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Chirurgen warnen: Zeitmangel beschädigt Arzt-Patienten-Verhältnis

Die Ökonomisierung der Medizin beschädigt zunehmend das Arzt-Patienten-Verhältnis, kritisiert die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) anlässlich ihres bevorstehenden 133. Kongresses in Berlin. Wenn Krankenhausstrukturen vor allem darauf ausgelegt sind, größtmögliche Erlöse zu erzielen, führe das häufig zu einem Vertrauens- und Informationsverlust. „Wir brauchen wieder mehr Zeit für das Gespräch mit den Patienten“, fordert daher Professor Dr. med. Gabriele Schackert, Präsidentin der DGCH. Der Kongress steht unter dem Motto „Chirurgie im Spannungsfeld von Technik, Ethik und Ökonomie“ und findet vom 26. bis 29. April 2016 im CityCube statt. Es werden 5.500 Chirurgen erwartet.

Seit Einführung der Klinikvergütung DRG vor mehr als einem Jahrzehnt arbeiten die Krankenhäuser aus Sicht der Chirurgen immer intensiver daran, wirtschaftlich passgenaue Patientenfälle zu versorgen. „Es gilt, den maximalen Erlös zu erzielen je mehr und je schwieriger die Fälle bei mittlerer Verweildauer sind, desto besser“, berichtet Schackert. Die Zeit, die man mit den Patienten verbringt, schlägt sich hingegen nicht in der Vergütung nieder.

Zuwendung wird damit zur entbehrlichen Ressource. „Zeitmangel ist in der heutigen Medizin das zentrale Problem“, sagt Schackert. Mit teilweise gravierenden Folgen: So sei Zeitknappheit eine der Ursachen, weshalb in verschiedenen Fachgebieten die Operationszahlen ansteigen. „Viele Eingriffe würden entfallen, wenn wir die Zeit hätten, im Gespräch den Willen des Patienten kennenzulernen und die richtige, individuelle Indikation zu stellen“, meint die Neurochirurgin. „Dieser Zeitaufwand ist genauso wichtig wie die Operation mit gutem Behandlungsergebnis und muss in der Vergütung berücksichtigt werden.“

Zeitmangel und ökonomischer Druck können darüber hinaus zu einem Verlust an Vertrauen und Information führen. Weil viele Kliniken ums Überleben kämpfen, reduzieren die Einrichtungen die stationäre Verweildauer auf ein Minimum und sparen am Personal. „Es ist bereits üblich, Patienten am Tag des Eingriffs direkt nüchtern in den OP-Saal kommen zu lassen“, berichtet Schackert. „Das setzt nicht nur eine hervorragende Organisation bei der Vorbereitung voraus, sondern sorgt häufig auch für zusätzlichen Stress bei den Patienten“, betont die Medizinerin. Die Aufnahme auf die Station erfolgt dann erst nach dem Eingriff.

Auch ständig wechselnde Ärzte verunsichern die Patienten – nicht zuletzt Folge des Arbeitszeitgesetzes, das die Dauer der Schichten begrenzt und eine regelmäßige Rotation erfordert. „Bei allem Verantwortungsbewusstsein kann es bei den Übergaben zu Informationslücken kommen, die das Behandlungsergebnis gefährden“, warnt Schackert. Ein weiteres Indiz für das sich ändernde Arzt-Patienten-Verhältnis sieht Schackert in der steigenden Zahl an Patientenverfügungen. „Es sollte uns stutzig machen, dass mehr und mehr Patienten versuchen, Therapien zu begrenzen“, resümiert die DGCH-Präsidentin.

Es sei Zeit, sich auf das eigentliche Arzt-Patienten-Verhältnis zu besinnen, auf Empathie und Verantwortung. „Eine Medizin am Fließband, die jährlich eine Leistungssteigerung verlangt, kann nicht das Ziel sein und verliert den Patienten aus dem Blickfeld“, betont Schackert.

Welche Auswirkungen die zunehmende Ökonomisierung auf die operativen Fächer hat, ist Thema verschiedener Symposien auf dem 133. Chirurgenkongress, der am 26. April in Berlin beginnt.

Weitere Infos: www.chirurgie2016.de.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGC) Luisenstraße 58/59, 10117, www.dgch.de, 22.03.2016

Neue Methoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklassen

Verfahren der Bewertung nach § 137h SGB V festgelegt

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am Donnerstag in Berlin die Verfahrensregelungen beschlossen, nach denen er zukünftig neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklassen nach § 137h SGB V bewerten wird. Mit dem Beschluss hat der
G-BA fristgerecht die Grundlagen dafür geschaffen, dass er den neuen Gesetzesauftrag erfüllen kann.

„Beruhen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf dem Einsatz eines Medizinproduktes hoher Risikoklassen, werden sie zukünftig daraufhin überprüft, ob der Nutzen bereits als hinreichend belegt anzusehen ist oder ob sie zumindest das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative aufweisen. Die Bewertung erfolgt im Zusammenhang mit einer erstmaligen Anfrage eines Krankenhauses beim Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) auf zukünftige Erstattung, aber nur dann, wenn die Methode neu i.S.d. § 137h SGB V ist, also auf einem neuen theoretisch-wissenschaftlichen Konzept beruht. Das neue Prüf- und Bewertungsverfahren stellt angesichts der engen Fristen eine Herausforderung dar. Im Ergebnis geht es aber nicht nur um Patientensicherheit, sondern auch um Rechts- und Planungssicherheit für die Krankenhäuser hinsichtlich der Finanzierung neuer Methoden“, sagte Professor Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA.

Bereits in der gesetzlichen Regelung und in der konkretisierenden Rechtsverordnung sind die wesentlichen Vorgaben zu Begriffen und Schritten des neuen Verfahrens festgelegt. In seiner Verfahrensordnung hat der G-BA nun darauf aufbauend die näheren Details zum Verfahren zur Bewertung und zu einem Beratungsangebot für Krankenhäuser und Hersteller von Medizinprodukten geregelt. Die Beratungsanfrage sollte möglichst frühzeitig vor einer Anfrage beim InEK an den G-BA gestellt werden. Der G-BA wird hierzu Antragsformulare auf seinen Internetseiten zur Verfügung stellen.

Das Verfahren beim G-BA greift, sobald beim InEK zu einer neuen Methode, deren Einsatz maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinproduktes hoher Risikoklassen beruht, erstmalig ein zusätzliches Entgelt für die Vergütung beantragt wird. Das anfragende Krankenhaus hat dem G-BA dann zugleich Informationen über den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dieser Methode sowie zu der Anwendung des Medizinprodukts zu übermitteln. Die übermittelten Informationen werden vom G-BA daraufhin überprüft, ob sie plausibel und vollständig sind und ob die Voraussetzungen für ein Bewertungsverfahren nach § 137h SGB V vorliegen. Voraussetzung für die Notwendigkeit eines solchen Bewertungsverfahrens ist insbesondere, dass es sich um eine erstmalige Anfrage eines Krankenhauses beim InEK handelt und die Methode ein neues theoretisch-wissenschaftliches Konzept aufweist.

Die vom Krankenhaus übermittelten Informationen und das vorläufige Ergebnis des G-BA hinsichtlich einer Bewertungsnotwendigkeit veröffentlicht der G-BA auf seinen Internetseiten. Betroffene Krankenhäuser und Medizinproduktehersteller erhalten mit dieser Bekanntmachung die Möglichkeit, in der Regel innerhalb eines Monats ergänzende Informationen einzureichen. Nach Auswertung aller vorgelegten Informationen entscheidet der G-BA, ob eine Nutzenbewertung der Methode durchzuführen ist. Ist dies der Fall, hat er spätestens nach drei Monaten darüber zu beschließen, ob der Nutzen der Methode unter Anwendung des Medizinprodukts als hinreichend belegt anzusehen ist, der Nutzen zwar als noch nicht hinreichend belegt anzusehen ist, aber die Methode unter Anwendung des Medizinprodukts das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, oder die Methode unter Anwendung des Medizinprodukts kein Potenzial für eine erforderliche Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie als schädlich oder unwirksam anzusehen ist.

Kann der Nutzen als hinreichend belegt angesehen werden oder bietet die Methode zumindest das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative, haben die Krankenhäuser, die eine Anfrage beim InEK zur gegenständlichen Methode gestellt haben, innerhalb von drei Monaten einen Anspruch auf den Abschluss einer Entgeltvereinbarung. Der G-BA prüft allerdings, ob die Leistungserbringung mit qualitätssichernden Anforderungen zu verbinden ist. Bietet die Methode nur das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative, entscheidet der G-BA innerhalb von sechs Monaten über eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e SGB V. Konnte für die Behandlungsmethode kein Potenzial festgestellt werden, entscheidet der G-BA unverzüglich über eine entsprechende Änderung seiner Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus nach § 137c Absatz 1 Satz 2 SGB V.

Der Beschluss zur Änderung der Verfahrensordnung wird dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vorgelegt und tritt nach Genehmigung und Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft. Beschlusstext und Tragende Gründe werden in Kürze auf den Internetseiten des G-BA veröffentlicht.

Der G-BA wird in einer Informationsveranstaltung, die insbesondere an Krankenhäuser und Medizinproduktehersteller gerichtet ist, die einzelnen Schritte des Prüf- und Bewertungsverfahrens und die inhaltlichen Anforderungen an die Informationsübermittlung an den G-BA darlegen. Anmeldungen für die Informationsveranstaltung sind möglich, sobald die Einladung auf den Internetseiten des G-BA veröffentlicht wurde.

Hintergrund: Bewertung von Methoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklassen gemäß § 137h SGB V

Der neue § 137h SGB V wurde 2015 mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) beschlossen. Die Medizinproduktemethodenbewertungsverordnung (MeMBV), die weitere Details der gesetzlichen Regelungen definiert, ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Der G-BA wurde gemäß § 137h Abs. 1 Satz 6 SGB V verpflichtet, das Nähere zum Verfahren innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten der Rechtsverordnung zu regeln.

Beschluss zu dieser Pressemitteilung: Verfahrensordnung: Bewertung von Methoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklassen aufgrund § 137h SGB V
Zuständiger Unterausschuss: Unterausschuss Methodenbewertung

Quelle: Gemeinsamer Bundesausschuss Wegelystr. 8, 10623 Berlin, https://www.g-ba.de, 17.03.2016

Windhorst legt GOÄ-Ämter bei der Bundesärztekammer nieder

Dr. Theodor Windhorst hat nach dem bisher guten Verlauf der Neuentwicklung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in den letzten sechs Jahren erkennen müssen, dass die Ziele dieser GOÄneu, nämlich die Doppelschutzfunktion einer Gebührenordnung des freien Arzt-Berufes mit einem fairen Leistungsausgleich durch die neu vorgelegten Leistungsbewertungen, nicht zu erreichen sind. Die Zerrissenheit der Verhandlungsebenen lassen seiner Meinung nach auch in Zukunft diesen fairen Leistungsausgleich, der aufgrund des in der Vergangenheit erarbeiteten Leistungskataloges möglich gewesen wäre, nicht erkennen. Aus diesem Grund legt Dr. Windhorst seine Ämter als Verhandlungsführer der BÄK und Vorsitzender des GOÄ-Ausschusses der Bundesärztekammer mit sofortiger Wirkung nieder.

Windhorst erklärt dazu: „Drei Gründe haben mich zu diesem Schritt veranlasst. Zum ersten sind für mich die Voraussetzungen für einen fairen Leistungsausgleich in der GOÄneu in der derzeit Lage durch unterschiedliche Einflussnahme von außen nicht mehr gegeben. Bereits in der Vergangenheit habe ich auf mehreren Deutschen Ärztetagen gesagt, dass ich bereit bin, Konsequenzen zu ziehen, sollte es sich herausstellen, dass die geforderten Ziele nicht erreicht werden. Zum zweiten möchte ich nicht der Forderung im Wege stehen, die GOÄneu zur Chefsache zu machen. Auch den Forderungen der Fachverbände und des außerordentlichen Deutschen Ärztetages möchte ich nicht entgegenstehen. Und drittens zeigt aus meiner Sicht die politische Großwetterlage deutlich, dass die Umsetzung einer GOÄ-Reform in dieser Legislaturperiode durch den Koalitionspartner SPD blockiert wird. Deshalb sollte gelten: Qualität vor Zeit. Unter grundlegender Mitbeteiligung der Fachverbände sollten die Verhandlungen ohne Zeitdruck weitergeführt werden.“

Quelle: Ärztekammer Westfalen-Lippe Körperschaft des öffentlichen Rechts  Gartenstraße 210-214, 48147 Münster/Westfalen, http://www.aekwl.de/, 17.03.2016

Nichtärztliche Praxisassistenz in Ausbildung: Frist wird verlängert

Die Übergangsregelung zur Genehmigung und Vergütung von nichtärztlichen Praxisassistenten in Ausbildung wird um ein halbes Jahr verlängert. Statt am 30. Juni 2016 endet die Regelung am 31. Dezember 2016.

Darauf haben sich die Partner des Bundesmantelvertrages geeinigt. Eine Umfrage der KBV in den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) hatte ergeben, dass in nahezu allen KVen nichtärztliche Praxisassistenten die Ausbildung nicht bis zum 30. Juni 2016, aber bis zum 31. Dezember 2016 abschließen werden. Gründe sind beschränkte Ausbildungskapazitäten sowie der notwendige zeitliche Vorlauf für die Organisation der Fortbildungen.

Hausärzte erhalten Zuschlag für Assistenten

Hausärzte erhalten seit 1. Januar 2015 für einen nichtärztlichen Praxisassistenten einen Zuschlag von bis zu 1.320 Euro pro Praxis im Quartal (Gebührenordnungsposition (GOP) 03060). Außerdem werden die Hausbesuche des Assistenten vergütet (GOP 03062 und 03063). In vielen Hausarztpraxen mussten und müssen die Mitarbeiter für diese neuen Aufgaben jedoch erst ausgebildet werden.

KBV und Krankenkassen hatten deshalb vereinbart, dass die neuen GOP bereits ab Beginn der Ausbildung des Mitarbeiters berechnungsfähig sind – sofern zu erwarten ist, dass die Ausbildung bis zu einem bestimmten Stichtag abgeschlossen ist beziehungsweise bis dahin eventuell noch fehlende Module absolviert sein werden.

Bisher war dieser Stichtag der 30. Juni 2016. Nun haben die Partner des Bundesmantelvertrages in Paragraf 8 der Delegations-Vereinbarung, der die Genehmigung regelt, die Frist bis zum 31. Dezember 2016 verlängert.

Weiterführende Informationen
KBV-Themenseite zu nichtärztlichen Praxisassistenten

Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, http://www.kbv.de, 17.03.2016

Ärzte: Anstellung und Teilzeit liegen im Trend

Die Anzahl der angestellten Vertragsärzte und -psychotherapeuten stieg 2015 deutlich um 10,6 Prozent auf 27.174. Ihre Zahl hat sich damit seit 2005 nahezu verzehnfacht, damals waren es 2.772. Generell haben sich die meisten Trends der vergangenen Jahre fortgesetzt.

Das geht aus der aktuellen Ärztestatistik hervor, die die KBV heute veröffentlicht hat. Insgesamt nahmen 167.316 Ärzte und Psychotherapeuten in 2015 an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Davon waren es 144.769 Ärzte und 22.547 Psychologische Psychotherapeuten. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Gesamtzahl zwar um 2.369 erhöht (1,4 Prozent). Jedoch ist damit die Anzahl der geleisteten Arztstunden nicht unbedingt gestiegen. Angesichts des anhaltenden Trends zur Teilzeittätigkeit ergibt sich lediglich ein Plus von 0,2 Prozent.

Der Rückgang der Hausärzte setzte sich in 2015 mit minus 0,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr fort. Ihre Zahl sinkt damit auf 51.765. Das sind 1.170 Hausärzte weniger als noch 2009. Besonders stark war der Rückgang im Saarland (minus 1,9 Prozent verglichen mit 2014) und in Schleswig-Holstein (minus 1,7 Prozent). Dem bundesweiten Trend entgegensetzen konnten sich u.a. Brandenburg (plus 1,1 Prozent), Hessen (plus 0,3 Prozent) sowie Thüringen und Hamburg (plus 0,2 Prozent).

Auch in einigen anderen Arztgruppen hat sich die Zahl der Mediziner verringert, wie etwa bei den Frauenärzten (minus 0,1 Prozent), Kinder- und Jugendärzten (minus 0,2 Prozent) und Nervenärzten (minus 0,8 Prozent).

Dagegen stieg die Anzahl der Psychotherapeuten um 2 Prozent. Dieser Zuwachs um 453 Psychotherapeuten ist dabei vor allem auf einen starken Anstieg in den neuen Bundesländern zurückzuführen – etwa in Mecklenburg-Vorpommern (plus 12,3 Prozent), Brandenburg (plus 10,4 Prozent) oder in Sachsen-Anhalt (plus 8,6 Prozent). Außerdem gibt es auch moderate Zuwächse bei den Fachinternisten und Orthopäden.

Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, http://www.kbv.de, 17.03.2016

Experten-Zweitmeinung reduziert Anzahl der Wirbelsäulen-Eingriffe um fast die Hälfte

Die Zahl der Eingriffe an der Wirbelsäule hat sich zwischen den Jahren 2006 und 2014 auf bundesweit gut 780.000 mehr als verdoppelt. Doch bei weitem nicht jeder Eingriff ist nach Einschätzung von Experten notwendig.

Zum Tag der Rückengesundheit am 15. März empfiehlt die Barmer GEK daher den Patienten, vor einem Eingriff die Zweitmeinung eines Experten einzuholen. “Vor einer Rückenoperation ist eine zweite Expertenmeinung sinnvoll, auch um vorschnelle oder unnötige Eingriffe zu vermeiden. Bislang hat rund die Hälfte der Rückenpatienten, die über uns eine Zweitmeinung angefordert haben, auf eine Wirbelsäulen-Operation verzichtet”, sagt Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der Barmer GEK.

Barmer GEK Teledoktor vermittelt bei Bedarf an Rückenspezialisten

Die Barmer GEK bietet ihren Versicherten umfangreiche Beratung und ein professionelles Zweitmeinungsverfahren an. Bei Bedarf vermittelt der sogenannte Teledoktor der Krankenkasse den Patienten zu einem Rückenspezialisten. Er ermöglicht in der Regel innerhalb einer Woche den Zweitmeinungstermin, sichtet bisherige Befunde und Therapieempfehlungen und berät über Behandlungsoptionen.

Immer häufiger erfolgt weiterer Eingriff nach erster Rücken-OP

“Nutzen und Risiko müssen genau abgewogen werden. So führt eine Rückenoperation oft eben nicht zur wünschenswerten Schmerzfreiheit”, sagt Marschall. Stattdessen folge in immer mehr Fällen eine weitere Operation. So erhielten etliche Patienten, die zunächst einen Bandscheiben-Eingriff hatten, ein bis zwei Jahre später eine weitere Operation, bei der die Wirbel versteift würden. Bei den Barmer GEK Versicherten ist die Zahl dieser Folgeeingriffe seit dem Jahr 2006 um 137 Prozent auf 510 Fälle im Jahr 2013 gestiegen.

Quelle: Barmer GEK, Axel-Springer-Straße 44, 10969 Berlin, http://www.barmer-gek.de, 14.03.2016

Bundesärztekammer-Statistik: Zahl der Behandlungsfehler rückläufig

Crusius: “Ärzte machen Fehler, sie sind aber keine Pfuscher”

“Überall wo Menschen arbeiten, passieren Fehler – auch in der Medizin. Wir gehen aber offen mit unseren Fehlern um, wir lernen aus Ihnen und wir verhelfen betroffenen Patienten zu ihrem Recht.” Das sagte Dr. Andreas Crusius, Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer, bei der Vorstellung der Behandlungsfehlerstatistik für das Jahr 2015 in Berlin.

Crusius forderte, Ärztinnen und Ärzte bei ihrem Engagement für eine offene Fehlerkultur zu unterstützen. “Wir müssen wegkommen von Pauschalvorwürfen. Und ein Arzt, dem ein Fehler unterläuft, ist kein Pfuscher. Fehler können viele Ursachen haben. Pfusch dagegen beinhaltet immer eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den Auswirkungen des eigenen Handelns.”

In diesem Zusammenhang wandte sich Crusius gegen immer wieder kolportierte Hochrechnungen zu Behandlungsfehlern. “Das sind Schätzungen auf Grundlage US-amerikanischer Uraltstudien, die keinerlei Bezug zu unserem Gesundheitssystem haben. Die Daten der Ärztekammern dagegen sind absolut valide, weil sie auf realen Fällen beruhen. Auch wenn sie nicht das gesamte Behandlungsgeschehen abdecken, kann man mit ihnen arbeiten und wirksam Fehlerprävention betreiben.”

Crusius betonte, dass die Ursachen für Behandlungsfehler komplex sein können. Ein Grund sei der stetig wachsende Behandlungsdruck in Kliniken und Praxen. So hat sich die Zahl der ambulanten Behandlungsfälle zwischen den Jahren 2004 und 2014 um 152 Millionen auf 688 Millionen Fälle erhöht. Im stationären Sektor wurden 2014 mehr als 19 Millionen Patienten behandelt. “Da nützt es wenig, dass die Politik eine Qualitätsoffensive für das Gesundheitswesen ausgerufen hat. Qualität hat ihren Preis und deshalb brauchen wir auch eine ausreichende Finanzierung der Personalkosten.”

Wie Kerstin Kols, Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, berichtete, liegt die Zahl der festgestellten Fehler gemessen an der Gesamtzahl der Behandlungsfälle im Promillebereich. Die Zahl der Sachentscheidungen sowie die Zahl der festgestellten Fehler sind im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken.

So haben die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen im Jahr 2015 bundesweit insgesamt 7.215 Entscheidungen zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern getroffen (Vorjahr 7.751). Es lag in 2.132 Fällen ein Behandlungsfehler vor (Vorjahr 2.252). Davon wurde in 1.774 Fällen ein Behandlungsfehler/Risikoaufklärungsmangel als Ursache für einen Gesundheitsschaden ermittelt, der einen Anspruch des Patienten auf Entschädigung begründete. Die häufigsten Diagnosen, die zu Behandlungsfehlervorwürfen führten, waren Knie- und Hüftgelenkarthrosen sowie Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen. In 358 Fällen lag ein Behandlungsfehler / Risikoaufklärungsmangel vor, der jedoch keinen kausalen Gesundheitsschaden zur Folge hatte.

“Auch wenn selten etwas passiert, ist jeder Fehler einer zu viel”, betonte Priv. Doz. Dr. Peter Hinz, leitender Oberarzt an der Klinik für Unfall-, Wiederherstellungschirurgie und Rehabilitative Medizin der Universitätsmedizin Greifswald. Er erläuterte, wie das Thema Patientensicherheit und Qualitätssicherung im ärztlichen Alltag gelebt wird. Darüber hinaus verwies er auf die vielfältigen Initiativen und Projekte der Ärzteschaft zur Förderung der Patientensicherheit und Qualitätssicherung.

Allein die Datenbank ärztlicher Qualitätssicherungsinitiativen der Bundesärztekammer führt rund 160 absolut freiwillige Initiativen auf. Für den ambulanten Sektor führt der Qualitätsbericht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung rund 9.000 Qualitätszirkel mit mehr als 35.000 teilnehmenden Ärzten und psychologischen Psychotherapeuten auf.

Als vorbildliches Projekt zur Vermeidung von Behandlungsfehlern wurde auch auf das vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin betriebene Fehlerlernsystem “CIRSmedical” hingewiesen. Über das System können Ärzte Beinahefehler anonym melden, damit potentielle Risiken abgestellt werden können.

Dr. Walter Schaffartzik, Ärztlicher Leiter des Unfallkrankenhauses Berlin und Ärztlicher Vorsitzender der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, forderte betroffene Patienten auf, sich im Schadensfall an die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern zu wenden. “An unseren Stellen sind hochqualifizierte Fachgutachter tätig, die gemeinsam mit Juristen prüfen, ob ein Behandlungsfehlervorwurf gerechtfertigt ist, oder nicht. Es genügt ein formloser Antrag und das Gutachten sowie die abschließende Bewertung ist für Patienten kostenfrei.”

In rund 90 Prozent der Fälle werden die Entscheidungen der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen von beiden Parteien akzeptiert und die Streitigkeiten beigelegt. Wird nach Begutachtung durch diese Institutionen doch noch der Rechtsweg beschritten, werden die Entscheidungen der Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen überwiegend bestätigt.

Weiterführende Informationen
Behandlungsfehler-Statistik der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen 2015

Quelle: Bundesärztekammer, Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern, Herbert-Lewin-Platz 1, 10623 Berlin, http://www.bundesaerztekammer.de, 16.03.2016

Datenleck bei Krankenkassen

Zeitung gelangt erneut an sensible Patientendaten

Am Beispiel der Barmer GEK haben Autoren der Rheinischen Post bereits 2014 dokumentiert, dass der Zugang zu hochsensiblen Gesundheitsdaten anderer Personen unter Vortäuschung einer Identität möglich ist. Sowohl die Kasse als auch das Bundeversicherungsamt als Aufsichtsbehörde kündigten daraufhin entsprechende Maßnahmen an. Knapp zwei Jahre später gelang der Zeitung nun erneut der Zugang zu hochsensiblen Gesundheitsdaten der Kasse – mit einer nahezu identischen Vorgehensweise.

Gesetzliche Krankenkassen sind nach einem Bericht der Rheinischen Post (RP) mit dem Versuch gescheitert, eine seit Jahren bekannte Sicherheitslücke beim Schutz sensibler Daten zu schließen. Unbefugte könnten durch das Vortäuschen einer Identität immer noch mit wenigen Telefonaten und ein paar Mausklicks Details zu Arztbehandlungen, Diagnosen, verordneten Arzneien, Klinikaufenthalten und andere intime Informationen einer anderen Person abfragen. Der Nachweis hierüber sei erneut am Beispiel der Barmer GEK gelungen, berichtet die in Düsseldorf erscheinende Zeitung (Samstag).

Bundesdatenschutzbeauftragte kündigt Prüfung an

Erstmals war der Zeitung dieser Nachweis im Juni 2014 gelungen. Die Ersatzkasse stelle diesbezüglich aber kein Unikum dar. Derselbe Nachweis liege der Redaktion für drei weitere Krankenkassen vor. Auch dem ZDF war 2015 ein solcher Nachweis am Beispiel der AOK gelungen (vgl. “Links zum Thema”). Laut RP will nun die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff tätig werden: “Ich werde den Fall zum Anlass nehmen, das Authentifizierungsverfahren im Rahmen von telefonischen Kundenkontakten bei den Krankenkassen grundsätzlich zu überprüfen. Im Ergebnis muss hier ein Verfahren implementiert werden, das das Risiko, durch Vortäuschung einer falschen Identität missbräuchlich an sensible Gesundheitsdaten Dritter gelangen zu können, bestmöglich verhindert.”

Für den Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) “sind solch schlechte Sicherheitsvorkehrungen ein Skandal und Armutszeugnis”, so vzbv-Chef Klaus Müller gegenüber der RP. Das Datenleck sei auch angesichts der Pläne einiger Kassen problematisch, Gesundheitsdaten ihrer Versicherten aus sogenannten Wearables – wie zum Beispiel elektronische Fitness-Armbänder – zu verarbeiten.

Maßnahmen aus 2014 offenbar unzureichend

Die Barmer GEK hatte den Vorgang im Jahr 2014 zunächst als Einzelfall deklariert. Es handele sich um einen Fehler eines Mitarbeiters, der offensichtlich nicht alle Vorschriften zur Identifikation eingehalten habe. Die Kasse hatte angekündigt, “die internen Kontroll- und Sicherheitsvorschriften erneut zu überprüfen und ggf. zu verschärfen”. Außerdem werde “ein weiteres Sicherheitsseminar für die Mitarbeiter durchgeführt.” Maßnahmen kündigte vor knapp zwei Jahren auch das Bundesversicherungsamt (BVA) an. Als Aufsichtsbehörde wollte es die Rechtssicherheit der Kommunikation zwischen Versicherten und Krankenkassen einer grundsätzlichen Prüfung unterziehen. In einer Stellungnahme zum aktuellen Fall räumte die Barmer GEK nach Angaben der RP ein “Sicherheitsrisiko” ein und kündigte diverse Sofortmaßnahmen wie die “Durchführung von Adhoc-Sicherheitsschulungen” ihrer Mitarbeiter an.

Barmer GEK kritisiert Vorgehen der Rheinischen Post

Gegenüber kkdirekt widersprach die Barmer GEK jedoch der RP-Darstellung, dass bei ihr ein “riesiges Datenleck” bestünde und für den Zugang zum persönlichen Bereich der Website nur “ein paar Mausklicks” notwendig seien. Vielmehr habe der Redakteur der Zeitung dem Tester freiwillig vertrauliche Versichertendaten übermittelt und damit ein “vermeintliches Datenleck” selbst konstruiert. Die RP hält dies für unzutreffend. Für den Zugang habe sie lediglich den Namen, die Versichertennummer, das Geburtsdatum und die Adresse des Versicherten benötigt. Diese Angaben stünden auf der Gesundheitskarte und lägen zudem jedem Arbeitgeber vor. Die aktuelle Adresse könne man sich problemlos im Internet oder beim Einwohnermeldeamt beschaffen. Den genauen Ablauf des Tests finden Sie unter “Links zum Thema”.

Weiterführende Informationen
ZDF weist fehlenden Identitätscheck 2015 auch bei AOK nach
Rheinische Post: Ablauf des aktuellen Tests bei der Barmer GEK (extern)
Unbefugter Zugriff bei der Barmer GEK - Vorgehensweise in 2014

Quelle: Krankenkassen direkt, Postfach 71 20, 53322 Bornheim, http://www.krankenkassen-direkt.de

Running Surgeons: 17. Berliner 5×5 km TEAM-Staffel

 

Laufen entspannt nicht nur, es macht auch noch Spaß – und das am meisten mit Gleichgesinnten. Sie können sich ab jetzt zur Teamstaffel anmelden: Am 03. Juni 2016 gehen die BDC-Staffeln wieder an den Start. Wir hoffen, viele Running Surgeons bei dem nun schon traditionellen Lauf im Berliner Tiergarten begrüßen zu können.

Bitte melden Sie sich bei Interesse mit einer E-Mail an [email protected] bis zum 15. April 2016 an. Der BDC wird nach Eingang der Anmeldungen die Teams zusammenstellen und Sie über den weiteren Verlauf informieren.

Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der operativen Patientenversorgung*

des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen

* Ersetzt die gleich lautende Vereinbarung aus dem Jahre 1982 [1]

Chirurg und Anästhesist erfüllen bei ihrer präoperativen, intraoperativen und postoperativen Zusammenarbeit eine gemeinsame Aufgabe im Dienste des Patienten. Ihre Kooperation auf der Grundlage präziser Aufgabenteilung und wechselseitigen Vertrauens bietet die beste Gewähr für die Ausschaltung vermeidbarer Risiken sowie für eine reibungslose und zügige Abwicklung des Operationsprogrammes. Damit entspricht diese Zusammenarbeit auch den Erfordernissen einer wirtschaftlichen Behandlungsweise, die jedoch weder die Sicherheit des Patienten noch den Therapieerfolg beeinträchtigen darf.

Das Ziel beider Berufsverbände ist es, im Geiste kollegialen Einverständnisses und in ständiger wechselseitiger Konsultation das interdisziplinäre Zusammenwirken überall dort noch zu verbessern, wo in der täglichen Arbeit Zweifelsfragen und Meinungsverschiedenheiten auftreten können.

Sie vereinbaren deshalb in Erweiterung und Ergänzung der bestehenden Abkommen folgende Leitsätze für die Zusammenarbeit von Chirurgen und Anästhesisten in der prä-, intra- und unmittelbaren postoperativen Phase.

Leitsätze für die Zusammenarbeit von Chirurgen und Anästhesisten in der prä-, intra- und unmittelbaren postoperativen Phase

Der Chirurg ist nach den Grundsätzen einer strikten Arbeitsteilung zuständig und verantwortlich für die Planung und Durchführung des operativen Eingriffs, der Anästhesist für die Planung und Durchführung des Anästhesieverfahrens sowie für die Überwachung und Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen. Beide Ärzte dürfen, solange keine offensichtlichen Qualifikationsmängel oder Fehlleistungen erkennbar werden, wechselseitig darauf vertrauen, dass der Partner der Zusammenarbeit die ihm obliegenden Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt erfüllt.

1. Präoperative Phase

1.1 Der Chirurg entscheidet über die Indikation zum Eingriff sowie über Art und Zeitpunkt der Operation. Der Anästhesist unterrichtet den Chirurgen umgehend, wenn aus der Sicht seines Fachgebietes Bedenken gegen den Eingriff oder seine Durchführung zu dem vorgesehenen Zeitpunkt erkennbar werden.

Die Entscheidung, ob der Eingriff dennoch durchgeführt werden muss oder aufgeschoben werden kann, obliegt dem Chirurgen. Wenn sich dieser entgegen den Bedenken des Anästhesisten für den Eingriff entschließt, so übernimmt er damit die ärztliche und rechtliche Verantwortung für die richtige Abwägung der indizierenden Faktoren und der ihm vom Anästhesisten mitgeteilten Bedenken. Der Anästhesist hat in diesem Falle bei der Wahl und Durchführung des Anästhesieverfahrens dem erhöhten Risiko und Schwierigkeitsgrad Rechnung zu tragen.

1.2 Art und Umfang der präoperativen Untersuchungen sind abhängig vom Alter und Allgemeinzustand des Patienten sowie von der Belastung durch den operativen Eingriff. Die „Gemeinsamen Empfehlungen“ der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin zur präoperativen Evaluation erwachsener Patienten vor elektiven, nicht kardiochirurgischen Eingriffen in ihrer jeweils aktuellen Fassung sind zu beachten [2].

Für den Regelfall empfiehlt sich eine Abstimmung zwischen Chirurg und Anästhesist über ein Untersuchungsprogramm. Das Ziel der Abstimmung soll es sein, standardisierte, planbare Abläufe zu erreichen, die dem aktuellen medizinischen Kenntnisstand und den medikolegalen Rahmenbedingungen (Zeitpunkt der Aufklärung) Rechnung tragen. Dabei ist zu bedenken, dass der Anästhesist für die Voruntersuchung und eine etwaige Vorbehandlung, für die Aussprache mit dem Chirurgen über das geplante operative und anästhesiologische Vorgehen sowie über mögliche Kontraindikationen, für das Aufklärungsgespräch mit dem Patienten und für die Prämedikation Zeit benötigt. Der Chirurg sollte deshalb den Anästhesisten zum frühestmöglichen Zeitpunkt über den beabsichtigten Eingriff unterrichten, in der Regel also, sobald er bei einem Patienten über die Indikation zum operativen Eingriff entschieden hat, und ihm möglichst bald auch die vollständigen Behand¬lungs¬unterlagen zur Verfügung stellen. Andererseits ist es Aufgabe des Anästhesisten, die ihm gebotene Gelegenheit wahrzunehmen, um Verzögerungen des Operations¬programmes zu vermeiden.

1.3 Das Operationsprogramm des nächsten Tages sollte dem Anästhesisten spätestens am frühen Nachmittag vorliegen, um während der restlichen Tagesdienstzeit nicht nur die anstehenden Prämedikationsgespräche vornehmen, sondern auch notwendig erscheinende Zusatzuntersuchungen durchführen lassen zu können.

1.4 Chirurg und Anästhesist klären den Patienten jeweils über die Maßnahmen ihres Verantwortungsbereichs auf. In Risikofällen kann sich die gemeinsame Aufklärung des Patienten durch Chirurg und Anästhesist empfehlen.

1.5 Meinungsverschiedenheiten über den Eingriff und seine Voraussetzungen sollten zwischen Chirurg und Anästhesist und nicht vor dem Patienten erörtert werden.

2. Zuständigkeit für die Wahl und Durchführung des Anästhesieverfahrens

2.1 Der Chirurg kann nach der Weiterbildungsordnung für das Fachgebiet Chirurgie und dessen Zusatzweiterbildungen Verfahren der Lokal- und Regionalanästhesie sowie Analgesierungs- und Sedierungsmaßnahmen eigenverantwortlich durchführen. Es besteht Einvernehmen, dass ein Anästhesist hinzugezogen wird, wenn der Eingriff selbst oder das erforderliche Betäubungsverfahren die Vitalfunktionen gefährden können.

2.2 Ob ein Anästhesist für die Durchführung des geplanten Eingriffs hinzugezogen wird, entscheidet der Chirurg. Er berücksichtigt dabei die Art des Eingriffs, die möglichen Verfahren zur Analgesie/Sedierung/Anästhesie, den Zustand des Patienten und ggf. dessen Wünsche.

2.3 Eine Beteiligung des Anästhesisten ist immer dann erforderlich, wenn bei der Durchführung eines Eingriffs die Vitalfunktionen und Schutzreflexe des Patienten beeinträchtigt oder in besonderem Maße gefährdet werden können. Eine Beeinträchtigung bzw. Gefährdung der Vitalfunktionen resultiert insbesondere aus Art und Umfang des erforderlichen Anästhesieverfahrens, aus dem durchzuführenden Eingriff und seinen besonderen Erfordernissen, aus der Schwere der Grund- und Begleiterkrankungen des Patienten und vor allem aus einer Interaktion dieser Faktoren.

Ein Anästhesist ist also immer erforderlich bei allen Allgemeinanästhesien (mit Verlust des Bewusstseins und der Schutzreflexe) sowie bei allen rückenmarksnahen Leitungsanästhesien (SpA, PDA), z. B. wegen der gleichzeitig auftretenden Sympathikolyse. [3]

2.4 Der Anästhesist entscheidet über die Art des Anästhesieverfahrens. Wenn keine medizinischen Gründe entgegenstehen, sollten Anästhesist und Chirurg auf die Wünsche und Vorstellungen des Partners wechselseitig Rücksicht nehmen.

3. Lagerung des Patienten auf dem Operationstisch

Zur Verantwortung für die prä-, intra- und postoperative Lagerung des Patienten gibt es eine separate Vereinbarung von BDA und BDC [4].

4. Planung und Durchführung des Operationsprogramms

4.1 Das Operationsprogramm sollte so geplant werden, dass es nach den bisherigen Erfahrungen innerhalb der Regelarbeitszeit abgewickelt werden kann.

4.2 Zeitverluste beim Beginn des Operationsprogramms und Verzögerungen in seiner Abwicklung sind durch eine enge Koordination der Zeitpläne und wechselseitige Rücksichtnahme zu vermeiden. Hierzu ist es u. a. erforderlich, dass festgelegte Zeiten von allen Beteiligten in gleicher Weise als verbindlich angesehen werden. Störfaktoren und Fehlerquellen, die eine zügige Abwicklung des Operationsprogramms behindern, sollten gemeinsam ermittelt und im vertrauensvollen interdisziplinären Gespräch offen erörtert werden. Dienstbesprechungen, Weiterbildungsprogramme und Fortbildungsveranstaltungen sollten im wechselseitigen Einverständnis so eingeplant werden, dass sie das Operationsprogramm nicht beeinträchtigen. Es empfiehlt sich, hierfür eine übereinstimmende Terminierung vorzusehen.

4.3 Bei der Organisation des Dienstbetriebes und bei allen Planungen ist in Rechnung zu stellen, dass die Versorgung von Notfällen Chirurgen und Anästhesisten zusätzlich in Anspruch nimmt.

4.4 BDA und BDC unterstützen die Initiative „Safe Surgery saves Lives“ der Weltgesundheitsorganisation [5] und empfehlen die routinemäßige Verwendung einer entsprechenden Checkliste.

5. Aufgabenverteilung in der postoperativen Phase

5.1 Für Maßnahmen zur Überwachung, Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der durch das operative Vorgehen beeinträchtigten Vitalfunktionen sind grundsätzlich beide Fachgebiete fachlich zuständig, der Anästhesist für die Erkennung und Behandlung spezifischer Anästhesienebenwirkungen, der Chirurg für die Erkennung und Behandlung chirurgischer Komplikationen.

Beide Ärzte haben wechselseitig dafür zu sorgen, dass bei Komplikationen der fachlich zuständige Arzt umgehend zur Mitbehandlung zugezogen wird. Jeder der beteiligten Ärzte trägt die Verantwortung für die ordnungsgemäße Unterweisung und Beaufsichtigung des ihm unterstellten Pflegepersonals.

Nach Anästhesien im Zusammenhang mit diagnostischen und therapeutischen Eingriffen kann der Patient durch die Auswirkung des Anästhesieverfahrens (unter Umständen auch des Eingriffs) auf die vitalen Funktionen noch für einige Zeit akut gefährdet sein. In dieser „Erholungsphase“ bedarf der Patient einer kontinuierlichen und kompetenten Überwachung.

5.2 Zur Patientensicherheit in dieser Phase fordern Chirurgen und Anästhesisten nachdrücklich die Vorhaltung von Aufwacheinheiten.

5.3 In jedem Fall verbleibt der Patient vor einer Verlegung auf eine Regelpflegestation so lange unter Überwachung, bis er wieder im Vollbesitz seiner Schutzreflexe ist und keine unmittelbaren Komplikationen von Seiten der vitalen Funktionen mehr zu erwarten sind [6]. Wann ein Patient aus der Überwachung entlassen werden kann, hängt auch von der qualitativen und quantitativen personellen Besetzung und damit Leistungsfähigkeit der nachbehandelnden Struktur ab.

Mit der dokumentierten Übergabe des Patienten durch den Anästhesisten an das Personal der nachbehandelnden chirurgischen Einheit übernimmt der Chirurg mit seinem Personal die alleinige Verantwortung für die weitere Überwachung des Patienten.

Bei Verlegung direkt nach Hause im Rahmen ambulanter Versorgungen müssen weitere Kriterien erfüllt sein [7].

Referenzen

[1] Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der operativen Patientenversorgung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen. Anästh. Intensivmed. 23 (1982) 403 – 405.

[2] Präoperative Evaluation erwachsener Patienten vor elektiven, nicht kardiochirurgischen Eingriffen – Gemeinsame Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Anasth. Intensivmed. 51 (2010) S788 – S797.

[3] Ärztliche Kernkompetenz und Delegation in der Anästhesie*
Entschließung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. und des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten e.V. vom 26.10.2007 / 08.11.2007. Anästh. Intensivmed. 48 (2007) 712 – 71.

[4] Verantwortung für die prä-, intra- und postoperative Lagerung des Patienten. Vereinbarung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen. Anästh. Intensivmed. 28 (1987) 65.

[5] WHO Initiative „Safe Surgery safes lives“. http://www.who.int/patientsafety/safesurgery/en/ (abgerufen 18.01.2016).

[6] Überwachung nach Anästhesieverfahren. Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten. Anästh. Intensivmed. 50 (2009) S.486 – S.489.

[7] Vereinbarung zur Qualitätssicherung ambulante Anästhesie des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten, der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen. Anästh. Intensivmed. 46 (2005) 36 – 37 sowie Anästh. Intensivmed. 47 (2006) 50 – 51.

BDC. Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der operativen Patientenversorgung. Passion Chirurgie. 2016 März, 6(03): Artikel 07_02.