praxis kommen. Die Höhe des Zuschlags –  50, 30 oder 20 Prozent – kennzeichnen sie je nach Länge der Wartezeit auf den Termin mit dem Buchstaben A, B, C oder D.

PVS übernimmt die Berechnung

Den Rest übernimmt das Praxisverwaltungssystem (PVS). Es sortiert die GOP automatisch der richtigen altersgruppenspezifischen Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale zu und errechnet den konkreten zeitgestaffelten Zuschlag.

Kennzeichnung der Zuschläge

Den Buchstaben „B“ geben Ärzte an, wenn der Termin innerhalb von acht Tagen zustande kam. Sie erhalten dann einen Zuschlag von 50 Prozent. Mit „C“ wird die neue GOP bei einer Wartezeit von neun bis 14 Tagen (30 Prozent) gekennzeichnet, mit „D“ bei 15 bis 35 Tagen (20 Prozent).

Handelt es sich um einen „TSS-Akutfall“, setzen Praxen den Buchstaben „A“ zu (50 Prozent). Die Patienten bekommen in diesen Fällen innerhalb von 24 Stunden einen Termin beim Arzt; Voraussetzung ist, dass am Telefon der 116117 eine medizinische Ersteinschätzung erfolgt ist.

A, B, C oder D? – TSS informiert Praxen

Damit Praxen den Zuschlag korrekt abrechnen können, teilen die Terminservicestellen ihnen ab 1. September den Tag mit, an dem sich der Patient an die TSS gewandt hat. So wissen sie, wie schnell der Termin vermittelt wurde und mit welchem Buchstaben sie die neue Zuschlags-GOP kennzeichnen müssen.

Beschluss im August

Der offizielle Beschluss des Bewertungsausschusses zur Aufnahme der GOP in den EBM erfolgt im August. KBV und GKV-Spitzenverband haben sich bereits im Vorfeld auf die Systematik und die konkreten Ziffern verständigt. So haben die PVS-Hersteller Zeit, die Vorgaben über ein Sonderupdate bis zum 1. September umzusetzen.

Mit dem Beschluss im August sollen zudem weitere noch offene Details zur Umsetzung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes geklärt werden.

Mehr Infos finden Sie auf den Seiten der KBV

Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, www.kbv.de, Praxisnachrichten, 01.08.2019

Wenn ein Behandlungsfehler alles verändert

Fehler passieren jedem – doch bei Ärzten kann ein Behandlungsfehler schnell schlimme Konsequenzen haben. Für ihr Buch „Der Fehler, der mein Leben veränderte“ hat die Autorin Gina Bucher unter anderem mit einer jungen Ärztin gesprochen, die einen folgenschweren Fehler gemacht und dafür die Verantwortung übernommen hat.

Ava Keller (Name geändert) heißt die junge Ärztin, die im ersten Kapitel des Buches zu Wort kommt. Keller arbeitet nach dem Studium als Ärztin im Praktikum auf der Krebs-Station eines norddeutschen Uniklinikums. Schon nach drei Monaten darf sie eigenverantwortlich Chemotherapien verabreichen – und ist dabei mit einer ähnlich unerfahrenen Kollegin allein, obwohl sie ihre Approbation noch nicht hat. Auf der Station gibt es verschiedene Ampullen für die Chemotherapie: Manche Substanzen werden in die Venen gespritzt, andere in das Rückenmark, damit sie ins Gehirnwasser gelangen. Doch Keller verwechselt diese beiden Spritzen – und merkt das auch direkt:

„Zuerst konnte ich überhaupt nicht einschätzen, wie schlimm das ist: Welche Konsequenzen hatte dieser Fehler für die Patientin? Ich suchte sofort meinen Kollegen vom Nachtdienst, der zum Glück noch da war. Er war deutlich erfahrener und alarmierte alle: den Neurologen, den Chef der Klinik, den Oberarzt. Sie verlegten die Patientin sofort auf die neurochirurgische Intensivstation, wo sie ihr das Gehirnwasser spülten. Niemand wusste, ob das klappen würde. Die Frau war ungefähr 73 Jahre alt und nicht sterbenskrank.“

Leben mit Schuld und Scham

Anfangs geht es der Patientin noch gut – doch dann beginnen die Lähmungen, und nach und nach werden sie immer schlimmer. Am Ende ist die Frau bis zum Hals gelähmt – ein Schwerstpflegefall. Und Keller bereut ihren Fehler zutiefst und muss mit der Schuld und der Scham leben. Sie stellt sich auch den juristischen Konsequenzen – sowohl in einem zivilrechtlichen Verfahren als auch in einem Strafprozess. Ihre Schuldgefühle verfolgen sie trotzdem bis heute – auch wenn sie weiter als Ärztin gearbeitet hat:

„Unterdessen, sechzehn Jahre später, weiß ich, dass es für mich richtig war, sofort wieder zur Arbeit zu gehen. Anfangs habe ich keinem davon erzählt. Weil ich mich so geschämt habe. Weil ich dachte, das kann ich keinem erzählen. Nur ein paar Kollegen haben das mitbekommen. Nach und nach haben es Freunde erfahren, auch meiner Familie habe ich es gesagt. Es hat mir keiner Vorwürfe gemacht, überhaupt nicht, zu keinem Zeitpunkt. Ich musste vor allen Dingen selbst damit klarkommen und für mich lernen, einen Fehler gemacht zu haben. Das zu lernen ist schwierig.“

Ein anderer Fall aus dem Buch betrifft die Krankenschwester Annemarie Rüter (Name ebenfalls geändert): Zwei Patienten, die sie in ihrem Berufsleben betreut hat, sind gestorben, nachdem die Schwester Fehler gemacht hat. Ob die Todesfälle tatsächlich mit diesen Fehlern zusammenhängen, bleibt zwar offen, doch die ehemalige Krankenschwester belasten sie sehr. Sie hat jahrzehntelang niemandem von den Vorfällen erzählt, will aber nun eine Selbsthilfegruppe für medizinisches Personal mit ähnlichen Erlebnissen gründen.

Zur Person

Gina Bucher studierte Publizistik und arbeitet als Redakteurin und freie Journalistin. Sie ist Herausgeberin verschiedener Bücher im Kunstbereich. Gina Bucher lebt in Zürich.

Buchautorin Gina Bucher im Interview

PASSION CHIRURGIE: Frau Bucher, für Ihr Buch haben Sie mit den Menschen, die Sie zu Wort kommen lassen, lange Gespräche geführt. Wie haben Sie z. B. die Ärztin und die Krankenschwester erlebt?

Gina Bucher: Die Ärztin hat sich in ihrer Psychotherapie stark mit dieser Geschichte auseinandergesetzt und auch im Strafverfahren wurde alles juristisch aufgearbeitet. Dennoch habe ich im Gespräch gemerkt, dass sie die Geschichte immer noch sehr, sehr betroffen macht. Sie hatte phasenweise auch Tränen in den Augen und hatte zum Teil große Mühe, darüber zu reden. Sie ist jetzt um die 40 und damit jünger als die Krankenschwester. Das macht bestimmt auch etwas aus. Ich hatte den Eindruck, die Krankenschwester hat ein großes Bedürfnis, diese Geschichten noch zu klären, bevor sie stirbt. Sie ist jetzt seit kurzem im Ruhestand und war auch sehr betroffen – aber bei ihr war es anders, weil diese Geschichten schon viel länger zurückliegen.

PC: Die Ärztin hat sich direkt mit dem Thema und den Folgen beschäftigt, die Krankenschwester hat es ein Leben lang geheim gehalten. Warum reagieren die Menschen so unterschiedlich auf ihre Fehler?

Bucher: Bei diesen beiden Geschichten muss man natürlich bedenken, dass sie in unterschiedlichen Jahrzehnten passiert sind. Bei der Krankenschwester reden wir über die 70er- und 80er-Jahre – damals wurde noch viel weniger über Fehler gesprochen. Bei der Ärztin ist es um das Jahr 2000 herum passiert. Sie meinte, damals hätte es immer noch gar keine Fehlerkultur gegeben. Heute sei das ein bisschen besser, sagt sie. Aber wie man mit Fehlern umgeht, ist auch ganz klar eine Typfrage. Ich weiß auch nicht, wie ich in so einer Situation reagieren würde. Ich kann mir gut vorstellen, dass mein erster Reflex wäre, erstmal alles zu vertuschen. Das ist wie bei der Fahrerflucht, dass man ganz anders reagiert, als man sich das vielleicht wünschen würde.

PC: Wie werden Fehler denn in Kliniken gehandhabt – und wie hat sich das in den letzten Jahrzehnten verändert?

Bucher: Von außen kann ich das natürlich nur schwer beurteilen. Aber ich habe gehört, dass sich die Kultur so langsam ändert. Es gibt immer mehr Meldesysteme, bei denen man sich als Arzt oder Pflegekraft melden kann. Es wäre auf jeden Fall wünschenswert, hier eine größere Offenheit zu entwickeln. Die Ärztin sagte in unserem Gespräch etwas Interessantes: dass die jungen Leute heute selbstbewusster sind und viel stärker einfordern, auch über solche Themen zu sprechen. Die Ärzte stecken da in einem Dilemma: Natürlich sind sie keine „Götter in Weiß“, sondern sie machen Fehler wie alle anderen auch – das wissen auch alle. Aber wenn man selbst behandelt wird, dann erwartet man natürlich schon, dass genau dann kein Fehler passiert – aber verhindern lässt es sich einfach nicht immer.

PC: Wie geht die Ärztin jetzt im Nachhinein mit diesem Dilemma um?

Bucher: Sie hat sich einen Arbeitsplatz gesucht, an dem sie eine bessere Kontrolle über die Abläufe hat und sich besser aufgefangen fühlt. So konnte sie die Risiken so gut wie möglich minimieren. Was sie jetzt weiß: Der Fehler, der ihr passiert ist, hätte verhindert werden können. Es gibt beispielsweise verschiedene Aufsätze, damit nur die richtigen Ampullen passen und andere gar nicht verwendet werden können. Das wusste sie aus einer anderen Klinik und hat es ihrem Arbeitgeber auch vorgeschlagen. Doch da wurde ihr knallhart gesagt: „Das machen wir nicht, weil die Klinik sonst zugeben würde, dass da ein Fehler passiert ist.“ Das hat die Ärztin sehr erschüttert – zusätzlich zu ihrer persönlichen Schuld.

PC: Wie haben Sie überhaupt Menschen gefunden, die so offen über ihre Fehler sprechen?

Bucher: Das war auch nicht so einfach. Die meisten Geschichten sind anonymisiert. Ich habe auf sehr unterschiedlichen Wegen nach diesen Personen gesucht: einerseits über Selbsthilfegruppen, aber auch über Psychologen, Sozialarbeiter, Juristen – all den Leuten, die mit solchen Menschen zu tun haben. In einzelnen Fällen ist es auch umgekehrt gelaufen, dass jemand von meinem Buchprojekt gehört hat und jemanden kannte oder sogar selbst eine Geschichte zu erzählen hatte. Ich habe nie jemanden überredet – das würde meinen Prinzipien widersprechen. Mir war wichtig, dass die Leute selbst erzählen wollen. Diese ganze Unsicherheit – soll ich davon erzählen oder soll ich nicht – das ist bei denen schon vorher passiert. Ich stelle mir vor, das gehört auch zu der Auseinandersetzung mit dem Thema. Das kann ja auch etwas Erleichterndes haben. Aber neben diesem Beicht-Effekt ging es auch vielen darum, dass der gleiche Fehler anderen nicht auch passiert. Die Ärztin beispielsweise wollte sehr gern aufklären und andere davor bewahren, weil sie selbst sehr stark darunter leidet.

PC: Gehen Männer und Frauen eigentlich grundsätzlich unterschiedlich mit Fehlern um?

Bucher: Es ist natürlich sehr individuell – sonst könnte ich einen Bestseller schreiben mit einer perfekten Anleitung, wie man damit umgeht. So ist es leider nicht (lacht). Aber ich glaube schon, dass Männer und Frauen – so pauschal man das jetzt sagen kann – unterschiedlich mit Fehlern umgehen. Das haben mir auch verschiedene Managerinnen bestätigt. Beispielsweise sprechen Männer gar nicht erst von „Fehlern“, sondern von „Erfahrungen“. Frauen sprechen viel häufiger von Fehlern und fragen auch schneller nach der Ursache. Sie fragen sich, wie sie in die Situation hineingeraten sind, während die Männer eher überlegen, wie sie aus der Lage wieder rauskommen. Beide Strategien haben natürlich ihre Vorteile, aber am besten wäre es, man könnte beide kombinieren. Es war für mich viel einfacher, Männer zu finden, die über ihre Fehler sprechen wollten. Vielleicht ist der Grund dafür, dass Männer mit ihren Fehlern leichter abschließen können.

PC: Was für Strategien helfen denn, mit dem Fehler abzuschließen?

Bucher: Was sicher hilft, ist, sich mit seinem Fehler auseinanderzusetzen. Das haben in der ein oder anderen Form alle Personen gemacht, mit denen ich für das Buch gesprochen habe: sich selbst knallhart ins Gesicht zu schauen und auszuhalten, was man da sieht. Wichtig ist, sich selbst gegenüber einzugestehen, dass man diesen Fehler gemacht hat und welche Konsequenzen dieser Fehler hat. Außerdem spielt für viele die Religion eine Rolle. Viele Gesprächspartner haben sich vorher nie für Religion interessiert, aber nach dieser Geschichte haben sie einen Zugang dazu gefunden. Ich glaube, die Religion kann eine wichtige Rolle spielen, weil sie einem die Möglichkeit gibt, wieder neu anfangen zu dürfen. In der Bibel handeln beispielsweise viele Geschichten von der urmenschlichen Erfahrung des Scheiterns – das kann sehr tröstlich sein.

PC: Welche Geschichte hat Sie am meisten beeindruckt?

Bucher: Es war gar nicht so sehr ein einzelner Mensch, der mich beeindruckt hat – sondern vielmehr die einzelnen Situationen. Beispielsweise in der Geschichte von dem Jugendlichen, der wegen mehrerer Raubüberfälle vor Gericht kam und dort auf seine Opfer traf. Er hat sich dort bei seinen Opfern entschuldigt und konnte gar nicht fassen, dass die Opfer ihm verzeihen konnten. Er hatte erwartet, dass alle wütend auf ihn sind und ihm eine möglichst lange Haftstrafe wünschen – aber so war es nicht. Das waren solche Erzählmomente, die mir eine richtige Gänsehaut beschert haben.

PC: Wie hat Ihr Buch Ihre eigene Einstellung zum Scheitern verändert?

Bucher: Eigentlich hat es mich wahnsinnig beruhigt. All die Gespräche, die ich geführt habe, haben wir gezeigt: Auch wenn einem ein krasser Fehler passiert, sind es immer Geschichten, die man auf handfeste Probleme runterbrechen kann und für die es oft konkrete Lösungsmöglichkeiten gibt. Im schlimmsten Fall kann man eine Strafe im Gefängnis absitzen oder ein Bußgeld bezahlen – man kann die Geschichte aber auch objektivieren und eine Distanz dazu entwickeln, zum Beispiel auch mit Selbstironie. In allen Geschichten, die ich gehört habe, sind viele helfende Hände vorgekommen. Bei der Ärztin gab es zum Beispiel einen Anwalt, der ihr einen großzügigen Rabatt gegeben und ihr damit sehr geholfen hat. Wenn einem ein Fehler passiert, gibt es kein „Schema F“, sondern man muss einfach improvisieren. Und das klappt auch oft, weil sich viele in der gescheiterten Person wiedererkennen und ganz unkompliziert Hilfe anbieten.

Buchtipp

Gina Bucher, Der Fehler, der mein Leben veränderte – Von Bauchlandungen, ­Rückschlägen und zweiten Chancen

© Piper Verlag GmbH, München, 2018

256 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag

ISBN: 978-3-492-05599-4

Bucher G: Wenn ein Behandlungsfehler alles verändert. Passion Chirurgie. 2019 August, 9(08): Artikel 09.

Das Interview ist erschienen am 01.04.2019 auf der Webseite Operation Karriere, Deutscher Ärzteverlag GmbH. Zur Erstveröffentlichung

Schaufenster August 2019

Erste Trauma-Box im Langenbeck-Virchow-Haus

Am 11.07. 2019 wurde die erste Trauma-Box Berlins im Haus der Chirurgie installiert. Bei einer feierlichen Übergabe an die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie wurde für Pressevertreter demonstriert wie das Erste-Hilfe-System richtig angewendet wird. Unfallchirurgie Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und die Deutsche Traumastiftung (DTS) plädieren für eine deutschlandweite Platzierung von Erste-Hilfe-Systemen im öffentlichen Raum. Damit können Ersthelfer schneller als bisher Blutungen noch am Unfallort stoppen, solange, bis medizinisches Fachpersonal eintrifft. „Verbluten ist bei vielen Unfällen die
Todesursache Nummer eins. Die sofortige Verfügbarkeit eines einfachen Sets zur Stillung einer schweren Blutung bedeutet für so manchen Betroffenen Überleben. Die flächendeckende Verfügbarkeit der Trauma-Box kann in entscheidenden Minuten Leben retten“, waren sich DTS-Präsident Prof. Dr. Thomas Wirth und DGU-Präsident Prof. Dr. Paul A. Grützner einig, als sie die Trauma-Box an Prof. Dr. Thomas Schmitz-Rixen, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, übergaben. …

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PATIENT BLOOD MANAGEMENT (PMB)

Das Förderprogramm der pbm Academy

Bewerben Sie sich jetzt und erhalten Sie bis zu 70.000 Euro für Ihr Projekt! Mit einem Förderprogramm möchte die pbm Academy Stiftung Projekte in Deutschland unterstützen, die das Ziel verfolgen, die Aufmerksamkeit für das Patient Blood Management zu erhöhen und die Behandlungsqualität im deutschen Gesundheitswesen flächendeckend durch die Einführung von Patient Blood Management zu verbessern.

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Roboter erledigt Krankenhaus-Erreger

Der 15. Innovations- und Entrepreneur-Award in Robotik und Automation (IERA) geht an den „UVD Robot“ von Blue Ocean Robotics. Der kollaborative Roboter fährt autonom durch Krankenhäuser und sendet dabei konzentriertes UV-C-Licht aus, um Bakterien und andere schädliche Mikroorganismen zu beseitigen.
Dadurch erreichen die Kliniken eine Desinfektionsrate von 99,99 Prozent und reduzieren damit das Risiko für Patienten, Personal und Besucher, sich mit gefährlichen Erregern zu infizieren.

„Der UV-Desinfektionsroboter von Blue Ocean Robotics zeigt, was für ein nahezu grenzenloses Potenzial die Robotik beim Einsatz in neuen Umgebungen hat“, sagt Arturo Baroncelli, ehemaliger Präsident der International Federation of Robotics, die den IERA-Award mitverleiht. „Die Kombination von klassischen mechatronischen Disziplinen – typisch für die Robotik – mit dem Know-how von Medizin und Pharmazie ist ein fantastischer Beweis auf diesem Weg des Fortschritts. Die IFR freut sich, diesen virtuellen Trend anzuerkennen und zu unterstützen.“

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WELTRAUMPHARMAZIE

50 Jahre Apollo 11

Am 20. Juli 1969 betraten die ersten Menschen den Mond. An Bord von Apollo 11 waren sorgsam ausgesuchte Arzneimittel, darunter Acetylsalicylsäure, D-Amphetamin, Secobarbital und Oxymetazolin. Aus Anlass des 50-jährigen Mondlande-Jubiläums blickt die Pharmazeutische Zeitung auf die Entwicklung der Weltraumapotheken und die gewonnenen pharmazeutischen und medizinischen Erkenntnisse zurück.

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Aktuelle BDC|Umfragen

Assistentenumfrage 2018: Chirurgische Weiterbildung in Deutschland

Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen führt seit 1998 regelmäßige Assistentenumfragen zur Qualität der chirurgischen Weiterbildung durch. Die letzte Erhebung fand 2014/15 statt und zeigte leichte Trends zur Besserung auf. In diesem Jahr wird die Umfrage gemeinsam mit dem Perspektivforum Junge Chirurgie durchgeführt.

Die Beantwortung des Fragebogens nimmt ca. 15 Minuten Zeit in Anspruch. Die Auswertung erfolgt selbstverständlich anonym, d. h. ein Rückschluss auf den Absender ist nicht möglich.

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Personalbemessung in der Chirurgie

Diese kurze Umfrage dient einer Erhebung des „IST-Zustands“ in Deutschland. Getriggert von den aktuellen Diskussionen um die Personaluntergrenzen in der Pflege machen wir uns für eine vergleichbare
Transparenz im ärztlichen Dienst stark!

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Personalia August 2019

Dr. med. Jochen Grommes, seit 2015 Oberarzt der Klinik für Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Aachen, führt als Chefarzt seit dem 01. Juli 2019 die Klinik für Gefäßchirurgie am Rhein-Maas Klinikum in Würselen.

Prof. Dr. med. Alexander Hyhlik-Dürr wurde auf den Lehrstuhl für Gefäßchirurgie der Universität Augsburg berufen. Der neue Lehrstuhlinhaber ist bereits seit 2017 Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Augsburg.

Prof. Dr. med. Joachim Jähne, langjähriger Leiter der BDC|Akademie, ist seit 1998 Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Diakovere Henriettenstift in Hannover. Neben der bestehenden Tätigkeit hat er zum 01. Juli 2019 auch die Leitung der Allgemein- und Viszeralchirurgie am Diakovere Friederikenstift übernommen.

Dr. med. Matthias Kötting wechselte als Chefarzt der Chirurgie des Herz-JesuKrankenhauses in Dernbach nach Zell. Dort leitet er seit dem 01. Juli 2019 die Klinik für Orthopädie, Unfall-, Viszeral- und Gefäßchirurgie am Klinikum Mittelmosel, St. JosefKrankenhaus in Zell.

Seit dem 1. Juli 2019 ist Bernd Schmitz der neue Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie im Elisabeth-Krankenhaus in Thuine.

Dr. med. Oliver Stumpf leitet seit dem 15.06.2019 den Fachbereich Adipositas und Metabolischen Medizin am HELIOS Klinikum Berlin-Buch. Der Facharzt für Chirurgie und Viszeralchirurgie war hier zuvor als Oberarzt angestellt.

PD Dr. med. Dimitrios Pantelis ist seit dem 1. März 2019 Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie der GFO Kliniken Bonn, Betriebsstätten: St. Marien Hospital Bonn und St. Josef Hospital Bonn-Beuel. Er war zuvor leitender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Bonn.

Zum 1. Juli 2019 übernahm Prof. Dr. med. Antonio Krüger die Chefarztposition der Unfallchirurgie der Asklepios Klinik Lich.

Dr. med. Dieter Telker ist seit dem 1. April 2019 Leitender Chirurg und Sprecher der Chirurgie in der Asklepios Nordseeklinik Westerland/Sylt. Vorher war er bereits Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie im St. Martinus Krankenhaus Düsseldorf.

PD. Dr. med. Mansur Duran hat seit Anfang Juli die Chefarztposition der Abteilung für Gefäßchirurgie der Asklepios Klinik Altona inne.

Ambulante Notfälle im Krankenhaus seit 2016 rückläufig

Die Zahl der in deutschen Kliniken ambulant behandelten Notfallpatienten ist seit 2016 gesunken. Der absolute Rückgang von rund 142.000 Fällen im Jahr 2017 entspricht einem Minus von 1,3 Prozent. Die vertragsärztlichen Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen zeigen auch, dass die durch niedergelassene Haus- und Fachärzte behandelten ambulanten Notfälle seit 2015 kontinuierlich steigen, von 8,96 Millionen Fälle 2015 auf 9,08 Millionen Fälle 2017. Dies entspricht einem Zuwachs von 1,3 Prozent. „Die Anzeichen für eine Trendwende hin zur ambulanten Notfallversorgung verdichten sich: Die Reformbemühungen der Kassenärztlichen Vereinigungen, die oftmals in enger Kooperation mit Krankenhäusern erfolgen, scheinen erste Früchte zu tragen. Die Vertragsärzte behandeln zunehmend mehr Patienten im Notdienst und tragen damit zu einer Entlastung der Notaufnahmen in den Kliniken bei. Es bleibt aber noch Einiges zu tun“, so Zi-Geschäftsführer Dr. Dominik von Stillfried.

Ungebrochen ist hingegen der Trend bei den stationären Aufnahmen aus den Notaufnahmen: Die entsprechenden Fallzahlen steigen seit 2013 konstant an, von 7,80 Millionen 2013 auf 8,65 Millionen Behandlungsfälle im Jahr 2017. Dies entspricht einem Zuwachs von 10,9 Prozent – in nur vier Jahren. Laut DRG-Statistik werden mittlerweile fast genauso viele Patienten als Notfall im Krankenhaus stationär aufgenommen wie mit einer Einweisung durch einen niedergelassenen Arzt – ein im internationalen Vergleich außergewöhnlich hoher Wert.

Quelle: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland,
Salzufer 8, 10587 Berlin,  www.zi.de, 31.07.2019.

Reaktion auf den Referentenentwurf des „Faire-Kassenwahl-Gesetzes“

Resolution

Behandlungsdiagnosen als Basis einer bedarfsgerechten und evidenzbasierten Versorgungsgestaltung unverzichtbar –

Verbot im Referentenentwurf des „Faire-Kassenwahl-Gesetzes“ (GKV-FKG) aufgeben!

Der Referentenentwurf des „Faire-Kassenwahl-Gesetzes“ (GKV-FKG) sieht vor, das bestehende Verbot der „Koppelung“ ambulanter Vergütungsregelungen mit Behandlungsdiagnosen drastisch zu verschärf­en. Eine Vergütung ärztlicher Leistungen, die an bestimmte Diagnosen geknüpft ist, soll generell verbo­ten werden. Diese Regelung verkennt den unverzichtbaren Beitrag von ICD-Diagnosen zu einer transparenten und effizienten Versorgung und zu einer bedarfsgerechten Ressourcenlenkung. Die geplante Regelung ist deshalb weder sachgerecht noch verhältnismäßig. Sie stellt vielmehr innovative Versorgungsformen und -verträge, die sich gezielt an hochrangigen Leitlinien und Versorgungspfaden orientieren, in ihrer Substanz zur Disposition.

Ein morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) ohne manipulative Verzerrung bildet die Voraussetzung für einen fairen Kassenwettbewerb. Dafür bedarf es jedoch keines pauschalen Verbots von Diagnosen im Kontext ambulanter Vergütungsregeln. Schon heute stehen den Aufsichtsbehörden die notwendigen Instrumente zur Verfügung, um einen rechtssicheren und manipulationsfreien Morbi-RSA zu gewährleisten. Hinzu kommen Mitte 2020 die mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) beschlossenen ambulanten Kodier-Richtlinien. Leitlinienorientierung und Innovationsfähigkeit von Versorgungs- und Vertragsstrukturen ausschließlich vom Motiv eines vermeintlichen Missbrauchs des Morbi-RSA her zu „denken“, würde einen eklatanten versorgungspolitischen Rückschritt bedeuten.

Wir appellieren an den Gesetzgeber, die notwendigen Innovationspotentiale und Gestaltungs­räume für eine evidenzbasierte Versorgungs- und Vertragsgestaltung im Sinne des Patienten­wohls zu erhalten und weiter zu stärken. Spezifische Krankheitsbeschreibungen nach dem inter­nationalen Klassifikationssystem und ihre sachgerechte Verknüpfung mit leistungs- und versor­gungsadäquaten Entgelten sind dafür unverzichtbar.

gezeichnet:

Prof. Dr. med. Hans Martin Hoffmeister
Berufsverband deutscher Internisten (BDI)

Dr. med. Jörg-Andreas Rüggeberg
Gemeinschaft fachärztlicher Berufsverbände (GFB)

Dr. med. Klaus Reinhardt
Hartmannbund – Verband der Ärzte Deutschlands,

 Dr. med. Werner Baumgärtner
MEDI GENO Deutschland

 Dr. med. Dirk Heinrich
NAV-Virchow-Bund, Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands

Dr. med. Dirk Heinrich
Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa)

Resolution gegen ein Verbot von spezifischen Behandlungsdiagnosen als Voraussetzung für Leistungsvergütungen – Begründung

I. Status quo seit 2017

Im April 2017 wurde mit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) eine weitreichende Regu­lierung von Verträgen zur (ambulanten) Versorgung beschlossen. Der Gesetzgeber untersagt insbeson­dere Verträge, in denen die Dokumentation spezifischer Behandlungsdiagnosen ohne entsprechenden konkreten Leistungsbezug gesondert vergütet wird. Diese gesetzgeberische Maßnahme war sinnvoll und angemessen.

Dem HHVG war eine in der Fachöffentlichkeit geführte Diskussion über nicht gerechtfertigte Diagnosen („upcoding“) vorausgegangen. Krankenkassen, so der Vorwurf, strebten mit vertraglichen Vergütungs­anreizen für die gezielte Erfassung von Diagnosen nach möglichst hohen Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds. Gleichzeitig wurde Ärztinnen und Ärzten unterstellt, dass sie ihren Patienten aus pekuniären Erwägungen auch vorsätzlich falsche Diagnosen zuweisen würden.

Der Blick auf die „Vertragslandschaft“ im Kontext neuer Versorgungsformen (insbesondere nach § 140a SGB V) zeigt, dass die regulatorische Absicht des Gesetzgebers erreicht wurde. Nicht zuletzt als Ergebnis der Abstimmung der Aufsichtsbehörden auf Bundes- und Landesebene – mit dem Ziel einer Vereinheitlichung der Aufsichtspraxis – sind bundesweit zahlreiche Verträge beanstandet und in der Folge beendet oder rechtskonform geändert worden.

Der Referentenentwurf des GKV-FKG formuliert nunmehr aber eine Regelung, die völlig unverhältnismäßig in die Gestaltung sowohl künftiger als auch bestehender Versorgungsverträge eingreift und insbesondere innovative Versorgungskonzepte teils schlicht unmöglich machen würde.

II. Diagnosen in der ambulanten Versorgung und ihre Funktionen

1.Leistungsbeschreibung

Die (Gesamt-)Verträge der ambulanten Regelversorgung sowie die Verträge nach §§ 73b und 140a SGB V beschreiben eine Vielzahl spezifischer ärztlicher bzw. medizinischer Leistungen, die – zum Teil unter Bezugnahme auf ICD-Diagnosen – eindeutig definiert und mit möglichst aufwandsgerechten Entgelten versehen sind. Behandlungsdiagnosen erfüllen somit eine beschreibende Funktion, die für die vertragliche Realisierung evidenzbasierter Versorgungsziele von zentraler Bedeutung ist:

  1. Eine am konkreten Versorgungsbedarf orientierte Leistungserbringung, also mithin die Vermei­dung von Über-, Unter- und Fehlversorgung.
  2. Die Steuerung und Koordination der Patientenbehandlung zwischen Leistungserbringern unterschiedlicher (ärztlicher) Fachgruppen, Versorgungsebenen und -sektoren sowie zwischen medizinischen Professionen.
  3. Eine nach Art und Schwere einer Krankheit bemessene aufwands- und leistungsgerechte Vergütung.

2. Bedarfsorientierung und Qualitätsentwicklung

Der SVR hat sich insbesondere in seinem Sondergutachten 2012 mit Fragen des Wettbewerbs im Gesundheitswesen auseinandergesetzt und eine Reihe von Empfehlungen mit Blick auf den Ordnung­s-rahmen, die Ziele und die Voraussetzungen von (Vertrags-)Wettbewerb formuliert. Als wesentliche Erwartungen an einen „funktionsfähigen Wettbewerb“ werden genannt:

  • die Ausrichtung des Leistungsangebotes am objektivierten Bedarf,
  • die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Präferenzen der Patienten durch Lenkung der Leistungen,
  • die Entlohnung nach erbrachter Leistungsqualität durch eine leistungsbezogene Vergütung.

In der Tat entfalten sektorenbezogene Budgets und ihre regulatorische Übertragung auf einzelne Leistungserbringer – als Pauschalentgelte, Individualbudgets oder Regelleistungsvolumina – Lenkungs- und Allokationseffekte, die nicht passgenau am tatsächlichen Versorgungsbedarf ausgerichtet sind.

Auch Einzelleistungen, als „Gegenmodell“ von Budgets, gewährleisten keineswegs eine bedarfs­gerechte Lenkung von Ressourcen, sondern lösen insbesondere eine Mengendynamik mit nicht minder gravierenden Negativeffekten aus.

Als methodischer Ausweg aus diesem Dilemma wurden in der stationären Versorgung diagnose­bezogene Fallpauschalen (DRG) etabliert. Dabei wird jeder Behandlungsfall einer Fallpauschale auf der Basis von Diagnosen (ICD-10-GM) und Prozeduren (OPS) zugeordnet, die vom Krankenhaus verpflich­tend zu dokumentieren sind.

Einen vergleichbaren Paradigmenwechsel hat es in der ambulanten Versorgung (mit Ausnahme des ambulanten Operierens) nicht gegeben. Allerdings finden seit der wettbewerblichen Öffnung von Vertrags- und Versorgungsformen sowie im Kontext der Umsetzung von geförderten Innovationsfonds­projekten nach § 92a SGB V Bezüge zu spezifischen Diagnosen zunehmend Eingang in die Vergütungs- und Honorarvereinbarungen – insbesondere in Verträgen nach §§ 73b, 73c (alt) und 140a SGB V:

  • ICD-Diagnosen bilden ein „Zugangskriterium“ für spezifische Leistungen nach aktuellem Kennt­nisstand.
  • Der durchschnittliche Aufwand einer medizinischen Intervention kann über möglichst spezifische Diagnosen je nach Ausprägung, Verlauf und Schweregrad einer Erkrankung differenziert abge­bildet werden.
  • Es ist möglich, über „Diagnose-Kataloge“ den Leistungsinhalt etwa von Pauschalentgelten abschließend zu bestimmen und von anderen Leistungen abzugrenzen.
  • Diagnosen unterstützen die Akteure interdisziplinärer, interprofessioneller oder intersektoraler Behandlungsformen sowohl in der Definition als auch der Umsetzung arbeitsteiliger Prozesse und Versorgungspfade – also mithin einer Strukturierung der Versorgung.

Nach den Erfahrungen und Evaluationsergebnissen innovativer Vertrags- und Versorgungs­formen erfüllen entsprechende Regelungen ihren Zweck und tragen dazu bei, die Versorgung – im Ein­klang mit der Anforderung des SVR – am „objektivierten Bedarf“ auszurichten. Dies gilt insbesondere für indikationsspezifische (und zumeist kooperative) Versorgungsprojekte, wie sie etwa der Innovations­fonds häufig fördert, sowie für Verträge, die den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) der ambulanten Regelversorgung durch ein alternatives System der Leistungsbeschreibung und ‑vergütung vollständig ablösen, wie etwa die Haus- und Facharztverträge in Baden-Württemberg.

Darüber hinaus schafft die Verknüpfung von Behandlungsdiagnosen, medizinischen Leistungs­beschreibungen und ihrer Vergütung eine adäquate Datenbasis für mehr Transparenz im Ver­sorgungsgeschehen – als Voraussetzung für Evidenz- und Qualitätsorientierung sowie für Zwecke der Versorgungsforschung.

3. Vergütung

Die Funktion von Behandlungsdiagnosen und ihre Handhabung folgen im GKV-System – je nach Versorgungskontext – höchst inkonsistenten oder gar widersprüchlichen Logiken:

  • Ambulant tätige Ärzte sind nach § 295 SGB V zur (endstelligen) Diagnosekodierung verpflichtet, obwohl ihre Dokumentation für die Leistungsvergütung in der Regelversorgung vielfach bedeu­tungslos ist.
  • In der stationären Versorgung sind Behandlungsdiagnosen als zentrales Vergütungskriterium etabliert und anerkannt, während ihre entsprechende Verwendung in der ambulanten Versor­gung zukünftig einem strikten gesetzlichen Verbot unterliegen soll.
  • Selbst innerhalb der ambulanten Versorgung sieht der Gesetzgeber abweichende Regelungen vor: So enthält die Richtlinie zur ambulant-spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) eine Vielzahl endstelliger Diagnosen als Ausschluss- oder Erlaubniskriterium zur Erbringung von Leistungen (und damit ihrer Abrechnung), während eine entsprechende Funktion von Diagnosen ansonsten in der ambulanten Versorgung verboten werden soll.
  • Diagnosen sind für die Einnahmeseite der GKV das zentrale und – im Grundsatz – bewährte und anerkannte Allokationsinstrument, während auf der Ausgabenseite – und dort allein in der ambulanten ärztlichen Versorgung – den Akteuren eine „Blindheit“ gegenüber diesem für die Verteilungsgerechtigkeit wichtigem Instrument auferlegt werden soll.

4. GKV-FKG Fehlinterpretation

Der Referentenentwurf des GKV-FKG ist offenkundig allein von der Abwehr möglicher Manipula­tionsversuche des Morbi-RSA geleitet. In seiner Begründung bekräftigt der Entwurf…

„(…) das bisherige Verbot der Diagnosevergütung. (…) Um sämtliche Umgehungsstrategien in den Verträgen zu eliminieren, [werden die Verträge nach §§ 73b, 73c (alt) und 140a SGB V] nun so gefasst, dass generell vertragliche Regelungen unzulässig sind, in denen bestimmte Diagnosen als Voraussetzung für Vergütungen vorgesehen werden. Auf die bisher oftmals umstrittene Frage, ob Vergütungen für Diagnosen oder für ärztliche Leistungen gezahlt werden, kommt es damit nicht mehr an. (…).“

Dabei hat der Entwurf die dadurch entstehende Problematik für bestehende und künftige Versorgungs­verträge vermeintlich im Blick und will augenscheinlich Bedenken gegen das rigorose Vorgehen antizi­pieren:

„Vergütungen für Leistungen, die aus medizinischen Gründen nur Patientengruppen mit bestimmten Krankhei­ten angeboten werden, sind weiterhin möglich, sofern sie an die Kapitel- oder Obergruppengliederung nach ICD-10 oder einen allgemeinen Krankheitsbegriff anknüpfen.“

Dadurch wird das Gefahrenpotenzial aber in keiner Weise adäquat adressiert. Tatsächlich ist die Bezugsebene der „ICD-Kapitel- und -Obergruppen“ für die notwendige differenzierte und praktikable Leistungsbeschreibung völlig ungeeignet. Dies illustrieren folgende Beispiele:

  • Die ICD-Obergruppe „Diabetes mellitus“ (E10 bis E14) umfasst sowohl Diabetes Typ 1 als auch Typ 2 und Schwangerschaftsdiabetes.
  • Die ICD-Obergruppe „Virushepatitis“ (B15 bis B19) umfasst Hepatitis A, B, C und E.
  • Die ICD-Obergruppe „Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ (F10 bis F19) umfasst sowohl Störungen durch Alkohol als auch durch andere Substanzen wie Opioide, Cannabinoide, Kokain usw.

III. Fazit

Leistungs- und Vergütungsverträge bilden das Instrumentarium, um Versorgungskonzepte in konkreten Prozessketten abzubilden – und damit im Versorgungsalltag verwirklichen zu können. Jede unsach­gemäße Beschränkung auf der Ebene der Verträge mindert die Handlungsoptionen der Akteure im Behandlungsgeschehen. Es käme einem eklatanten versorgungspolitischen Rückschritt gleich, Leit­linienorientierung und Innovationsfähigkeit von Versorgungs- und Vertragsstrukturen ausschließlich vom Motiv eines potentiellen Missbrauchs des Morbi-RSA her zu „denken“. Die bereits erreichten und auch weiterhin notwendigen Fortschritte in der versorgungsgerechten Behandlung von Patien­tinnen und Patienten dürfen nicht durch eine überzogene Regulatorik aufs Spiel gesetzt werden!

 Die Allianz deutscher Ärzteverbände ist der Zusammenschluss der größten, bundesweit tätigen und fachübergreifenden Verbände und besteht aus:

  • Berufsverband deutscher Internisten (BDI),
  • Gemeinschaft fachärztlicher Berufsverbände (GFB),
  • Hartmannbund – Verband der Ärzte Deutschlands,
  • MEDI GENO Deutschland,
  • NAV-Virchow-Bund, Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands, und
  • Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa).

Allianz Deutscher Ärzteverbände
c/o Hartmannbund, Verband der Ärzte Deutschlands e.V.
Kurfürstenstraße 132
10785 Berlin

Pressekontakt (Hartmannbund)
Michael Rauscher
Tel. 030 206208-12
[email protected]

Elektronisches Rezept bleibt freiwillig

Ärzte sind künftig nicht verpflichtet, Rezepte elektronisch auszustellen. Vielmehr sollen sie unter Berücksichtigung des individuellen Patientenwunsches die geeignete Rezeptform wählen. Das hat das Bundesgesundheitsministerium gegenüber der KBV klargestellt.

„Damit können Ärzte das elektronische Rezept immer dann verwenden, wenn sie es für sinnvoll erachten oder der Patient es wünscht“, betonte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel. So würden die Vorteile der Digitalisierung optimal genutzt. Davon profitierten auch die Patienten.

Kriedel: eRezept wird sich durchsetzen

Kriedel geht davon aus, dass sich das elektronische Rezept früher oder später durchsetzen werde. „Dazu brauchen wir keine Verpflichtung oder Sanktionen“, betonte er. Vielmehr müssten die Prozesse so vereinfacht werden, dass das Ausstellen von eRezepten mit einer deutlichen Zeitersparnis für die Praxis einhergehe. Dazu gehöre auch eine anwenderfreundliche Umsetzung der elektronischen Signatur.

eRezept in der Videosprechstunde

Nach den Ausführungen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) sollen Ärzte mit der Einführung des eRezeptes künftig die Möglichkeit erhalten, ihren Patienten beispielsweise im Rahmen einer Videosprechstunde eine Arzneimittelverordnung ausschließlich in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. Auch bei Wiederholungsrezepten biete sich ein eRezept an.

Papierrezept bleibt

Eine Verpflichtung der Ärzte zur Ausstellung eines eRezeptes oder ein diesbezüglicher Anspruch des Versicherten besteht derzeit nicht, wie das Ministerium klarstellte. Eine vollständige Abschaffung des Papierrezeptes sei derzeit ebenfalls nicht geplant.

„Es gibt viele Anwendungsbereiche, wo Ärzte kein elektronisches Rezept ausstellen können, zum Beispiel bei Haus- oder Pflegeheimbesuchen“, erläuterte Kriedel. Schon deshalb sei es wichtig, dass es das Papierrezept weiterhin gebe. So könnten auch ältere Patienten, die nicht so technikaffin seien, es in Zukunft erhalten, wenn sie dies wünschen.

Das BMG rechnet langfristig ebenfalls damit, dass sich das eRezept aufgrund der zu erwartenden Prozessbeschleunigungen und Aufwandsentlastungen flächendeckend durchsetzen wird.

Einführung frühestens im Herbst 2020

Mit dem im Frühjahr verabschiedeten Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung hat der Gesetzgeber das elektronische Rezept auf den Weg gebracht. Danach muss die Gematik bis Ende Juni 2020 die technischen Standards definieren.

Auf dieser Grundlage können dann Anwendungen für das elektronische Rezept zugelassen werden. Weitere Voraussetzungen sind unter anderem, dass nach den Ärzten auch die Apotheken an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen sind und es entsprechende eRezept-Server in der TI  gibt.

Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, www.kbv.de, Praxisnachrichten, 25.07.2019

Unfallchirurgen legen Instrumentenliste für Notfall-OP-Set vor

Das Überleben von Verletzten mit Schuss- und Explosionsverletzungen bei einer lebensbedrohlichen Einsatzlage wie einem Massenanfall von Verletzten im Terrorfall/Amoklauf (TerrorMANV) hängt maßgeblich von einer schnellen Blutungskontrolle ab. Dafür hat die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) jetzt ein Notfall-OP-Set zusammengestellt, das speziell auf lebensrettende Notfalloperationen zur Versorgung von sogenannten Höhlenblutungen ausgerichtet ist: Es enthält chirurgische Instrumente, um stark blutende Wunden im Brust-, Bauch- und Beckenraum zu versorgen. „Die richtige Materialbewirtschaftung ist ein wesentlicher Aspekt, um in Ausnahmesituationen die bestmögliche Versorgung der Patienten ermöglichen zu können”, sagt Prof. Dr. Paul Alfred Grützner, DGU-Präsident und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Die Fachgesellschaft empfiehlt Kliniken, das Spezial-Set (auch OP-Sieb genannt) für kritische Lagen in ausreichender Menge bereitzuhalten. Ein Beitrag zu diesem Thema ist jetzt in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Der Unfallchirurg“ erschienen.

Bisher gibt es kein Set mit einer vergleichbaren Siebstruktur. Denn: „Die Versorgung von polytraumatisierten Patienten mit Schuss- und Explosionsverletzungen kommt in der zivilen medizinischen Welt in Deutschland kaum vor“, sagt Oberstarzt Prof. Dr. Benedikt Friemert vom Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Leiter der DGU-AG Einsatz-, Katastrophen- und Taktische Chirurgie (EKTC). Anders sei das in Krisen- und Kriegsgebieten. Das Notfall-OP-Set umfasst über 120 verschiedene Instrumente: darunter u. a. Skalpelle, Pinzetten, Scheren, Knochenbohrer, Wundspreizer, Cutter, Knochenhebel, Drainagen, Nahtmaterial. Friemert erklärt: „Das Operationssieb ist auf die Maßnahmen fokussiert, die für die Sicherung des Überlebens der Patienten notwendig sind.“ So könnten Unfallchirurgen und Chirurgen mit nur einem OP-Sieb die unterschiedlichsten Verletzungsmuster bei einem Mehrfachverletzten versorgen.

Bei der Entwicklung der Siebstruktur wurden die Erfahrungen und Vorplanungen einer Arbeitsgruppe aus Berlin (Stabsstelle Katastrophenschutz der Charité – Universitätsmedizin Berlin in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Gesundheit in Berlin) und einer Arbeitsgruppe aus Frankfurt (Universitätsklinikum und BGU Frankfurt in Zusammenarbeit mit der Stabstelle medizinische Gefahrenabwehr Gesundheitsamt Frankfurt) zusammengeführt. Zudem flossen die Erfahrungen der Siebzusammenstellung aus den Auslandseinsätzen der Bundeswehr ein.

Während bei zivilen Unfällen wie beispielsweise einem Autounfall Knochenbrüche, ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine Brustraumquetschung zu einer lebensbedrohlichen Situation führen, sind es bei einem Terroranschlag mit Schuss- und Explosionswaffengebrauch offene Verletzungen mit stark blutenden Wunden bis hin zu schweren Explosionsverletzungen (Blast-Injury) mit Verlust von Gliedmaßen. „Auf diese Verletzungsmuster sollte man vorbereitet sein, um im Ernstfall gut aufgestellt zu sein“, sagt Prof. Dr. Dietmar Pennig, DGU-Generalsekretär und stellvertretender DGOU-Generalsekretär. Daher engagiert sich die DGU neben dem Notfall-OP-Set noch mit weiteren Maßnahmen, damit Opfer von möglichen Terroranschlägen/Amokläufen in Deutschland zu jeder Zeit und an jedem Ort schnell und situationsgerecht auf hohem Niveau versorgt werden können. Dazu zählt das Kursformat „Terror and Disaster Surgical Care“ (TDSC®) zur Behandlung von Schuss- und Explosionsverletzungen. Die DGU trägt mit ihrer Initiative TraumaNetzwerk DGU® bereits seit 2006 dafür Sorge, dass schwerverletzte Menschen an 365 Tagen im Jahr, rund um die Uhr und flächendeckend in ganz Deutschland die bestmöglichen Überlebenschancen haben.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V., Straße des 17. Juni 106-108, 10623 Berlin, www.dgou.de, 25.07.2019