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Professor Hans-Joachim Meyer – an appreciation

I am delighted to be able to write an appreciation of my friend Professor Hans-Joachim Meyer on the occasion of his 75th birthday. I have known Achim for over 15 years. I knew him by reputation as we both have a keen academic interest in gastric cancer. However, we first met when we were considering the development of a European network for the provision of services, education, training, and research in stomach cancer. We were appointed as joint coordinators of the group and have hosted biennial meetings across Europe involving different centers of excellence. His insight, background knowledge and diplomacy were extremely helpful in the context of some of the challenges we faced in ensuring a successful collaborative venture. This project has culminated in the establishment of the European chapter of the International Gastric Cancer Association. It has been an absolute privilege to work with him and to make so many new friends through our joint clinical and scientific interests.

He has obviously made a huge contribution to German surgery and indeed national healthcare in general. His position fully justifies his very well-deserved worldwide respect and reputation. He and I have had many conversations of areas of common challenges equally facing UK and German surgeons comparing notes on approaches to surgical training – it has been very interesting to learn that these challenges are as difficult to resolve in Germany as in the UK.

Achim has been a great colleague and a close friend. It was my pleasure to welcome him and his wife Anna to a joint meeting of the German Surgical Society and the Royal College of Surgeons of England. My wife and I are delighted to have spent many enjoyable times with the two of them during our travels and I have also had the privilege to correct him on his use of English! Finally, if he is now retiring, I look forward to our promised game of golf. Achim very many happy returns for your birthday!

PROF. WILLIAM ALLUM

Royal Marsden NHS Foundation Trust

London, UK

Universitätsklinikum Bonn und ETHICON/Johnson & Johnson Medtech starten weiteres Recyclingprogramm

Gemeinsam ins Handeln kommen!

Das Thema ökologische Transformation im Gesundheitswesen findet zunehmend Beachtung in der deutschen Krankenhauslandschaft. Das wurde insbesondere auf dem größten deutschen Online-Kongress für nachhaltiges Einkaufen und Wirtschaften im Gesundheitswesen, dem ZUKE Green Health Kongress, im November 2022 deutlich. Auf dem Kongress diskutierten Gesundheitsvertreter:innen zwei Tage lang über die Notwenigkeit für mehr ökologische Transformation im deutschen Gesundheitssektor und präsentierten Best-Practises bzw. erste Erfolgskonzepte im Nachhaltigkeitsmanagement. [1]

Wesentliche Treiber für ein ökologisches Wirtschaften im Gesundheitswesen sind neben den sich anbahnenden regulatorischen Vorgaben wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LsKG) und der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die auch einen Großteil deutscher Kliniken voraussichtlich für das Kalenderjahr 2025 betreffen werden, die ansteigenden Entsorgungskosten bzw. das erhöhte Abfallaufkommen in den Kliniken [2]. Spätestens seit der Corona-Pandemie sind für jede(n) Klinikmitarbeiter:in das zunehmende Abfallaufkommen tagtäglich sichtbar. Hinzu kommt die intrinsische Motivation vieler Klinikmitarbeiter:innen, sich dieses Themas anzunehmen und für ein Umdenken bei allen Beteiligten zu werben. Insbesondere die Zulieferer der Kliniken wie Pharma- und Medizintechnikhersteller sind zunehmend gefragt, zukünftig Alternativen und erste Lösungskonzepte für ihre Produkte bzw. deren Verpackungen anzubieten, um Teil der Lösung und nicht des Problems zu sein. Im Fokus stehen dabei initial vor allem OP-Einweginstrumente, die teilweise aus hochwertigen Materialien bestehen und fast ausschließlich nach ihrer Benutzung den Weg in die Müllverbrennungsanlagen finden. Schätzungen gehen davon aus, dass allein in Deutschland etwa 8.000 Tonnen des Abfalls aus deutschen Krankenhäusern pro Jahr auf medizinische Einweginstrumente zurückzuführen sind. Dabei könnten laut der Weltgesundheitsorganisation ca. 85 Prozent der Krankenhausabfälle prinzipiell recycelt werden [3].

Genau das war der Ansatz des Medizintechnikherstellers Ethicon, einem Unternehmensbereich von Johnson & Johnson, der seit dem Jahr 2020 in einem Pilotprojekt mit sechs deutschen Kliniken und dem Hamburger Unternehmen Resourcify ein digital unterstütztes Rücknahmesystem für seine OP-Einwegprodukte aufgebaut, getestet und gemeinsam mit den Pilotkliniken sukzessive verbessert hat. Seit November 2021 bietet der Hersteller dieses innovative Recyclingverfahren für sein gesamtes Klammernaht- und Energy-Portfolio an. Mithilfe dieser Pionierarbeit wurden allein in 2022 europaweit ca. 7,5 Tonnen OP-Einweginstrumente recycelt, was in einer ungefähren CO2e*-Einsparung in Höhe von 18,5 CO2e Tonnen resultiert. Laut Daniel Unger, Nachhaltigkeitsmanager für Ethicon Deutschland, ist das jedoch die erste sichtbare Spitze eines gigantischen Eisbergs. „Man möge sich vorstellen, wie viel Emissionen und wertvolle Ressourcen eingespart und wieder in den Kreislauf rückgeführt werden könnten, wenn das Recycling von medizinischen Einweginstrumenten zur Pflicht und Standard in Deutschland werden würde. Damit ein solches Konzept jedoch herstellerübergreifend seinen Weg in Deutschland findet, bedarf es noch einiger Überzeugungsarbeit bei Behörden, potenziellen Kooperationspartnern und einer immensen politischen Unterstützung, die ich aktuell leider noch vermisse“, gibt Unger nachdenklich zu bedenken. „Aktuell ist das Thema Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen salonfähig geworden und erfreut sich hoher Popularität auf beinahe jedem medizinisch ausgerichteten Kongress. Wenn es jedoch um die konkrete Umsetzung von Lösungskonzepten geht, bleibt nur eine handlungswillige Minderheit übrig“, so Unger.

Mittlerweile weitet der Hersteller das Programm auf andere Produktkategorien aus. Seit November letzten Jahres bietet Ethicon zusätzlich ein Recyclingprogramm für hochwertige Produktverpackungen an. In einem ersten Schritt liegt hier der Fokus auf Sterilverpackungen von resorbierbarem chirurgischem Nahtmaterial. Diese sind mit einem Anteil von ca. 80 % Aluminium besonders recyclingwürdig, finden aber im OP-Alltag zumeist den Weg in die Abfalltonnen für infektiöse Abfälle, obwohl sie nicht kontaminiert sind und somit sehr gut recycelt werden könnten. Wenn man bedenkt, dass beim Recycling von Aluminium lediglich 5 % der Energie, die zur Herstellung von Primär-Aluminium benötigt werden, eingesetzt werden muss, so erscheint ein Recycling aluminiumhaltiger Verpackungen aus ökologischer Sicht mehr als sinnvoll [4]. Der Sammelprozess ist dabei denkbar einfach. Ethicon stellt in Kooperation mit seinem Partner Resourcify die Sammelbehälter für die aluminiumhaltigen Verpackungen bereit. Mithilfe einer von Resourcify betriebenen App oder einem Webportal mit klinikindividuellem Zugang kann die Klinik die gefüllten Behälter zur Abholung beauftragen. Anschließend werden diese per DHL Green zu einem spezialisierten Recyclingunternehmen in der Nähe von Hamburg transportiert, mit dem das Unternehmen auch für seinen Produktionsstandort in Norderstedt langjährig zusammenarbeitet. Dort werden die gesammelten Folien der Kliniken zentral weiterverarbeitet und das enthaltene Aluminium extrahiert und als Sekundärrohstoff am Rohstoffmarkt verkauft. Inwieweit das recycelte Aluminium wieder für die lokale Produktion neuer Verpackungen herangezogen werden könnte, prüft das Unternehmen aktuell noch. Leider erschweren die aktuellen Vorgaben der europäischen Medical Device Regulation (MDR) die Verwendung von sogenannten Sekundärrohstoffen im Produktionsprozess für Medizinprodukte [5]. Hier wünscht sich das Unternehmen dringend eine Nachbesserung seitens der Politik und der Regulierer auf europäischer Ebene.

Die Einnahmen aus dem Verkauf der aluminiumhaltigen Verpackungen werden dabei in Absprache mit Resourcify am Jahresende an die medizinische NGO Operation Smile [6] gespendet. Mit Smile kooperiert Johnson & Johnson seit Jahren.

Das Recyclingkonzept für aluminiumhaltige Sterilverpackungen läuft unter anderem am Universitätsklinikum Bonn seit Anfang Dezember 2022 und stößt seitens der Klinikbelegschaft auf Begeisterung. Michael Schmitz, Abteilungsleiter Infrastrukturservice, Stabsstelle Nachhaltigkeit und Abfallbeauftragter des Uniklinikums Bonn, war von diesem Ansatz von Anfang an begeistert. Als Experte für Abfallmanagement im klinischen Umfeld und als passionierter Nachhaltigkeitsmanager weiß er um den Mehrwert solcher dringend benötigten Recyclingkonzepte. Neben dem Recyclingansatz für hochwertige Sterilverpackungen implementierte das Universitätsklinikum 2022 weitere Nachhaltigkeitskonzepte am Standort mit Leuchtturmcharakter im deutschen Gesundheitswesen.

Um die Vision des klimaneutralen Klinikums in Bonn bis 2035 zu realisieren, werden am UKB bereits umfangreiche Projekte umgesetzt und geplant. Großes Potenzial hat man in Bonn auch im Bereich der Krankenhausentsorgung erkannt und hierzu 2020 eine innovative Kooperation mit dem Hamburger Startup-Unternehmen Resourcify gestartet [7].

In der erfolgreichen Zusammenarbeit ist es gelungen, gemeinsam ein digitales Wertstoffmanagementsystem als Branchenlösung für medizinische Einrichtungen zu entwickeln.

Das Universitätsklinikum Bonn nimmt hierbei bundesweit eine führende Rolle ein und die gemeinsame Vision „Zero Waste“ rückt täglich ein Stück näher.

„Umso wichtiger werden in Zukunft der Schulterschluss mit Herstellern und die Integration von Rücknahmesystemen. Wir begrüßen die Nachhaltigkeitsaktivitäten von Johnson & Johnson sehr, denn jedes Pilotprojekt und implementierte Rücknahmesystem erhöht unsere Recyclingquote. Wir freuen uns auf die noch intensivere Zusammenarbeit mit Johnsons & Johnson und auf die Ausarbeitung weiterer Recyclingleuchttürme in Bonn“, so Michael Schmitz vom Universitätsklinikum Bonn. Zahlreiche Projekte konnten bereits auch mit Unterstützung von Resourcify in den vergangenen zwei Jahren am UKB umgesetzt werden, wie beispielsweise jüngst das Recycling von chirurgischen Einweginstrumenten [8] sowie das Recycling von Atemkalk [9].

Die zwischenzeitlich erreichten Ergebnisse sprechen für sich. Beispielsweise konnte durch eine konsequente Optimierung die externe Entsorgungslogistik und somit die Verkehrsbelastung um 39 % gesenkt werden. „Wichtig für uns ist aber auch die Netzwerkarbeit und die Analyse des gesamten Lebenszyklus unserer verwendeten Medizinprodukte mit dem Hersteller. Nur mit Herstellern bzw. Lieferanten im Verbund können wir die zukünftigen Lieferketten so mitgestalten, dass möglichst viele Wertstoffe, die in den Produkten enthalten sind, erhalten bleiben und Kreisläufe auch in der Gesundheitswirtschaft sukzessive geschlossen werden. Die Herausforderungen sind gewaltig und hier müssen alle Entscheidungsträger inklusive der Politik die Rahmenbedingen dafür schaffen und deutlich an Geschwindigkeit zulegen“, so Michael Schmitz vom UKB.

Alle drei Partner vereint die Vision einer fairen, kreislauforientierten und signifikant emissionsreduzierten Gesundheitswirtschaft für eine gesunde und nachhaltige Gesundheitsversorgung in Deutschland und Europa. Sie wünschen sich, dass mehr Kliniken und Lieferanten ihrem Beispiel folgen und über Netzwerkplattformen wie ZUKE Green als Best-Practice-Beispiele teilen werden, um andere passionierte „Green Change Agents“ für diese Themen in den Kliniken gewinnen und inspirieren zu können.

Literatur

[1]   https://www.hcm-magazin.de/zuke-green-health-kongress-2022-nachhaltigkeit-321258/

[2]   https://corpgov.law.harvard.edu/2022/08/23/eu-corporate-sustainability-reporting-directive-what-do-companies-need-to-know/

[3]   https://www.ukbnewsroom.de/recycling-chirurgischer-einweggeraete/

[4]   http://www.aluinfo.de/recycling.html).

[5]   https://www.medical-device-regulation.eu/download-mdr/

[6]   https://www.operationsmile.org.uk

[7]   www.ukbnewsroom.de/gruen-smart-und-nachhaltig-universitaetsklinikum-bonn-digitalisiert-abfallmanagement-in-kooperation-mit-resourcify/

[8]   www.ukbnewsroom.de/recycling-chirurgischer-einweggeraete/

[9]   www.kma-online.de/aktuelles/klinik-news/detail/ukb-bonn-macht-gefaehrlichen-atemkalk-zu-duenger-recycling-einweg-op-instrumente-48962

*CO2e ist die Abkürzung für „Kohlendioxidäquivalent“. CO2e wird verwendet, um die Emissionen von Treibhausgasen zu messen und zu vergleichen, je nachdem, wie stark sie zur globalen Erwärmung beitragen. Metriken für CO2e zeigen, wie stark ein bestimmtes Gas zur globalen Erwärmung beitragen würde, wenn es Kohlendioxid wäre. Die CO2e Maßeinheit wird in der Regel in Millionen Tonnen angegeben.

Daniel Unger

Sustainability Manager Ethicon Deutschland

Johnson & Johnson Medical GmbH

Hummelsbütteler Steindamm 71

22851 Norderstedt

[email protected]

Michael Schmitz

Abteilungsleiter

GB6 – Facility Management – Infrastrukturservice

Abfallbeauftragter des Universitätsklinikum Bonn AöR

Stabstelle Nachhaltigkeitskonzept

[email protected]

Chirurgie

Unger D, Schmitz M: Universitätsklinikum Bonn und ETHICON/Johnson & Johnson Medtech starten weiteres Recyclingprogramm. Passion Chirurgie. 2023 März; 13 (03): Artikel 03_01.

Weitere Artikel zum Thema Nachhaltigkeit finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) unter der Rubrik Wissen | Panorama | Nachhaltigkeit.

Chirurgische Fortbildung im digitalen Zeitalter – Social Media & Co.

Lehrende aller Fakultäten und Disziplinen versuchen seit vielen Jahren, ihre Aus- und Weiterbildung an die sich stetig erweiternde digitale Welt und die sich ebenso wandelnden Ansprüche ihrer Auszubildenden anzupassen. Was nicht immer einfach umzusetzen ist, bietet dabei ein enormes Potenzial. Die Nutzung der immer vielfältigeren Medienwelt bietet verschiedene neue Zugangs- und Darstellungswege zu wissenschaftlichen Informationen, ermöglicht eine gruppenspezifische Aufarbeitung und nicht zuletzt das Einbringen von Kreativität in die ansonsten oft starren Gerüste wissenschaftlicher Informationsaufarbeitung.

Social Media im Allgemeinen

Gängige Definitionen beschreiben mit Social Media Anwendungen, die über das Internet zugänglich sind und welche die Vernetzung und Kommunikation zwischen Nutzer:innen sowie das Erstellen und Veröffentlichen von nutzergetriebenen Inhalten unterstützen [1]. Charakteristisch für soziale Medien ist, in Abgrenzung zu den klassischen Massenmedien, eine bidirektionale Kommunikation, sie sind interaktiv und zeichnen sich durch dynamische Inhalte aus.

Unter Social Media werden zahlreiche, vielseitigste Anwendungen eingeordnet, die sich nach Kaplan & Haenlein in mehrere Untergruppen gliedern lassen (siehe Abb. 2). Sogenannte Kollektivprojekte (z. B. Wikipedia, DocCheck) zeichnen sich durch einen kollaborativen Ansatz aus und werden gemeinsam durch mehrere Personen bearbeitet. Bei Content communities (z. B. YouTube, Podcasts) steht das Teilen von Medieninhalten zwischen verschiedenen Nutzer:innen im Vordergrund. Blogs und Mikroblogs (z. B. Twitter) repräsentieren die früheste Form von Social Media und können vielfältig, auch im medizinischen Bereich, eingesetzt werden. Eine Interaktion kommt hierbei in Form von Kommentaren zustande. Soziale Netzwerke werden aufgrund ihrer großen und stetig wachsenden Popularität im heutigen Sprachgebrauch häufig mit Social Media gleichgesetzt. Hier steht das Schaffen von Verbindungen und Teilen verschiedener Medien zwischen nutzergenerierten Profilen im Vordergrund. Soziale Netzwerke lassen sich privat (z. B. Facebook, Instagram), aber auch primär beruflich (z. B. LinkedIn, Xing) nutzen, wobei die Grenzen der Nutzung zunehmend verschwimmen. Ebenfalls als soziale Netzwerke werden mittlerweile auch Messengerdienste (z. B. WhatsApp, Siilo, Threema) eingeordnet. Einige Anbieter werben dabei mit strikten Datenschutzrichtlinien explizit auch um medizinisches Personal [2].

Die schillernde Welt der sozialen Medien wird im Social-Media-Prisma visualisiert, das nach amerikanischem Vorbild zuletzt 2018 für den deutschsprachigen Raum veröffentlicht wurde [4]. Es zeigt sich eine Vielzahl an Plattformen, die in vielfältiger Art auch im medizinischen und chirurgischen Umfeld von Nutzen sein können.

Social Media in der Medizin

Die Covid-Pandemie hat ungewollt, aber eindrücklich gelehrt, dass medizinische Lehre zumindest in Teilen auch online möglich sein kann und muss. Online-Unterricht für Studierende, Online-Weiterbildungen für Assistenzärzt:innen und Online-Kongresse für das gesamte medizinische Fachpersonal sind mittlerweile Alltag geworden. Neben der Nutzung zur Weiterbildung hat die Pandemie aber auch gezeigt, welchen großen Nutzen soziale Medien als Quelle wissenschaftlicher Information für die breite Bevölkerung haben können. Soziale Medien bieten dabei einen leichten und oft kostenfreien Zugang und ermöglichen die Eröffnung wissenschaftlicher Information auch für Nicht-Mediziner:innen. Aufgrund einer mangelnden Reglementierung insbesondere in den sozialen Netzwerken ist jedoch von einer hohen Gefahr durch Mis- und Desinformation auszugehen. Es sollte uns als medizinischem Fachpersonal daran gelegen sein, diesen Falschinformationen gut recherchierte und verständlich aufbereitete Informationen entgegenzusetzen.

Über die medizinische Lehre und Information der Bevölkerung hinaus können soziale Medien in vielerlei Hinsicht angewendet werden. Abbildung 2 zeigt exemplarisch einige dieser Anwendungsmöglichkeiten und soll dazu anregen, soziale Medien vermehrt in den medizinischen Alltag zu integrieren.

Ein besonderes Beispiel für gelungenen Wissenschaftsjournalismus über Social Media ist der zu Beginn der Covid-Pandemie ins Leben gerufene Podcast Das Coronavirus-Update von NDR Info mit Christian Drosten und Sandra Ciesek. Auf hohem wissenschaftlichen Niveau aufgearbeitete Informationen, die stetige Diskussion der aktuellen Studienlage, aber auch das Aufzeigen der Grenzen von Wissen und Berufsfeld begeisterten nicht nur medizinisches Personal, sondern erreichten die breite Bevölkerung. Mit Abrufen im dreistelligen Millionenbereich und zahlreichen Auszeichnungen, u. a. dem Grimme-Online-Preis, ist der Erfolg des Podcasts längst besiegelt [6].

Tab. 1: Klassifikation der Anwendungen, modifiziert nach Kaplan & Haenlein [3]

Kollektivprojekte

Wikipedia, DocCheck

Content Communities

YouTube, Podcasts

Blogs und Mikroblogs

Twitter

Soziale Netzwerke

Facebook, Instagram (privat); LinkedIn, Xing (beruflich); Messengerdienste (u. a. WhatsApp, Siilo, Threema)

Ein weiteres, Pandemie-unabhängiges Beispiel für ein gelungenes Kollektivprojekt im medizinischen Bereich ist die Plattform DocCheck. Sie bietet (neben weiteren Funktionen) mit dem DocCheck Flexikon ein medizinbezogenes Wiki, das durch registrierte Nutzer:innen (allesamt Angehörige von Heilberufen) gestaltet wird, aber der Allgemeinheit als Nachschlagewerk zugänglich ist. Durch die Einschränkung der Autor:innen auf medizinisches Personal und eine Rückmeldefunktion ist dabei eine bessere Kontrolle der Inhalte und ein Vermeiden von Falschinformationen möglich [7].

Abb. 1: Das Social-Media-Prisma [4]

Social Media in der Chirurgie

Chirurgische Fortbildung ist vielseitig und wird niemals durch reine Online-Schulungen ersetzt werden können, dafür sind die einzelnen chirurgischen Fachdisziplinen zu praxisbezogen und erfordern viel mehr als eine rein theoretische Wissensvermittlung. Nichtsdestotrotz bieten die sozialen Medien zahlreiche Möglichkeiten, unsere chirurgische Lehre zu erweitern und zu ergänzen [8].

Eins der – mit über einer Milliarde aktiven monatlichen Nutzern – weltweit größten sozialen Netzwerke ist die Plattform Instagram, auf der Bilder und Videos veröffentlicht und zwischen Nutzer:innen geteilt werden können. Über Hashtags ist eine thematische Vernetzung und Suche einzelner Inhalte möglich. Die Nutzung der Plattform für medizinische Zwecke ist vor allem bei anglophonen Inhalten längst etabliert, der Hashtag #surgery ist dabei mit 6,1 Millionen verlinkten Inhalten vertreten. Im deutschsprachigen Umfeld sind immerhin ca. 217.000 Inhalte unter #chirurgie markiert, Spitzenreiter der chirurgischen Fachdisziplinen ist dabei mit deutlichem Abstand die #plastischechirurgie [9]. Die Plattform Instagram lässt sich vielseitig nutzen, alle der in Abbildung 3 genannten Anwendungsmöglichkeiten können hier potenziell abgedeckt werden. Besonders geeignet ist die Plattform für Lehrvideos aller Art oder wissenschaftliche Kurzpräsentationen. Die Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Junge Chirurgie veröffentlicht beispielsweise regelmäßig das paper of the month, in dem ausgewählte, für die Weiterbildung relevante Papers in kurzen Slides für Instagram aufgearbeitet werden [10].

Abb. 2: Anwendungen von Social Media im medizinischen Bereich [5]

Wie bereits erwähnt, haben auch Podcasts längst Einzug in die medizinische Welt gehalten. Durch flexible Abrufbarkeit und häufig kostenfreien Zugriff erschließt sich eine große Hörerschaft, allerdings ist die Produktion im Vergleich zu reinen Bildmedien häufig mit höheren Kosten und zum Teil erheblichem Aufwand verbunden. Dennoch ist die Nutzung von Podcasts sehr reizvoll, da hierüber eine besonders detaillierte Themenbehandlung möglich ist. Durch Nutzung von Interviewformaten können wissenschaftliche Diskussionen geführt werden und chirurgische Vorreiter:innen zu Wort kommen. Beispiele für bereits bestehende Podcasts aus den chirurgischen Verbänden sind der Podcast CAJC fragt … der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Junge Chirurgie oder die im Juni 2022 ins Leben gerufene, zweiwöchentlich erscheinende Podcastreihe Surgeon Talk des BDC [11, 12].

Diskussion

Soziale Medien erreichen durch einen freieren Zugang ein breiteres und diverseres Publikum als klassische Massenmedien. Durch die Vielfalt verschiedener Medien ist eine zielgruppenspezifische Aufarbeitung möglich, die Übermittlung wissenschaftlicher Inhalte kann dabei gemeinsam mit dem persönlichen Austausch in einem Medium erfolgen. Durch diesen Austausch haben wir die Chance, unsere Arbeit für Nachwuchskräfte realistischer darzustellen und Hürden und Lösungsstrategien niedrigschwelliger zu kommunizieren. Darüber hinaus ist eine verzögerungsarme Kommunikation und Diskussion neuer wissenschaftlicher Entwicklungen möglich. Außerdem können wir über soziale Medien unsere wissenschaftlichen Netzwerke weiter ausbauen und so eine Ergänzung zum persönlichen Kontakt bei Kongressen schaffen [13].

Bei allen Vorteilen und Möglichkeiten, die soziale Medien bieten, ist es wichtig, Nachteile und Gefahren zu beleuchten, die sich insbesondere bei der wissenschaftlichen Nutzung dieser Medien ergeben. Ein bereits angesprochener, zentraler Kritikpunkt ist sicherlich die häufig nicht gegebene Überprüfbarkeit wissenschaftlicher Informationen. Möchte man den Standard wissenschaftlicher Publikationen im Sinne von Peer-Review-Verfahren anlegen, gibt es in den modernen sozialen Medien noch enormen Nachholbedarf. Die Vielzahl der zur Verfügung stehenden Informationsquellen ist unübersichtlich und es bedarf einer hohen Medienkompetenz, um fundierte wissenschaftliche Quellen von weniger evidenzbasierten zu unterscheiden. Zudem ist die Kennzeichnungspflicht von Sponsorings nur uneinheitlich und lückenhaft geregelt. Bei der Nutzung sozialer Medien ist es daher ebenso wichtig, etablierte Verhaltensregeln zu Schweigepflicht, Datenschutz und Professionalität streng zu befolgen [14].

Insgesamt sollten wir uns als Chirurg:innen und Mediziner:innen in der Pflicht sehen, wissenschaftlich fundierte Informationen zu präsentieren und uns Diskussionen zu medizinischen Themen zu eigen zu machen, um Misinformation einzudämmen. Wir sollten uns dafür einsetzen, dass Kontrollgremien insbesondere für die wissenschaftliche Nutzung sozialer Medien etabliert werden, die die Deklarierung von Sponsorings und Interessenskonflikten äquivalent zur gängigen Praxis in wissenschaftlichen Journals und Vorträgen durchsetzen. Zuletzt sollten wir stetig daran arbeiten, Wissenschaftler:innen und wissenschaftlichen Nachwuchs im Umgang mit sozialen Medien zu schulen, um den größtmöglichen Nutzen aus diesen ziehen zu können.

Literaturempfehlung

Matthew P Fox et.al., Will Podcasting and Social Media Replace Journals and Traditional Science Communication? No, but…, American Journal of Epidemiology, August 2021

Die Literaturliste erhalten Sie auf Anfrage via [email protected].

Kommentar

Prof. Dr. med. Wolfgang Schröder, FACS, FEBS
Leiter der Deutschen Akademie für chirurgischeFo rt- und Weiterbildung
Berufsverband der Deutschen Chirurgie e.V.

Fluch oder Segen – diese Frage stellt sich allen, die versuchen zu verstehen, auf welchem Wege Social Media zunehmend das Lernverhalten überwiegend junger Chirurgen:innen beeinflussen und welche Chancen aber, auch Risiken in der Digitalisierung der chirurgischen Fort- und Weiterbildung bestehen. Den Traditionalisten sei zur Beruhigung gesagt: Auch auf absehbare Zeit wird das Fach Chirurgie letztendlich am OP-Tisch gelehrt und erlernt und keiner der Jungen Wilden, der Chirurg oder Chirurgin werden will, wird dies bestreiten. Alles aber darüber hinaus, was ebenfalls notwendig ist, unser anspruchsvolles Fach sicher zu beherrschen, ist im Fluss und steht zur Disposition. Dabei geht es weniger um Inhalte, sondern um die Art des Wissenstransfers.

In ihrem Beitrag gibt Hannah Rasel, chirurgische Assistenzärztin an der Uniklinik Mainz, einen respektablen Überblick, wie verschiedene Anwendungen der Social Media in chirurgischer Fort-und Weiterbildung eingesetzt werden können, geht aber auch kritisch auf zentrale Fragen dieser Applikationen ein. Wer überprüft und gegebenenfalls korrigiert überhaupt die hochgeladenen Inhalte auf ihre medizinisch-wissenschaftliche Evidenz und verhindert, wie in anderen gesellschaftspolitischen Bereichen üblich, gezielte Desinformation? Wer ist verantwortlich für die Umsetzung der strengen Datenschutzrichtlinien? Nicht zuletzt ist für alle Anbieter die Frage der Finanzierung zunehmend relevant, da der größte Teil der Inhalte kostenfrei angeboten wird, aber nicht unerhebliche Kosten in der Produktion verursacht.

Es ist unstrittig: Digitale Angebote müssen bei ungebremst steigenden User-Zahlen der Social Media in Fort- und Weiterbildung weiter ausgebaut werden. Aber mit Augenmaß, denn auch hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, wie ein aktueller Beitrag der FAS vom 15. Januar 2023 („Der Crash der sozialen Netzwerke“) bemerkt: „Früher musste man bei Facebook sein, heute ist keine Plattform mehr unverzichtbar.“

Korrespondierende Autorin:

Hannah Rasel

Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Junge Chirurgie der DGAV;

Assistenzärztin der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der Universitätsmedizin Mainz

Langenbeckstraße 1

55131 Mainz

[email protected]

Dr. Christian Geis

Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie

Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz

Rübenacher Straße 170

56072 Koblenz

PD Dr. Kim C. Honselmann

Klinik für Chirurgie

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Ratzeburgerallee 160

23538 Lübeck

Chirurgie+

Rasel H, Geis C, Honselmann KC: Chirurgische Fortbildung im digitalen Zeitalter – Social Media & Co. Passion Chirurgie. 2023 März; 13(03): Artikel 04_03.

Akademie Aktuell: Erfahrungsbericht ORSI Summer School 2022

Hintergrund der Reise

Über den exzellenten Kontakt unseres leitenden Oberarztes – Herrn Prof. Hans Fuchs – zu der ORSI Academy in Belgien, hatten wir als zwei Assistenzärzte der Chirurgie der Uniklinik Köln die Möglichkeit, an der „ORSI Summer School“ im August 2022 teilzunehmen. Insgesamt nahmen 24 junge Chirurg:innen aus Deutschland, Italien und Belgien an der Veranstaltung teil.

Die Summer School ist eine europäische Initiative mit Unterstützung des BDC zur Förderung des chirurgischen Nachwuchses. So sollte uns und den anderen Kursteilnehmer:innen die Möglichkeit geboten werden, in einem der modernsten und innovativsten europäischen Trainingszentren für minimalinvasive und roboterassistierte Chirurgie, einen Einstieg in robotische Simulation und Laparoskopie aber auch klassische Hands-on-Nahttechniken zu gewinnen.

So machte sich die Kölner Delegation – neben Herrn Prof. Fuchs und uns als Kursteilnehmer gehörten noch Herr Prof. Schmidt und Herr PD Dr. Datta als Trainer dazu – also auf den Weg zur ORSI Academy nach Melle (unweit von Gent) in Belgien.

Die Fahrt nach Belgien

Mit guter Laune aufgrund der zwei anstehenden klinikfreien Tage und in vorfreudiger Stimmung auf die Erlebnisse an und rund um die ORSI Summer School machten wir uns also gemeinsam am Morgen des 18. August mit dem Auto auf den Weg Richtung Belgien: So eine Fahrt abseits des Klinikalltags ist immer gut, um auch das Gruppengefühl und Team-Building innerhalb einer Abteilung zu stärken!

Als junge Chirurg:innen können wir von den Erfahrungen der älteren Kolleg:innen profitieren und so tauschten wir uns schon während der Fahrt über etliche medizinische und weniger medizinische Themen aus.

Herr Prof. Fuchs konnte zudem von seinen vorherigen Aufenthalten am ORSI berichten und uns wurde klar, dass es sich dabei um ein einmaliges Trainingscenter handelt, das hinsichtlich des Erlernens von robotisch assistierter Chirurgie seinesgleichen sucht!

Angekommen am ORSI

Angekommen an der ORSI Academy wurden wir und die anderen Kursteilnehmer:innen durch die Vertreter:innen des Junior ORSI – eine Unterorganisation der ORSI Academy, die sich vor allem an Studierende und junge Mediziner:innen richtet – herzlich begrüßt.

Mit etwas Verspätung stieß auch die italienische Delegation unter der Leitung von Herrn Dr. Stefano Puliatti, der zusammen mit Herrn Prof. Fuchs die wissenschaftliche Leitung der ORSI Summer School bildet, hinzu.

Neben den herausragenden Möglichkeiten zum Einstieg in die roboterassistierte Chirurgie bietet die Summer School für interessierte Studierende oder angehende Chirurg:innen vor allem auch die Möglichkeit, ein erstes Netzwerk miteinander auszubilden.

Hands-on-Chirurgie

Nach einer Einführungsvorlesung über die Geschichte und die heutigen Möglichkeiten der ORSI Academy begaben wir uns zeitnah in medias res:

Unter der Anleitung der Mitarbeiter:innen des ORSI sowie der mitgereisten Dozent:innen durchliefen wir mehrere Stationen, die einen Einstieg in erste chirurgische Fertigkeiten bieten sollten. Hiervon profitierten vor allem die mitgereisten Studierenden: So konnten diese unter anderem chirurgisches Knoten und das Einwaschen und Einkleiden vor einer Operation üben. Für die anderen Teilnehmer:innen bot sich mit ersten Übungen am DaVinci-Chirurgiesystem als Einstieg in die roboterassistierte Chirurgie ein Highlight des ersten Tages.

Nach einem gemeinsamen Barbecue an der Academy, bei dem sich alle Teilnehmer:innen und Dozent:innen besser kennenlernen und vernetzen konnten, ging es für uns in das Hotel in das nahe liegende Gent.

Social activities während der ORSI Summer School

Zu jeder nachhaltig in Erinnerung bleibenden Fortbildungsveranstaltung gehört wohl das entsprechende Freizeit- und Abendprogramm:

Dank der hervorragenden Organisation durch die Studierenden des Junior ORSI durften die Teilnehmer:innen der ORSI Summer School neben den Veranstaltungen an der Academy auch das nahe liegende Gent näher kennenlernen.

Am ersten Abend folgte auf das gemeinsame Abendessen eine Tour durch die historische Altstadt von Gent mit Zwischenstopps in den beliebtesten Bars der Einheimischen. Hier konnte das ein oder andere typisch belgische Bier ausgiebig getestet werden.

Ein weiteres Highlight stellte die Bootsfahrt an Tag zwei dar: Über einen Kanal, der quer durch den Stadtrand Gents verläuft, durften wir die schönen Wohngegenden der Stadt vom Wasser aus kennenlernen.

Besonders in Erinnerung bleibt wohl der letzte Abend während der Summer School: Dank reger Beteiligung aller Teilnehmer:innen und sogar einiger Dozent:innen aus Italien, Belgien und Deutschland wurden hier sicherlich nachhaltige Kontakte und sogar Freundschaften geknüpft.

DaVinci Live Surgery

Nachdem wir uns an den ersten beiden Tagen an der ORSI Academy erste chirurgische Skills an den DaVinci-Chirurgiesystemen aneignen durften, folgte am dritten Kurstag folgerichtig die erste echte Operationssimulation.

Herr Dr. Puliatti – seines Zeichens Urologe an der Uniklinik in Modena und genau wie Herr Prof. Fuchs ein Spezialist auf dem Gebiet der robotischen Chirurgie – hatte zum Training der robotisch assistierten Prostatektomie an der ORSI Academy ein Simulationsmodell an einem Hühnerkadaver entwickelt, das die Anastomose zwischen Blase und Harnröhre nachbilden soll.

Die meisten Teilnehmer:innen konnten sich am ersten Kurstag wahrscheinlich kaum vorstellen, dass sie durch gute Vorbereitung in den Vorträgen und Skilltrainings am dritten Tag des Kurses unter Anleitung der Mitarbeiter:innen des ORSI eine solche Simulation durchführen und teilweise sogar erfolgreich abschließen würden.

Abschließende Worte

Stellvertretend für alle Teilnehmer:innen der ORSI Summer School 2022 dürfen wir festhalten, dass die Fortbildungsreise an die Academy nach Belgien sowohl für chirurgisch interessierte Studierende als auch junge Assistenzärzt:innen der Chirurgie eine äußerst lohnenswerte Veranstaltung darstellt.

Für viele ist das Interesse an innovativen Techniken in der Chirurgie sicherlich nachhaltig geweckt worden und einige von uns werden für weiterführende Veranstaltungen erneut an das ORSI reisen.

Daher gilt an dieser Stelle ein besonderer Dank den Veranstaltern und Unterstützern dieser Initiative!

Informationen und Anmeldung über www.bdc.de (Rubrik BDC|Akademie, Fachgebiet Allgemeinchirurgie)

Abb. 1, 2: Impressionen aus der ORSI Summer School

BDC|Akademie

ORSI Summer School

Nächster Termin vom 17.08. bis 19.08.2023 in Gent

Wissenschaftliche Leiter: Prof. Dr. med. Hans Fuchs, Dr. med. Stefano Puliatti

Die ORSI Summer School ist eine europäische Initiative mit Unterstützung des BDC zur Förderung des chirurgischen Nachwuchses. Eingeladen sind Studierende der letzten klinischen Fachsemester und Berufseinsteiger:innen im ersten chirurgischen Weiterbildungsjahr. Das ORSI ist eines der modernsten und innovativsten europäischen Trainingszentren für minimalinvasive und roboterassistierte Chirurgie. Trainiert werden Laparoskopie, robotische Simulation und Robotik-Wetlab aber auch die klassischen Hands-On Nahttechniken. Übernachtungsmöglichkeiten werden vor Ort angeboten, Social Activities helfen ein erstes Netzwerk zu gründen.

Anmeldung über www.bit.ly/ORSI2023

Korrespondierender Autor:

Dr. med. Karl Knipper

Assistenzarzt

Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Tumor- und Transplantationschirurgie

Uniklinik Köln (AöR)

Kerpener Straße 62

50937 Köln

[email protected]

Anders Grabenkamp

Assistenzarzt

Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Tumor- und Transplantationschirurgie

[email protected]

Chirurgie+

Knipper K, Grabenkamp A: Erfahrungsbericht ORSI Summer School 2022. Passion Chirurgie. 2023 März; 13(03): Artikel 04_02.

Weitere Artikel zum Thema finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) unter der Rubrik Wissen | Aus-, Weiter- & Fortbildung.

Passion Chirurgie im Januar/Februar: Chirurgische Versorgung in Kriegs-, Terror- und Katastrophensituationen

Hier geht´s zur digitalen Ausgabe! 

Unsere erste Ausgabe 2023 befasst sich mit dem Thema „Chirurgische Versorgung in Kriegs-, Terror- und Katastrophensituationen“. Als wir im Sommer vergangenen Jahres den Redaktionsplan 2023 erstellten, wussten wir, dass wir dieses Thema aufgrund des andauernden Kriegs Russlands gegen die Ukraine als Schwerpunkt nehmen müssen. Das verheerende Erdbeben in der Türkei und in Syrien Anfang Februar mit tausenden Opfern hat gezeigt, dass Krieg, Terror und Katastrophen mittlerweile nicht mehr punktuell, sondern in immer engerer Taktung und oft kombiniert zu erwarten sind. Wir möchten allen unseren größten Respekt aussprechen, die sich für die Menschen in diesen Regionen engagieren.

Und ein Jubiläum steht an: BDC-Präsident Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer feiert am 21. Februar seinen 75sten Geburtstag. Er wird allerdings an dem Tag in Polen sein, wo er von der Kopernikanischen Akademie in die Kammer für medizinische Wissenschaften aufgenommen werden wird. Herzlichen Glückwunsch!

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre
Ihr PASSION CHIRURGIE-Team

P.S.: Zwei Highlights der BDC-Akademie: Die ersten Veranstaltungstermine für die HERNIENSCHULE stehen an! Zum Programm und Informationen... Außerdem findet am 15. Februar um 18:00 Uhr das nächste kostenlose BDC|Webinar statt, diesmal zum Thema „Anastomosentechnik bei Morbus Chron“. HIER geht es zur Anmeldung.

Organspende in Deutschland: weiterhin keine Erholung in Sicht

PANORAMA
Organspende in Deutschland: weiterhin keine Erholung in Sicht

Auch 2022, im dritten Jahr nach der großen Reform des Transplantationsgesetzes 2019, verharrten die Spenderzahlen auf niedrigem Niveau. Damit bleibt die hiesige Situation der Patientinnen und Patienten auf der Warteliste für eine Organtransplantation auch weiterhin dramatisch.

Bis Ende November 2022 gab es bundesweit 796 Organspender und Organspenderinnen in den rund 1.200 Entnahmekrankenhäusern, 7 Prozent weniger als im vergleichbaren Zeitraum des Jahres 2021. Auch die Summe der entnommenen Organe, die von Januar bis November für eine Transplantation an die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant gemeldet werden konnten, sank von 2.671 im Jahr 2021 auf 2.450 im Jahr 2022, was einen Rückgang um 8,3 Prozent bedeutet. Nach einem unerwarteten Einbruch der Organspendezahlen um beinahe 30 Prozent in den ersten vier Monaten 2022 fand zwar eine Stabilisierung auf dem Niveau der Vorjahre statt, doch insgesamt hat sich 2022 bis Ende November der Organmangel im Vergleich zu den Vorjahren sogar noch einmal weiter verschärft (Abb. 1 und 2).

Aus dem Eurotransplant-Verbund konnten hierzulande im vergangenen Jahr von Januar bis Ende November 2.569 Organe transplantiert werden, im Vergleichszeitraum 2021 waren es 2.740 (Abb. 3). Somit wurden in Deutschland 119 Organe mehr transplantiert als gespendet wurden, sodass wir innerhalb der Eurotransplant-Staaten, zu denen noch Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Kroatien, Slowenien und Ungarn gehören, weiterhin ein Importland bleiben, was Organe betrifft.

Statt der Trendwende kam Covid-19

Mit dem im April 2019 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende [4] waren zu Recht sehr viele Erwartungen verknüpft – sollte dieses doch eine Art Neustart bei der Organspende in Deutschland bewirken. Dass dabei insbesondere die klinikinternen Reformen wie z. B. die Freistellung von Transplantationsbeauftragten eine gewisse Zeit brauchen, um umgesetzt zu werden, war allen Beteiligten an der Gemeinschaftsaufgabe Organspende bewusst. Doch kaum erhofften wir uns angesichts vorsichtig steigender Organspendezahlen zu Beginn des Jahres 2020 erste Erfolge des neuen Gesetzes zu erzielen, breitete sich kurze Zeit später auch hierzulande die Coronavirus-Pandemie aus, die seitdem direkten und indirekten Einfluss auf die Arbeit in den Kliniken und damit auch die Organspende nimmt.

Erfreulicherweise kam es bei uns insbesondere zu Beginn der Pandemie nicht zu jenen massiven Einbrüchen wie in anderen europäischen Ländern, die teils Einbußen im zweistelligen Bereich verzeichnen mussten. Dank der Struktur unseres Gesundheitssystems und dem sehr engagierten Personal in den Kliniken blieben die Organspendezahlen über den Pandemieverlauf von 2020 und 2021 durchweg fast annähernd auf dem Niveau von 2019 (postmortale Organspenderinnen und Organspender Januar bis November 2019: 862; 2020: 852, 2021: 856). Jedoch führten die coronabedingten außergewöhnlichen Belastungen dann zuletzt zu Beginn des Jahres 2022 doch noch zu einem stärkeren Rückgang als erwartet.

Abb. 1: Postmortale Organspender in Deutschland. Veränderung zum Vorjahr in Prozent, Januar bis November 2022* [1]

Abb. 2: Postmortal gespendete Organe in Deutschland. Veränderung zum Vorjahr in Prozent, Januar bis November 2022* [2]

Abb. 3: Transplantierte Organe in Deutschland nach postmortaler Spende. Veränderung zum Vorjahr in Prozent, Januar bis November 2022* [3]

Denn der Jahreswechsel 2021/2022 ging mit dramatisch weniger Organspenden einher. Einer der Gründe waren in den Kliniken auch die hohen Personalausfälle, die die Omikronwelle mit sich brachte. Ein weiterer Grund: Eine nicht unerhebliche Zahl potenzieller Organspender war selbst SARS-CoV-2-positiv und wurde gemäß internationaler Empfehlungen vorsorglich von einer möglichen Spende ausgeschlossen. Erst im Verlauf des Frühjahrs 2022 wurde dies geändert, nachdem zunehmend Erfahrungen aus anderen Ländern vorlagen, die zeigten, dass bei sorgfältiger Spendercharakterisierung eine Transplantation von Organen von SARS-CoV-2-positiven Spenderinnen und Spendern vertretbar erscheint. In diesem Sinne äußerte sich auch die Bundesärztekammer in einem im Mai mit weiteren Experten veröffentlichten Positionspapier. Seitdem können nach sorgfältiger Abwägung der Risiken und Chancen auch Organe von diesen Verstorbenen vermittelt werden.

Seit Mai 2022 befinden sich die Organspendezahlen wieder auf dem Niveau der Vorjahre. Gleichzeitig hat sich die Kontaktaufnahmen der Kliniken zur DSO nochmals erhöht, ein Trend, der sich erfreulicherweise nun bereits über mehrere Jahre fortsetzt, was aber leider bislang noch nicht zu der erhofften Zunahme der Spenden geführt hat.

Auswirkungen der Pandemie auf die gesetzlichen Reformen

Viele Maßnahmen des Gesetzes aus dem Jahr 2019 konnten durch die pandemiebedingte Belastung des gesamten Gesundheitswesens nicht in dem Umfang zeitnah umgesetzt werden, wie es wünschenswert und notwendig gewesen wäre. Zudem wird eine Verschärfung des Personalmangels in vielen Kliniken berichtet. Dies macht sich insbesondere bei so komplexem Abläufen wie einer Organspende bemerkbar – sie stellen eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe dar, die nicht nur intensivmedizinische Expertise, sondern auch Zeit und Ressourcen braucht. Gerade für kleinere Häuser ist sie ein eher seltenes Ereignis und damit eine zusätzliche Herausforderung.

Pflegerischer und ärztlicher Personalmangel sowie die fehlende Kapazität an Intensivbetten sahen die Transplantationsbeauftragten in den Entnahmekliniken dann auch als Hauptgrund für rückläufige Organspenden im ersten Quartal 2022. Dies ergab eine Online-Umfrage der DSO vom Herbst 2022, an der sich knapp 400 Transplantationsbeauftragte beteiligten [5]. Weitere Faktoren seien frühzeitige Therapielimitierungen und Ablehnungen durch Angehörige. Infektionen potenzieller Organspenderinnen und Organspender mit SARS-CoV-2 hatten hingegen laut Erhebung eine viel geringere Relevanz.

Was brachte das neue Gesetz von 2022?

Es wurde im Januar 2020 verabschiedet und trat zum 1. März 2022 in Kraft – das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende [6] soll die Aufklärung der Bevölkerung über Organspende und die Willensbildung fördern. Denn letztlich können in Deutschland Organe nur dann gespendet werden, wenn eine Zustimmung dafür vorliegt.

Informiert und aufgeklärt werden sollen die Bürgerinnen und Bürger z. B. in den Ämtern, wenn sie einen neuen Pass oder Ausweis beantragen oder verlängern wollen. Die Hausärzte/-ärztinnen sollen zusätzlich alle zwei Jahre bei Bedarf ihre Patientinnen und Patienten zum Thema Organspende beraten – und ihre Entscheidung für oder gegen eine Organ- und Gewebespende soll dann in einem Online-Register dokumentiert werden können.

Bereits im Vorfeld gab und gibt es jedoch Diskussionen um Nachbesserungsbedarf. So herrscht bezüglich der Aufklärungsarbeit in den Ämtern noch Uneinigkeit über die Zuständigkeiten.

Ein anderer und für uns sehr wichtiger Punkt wurde auf unser Bestreben hin und dem der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) bereits rechtzeitig zum Inkrafttreten am 1. März 2022 umgesetzt: So können die Ärztinnen und Ärzte nun bereits Einsicht in das Online-Register bekommen, wenn der irreversible Hirnfunktionsausfall unmittelbar bevorsteht oder als bereits eingetreten vermutet wird. Somit kann der Wille der Patientinnen und Patienten bezüglich einer Organspende bei Therapieentscheidungen am Ende des Lebens im Sinne der Patientenautonomie entsprechend umgesetzt werden – und diese Regelung geht auch konform mit den Vorgaben in der Richtlinie Spendererkennung der Bundesärztekammer.

Der Start des Online-Registers hat sich nun aber bereits verzögert und wird aktuell mit frühestens Ende 2023/Anfang 2024 benannt. Zudem wird es den gewünschten Erfolg nur dann bringen, wenn möglichst viele Menschen ihren Willen über die Organspende dort auch dokumentieren. Der Zugang muss daher möglichst niederschwellig sein, gleichzeitig aber den aktuellen Datenschutzbestimmungen genügen – und hier könnte eine bürokratische Hürde den gut gemeinten Ansatz zunichtemachen. Denn einen Eintrag kann man nach bisheriger Planung nur mittels Personalausweis mit Online-Ausweisfunktion vornehmen. Wer diesen noch nicht hat bzw. nicht haben möchte, wird weiterhin die Dokumentation seiner oder ihrer Entscheidung in einem Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung vornehmen müssen

Bei der Aufklärung in den Hausarztpraxen gibt es erste Erfolge: Hier hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung umfangreiches Informationsmaterial bereitgestellt – zum einen zur Abgabe an die Patientinnen und Patienten, zum anderen, um das Wissen der Hausarztpraxen selber zu erhöhen. Auch die DSO bietet in ihrem E-Learning-Modul für Arztpraxen umfangreiches Info- und Lernmaterial zur Organspende an.

Ob das neue Gesetz mit den beschriebenen Maßnahmen dann tatsächlich zu einer Steigerung der Zustimmung zur Organspende in der Bevölkerung führt, werden wir allerdings frühestens in einigen Jahren sehen.

Fokus auf die Angehörigenbetreuung

Auch wenn die Situation der Organspende in den Kliniken weiterhin Grund zur Sorge gibt, hat sich zumindest einiges getan, was die Wertschätzung der Organspenderinnen und Organspender und ihrer Angehörigen betrifft. Denn mit dem Gesetz von 2019 wurden die Rahmenbedingungen für die Angehörigenbetreuung neu definiert bzw. offiziell in die Hände der DSO gelegt. Dabei haben wir die Begleitung und Unterstützung der Angehörigen schon immer als wesentlichen Bestandteil unserer Arbeit angesehen. So bieten wir den Kliniken in der Akutsituation an, dass unsere Koordinatorinnen und Koordinatoren das Angehörigengespräch zur Einwilligung in die Organspende gemeinsam mit dem behandelnden Arzt bzw. der Ärztin führt. Zudem stehen sie den Angehörigen jederzeit als Ansprechpartner im Organspendeprozess auf der Intensivstation sowie bei der Abschiednahme nach einer Organspende zur Verfügung. Auch nach Abschluss der Organspende kümmern wir uns weiterhin um die Spenderfamilien. Dazu gehören die Durchführung von Angehörigentreffen, die Information der Angehörigen über das Ergebnis der Organtransplantation in anonymisierter Form und zudem die Weiterleitung von anonymen Dankesbriefen des Organempfängers bzw. der -empfängerin an die nächsten Angehörigen sowie anonymer Antwortschreiben der nächsten Angehörigen an den Organempfänger bzw. die -empfängerin über das Transplantationszentrum, in dem das Organ übertragen wurde. Die Voraussetzung für die Weiterleitung solcher Briefe ist, dass beide Seiten ihr Einverständnis dafür erteilt haben.

Förderung der öffentlichen Wertschätzung

Die gesetzlichen Änderungen von 2019 haben den rechtlichen Rahmen für die Angehörigenbetreuung geschaffen. Um auch die gesellschaftliche Anerkennung der Organspender stärker zu fördern, hat der Gemeinschaftliche Initiativplan Organspende [7], der das verabschiedete Gesetz in der Praxis seit Sommer 2019 begleitet, den öffentlichen Dank an alle Organspenderinnen und Organspender mittels Veranstaltungen, Online-Angeboten und Gedenkstätten als eine seiner Maßnahmen aufgeführt.

Auch hier wurde bereits einiges erfolgreich umgesetzt: So fand bereits im Herbst 2019 die von der DSO organisierte erste „Zentrale Veranstaltung zum Dank an die Organspender“ im Park des Dankens, des Erinnerns und des Hoffens in Halle (Saale) statt. Bei diesem überregionalen jährlichen Treffen kommen Spenderfamilien, Organempfängerinnen und Organempfänger, Wartelistenpatientinnen und -patienten sowie Menschen aus Medizin und Politik zusammen, um der verstorbenen Organspender und -spenderinnen zu gedenken. Dieses Danken und Gedenken wird durch eine Baumpflanzaktion als Zeichen der Verbundenheit von Organspendern und -empfängern begleitet.

Aber auch in anderen Regionen Deutschlands finden mittlerweile solche öffentlichen Würdigungen für Organspender und deren Angehörige statt. So gibt es seit 2015 im Saarland die „Oasen geschenkten Lebens“ und seit 2021 das DANK-Mal auf dem Gelände der Charité Berlin, Campus Virchow, sowie eine Gedenkstätte im Patientengarten des Schwarzwald-Baar-Klinikums in Villingen-Schwenningen. Seit Herbst 2020 steht darüber hinaus die Plattform www.dankesbriefe-organspende.de als virtueller Treffpunkt für Spenderfamilien, Organempfänger, Wartelistenpatienten und alle, die sich mit den Themen Organspende und Transplantation befassen, zur Verfügung. Die Website bietet darüber hinaus praxisnahe Informationen für Transplantierte und Angehörige von Spendern zum Ablauf und den gesetzlichen Rahmenbedingungen des anonymen Briefwechsels. Betrieben wird das Portal von der DSO, mit Unterstützung der Deutschen Transplantationsgesellschaft, des Bundesverbands Niere e.V., des Bundesverbands der Organtransplantierten e. V., des Lebertransplantierten Deutschland e.V. und des Netzwerks Spenderfamilien.

DSO sorgt für Sicherheit im Organspendeprozess

Gerade in Zeiten eines eklatanten Organmangels zählt nicht nur jede Spende, sondern jedes einzelne Organ. Daher setzen wir uns als Koordinierungsstelle für die postmortale Organspende dafür ein, dass entnommene Organe in bestmöglichem Zustand an die Empfängerinnen und Empfänger weitergegeben werden. Zu diesem Zweck entwickeln und fördern wir nicht nur umfangreiche digitale Hilfsangebote für die Aufgaben der Transplantationsbeauftragten, sondern unterstützen auch neue Verfahren im Organspendeprozess. In diesem Jahr steht die Einführung der Maschinenperfusion für die Organkonservierung von Spendernieren bevor. Mit dieser Methode können Ischämieschäden gemindert und so die Funktionalität der Organe erhöht werden – was bei der wachsenden Zahl der chronischen Nierenerkrankungen samt Organbedarf dringend notwendig ist.

Bereits etabliert ist das System DSO.isys web, das aus unserer Sicht wesentlich zur Sicherheit im Organspendeprozess beiträgt und zu den vielen Unterstützungsangeboten gehört, die wir den Kliniken zur Verfügung stellen, um die Abläufe während einer Organspende zu erleichtern. Zudem erlaubt es den Transplantationszentren, schnell und effizient an Daten zu gelangen. Ein weiteres digitales Unterstützungsprogramm ist das Screeningtool DETECT, das eine frühe und systematische Spendererkennung ermöglicht. Es wurde von der Hochschulmedizin Dresden in Kooperation mit der DSO entwickelt und steht allen Kliniken kostenlos zur Verfügung. Retrospektive Todesfallanalysen in Entnahmekrankenhäusern mit DSO-TransplantCheck haben gezeigt, dass durch rechtzeitiges Erkennen mehr Spenden realisiert werden könnten. Hier kann das automatisierte elektronische Screeningtool DETECT auf den Intensivstationen einen wertvollen Beitrag leisten und die Arbeit der Transplantationsbeauftragten in den Kliniken unterstützen.

Der praxisnahe Austausch über solche Neuerungen und Optimierungen prägt unsere Zusammenarbeit mit unseren Partnern in den Kliniken. Daher haben wir dem Thema Qualitätssicherung bei der Organspende auf unserem Jahreskongress Anfang November 2022 mehrere Vorträge gewidmet, die auf der Kongress-Website auch als Video abrufbar sind: DSO Kongress 2022 Rückblick und Vorträge (z. B. Neues zu DSO.isys web, welche Untersuchungen werden zur Beurteilung thorakaler und viszeraler Organe benötigt sowie die Vorstellung von VivaScope, einem speziellen Mikroskop, das eine zeiteffiziente Unterscheidung zwischen pathologischem und gesundem Gewebe in Echtzeit ermöglicht).

Kulturwandel: dringend erforderlich

Wir sind zuversichtlich, dass sich die Lage in den Kliniken auch wieder entspannt und sich damit die 2019 gesetzlich angestoßenen Reformen zur Verbesserung der Organspende vollends entfalten können. Allerdings müssen wir mit Blick auf die rund 8.500 schwer kranken Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten dringend über weitere grundlegende Maßnahmen nachdenken und die notwendigen gesellschaftlichen Diskussionen dazu führen. Ein wichtiger Baustein könnte hier die schon vielfach geforderte Einführung der Widerspruchslösung auch in Deutschland sein, so wie sie bereits in allen anderen Eurotransplant-Mitgliedsländern etabliert ist. Umfragen in der Bevölkerung bestätigen immer wieder eine hohe Bereitschaft zur Organspende. Eine Widerspruchsregelung könnte den Gedanken an die Organspende innerhalb der Gesellschaft und in den Kliniken weiter fördern und selbstverständlich machen und so grundlegende Voraussetzungen für einen Kulturwandel bei der Organspende schaffen.

Literatur

[1]   www.dso.de/organspende/statistiken-berichte/organspende. Zugriff 19.12.22
[2]   www.dso.de/organspende/statistiken-berichte/organspende. Zugriff 19.12.22
[3]   www.dso.de/organspende/statistiken-berichte/organtransplantation Zugriff 19.12.22
[4]   Bundesgesetzblatt im Internet. Zweites Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (2019). https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/O/GZSO_BGBl.pdf Zugriff 19.12.22
[5]   Schulze AK. Deutsche Stiftung Organtransplantation: Kultur der Organspende schaffen. Dtsch Arztebl 2022; 119(45): A-1952 / B-1623.
[6]   Bundesgesetzblatt im Internet. Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende (2020). http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl120s0497.pdf Zugriff 19.12.22
[7]   Bundesministerium für Gesundheit. Gemeinschaftlicher Initiativplan Organspende (2019). https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/O/Organspende/Initiativplan_Organspende.pdf Zugriff 19.12.22

* Hinweis zu Abbildungen 1–3: Die kompletten Jahreszahlen zu Organspende und Transplantation inkl. Dezember 2022 lagen zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht vor, können aber ab Mitte Januar 2023 online hier abgerufen werden: www.dso.de/dso/presse/pressemitteilungen

Dr. med. Axel Rahmel

Medizinischer Vorstand

Deutsche Stiftung Organtransplantation

Hauptverwaltung

Deutschherrnufer 52

60594 Frankfurt am Main

[email protected]

Panorama

Rahmel A: Organspende in Deutschland: weiterhin keine Erholung in Sicht Passion Chirurgie. 2023 Januar/Februar; 13(1/2): Artikel 09_01.

Weitere Artikel zum Thema finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) unter der Rubrik Panorama. 

Leserbrief

CHIRURGIE+
Leserbrief

Betrifft: Artikel aus Passion Chirurgie 09/QIII/2022: „Mindestmengen bei der chirurgischen Behandlung von Lungenkrebs“ von Dr. med. Gunda Leschber und PD Dr. habil. Pia Menges. Sie finden den Artikel auf BDC|Online (www.bdc.de) im Bereich POLITIK, oder klicken HIER.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

mit Verweis auf die Publikation von Nimptsch et al. 2017 mit Sinken der Krankenhaus-Sterblichkeit unter den bundesweiten Durchschnitt von 2,9 Prozent ab 108 durchgeführten Operationen, die sich zudem nur in vier von sechs untersuchten, nicht thoraxchirurgischen Entitäten zeigte, werden trotzdem in der konkreten Entscheidung des Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) vom 16.12.21 nur 75 anatomische Lungenkrebs-Operationen pro Standort beschlossen, was von den Autorinnen Leschber und Menges unkommentiert bleibt, jedoch in Anbetracht der Mindestmengen bei anderen Organen eine gewisse Willkür des G-BA erkennen lässt.

Es wiederhole sich die Zahl 75, so weiter, die die Deutschen Krebsgesellschaft bei der Zertifizierung zum Lungenkrebszentrum als Anzahl von Eingriffen definiert habe, die eine Expertise auf dem Gebiet der Thoraxchirurgie und der beteiligten Fachabteilungen ausweise.

Völlig unberücksichtigt bleiben bei der rein quantitativen Forderung der Leistungszahlen in der Festlegung des G-BA allerdings die hohen qualitativen Anforderungen bei der Zertifizierung zu einem Lungenkrebszentrum. Ebenso unberücksichtigt bleibt auch die Anzahl und berufliche Erfahrung der operierenden Ärzte.

Ein Beispiel: In einem Lungenkrebszentrum mit einem Chefarzt, drei Oberärzten und vier Assistenzärzten werden 75 anatomische Resektionen durchgeführt, das macht für jeden neun Operationen im Jahr. Werden diese hingegen in einer kleinen spezialisierten Einheit mit zwei Fachärzten und einem Assistenzarzt durchgeführt, kommen im Schnitt auf jeden 25 Operationen. Ebenso kann die Erfahrung eines gestandenen Thoraxchirurgen nach vielen Berufsjahren nicht mit der eines jungen Facharztes, der zum ersten Mal den Zenit von 75 durchgeführten Operationen erreicht hat, verglichen werden. Eine differenziertere Betrachtung wäre daher angebracht.

Prinzipiell wird sich niemand dagegen verwahren, dass eine höhere Anzahl von durchgeführten Operationen nach Verlassen der Learning Curve eine höhere Qualität liefert, jedoch sollte ein entsprechendes Augenmaß angewendet werden. Ich zitiere die Aussagen der Deutschen Krankenhausgesellschaft zu diesem Thema im Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ), Deutsches Ärzteblatt, Jg. 119, Heft 12, 25. März 2022: „Während Mindestmengen im niedrigeren Bereich durch Ausschluss von Gelegenheitsversorgung die Qualität ohne wesentliche Nachteile steigern können, führen hohe Mindestmengen bei nur geringfügig weiter steigender Qualität zu einer deutlichen Zunahme der Nebenwirkungen beziehungsweise negativen Auswirkungen“, erklärt die DKG gegenüber dem DÄ … Mit den beschlossenen Mindestmengen für Brust- und Lungenkarzinome werde möglicherweise jedoch gerade das Gegenteil erreicht … Die DKG habe […] eine Mindestmenge von 20 für die Operation eines Lungenkarzinoms vorgeschlagen … „Dies konterkariert unsere Bemühungen um eine Verbesserung der Versorgungsqualität.

Die Mindestmengen bei spezialisierten viszeralchirurgischen Eingriffen hat nicht die Schließung der chirurgischen Klinik zur Folge, da diese durch zahlreiche andere Operationen kompensiert werden kann. In der Thoraxchirurgie stellen die anatomischen Resektionen jedoch das wesentliche Element dieses Fachbereichs dar, sodass ein Wegfall derselben die Schließung der gesamten thoraxchirurgischen Abteilung befürchten lassen muss.

Durch Wegfall der anatomischen Resektionen von Lungenkrebserkrankungen werden langfristig an diesen Standorten auch sämtliche weiteren thoraxchirurgischen Interventionen verschwinden, spätestens dann, wenn die verbliebenen Thoraxchirurgen in ein Zentrum wechseln oder in Rente gehen. Damit wird sich die gesamte flächendeckende thoraxchirurgische Versorgung in Deutschland verschlechtern oder die Patienten werden auch bei geringfügigeren Lungenerkrankungen die Zentren überfüllen und diese von ihrem eigentlichen spezialisierten Auftrag abhalten.

Die Aussage der Autorinnen, dass bei der Anzahl von 75 noch genügend Leistungserbringer der Kliniken übrig blieben, die eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sicherstellen würden, trifft zumindest für das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern schon jetzt nicht zu, das es bis zum heutigen Tag nicht geschafft hat, auch nur ein einziges zertifiziertes Lungenkrebszentrum – mangels Zahlen in dem dünn besiedelten Flächenland – zu etablieren.

Mit freundlichem Gruß

Dr. med. Wolfram Klemm

Antwort der Autorinnen

Sehr geehrter Herr Dr. Klemm,

Die nach dem Beschluss des G-BA entstandene Diskussion um die konkrete Zahl der Mindestmenge von 75 anatomischen Resektionen pro Jahr ist absolut richtig, nachvollziehbar und gerechtfertigt. Im Entstehungsprozess war allen Beteiligten präsent, dass diese Zahl zwangsläufig dazu führen würde, dass deutschlandweit einige kleinere Standorte keine thoraxchirurgischen Operationen mehr anbieten können. Dies wurde jedoch dem Ziel der größtmöglichen Qualität der Therapie für die Patienten nachrangig gestellt.

Letztlich geht die quantitative Forderung des G-BA sicher mit einer qualitativen Verbesserung einher, weil schließlich gerade in der Chirurgie ein wesentlicher Erfolgsfaktor die Erfahrung aufgrund vieler vorgenommener Eingriffe ist. Dabei wurde auch im Entstehungsprozess sehr umfangreich berücksichtigt, dass eine thoraxchirurgische Therapie immer eine Teamleistung ist. Der Erfolg einer thoraxchirurgischen Operation begründet sich ja nicht nur auf dem Können der Chirurgin/des Chirurgen, sondern hängt im Ganzen von der Erfahrung der Anästhesie ab, von der Qualität der intensivmedizinischen Betreuung, von der Expertise der involvierten Pneumologie, vom Kenntnisstand der Radiologie etc. Und gerade weil die thoraxchirurgische Therapie eine Teamleistung ist, ist die differenzierte Betrachtung eines gestandenen Thoraxchirurgen vs. jungem Facharzt, wie im Leserbrief vorgeschlagen, nicht hilfreich, da in diesem Fall eben alle Disziplinen dieser Beobachtung unterzogen werden müssten. Die Studie von Nimptsch hatte ja sogar noch den höheren Grenzwert von 108 Operationen bei Lungenkrebs ergeben, ab dem die Sterblichkeit der Operation unter den Bundesdurchschnitt sinkt. Auch dabei wurde nur das Ergebnis des Krankenhauses, nicht aber des einzelnen Operateurs gewertet.

Für ein Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern hat der Wegfall von Standorten für die einzelnen Patienten sicherlich die Konsequenz, dass sich hier Fahrzeiten zum nächsten thoraxchirurgischen Zentrum verlängern werden. Dies ist in den ländlichen Gebieten jedoch auch heute schon der Fall. Im Entstehungsprozess beim G-BA wurde davon ausgegangen, dass der einzelne Patient eine längere Fahrzeit gerne in Kauf nimmt, wenn ihm dafür eine höhere Qualität zugesichert werden kann. Die Etablierung von Lungenkrebszentren in diesem Bundesland ist nun nach Einführung der Mindestmenge in Zusammenhang mit der Übergangsfrist nur mehr eine Frage der Zeit.

Dr. Gunda Leschber & PD Dr. Pia Menges

Dr. med. Wolfram Klemm

Chefarzt Chirurgische Klinik II

Thorax- und Gefäßchirurgie

MediClin Müritz-Klinikum

Weinbergstraße 19

17192 Waren (Müritz)

[email protected]

Chirurgie+

Klemm W: Leserbrief. Passion Chirurgie.
2023 Januar/Februar; 13(01/02):
Artikel 04_08.

Diesen Artikel finden Sie auf
BDC|Online (www.bdc.de) unter der Rubrik Wissen | Politik.

Willkommen zum Bundeskongress Chirurgie 2023 in Nürnberg!

Wir laden Sie herzlich ein, vom 10.-11. Februar 2023 gemeinsam mit uns die Zukunft der Chirurgie zu diskutieren und zu gestalten. Unter dem Motto „Zurück in die Zukunft: Bewährtes sichern – Neues wagen!“ haben wir ein hochkarätiges Programm für Sie zusammengestellt.

Mit der Unterstützung von mehr als 20 chirurgischen Fachgesellschaften und Berufsverbänden bieten wir Ihnen einen spannenden Austausch zu praxisrelevanten Themen. Ganz besonders freuen wir uns auf die aktive Unterstützung und Teilnahme des Berufsverbandes der Chirurgie e.V. an unserem Kongress.

Freuen Sie sich auf ein zweitägiges Spitzenprogramm aus medizinisch- wissenschaftlichen Sitzungen, spannenden Fachsymposien und interessanten Workshops. Oder auf den Besuch unserer vielfältigen Industrieausstellung und auf das Netzwerken vor Ort mit Kolleginnen/Kollegen und dem medizinischen Nachwuchs.

Es ist für alle etwas dabei: von Sitzungen zu Viszeral-, Gefäß- und Fußchirurgie, über postbariatrische und metabolische Chirurgie zu Robotik, Proktologie und Anästhesie bis hin zur Unfall- und Kinderchirurgie. Daneben gibt es die Hernien- und Wundsymposien sowie das BAO-Symposium, die Plattform für alle Anästhesisten, Chirurgen, Urologen und ambulanten Operateure in Praxis und Klinik. Beim „Jungen Forum“ kommt die jüngere Generation zu Wort und tauscht sich von Assistenz zu Assistenz über Fälle und Herausforderungen im beruflichen Alltag aus.

Mit dem „Tag der medizinischen Fachberufe“ haben alle medizinischen Fachangestellten, einen eigenen Programmpunkt, bei dem es neben betriebswirtschaftlichen und juristischen Inhalten auch um berufspolitische und soziale Themen geht.

Abgerundet wird das wissenschaftliche Programm durch Seminare und Kurse, bei denen die Ärzte und MFA die Fortbildungsvorgaben der DGUV (Kindertraumatologie, Gutachten, Reha Medizin und Reha Management), des Strahlenschutzes und der Hygienerichtlinien (z. B. Präsenzseminar „Hygienebeauftragter Arzt“) erfüllen können.

Zuletzt sei noch auf unseren berufspolitischen Nachmittag verwiesen, an dem wir uns traditionell mit der aktuellen Gesundheitspolitik auseinandersetzen und für den wir im kommenden Jahr Klaus Holetschek, den Bayerischen Staatsminister für Gesundheit und Pflege, gewinnen konnten.

Wir freuen uns, Sie auch im Namen der beteiligten Berufs- und Fachverbände auf dem Bundeskongress Chirurgie 2023 in Nürnberg begrüßen zu dürfen!

Jan Henninger

Kongressleitung

Bundeskongress Chirurgie 2023

Dr. med. Frank Sinning

Kongressleitung

Bundeskongress Chirurgie 2023

Chirurgie+

Henniger J, Sinning F: Willkommen zum Bundeskongress Chirurgie 2023 in Nürnberg! Passion Chirurgie. 2022 Dezember; 12(12): Artikel 04_06.

Artikel zur Niederlassung finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) unter der Rubrik Wissen | Fachgebiete | Niederlassung.

Passion Chirurgie im Dezember: Programmatik und Leitbild des BDC

Hier geht´s zur digitalen Ausgabe! 

Wir beschließen das Jahr 2022 mit der Dezemberausgabe der Passion Chirurgie, in der wir Ihnen die strategische Ausrichtung des Verbandes vorstellen. Vorstand, Geschäftsführung und Mitglieder des erweiterten Vorstandes haben gemeinsam strategische Innovationen auf den Weg gebracht, die neben der Umbenennung des BDC und der Einführung eines programmatischen Leitbilds auch die Umstrukturierung der Themenreferate mit sich bringen.

Für die Planung Ihrer chirurgischen Fort- und Weiterbildung empfehlen wir das neue BDC|Akademie-Programm für 2023! Neben dem Ausbau des robotischen Curriculums hat die wissenschaftliche Akademieleitung neue Veranstaltungsformate entwickelt. HIER geht´s online zum Programm.

Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien friedvolle, gesunde und erholsame Weihnachtsfeiertage und einen guten Rutsch ins Jahr 2023!

Bleiben Sie gesund, ho ho ho
Ihre PASSION CHIRURGIE-Redaktion

 

Dr. Günther Matheis: Der Übergang vom OP-Tisch zum Kammer-Präsidenten war fließend

GESUNDHEITSPOLITIK
Dr. Günther Matheis: Der Übergang vom OP-Tisch zum Kammer-Präsidenten war fließend

Chirurginnen und Chirurgen brauchen für ihre Arbeit viele Eigenschaften, die auch in der Politik von Vorteil sind. Dazu zählt neben handwerklichem Geschick besonders Entscheidungsfreude, Verantwortungsbewusstsein, Durchhaltevermögen, Disziplin und Ausdauer. Alles Eigenschaften, die helfen, in der Politik Herausforderungen zu erkennen, zu handeln und auch bereit zu sein, dicke Bretter zu bohren, um ans Ziel zu kommen.

Dies kommt auch mir bei meiner politischen Arbeit zugute. In der Berufspolitik habe ich mich schon früh engagiert. Direkt nach dem Studium bin ich in den Marburger Bund eingetreten, setzte mich viele Jahre lang für die Interessen der Kolleginnen und Kollegen ein und übernahm immer mehr Verantwortung. Meinen Facharzt für Chirurgie absolvierte ich 1990; 1992 kam das Teilgebiet Thorax- und Kardiovaskularchirurgie dazu und der Facharzt für Thoraxchirurgie im Jahr 2007. Die klinische Ausbildung erfolgte an der Medizinischen Hochschule Hannover und am Deutschen Herzzentrum Berlin.

Ich erlebte die Jahre der sogenannten Ärzteschwemme genauso wie jetzt die Zeiten des Ärztemangels. 2011 wurde ich zum Vorsitzenden der Bezirksärztekammer Trier gewählt und war zugleich auch Mitglied im Vorstand der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz. 2016 wählten mich die Ärztinnen und Ärzte schließlich zum Präsidenten der Landesärztekammer. Seit 2021 habe ich darüber hinaus auch das Amt des Vizepräsidenten der Bundesärztekammer inne und bringe mich auch dort in vielen Ausschüssen inhaltlich ein.

Operiert habe ich immer sehr gerne. Aber der Verwaltungsanteil hat früh angefangen, immer mehr Zeit in Anspruch zu nehmen. Die Arbeitszeit hat sich bedeutsam verdichtet und die Bürokratie und auch der ökonomische Druck sind exponentiell gewachsen – zu Lasten der Zeit für die Patientenversorgung. Mein Übergang vom OP-Tisch zum Ärztekammer-Schreibtisch war letztendlich fließend. Das Operieren ist auch nicht gänzlich verschwunden, auch wenn es bedeutend weniger geworden ist. Ich leite nach wie vor die thoraxchirurgische Sektion innerhalb einer Abteilung für Herz- und Thoraxchirurgie in Trier. Das ist mir wichtig, um den Kontakt zur Basis zu behalten. Ich habe das Glück, dass ich auch dort über ein gutes Team verfüge, das vieles abfängt.

Nach und nach in die gesundheits- und berufspolitischen Sachthemen immer mehr hineinzuwachsen und Netzwerke aufzubauen, fand ich extrem spannend. Ich habe inzwischen sehr gute Kontakte zu den Hochschulen, einen Lehrauftrag an der Universitätsmedizin, pflege engen Austausch mit den Krankenhäusern und den Ärzteverbänden aber natürlich auch mit der Politik. Dadurch sind sehr oft Gespräche auf kurzem Dienstweg möglich, die von beiden Seiten genutzt werden. Das erleichtert den Austausch und wir werden als Landesärztekammer mit unserer Expertise als kompetenter Ansprechpartner wertgeschätzt.

Meine Jahre als Vorsitzender der Bezirksärztekammer Trier waren sehr hilfreich. Man wurde dadurch auch in der Landeshauptstadt Mainz schon bekannt. Zumal ich während meiner Trierer Amtszeit auch schon im Vorstand der Landesärztekammer aktiv war. Die Kammerarbeit in Trier wurde für dortige Verhältnisse bewusst sehr öffentlichkeitswirksam geführt. Beispielsweise habe ich starke Akzente gesetzt, die Rolle der Ärzte in der Region während der NS-Zeit aufzuklären. Denn auch vor Trier hatten diese schlimmsten Verwerfungen in der deutschen Geschichte nicht haltgemacht. Wir haben uns damit der unrühmlichen Vergangenheit gestellt und das Schweigen beendet. Daraus resultierte ein Buchprojekt in Zusammenarbeit mit der Universität. Mir war und es ist auch immer noch wichtig, vor allem jungen Ärztinnen und Ärzten zu zeigen, welch hohe moralische Verantwortung sie tragen.

Jedes Netzwerk ist auf seine Weise wichtig. Die Landesärztekammer ist beispielsweise während meiner Amtszeit in den Landesverband der Freien Berufe (LFB) eingetreten. Das war mir sehr wichtig, denn wir sind als Ärztinnen und Ärzte die größte Gruppe unter den Freiberuflern. In diesem Gremium können wir mit anderen Vertretern von freien Berufen im Schulterschluss gemeinsam noch wirksamer auftreten. Mittlerweile engagiere ich mich beim LFB auch als erster Vizepräsident.

Ein weiteres wichtiges Netzwerk hat sich während der Corona-Pandemie etabliert: die Steuerungsgruppe Impfen. Während der Akutphase haben wir uns gemeinsam mit dem Ministerium und vielen weiteren Institutionen täglich per Videokonferenz kurgeschlossen. Wir haben es geschafft, an einem Strang zu ziehen: zielgerichtet miteinander und keiner ist ausgeschert. Wir haben ausgesprochen unaufgeregt und effizient einen Weg gefunden. Alle Heilberufe haben in der Pandemiezeit Hand in Hand gearbeitet. Jeder steht in der Verantwortung, das zu tun, was er am besten kann. Und schaut zugleich, wen er noch unterstützen kann. Das hat gut geklappt und alle haben gemeinsam in unermüdlichem Dauereinsatz Hervorragendes geleistet. Ich bin zudem in den Ethikbeirat des Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit berufen worden.

Auf Landesebene haben wir inzwischen viele Projekte mit angestoßen wie beispielsweise das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin und die Koordinierungsstelle Weiterbildung Allgemeinmedizin. Beim Kompetenzzentrum sind wir gerne als Kooperationspartner mit dabei, denn es bietet für künftige Hausärztinnen und -ärzte ein interessantes Weiterbildungsprogramm und ist zugleich eine gute Anlaufstelle für Weiterbilder, um sich noch mehr Lehrkompetenz anzueignen.

Partner sind wir auch bei der Koordinierungsstelle. Hier laufen alle Fäden zusammen für die Verbundweiterbildung. In diesen Verbünden bieten Praxen und Kliniken die Weiterbildung Allgemeinmedizin als Komplettpaket an. Das gibt den angehenden Hausärzten viel Planungssicherheit.

Bedeutsam wird es auch werden, mit dem Ministerium eine zukunfts- und tragfähige Krankenhausplanung zu realisieren. Hierfür sitze ich für die Landesärztekammer mit am Tisch im Krankenhausplanungsausschuss.

Eine wichtige Bedeutung hat natürlich die ärztliche Weiterbildung und deren Weiterentwicklung. Wir haben beispielsweise mit als erste Landesärztekammer neu das Fachgebiet „Innere Medizin und Infektiologie“ eingeführt. Ein weiteres bundesweites Novum: Für den Kompetenzerwerb im großen Gebiet „Innere Medizin“ können sich Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz künftig sechs Monate lang auch Kompetenzen in anderen Gebieten aneignen. Das ist eine wichtige, zukunftsweisende Entscheidung.

Eine große Rolle wird auch weiterhin das Thema „Delegation oder Substitution von ärztlichen Leistungen“ spielen. Meine Position hierzu ist klar: Delegation halte ich in bestimmten Fällen für sinnvoll; Substitution lehne ich ab – genau wie der überwiegende Teil der Ärzteschaft.

Weiter am Ball bleiben werde ich mit der Landesärztekammer zudem beim Thema Studienplätze. Wir brauchen einfach mehr ärztlichen Nachwuchs, um den künftigen Versorgungsbedarf auch in Zukunft auf gutem Niveau decken zu können. Seit vielen Jahren weise ich auf den Mangel an Ärztinnen und Ärzten sowohl im hausärztlichen als auch im fachärztlichen Bereich hin. Und natürlich habe ich mich darüber gefreut, dass es gelungen ist, den Medizincampus Trier zu etablieren. Darauf habe ich schon während meiner Trierer Zeit hingearbeitet und es war toll, schließlich den Kooperationsvertrag mit zu unterschreiben.

Dieser zusätzliche Standort für ein regionalisiertes Medizinstudium ist ein wichtiger Baustein für eine dezentralisierte Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten. Wir stellen so für Medizinstudierende im klinischen Teil attraktive Rahmenbedingungen in der Lehre zur Verfügung. Zudem hoffe ich, dass Studierende nach ihrem Studium in der Trierer Region bleiben und dort in die ärztliche Versorgung einsteigen. Das wäre ein großer Gewinn für Eifel und Hunsrück.

Die berufspolitische Arbeit auf Bundesebene als Vizepräsident der Bundesärztekammer (BÄK) ist für mich eine wichtige Ergänzung zu meinem landespolitischen Engagement. So kann ich Themen für die gesamte Ärzteschaft landes- und bundesweit im Blick haben und für die Kolleginnen und Kollegen sowohl im niedergelassenen als auch im stationären Bereich gestalten. Wichtig ist es mir auch, auf Bundesebene gemeinsam tragfähige Beschlüsse zu erwirken. Als BÄK-Vize bin ich beispielsweise als Beauftragter der Bundesärztekammer für die bundesweiten Transplantationsgremien aktiv.

Mit Blick auf die Bundesebene liegt mir etwas sehr am Herzen und es ist eine elementare Forderung von mir: Die Ärzteschaft muss auf Bundesebene über die Bundesärztekammer im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vertreten sein. Und zwar mit Sitz und Stimme. Mir ist schon bewusst, dass die Bundesärztekammer weder Körperschaft noch Leistungserbringer ist. Für andere in diesem Kreis gilt das aber auch. Trotzdem sind sie mit Stimmrecht in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden. Ich bin mir sicher, dass wir als Ärzteschaft im G-BA oft zur Klärung von Sachverhalten wesentliche Beiträge leisten können, denn unsere Stellungnahmen im G-BA sind immer von hoher Effizienz sowie wissenschaftlich fundiert und sollten nicht nur informelle Berücksichtigung finden.

Berufspolitisch gibt es auch wichtige Themen in der Chirurgie, die ich im Blick habe. So hat beispielsweise das DRG-System so seine Tücken. Eigentlich ist es nicht schlecht gemeint, aber es birgt gerade in der Chirurgie auch die Gefahr der Fehlanreize. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass es nur noch darauf ankommt, hierbei ökonomisch zu denken, nämlich, dass jeder Eingriff Geld für die Klinik bringt, deshalb muss so viel wie möglich operiert werden. Das sollte so nicht sein.

Und wenn ich an unseren ärztlichen Nachwuchs denke, fällt mir immer mehr auf, dass es zunehmend schwieriger wird, Nachwuchs für die Chirurgie zu gewinnen und auch zu halten. Wir müssen die Rahmenbedingungen im Sinne einer Restrukturierung verbessern. Das müssen wir gemeinsam leisten. Ansonsten verliert die Chirurgie an Attraktivität. Und dass wäre für unser schönes Fach sehr schade und für die Patientenversorgung fatal.

Dr. Günther Matheis

Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz

Vizepräsident der Bundesärztekammer

Gesundheitspolitik

Matheis G: Dr. Günther Matheis: Der Übergang vom OP-Tisch zum Kammer-Präsidenten war fließend. Passion Chirurgie. 2022 Dezember; 12(12): Artikel 05_02.

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