Alle Artikel von Katrin Kammerer

Passion Chirurgie im September 2024

Zur Septemberausgabe 2024: Notfallversorgung

„Notfallversorgung“ ist das Thema der Septemberausgabe, die Sie in den nächsten Tagen auch als gedruckte Version erhalten. In unruhigen Zeiten ergeben sich auch neue Anforderungen an die Chirurgie. Wir berichten über die Entwicklung der Notfallmedizin und die chirurgischen Herausforderungen bei der Landes- und Bündnisverteidigung im Krisenfall.

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Safety Clip: Second Victim: Wenn der Beruf zum Trauma wird

Larissa Gerke

Das Personal im Gesundheitswesen wird tagtäglich mit schwerwiegenden Ereignissen und Patientenschicksalen konfrontiert. Dabei muss es nicht zwingend relevant sein, ob jemand selbst oder ein Kollege beziehungsweise eine Kollegin an der Behandlung beteiligt war. Die Belastung eines unerwünschten Ereignisses, eines unbeabsichtigten Behandlungsfehlers oder der Verletzung eines Patienten oder einer Patientin kann jeden emotional treffen und negative Folgen für die Psyche haben.

Second-Victim-Phänomen – ein alter Hut oder doch ein Dauerbrenner?

Kommt es zu einem Behandlungszwischenfall, dann stehen zunächst der Patient und die Angehörigen im Mittelpunkt (first victims). Bereits im Jahr 2000 prägte Albert Wu, Professor an der Johns Hopkins University in Washington, den Begriff Second Victim. Dieser bezieht sich auf die am Ereignis beteiligten Fachpersonen. Auch diese können durch den Vorfall von intensiven Emotionen wie Schuld, Scham oder Selbstzweifel betroffen sein und unter der daraus resultierenden hohen Belastung leiden.

Ein Blick in die deutschen Kliniken zeigt, dass es auch nach über 20 Jahren nach der Einführung des Begriffs nur selten feste Strukturen für den Umgang mit derartigen Situationen gibt. Zwar wird in der Praxis darauf hingewiesen, dass es Beratungsstellen für Betroffene oder auch interne Gesprächsangebote gibt, die Umsetzung dieser Angebote ist allerdings häufig unstrukturiert.

Eine Erklärung dafür könnte sein, dass das Phänomen laut aktuellen Ergebnissen zwar weit verbreitet, jedoch nur wenig bekannt ist. So die Erkenntnisse aus der SeViD-Studienreihe, die sich seit 2018 mit dieser Thematik in einzelnen Berufsgruppen in Deutschland befasst. Die Verbreitung des Phänomens scheint dabei wenig überraschend. Mitarbeitende im Gesundheitswesen sind ohnehin einer hohen Grundbelastung ausgesetzt – zum Beispiel durch Personalmangel, kritische Patienten, Notfallsituationen oder auch ausweglose Schicksale. Nicht selten geht es um Leben und Tod. Betroffen von schwerwiegenden Ereignissen ist dabei nicht nur junges Personal. Auch bei routiniertem, erfahrenem Personal kann eine schwerwiegende Belastung ausgelöst werden.

Die Folgen eines traumatischen Ereignisses

Die Folgen für Betroffene können vielfältig sein. Häufig kommt es zu einer dysfunktionalen Verarbeitung. Infolgedessen können sich die Betroffenen isolieren, Depressionen oder eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Die Belastung kann sich auch in Schlafstörungen äußern und dazu führen, dass die Situation immer wieder durchlebt wird. Es kann auch zu einer Substanzabhängigkeit kommen. Diese und weitere Faktoren wirken sich nicht nur auf die Gesundheit der Betroffenen aus, sondern auch auf den beruflichen Kontext. Die Angst vor zukünftigen Fehlern steigt und kann zur Unsicherheit im eigenen Handeln führen, sodass für manche nur noch die Flucht aus dem Beruf als Ausweg bleibt.

Die Folgen des Second-Victim-Phänomens können sich zudem auch negativ auf die Patientensicherheit auswirken. Behandelnde, die von der Angst geplagt sind, einen weiteren Fehler zu begehen oder auch an ihrer eigenen Fachkompetenz zweifeln, können ein defensives Verhalten entwickeln oder sie brauchen eine ständige Absicherung durch andere Teammitglieder. Zudem führt die gesundheitliche Belastung zu verminderter Leistungsfähigkeit, was wiederum die Fehleranfälligkeit erhöht. Dies kann zu Fehlentscheidungen, -handlungen oder verzögerten Behandlungen für die Patienten führen.

Letztendlich leidet aber auch die gesamte Organisation an den Folgen. Langfristige Ausfälle von Mitarbeitenden oder eine erhöhte Fluktuation können dem Betrieb schaden. Gleichzeitig können sich die Umstände negativ auf die vorherrschende Sicherheitskultur auswirken und diese schwächen.

Hilfe für Betroffene

Die Betroffenen wünschen sich häufig einen strukturierten Umgang mit derartigen Situationen. Besonders gefordert sind dabei die Führungskräfte. In deren Verantwortung liegt nicht nur die Schaffung etwaiger Strukturen, sondern auch die richtige Einschätzung der Mitarbeitenden und Situation, um entsprechende Maßnahmen anbieten und einleiten zu können. Das kann oftmals schwierig sein, da sie selbst durch das Ereignis betroffen sein können. Aber auch die Kolleginnen und Kollegen haben eine tragende Rolle und sollten im Umgang mit Second-Victims sensibilisiert werden.

In der Literatur bekannt ist das Drei-Stufen-Modell von Scott et al. (Abb. 1). Es beschreibt einen Eskalationsplan für die Unterstützung von Second Victims. In der ersten Stufe leisten die Teammitglieder Hilfe für die Betroffenen. Dazu müssen sie in der Lage sein, die Situation und die Belastung richtig einzuschätzen und dementsprechend zu handeln beispielsweise mit einem aktiven Gesprächsangebot. Schuldzuweisungen oder das altbekannte „Blame and Shame“ sollen vermieden werden, im Gegenteil dazu sollte Verständnis für die Hilfsbedürftigkeit gezeigt werden. Betroffene sollen dadurch ermutigt werden Hilfe einzufordern, ohne dass dies als Zeichen von Schwäche gedeutet wird. Darüber hinaus sollte ihnen eine kleine Auszeit angeboten werden, auch wenn das einen kurzfristigen Personalausfall bedeuten würde.

Abb. 1: Drei-Stufen-Modell zur Unterstützung von Second Victims nach Scott et al. [3]

Sollte diese Unterstützung nicht ausreichen, wird nach dem Modell von Scott et al. ein Spezialteam aktiviert. Hierbei handelt es sich um ein im Umgang geschultes Team, welches direkt und niederschwellig für Betroffene verfügbar ist. Dieses Team ist dann ebenfalls in der Lage zu erkennen, wann die Stufe drei erreicht und professionelle Hilfe benötigt wird.

Prävention

Um in derartigen Situationen richtig und direkt handeln zu können, ist es ratsam, frühzeitig ein entsprechendes Konzept zu etablieren und die Mitarbeitenden einzubeziehen. Die Ausbildung von Peers zur kollegialen Unterstützung kann dabei ein Bestandteil sein. Sie können für Betroffene kompetente Hilfe auf Augenhöhe nach dem Motto „Gleiche unter Gleichen“ bieten, weiterreichende Bedarfe erkennen und entsprechend vermitteln.

Zudem trägt eine etablierte und gelebte Sicherheitskultur zu einem offenen und systematischen Umgang mit Fehlern bei. Dies ermöglicht Mitarbeitenden einen Austausch ohne Angst vor Schuldzuweisungen, was sich auch im Fall von traumatischen Situationen positiv auswirkt.

Fazit

Auch wenn das Second-Victim-Phänomen weit verbreitet ist, ist der Umgang damit in den Kliniken weitestgehend noch nicht strukturiert worden. Noch häufig herrscht das Credo: „Das darf man halt nicht mit nach Hause nehmen!“ Die Folgen für Betroffene können aber gravierend sein und reichen von Isolation über psychische Erkrankungen bis zur Berufsaufgabe. Diese Faktoren können sich negativ auf die Patientenversorgung auswirken und stellen ein Risiko für die Patientensicherheit dar. Aus diesem Grund sollte das Ziel verfolgt werden, Betroffenen rechtzeitige und angemessene Unterstützung zu bieten, sodass diese im besten Fall an der Belastung wachsen können. Ratsam ist es, sich bereits präventiv innerhalb der Klinik mit dieser Thematik auseinanderzusetzen, um strukturierte Angebote zu entwickeln und zu etablieren.

Literatur

[1]   Wu AW (2000) Medical error: the second victim. The doctor who makes the mistake needs help too. BMJ 320(7237):726–727. https://doi.org/10.1136/bmj.320.7237.726

[2]   Scott SD, Hirschinger LE, Cox KR, McCoig M, Brandt J, Hall LW (2009) The natural history of recovery for the healthcare provider “second victim” after adverse patient events. Qual Saf Health Care 18(5):325–330. https://doi.org/10.1136/qshc.2009.032870

[3]   Strametz, R., Raspe, M., Ettl, B. et al. Handlungsempfehlung: Stärkung der Resilienz von Behandelnden und Umgang mit Second Victims im Rahmen der COVID-19-Pandemie zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens. Zbl Arbeitsmed 70, 264–268 (2020). https://doi.org/10.1007/s40664-020-00405-7

[4]   https://www.psu-akut.de/

[5]   https://www.hs-rm.de/de/fachbereiche/wiesbaden-business-school/wiesbaden-institute-for-healthcare-economics-and-patient-safety-wihelp/second-victims-im-deutschsprachigen-raum-sevid#publikationen-126652

[6]   https://www.plattformpatientensicherheit.at/download/themen/covid-19/20200504-HE-Second-Victim.pdf

Larissa Gerke

Risikoberaterin

GRB Gesellschaft für Risiko-Beratung mbH

Ecclesiastraße 1-4

32758 Detmold

[email protected]

www.grb.de

Chirurgie+

Gerke L: Safety Clip: Second Victim: Wenn der Beruf zum Trauma wird. Passion Chirurgie. 2024 September; 14(09/III): Artikel 04_03.

Weitere Artikel zur Patientensicherheit finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de), Rubrik Wissen | Qualität & Patientensicherheit | Safety Clip.

PASSION CHIRURGIE im Juli und August

Zur Ausgabe 07/08/2024: Familie und berufliche Perspektiven

Sommer, Sonne, Sonnenschein – ob im Urlaub, noch – oder wieder – am OP-Tisch: Lesen Sie in unserem aktuellen Magazin zum Thema Familie und berufliche Perspektiven in der Chirurgie. Das Leitungsteam unseres gleichnamigen Themen-Referates schreibt detailliert über Themen, wie „Elternzeit“, „Arbeitszeiten im Wandel?“ und das wenig besprochene, aber wichtige Thema „Suizidalität bei Chirurginnen und Chirurgen“. Berufspolitisch sind wir aktiv, lesen Sie die Stellungnahme des BDC und der DGCH zum Entwurf des Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung.

Planen Sie jetzt Ihre Wunschfortbildungen für den kommenden Herbst! Die BDC|eAkademie bietet Ihnen ein vielfältiges Portfolio an Seminaren, Webinaren, Hospitationen und Workshops zu allen acht Fachsäulen der Chirurgie, zwei Webinar-Reihen und einen eigenen Podcast. Information und Anmeldung zu BDC-Seminaren…

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BDC-Praxistest: Leistungsgruppe futsch – Aus die Maus?

Vorwort – Sie haben Post!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Sie haben Post!“ Diesen Klassiker von AOL aus dem Jahr 2012 kennen sicherlich die meisten. Dagegen den 14. Juni 2024 vielleicht nicht jeder. An diesem Tag haben alle Krankenhäuser in NRW die Benachrichtigungen des MAGS bzgl. der Leistungsgruppen-Zuteilung im Rahmen der zukünftigen Krankenhausplanung erhalten.

Und was Laumann kann, das kann natürlich Lauterbach mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) allemal. Im Gegenteil, jetzt sind es nicht nur 60, sondern 65 Leistungsgruppen, die auf den Weg gebracht werden sollen.

Natürlich kann man diese bundesweiten Reformpläne aus unterschiedlicher Sicht betrachten, wie z. B. vor dem Hintergrund des chronischen Fachkräftemangels oder der aktuellen Weiterbildungsordnung. Aber auch mit dem „juristischen Auge´“ sollten die Reformpläne sorgfältig betrachtet und eventuelle Auswirkungen definiert werden.

Entsprechend freuen wir uns, dass Herr Rechtsanwalt Steinhäuser uns im folgenden Beitrag einen aktuellen Überblick zu dieser Thematik gibt.

Erhellende Lektüre wünschen

Prof. Dr. med. C. J. Krones

und

Prof. Dr. med. D. Vallböhmer

Weg von einer Bettenplanung und hin zu einer Leistungsgruppensystematik. So war zumindest einer der zentralen Gedanken im Rahmen der Krankenhausreform. Durch die Leistungsgruppen sollte der regionale Versorgungsbedarf der Bevölkerung sowie die landeseinheitlichen Qualitätskriterien sorgfältig und angemessen berücksichtigt werden. Doch was nun? Ist die Leistungsgruppenzusage futsch?

Hierzu sollte man zumindest den aktuellen Stand der Krankenhausreform genauer unter die Lupe nehmen. Diese setzt sich im Kern im ersten Schritt aus dem am 28.03.2024 in Kraft getretenen Gesetz zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz (Krankenhaustransparenzgesetz) und im zweiten Schritt wesentlich durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz „KHVVG“), für das am 27.06.2024 die erste von drei Lesungen im Bundestag stattfand, zusammen.

Ziel der Reform ist die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuer, die sich in den letzten Jahren wegen Mängeln des Finanzierungssystems massiv verschlechtert hat, zu verbessern. Zumindest kann ein solches Versagen nicht von der Hand gewiesen werden, wenn fast 80 Prozent der Krankenhausstandorte dauerhaft rote Zahlen schreiben. Doch kann die aktuelle Reform diesem Vorhaben gerecht werden?

Das Verlangen nach einer finanziellen Sicherung und dadurch Sicherheit der Versorgungsstrukturen unter Berücksichtigung der Morbidität der Gesellschaft und der Entbürokratisierung wurde von vielen Stimmen deutlich geäußert. Besonders viel erhofften sich die Akteure von den Leistungsgruppen, die sich an dem Modell aus Nordrhein-Westfalen orientieren sollten. Umso größer scheint die Enttäuschung, dass das Bundesgesundheitsministerium gerade dieses Modell eher oberflächlich im Referentenentwurf des KHVVG vom 15.05.2024 berücksichtigt hat. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft betont in der aktuellen Stellungnahme vom 30.05.2024, dass die notwendigen und geforderten Reformbedürfnisse in dem Referentenentwurf deutlich hinter den Erwartungen der Krankenhäuser zurückliegen.

Bereits im Juli 2023 konnten Bund und Länder eine Einigung dahingehend erzielen, dass die Krankenhausplanung nach dem Vorbild NRW und somit bundeseinheitlichen Leistungsgruppen erfolgen soll. Diese Leistungsgruppen wurden nicht im Alleingang von oben herab verordnet, sondern es wurde nach intensiver Beteiligung der Landesverbände der Krankenkassen, der kommunalen Spitzenverbände, der Ärzte- und Pflegekammer, der Krankenhausgesellschaft sowie weiterer ein gemeinsames System entwickelt. Dieses beinhaltet zudem in regelmäßigen Abständen Auswirkungsanalysen, nach denen dann gegebenenfalls weitere Anpassungen vorzunehmen sind. Die Allgemeinen Gruppen ergeben sich insbesondere aus der Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte. Die spezifischen Leistungsgruppen richten sich nach den Operationen- und Prozedurenschlüsseln nach § 301 SGB V, der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) und anderen geeigneten Merkmalen, wie zum Beispiel dem Alter der Patientinnen und Patienten.

Die Leistungsgruppen und die an sie gestellten Qualitätskriterien werden in Anlage 1 zu dem durch das KHVVG neu einzuführenden § 135e SGB V aufgeführt. Dabei orientierte sich das Bundesgesundheitsministerium zwar an dem Modell aus NRW 2022, aber zusätzlich zu den sechzig Leistungsgruppen aus NRW fügte es fünf weitere Leistungsgruppen hinzu und stellte erhebliche Mindestanforderungen auf. Diese Qualitätsanforderungen richten sich nach dem neu durch das KHVVG einzuführenden § 135e Abs. 1 Nr. 2 SGB V und richten sich nach der Erbringung verwandter Leistungsgruppen, der sachlichen Ausstattung, personellen Strukturen und sonstigen Struktur- und Prozesskriterien. Die zusätzlichen fünf eingeführten Leistungsgruppen wurden unter Berücksichtigung der Vorschläge aus medizinisch wissenschaftlicher Sicht der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) im Zuge des Eckpunktepapiers vom 10.07.2023 eingeführt. Die Leistungsgruppen selbst als auch die an sie gestellten Qualitätskriterien sollen grundsätzlich den aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse berücksichtigen und zu einer leitliniengerechten, qualitativ hochwertigen und für Patienten sicheren medizinischen Versorgung beitragen. So heißt es zumindest in der Begründung zu dem KHVVG. Was jedoch bei genauer Betrachtung der Anforderungen direkt ist Auge fällt, sind die Vielzahl an interdisziplinären Verbindungen und auch die Notwendigkeit bestimmte Kooperationen abschließen zu müssen. Die Qualitätsvoraussetzungen werden in personelle und sachliche Voraussetzungen eingeteilt und es werden sowohl kumulative als auch alternative Voraussetzungen aufgelistet. Für den Leistungsort der Kooperation kommt es auf den Ort an, der durch Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Leistungsort festgelegt wird.

Nach Ansicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft sind die neu eingeführten Leistungsgruppen weder im Einklang mit der Weiterbildungsordnung noch mit den möglichen zur Verfügung stehenden Ressourcen. Diese Problematik gibt sich auch weiter, wenn man die Qualitätsvoraussetzungen für die einzelnen Gruppen betrachtet. In der Regel wird eine feste Anzahl von Ärzten vorausgesetzt. Diese scheint geradezu willkürlich. Dabei ist ebenfalls davon auszugehen, dass mit der Anzahl der genannten Ärzte auch lediglich solche gemeint sein können, die im Umfang von 40 Wochenstunden tätig sind. Der aktuelle Fachkräftemangel scheint komplett unberücksichtigt geblieben zu sein, wenn man sich die personellen Voraussetzungen der einzelnen Leistungsgruppen ansieht.

Die hinter der Einführung der Leistungsgruppen in NRW stehenden Überlegungen finden sich hier gerade nicht wieder. Zudem werden teilweise kleine Leistungsgruppen wie etwa die „chirurgische Onkologie“ an die Zahl der vorzuhaltenden Fachärztinnen und Fachärzte geknüpft, ohne dabei derzeitige Versorgungsstrukturen abzuschätzen. Die Mindestvorhaltezahlen führen lediglich dazu, dass in Zukunft den Krankenhäusern ein wichtiger Anteil ihrer Finanzierung entfällt und das nur, weil ein bestimmter sowieso schon kleiner Fachbereich nicht mit im Einzelfall aufgrund von Spezialisierungen größer angelegten Fachbereichen mithalten kann. Zudem stellt das ganze Verfahren einen erheblichen bürokratischen Aufwand dar.

Nach dem durch das KHVVG neu einzuführenden § 6a Absatz 1 KHEntgG erfolgt bei Vorliegen der Qualitätsmerkmale die Festsetzung mit Feststellungsbescheid durch die zuständige Landesbehörde. In Absatz 2 Satz 1 heißt es weiterhin, dass das Krankenhaus jeweils vor Zuweisung den Nachweis die sachlich und personellen Qualitätsmerkmale nachzuweisen hat. Bei notwendiger Auswahl mehrerer Krankenhäuser entscheidet die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde, wonach die Ziele besser erreicht werden können. Daraus ergibt sich, dass auch wenn ein Krankenhaus aktuell eine bestimmte Abteilung besetzt, dies nicht zwingendermaßen nach den nun neu festgelegten Leistungsgruppen gilt. Zudem kann eine Überprüfung der Leistungsgruppe durch den Medizinischen Dienst erfolgen. Ein Anspruch auf Zuweisung einer Leistungsgruppe besteht allerdings nicht. Dabei ist die Vorstellung, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Schließung ihres Krankenhauses gesichert in das nächstgelegene Krankenhaus wechseln, nicht belegt und realitätsfremd.

Weitere Probleme ergeben sich unter Berücksichtigung daher insbesondere für kleinere Krankenhäuser und Krankenhäusern in dünnbesiedelten Gegenden. Die besonders umfangreichen Anforderungen werden kleinere Kliniken mit dem dazukommenden Personalmangel kaum erfüllen können. Insbesondere wenn man bedenkt, dass zwar die Qualität auf höchstem wissenschaftlichem Stand, so heißt es in der Begründung des KHVVG, umgesetzt werden soll, der Start jedoch aus einem bereits finanziell überwiegend defizitären Bereich erfolgt. Insofern ist auch die sachliche Ausstattung kaum in kurzer Zeit anzupassen, während andere Bereiche nutzlos werden, in denen womöglich noch laufenden Finanzierungen bestehen. Zuletzt kann sich die erhoffte finanzielle Sicherheit nur Schall und Rauch erweisen, da die Vorhaltefinanzierung zwar 60 Prozent der Finanzierung ausmachen soll, die restliche Finanzierung sich jedoch letztlich auch wieder über die Anzahl von Fällen bestimmt. Insofern kann kaum von einer Verbesserung durch Wegkommen von „Betten“ die Rede sein, da hieraus ein wesentlicher Teil der Finanzierung des Krankenhauses resultiert. Insofern ändern sich zumindest 40 Prozent der Finanzierung rein tatsächlich nicht oder bleiben jedenfalls unsicher.

Eine Frage ist weiter, wie vor allem mit solchen Ärzten mit doppelten Facharztweiterbildung und solchen Ärzten, die in besonders speziellen Gebieten tätig sind, umzugehen ist. Zum Beispiel ist der Fachbereich „Allgemeine Chirurgie“ offen und umfangreich. Die Ärzte müssen nun in gewisser Weise taktisch Leistungsgruppen zugeordnet werden. Zudem werden kleine Fachbereiche kaum bis gar nicht abgebildet und letztlich durch die Mindestvorhaltezahlen wieder aussortiert. Es obliegt daher der Klinikleitung und dem Klinikmanagement, sich hier Ausgestaltungen zu überlegen und bestmöglich so zuzuordnen, wie es im Rahmen der fachärztlichen Bildung und vertretenen Leistungsgruppen im Krankenhaus möglich ist. Die Weiterbildungsordnung sollte dabei zudem nicht zu kurz kommen. Auch wenn diese im Rahmen der Krankenhausreform kaum aufgegriffen wurde, zumal die ärztliche Weiterbildung ohnehin verfassungsrechtlich der Zuständigkeit der Länder unterliegt. Wobei aktuell ad absurdum zum Beispiel in der Leistungsgruppe „Allgemeine Chirurgie“ besondere Schwerpunktbereiche tätig sein dürfen, jedoch die Weiterbildung nur in der Allgemeinen Chirurgie umgesetzt werden darf.

Im Kontext der taktischen Planung, die nun primär die Klinikleitung und sekundär den Chirurgen trifft, müssen unbedingt Kooperationen bedacht werden. Deren Einführungen grundsätzlich begrüßt werden, wenngleich es teils noch an konkretisierenden Regelungen fehlt und sich sozialversicherungsrechtliche Themen ergeben werden.

Weiter offen bleibt, wie mit den Geräten umgegangen werden soll, die in laufender Finanzierung sind, wenn die Leistungsgruppe nicht in dem Krankenhaus festgelegt wird. Das finanzielle Ausmaß scheint lediglich in der nun fünfjährigen Übergangsphase eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Möglicherweise kann eine außerordentliche Kündigung erwirkt werden, die rechtlichen Möglichkeiten sind jedoch sehr vom Einzelfall abhängig.

Besondere Sorge besteht aktuell zudem, was die Grund- und Notfallversorgung im ländlichen Raum anbelangt. Hier gibt es nach vielen Stimmen zum Teil einen besonders akuten Fachpersonalmangel, sodass die Annahme naheliegt, dass nunmehr eine Verschlechterung statt einer Verbesserung der Versorgung aufgrund der Umstrukturierung eintreten wird.

Die zuständigen Landesbehörden können Leistungsgruppen trotz fehlender Qualitätskriterien im Ausnahmefall erteilen, wenn dies zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung der Patienten notwendig ist. Eine solche Sicherung ist nach der Vorstellung des Bundesgesundheitsministeriums notwendig, wenn die Allgemeinmedizin und Allgemeine Chirurgie nicht innerhalb von 30 Minuten mit einem Kfz und für die anderen Leistungsgruppen innerhalb von 40 Minuten mit einem Kfz erreichbar sind. Dagegen wurde sich im öffentlichen Diskurs ausgesprochen, jedoch ist eine solche Ausnahmeregelung notwendig, damit die Grundversorgung in ländlichen Bereichen gesichert ist oder gesichert werden kann. Die konkrete Ausgestaltung bleibt aktuell abzuwarten. Die Landesbehörde kann daher nach ihrem Ermessen entscheiden, in welchem Krankenhaus die Ausnahmeregelung angewandt wird und in welchem Krankenhaus nicht. In den Übergangsjahren ist nicht darauf zu bauen, dass einem Krankenhaus eine Ausnahme genehmigt wird, sondern die Geschäftsführung gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten aktiv an der Erfüllung der Qualitätskriterien arbeiteten. Und dennoch ist zu berücksichtigen, dass die Landesbehörde selbst bei Erfüllung der Qualitätskriterien der Zuweisung der Leistungsgruppe widersprechen kann.

Im Zweifel steht dem Krankenhaus der Verwaltungsrechtsweg gegen den Feststellungsbescheid der Leistungsgruppe offen oder ggf. der Sozialrechtsweg gegen das in § 135e Abs. 3 SGB V neu eingeführte Gremium.

Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass sich das Bundesgesundheitsministerium bei dem Entwurf des KHVVG im Kern nur bei der Benennung der sechzig Leistungsgruppen an dem NRW-Modell orientiert hat. Diese Abweichung findet besonders starke Ablehnung, da zumindest nach Ansicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft und auch einiger Länder dadurch unnötige Versorgungsengpässe forciert werden. Für die unnötig hohen Qualitätsanforderungen der Leistungsgruppen und die zusätzlich eingeführten Leistungsgruppen ergibt sich nach aktuellem Stand keinerlei Notwendigkeit. Viel eher hätte nach einer Einführungsphase von zwei Jahren des strengen NRW-Modells eine Analyse stattfinden können und es hätten weitere Gruppen oder Voraussetzungen festgelegt werden können. Durch das aktuelle Vorhaben streut das Bundesgesundheitsministerium in gewisser Weise Salz in die offene Wunde und verfehlt letztlich die eigene Zielsetzung.

Nach der aktuellen Planung soll ab dem Jahr 2029 das KHVVG komplett implementiert sein. Nach einer zweijährigen Eingangsphase folgt eine zweijährige Konferenzphase. Die Zuweisung der Leistungsgruppen soll innerhalb der Anfangsphase bis Ende des Jahres 2026 erfolgen.

Derzeit befindet sich das KHVVG noch im Gesetzgebungsprozess. Bereits nach der ersten Lesung im Bundestag erfolgte die Streichung einiger Passagen, sodass mit weiteren Änderungen zu rechnen ist. Es bleibt spannend, wie es am Ende des Gesetzgebungsprozesses um die Leistungsgruppen steht und ob die Länder entgegen der Auffassung des Bundesgesundheitsministeriums dem KHVVG zustimmen müssen.

René T. Steinhäuser

Rechtsanwalt

Rechtsanwälte Wigge

Großer Burstah 42

20457 Hamburg

[email protected]

Gesundheitspolitik

Steinhäuser RT: BDC-Praxistest: Leistungsgruppe futsch – Aus die Maus?. Passion Chirurgie. 2024 Juli/August; 14(07/08): Artikel 05_01.

Diesen und weitere Artikel zum Thema finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) unter der Rubrik Politik.

Personalia im Juli/August 2024

Prof. Dr. med. Karl-Heinz Bauer, ärztlicher Direktor am Klinikum Westfalen in Dortmund, wurde auf dem wissenschaftlichen Kongress „Viszeralmedizin NRW” in Dortmund von der Niederrheinisch-Westfälischen Gesellschaft für Chirurgie zum ersten Generalsekretär ernannt. Anlässlich der 190. Jahrestagung hatte die Gesellschaft ihre Strukturen angepasst und dieses Ehrenamt neu eingerichtet.

Prof. Dr. med. Christian Jurowich leitet seit Juni 2024 neben der Allgemein-, Viszeral- und Onkologischen Chirurgie/Minimalinvasive Chirurgie am Innklinikum Altötting auch die Allgemein- und Viszeralchirurgie der Kliniken Südostbayern in Traunstein. Unter seiner Leitung soll ein verbundübergreifendes Viszeralzentrum aufgebaut werden.

Prof. Dr. med. Carsten J. Krones, zuletzt als Vorstand und Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Minimalinvasive Chirurgie am Marienhospital Aachen tätig, ist neuer Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie am Krankenhaus Düren.

Prof. Dr. med. Sven Märdian ist neuer Chefarzt der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Universitätsmedizin Rostock. Märdian war zuvor stellvertretender geschäftsführender Direktor des Centrums Muskuloskeletale Chirurgie an der Berliner Charité, wo er auch das Sarkomzentrum der Charité leitete.

PD Dr. med. habil. Christian Mönch, ist seit Mai 2024 Chefarzt von drei chirurgischen Kliniken der Westpfalz-Klinikum GmbH. Zu den Standorten Kaiserslautern und Kusel kam nun der Standort Kirchheimbolanden dazu. Das Klinikum bietet so die Versorgung des kompletten Spektrums der Chirurgie im Westpfalz-Klinikum.

Prof. Dr. med. Udo Rolle, Direktor der Klinik für Kinderchirurgie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main, ist für die Amtsperiode 2024/25 zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie e.V. (DGCH) gewählt worden.

Dr. med. Jens Rudolph, zuvor langjähriger Oberarzt der Klinik, ist seit Juli 2024 Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie am Gemeinschaftskrankenhaus Bonn, Haus St. Petrus. Er übernahm die Position von Dr. med. Jürgen Remig, der als Senior Gefäßchirurg und Co-Chefarzt weiterhin in der Klinik tätig sein wird.

Dr. med. Rayk Wilutzky ist der neue Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Minimalinvasive Chirurgie am Marienhospital Aachen. Der Facharzt für Allgemeinchirurgie, Viszeralchirurgie und spezielle Viszeralchirurgie war zuletzt leitender Oberarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Universitätsklinikum OWL der Universität Bielefeld, Campus Klinikum Bielefeld.

Honorarberichte der KBV 1. Quartal 2023

Die Kassenärztlichen Bundesvereinigung hat die Honorarberichte für die vertragsärztliche Versorgung nach § 87c SGB V für das 1. Quartal 2023 veröffentlicht. Sie informieren über die Honorarverteilung, die Gesamtvergütung, die Bereinigungssummen und das Honorar je Arzt und Abrechnungsgruppe im jeweiligen Quartal.

Erstes Quartal 2023

Alle bisher erschienenen Berichte sowie weitergehende Kennzahlen zur vertragsärztlichen Abrechnung sind ebenfalls auf der Webseite der Kassenärztlichen Bundesvereinigung veröffentlicht.

Der Honorarbericht und die Kennzahlen erscheinen quartalsweise. Das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (VStG) überträgt der KBV die Aufgabe, einen Bericht über die Ergebnisse der Honorarverteilung, über die Gesamtvergütungen, über die Bereinigungssummen und über den Honorarumsatz je Arzt und je Arztgruppe zu veröffentlichen.

Kassenärztliche Bundesvereinigung KdöR (KBV)

Herbert-Lewin-Platz 2

10623 Berlin

Chirurgie+

Weitere Artikel zum Thema Abrechnung finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) in der Rubrik Wissen | Vergütung.

Chirurgie in der DDR – In der Provinz (Teil 3)

Der zunehmende politische Druck fand seinen vorläufigen Höhepunkt in den Zwangsaustritten aus der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, dem sich nur wenige Standhafte widersetzten.1 Zu ihnen gehörte Prof. Dr. Herbert Wendt (1913-2005), der von 1963 bis 1980 Chefarzt der Chirurgie am Bezirkskrankenhaus Dessau, dem einst vom Flugzeugbauer und Unternehmer Hugo Junkers geförderten Stadtkrankenhaus, gewesen ist. In Kriegszeiten bei Lorenz Böhler geschult, wurde er Oberarzt und Habilitand bei Werner Lembcke an der Chirurgischen Klinik der Medizinischen Akademie Magdeburg, die er 1963 als Professor zugunsten von Dessau verließ. Von seiner früheren Ausbildung her war Wendt auch Orthopäde. Als Allrounder und integre Persönlichkeit, die Vater und Sohn Böhler sowie Golo Mann zu ihren Freunden zählte, leitete er zwei Jahreskongresse der Medizinisch-Wissenschaftlichen Gesellschaft für Chirurgie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seinen Lebensabend verbrachte Prof. Wendt in Rostock und verstarb dort im 92. Lebensjahr.

Abb. 1: Herbert Wendt [Quelle: Wikipedia]

In Halle an der Saale gibt es neben der Chirurgischen Universitätsklinik seit 1887 das große katholische St. Elisabeth und St. Barbara-Krankenhaus. Die Chirurgie allein besaß schon früh über 100 Betten. Ihr Leiter war ab 1930 für mehrere Jahrzehnte Prof. Eberhard Cordes (1892-1979), ein Chirurg alter Schule mit einer bewegten wie umfassenden chirurgischen Vergangenheit, die vom Luisenhospital in Aachen (Marwedel) über das Augusta-Viktoria-Krankenhaus Berlin (Nordmann) bis zur Chirurgischen Universitätsklinik Kiel (Anschütz) reichte. Den Hauptteil seiner Ausbildung verbrachte Cordes jedoch bei Prof. Hermann Küttner (1870-1932) in Breslau, als dessen Schüler er gilt. An der Friedrich-Wilhelm-Universität habilitierte Cordes 1929. Ein Jahr später verließ er Breslau als Facharzt für Chirurgie, Urologie und Orthopädie. Eine solche Häufung von Facharztanerkennungen war seinerzeit nicht ungewöhnlich, wobei die Modalitäten der Ausbildung und die Prüfungen nicht mit denen von heute vergleichbar sind. Prof. Cordes, Humanist durch und durch, hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, sich als einer der Ersten auch mit der Neurochirurgie beschäftigt und u. a. über „Die Hirnbrüche und Hirnspalten“ gearbeitet. In Zeiten materieller und technischer Engpässe kam dem konfessionellen Haus und seinem Chef zugute, dass durch die enge Verbindung zu Schwester-Krankenhäusern in der BRD und zur Caritas moderne medizinische Geräte zur Verfügung standen.

Abb. 2: Eberhard Cordes [Quelle: Arch. St. Elisabeth-
St. Barbara Halle/S.]

Die Uebermuth-Schule in Leipzig entließ im Mai 1967 einen ihrer fähigsten Dozenten ins Muldental: Georg Zeumer (1922-2005). Der gebürtige Leipziger war nach dem Staatsexamen seiner Alma Mater treu geblieben und absolvierte unter den Professoren Sonntag, Wachs und vor allem Uebermuth seine chirurgische Ausbildung. Er spezialisierte sich auf dem Gebiet der Traumatologie und Handchirurgie, habilitierte 1964 über Sehnenrekonstruktion und wurde 1981, da war er schon lange in Grimma, zum Professor ernannt. Als Chef eines allgemeinen Versorgungskrankenhauses kam auch wieder die Viszeralchirurgie, die er voll beherrschte, zur Geltung. Dennoch konnte Zeumer in Grimma sein Herzensprojekt verwirklichen: 1972 erschien bei J. A. Barth in Leipzig das Buch „Praxis der Handchirurgie“, das drei Auflagen erlebte und neben Leni Büchters „Chirurgische Behandlung der verletzten und erkrankten Hand“ das zweite Lehrbuch zum Thema in der DDR war. Zeumer, der elegante Operateur und vorbildliche Lehrer, hätte unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen durchaus ein Ordinariat erhalten können.

Abb. 3: Krankenhaus St. Elisabeth u. St. Barbara Halle/S. 1928 ([Quelle: Arch. St. Elisabeth-St. Barbara Halle/S.]

Zeumers um 17 Jahre jüngerer Nachfolger Doz. Klaus Schauer (1939-2021) hatte ebenfalls die Leipziger Schule durchlaufen, nun unter Albrecht Gläser und Werner Kothe, war dann einige Jahre nach der Habilitation ans Kreiskrankenhaus Grimma gegangen (1988). Wie sein Vorgänger Zeumer (und zahlreiche andere Chefs) sorgte er sich um die Weiterbildung des Nachwuchses, drang auf Literaturstudium, wobei auch „Der Chirurg“ aus der BRD zur Verfügung stand, und ermöglichte Assistenten den Besuch der alle zwei Jahre in der Kongresshalle am Berliner Alexanderplatz stattfindenden Chirurgenkongresse. Der Autor ist mehrfach Zeuge dieser Tagungen gewesen, die der Gesellschaft für Chirurgie der DDR und ihren Protagonisten internationales Ansehen verschafften. Denn sie kamen alle: die Brunner, Nissen, Zenker, Stelzner, Tönnis, Trede, Linder, Hollender, Reifferscheid, Bauer, Böhler, Denck, Eiseman und viele andere. Die Begegnungen mit solchen Koryphäen wurden zu einem bleibenden Erlebnis. Oft stellte es für die Chefärzte in den kleinen Häusern der Provinz ein Problem dar, einen Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin zum Kongress freizustellen. In der Regel aber wollten sie sich nicht nachsagen lassen, der Weiterbildung der Kollegen im Wege zu stehen.

Privatdozent Dr. Klaus Schauer ging 2004 in den Ruhestand. Er hatte in Grimma den Krankenhausneubau begleitet und Spezialgebiete gefördert. Noch bis zum 78. Lebensjahr ärztlich aktiv, wurde Klaus Schauer Opfer der Corona-Erkrankung.

Ergänzend zu den Ausführungen über Chemnitz und Zwickau in Teil 2 sind hier die Chirurgen Gottfried Lindemann (1931-2012) und Gerd Kuhlgatz (1923-2005) zu erwähnen. Der Sebnitzer Lindemann hat nach dem Studium in Leipzig seine Laufbahn unter Prof. Unger im damaligen Karl-Marx-Stadt2 begonnen, alle Fährnisse während des „sozialistischen Gesundheitswesens“ überstanden und ist als Chefarzt der Gefäßchirurgie 1996 in den Ruhestand verabschiedet worden. Dr. Lindemann widmete sich früh dem Spezialgebiet der Gefäßchirurgie, hospitierte an einer Prager Fachklinik und hat in Karl-Marx-Stadt eine selbständige Abteilung aufgebaut. Zweimal ist er auch leitender Arzt des Klinikums gewesen: 1977 und 1990. Dr. Lindemann engagierte sich ab 1990 in der neu gegründeten Sächsischen Landesärztekammer und in der Sächsischen Chirurgenvereinigung, zu deren Vorsitzenden er 1995 gewählt wurde. Die Ausgestaltung und Präsidentschaft der 6. Jahrestagung dieser Gesellschaft 1996 sah Lindemann als Höhepunkt seines Chirurgenlebens an. Im Juli 2002 ist Dr. Gottfried Lindemann nach langer schwerer Krankheit in Chemnitz verstorben.

Abb. 4: Georg Zeumer [Quelle: Arch. Verf.]

Professor Dr. Gerd Kuhlgatz (1923-2005) ist einer der Nachfolger von Heinrich Braun (s. Teil 2) in Zwickau gewesen. Im Krieg hatte er den rechten Unterschenkel verloren und sich dann trotzdem für die Chirurgie entschieden. Über Lüneburg, Gotha und Greifswald kam er an die Chirurgische Universitätsklinik Rostock (Karitzky, Schmitt), wo er 1957 habilitierte und 1962 Professor wurde. Seine Tendenz ging zunächst in Richtung Thorax- und Kardiochirurgie. Kuhlgatz hat viel publiziert, auf Kongressen gesprochen und stand auf den Berufungslisten mehrerer Universitäten bzw. medizinischen Akademien. Ein Ordinariat blieb ihm jedoch – wie auch anderen DDR-Chirurgen – aufgrund seiner konsequenten Weigerung, der Staatspartei beizutreten, versagt. So übernahm Prof. Kuhlgatz 1964 die traditionsreiche Chirurgische Klinik des Heinrich-Braun-Krankenhauses in Zwickau, organisierte diese neu, widmete sich wieder der Viszeralchirurgie, schuf Spezialabteilungen und führte die Herzschrittmacher-Implantation und die Bypass-Operation ein. Kuhlgatz war ein bekannter Mann in der DDR-Chirurgie, nicht zuletzt als Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Chirurgie der DDR und als Redaktionsmitglied des „Zentralblatt für Chirurgie“. Ein tragischer Arbeitsunfall mit schweren Schäden der Augen zwang ihn, erst 53 Jahre alt, zur Aufgabe der chirurgischen und Leitungstätigkeit. Mit der Wissenschaft und seinen Mitarbeitern, die ihn, bei aller Strenge, ob seiner klaren Sachlichkeit und Verlässlichkeit sehr schätzten, blieb er weiterhin verbunden.

Abb. 5: Titelblatt „Praxis der Handchirurgie“ v. G. Zeumer [Quelle: Arch. Verf.]

Ins Vogtland führt nun der Weg zu Professor Dr. Georg-Michael Fleischer (1941-2022), von 1986 bis 2006 Chefarzt am Bezirkskrankenhaus Plauen. Bis dahin hatte der Berliner chirurgisch viel gesehen: das Kreiskrankenhaus in Wittenberge (F. W. Pötter) als Assistent und als Chefarzt, dazwischen die Chirurgische Klinik der Medizinischen Akademie Magdeburg (Heinrich), wo er 1985 habilitierte und Dozent wurde. Nach der friedlichen Revolution erfolgte die Umhabilitation an der Universität Leipzig – durch seine Position in Plauen war Fleischer Sachse geworden! Leipzig ernannte ihn dann 1998 auch zum Professor. Der Vollblutchirurg besaß die Teilgebietsanerkennungen für Viszeralchirurgie und Gefäßchirurgie, war standespolitisch aktiv und frönte der Geschichte der Seefahrt, was Ausdruck in mehreren Büchern fand.

Abb. 6: Gerd Kuhlgatz [Quelle: Arch. Verf.]

Vieles wäre noch zu berichten, Namen von Chirurgen zu nennen, welche die Provinz zu ihrem Arbeits- und Lebensmittelpunkt machten, immer bestrebt um eine bestmögliche chirurgische Versorgung: Im Norden gingen Chefarzt Dr. Pietsch von Rostock nach Wismar und Prof. Woziwodski von Magdeburg über Pritzwalk nach Schwerin, aus Meißen und Berlin-Buch kam Dozent Wilfrid Klaus Seifart nach Brandenburg/Havel (Nachfolger von L. Krafft, s. Teil 1), im Süden kamen Prof. Busse von Jena kurz nach Eisenach (und dann nach Nordhorn) und Prof. Schramm von Jena nach Gera, aus Jena ging auch Wolfgang Sellenthin als Chef nach Großenhain in Sachsen, die Professoren Paschold und Reichel aus Erfurt wurden Chefärzte in Arnstadt und Nordhausen und aus Dresden kamen Prof. Burkhardt nach Meißen und Dozent Herwig nach Suhl.3

Abb. 7: Heinrich-Braun-Krankenhaus Zwickau [Quelle: Wikimedia]

Abb. 8: Gottfried Lindemann [Quelle: Arch. Verf.]

Abb. 9: Georg-Michael Fleischer [Quelle: Arch. Verf.]

Abb. 10: Titelblatt „Schiffchirurgen“ von G.-M. Fleischer [Quelle: Kaden-Verlag Mannheim]

Der Vorsitzende der letzten Tagung der Gesellschaft für Chirurgie der DDR vor ihrer Auflösung, Prof. Richard Reding (*1932) aus Rostock, führte in einem Resümee u. a. aus: „Es müssten noch viele genannt werden, die sich bleibende Verdienste in der Chirurgie erworben haben, besonders die Kollegen in den kleineren chirurgischen Einrichtungen, die, oft bis zur Selbstaufgabe, sich stets um hohe ärztliche Leistungen bemühten“. [1]

Literatur

[1]   Kiene, S., Reding, R. u. W. Senst (Hrsg.): Getrennte Wege – ungeteilte Chirurgie. Beiträge zur Chirurgie in der DDR. Augsburg 2009, S. 84

1  In dieser Zeit verbannte die Partei-und Staatsführung der DDR den Begriff „Deutschland“ aus dem Sprachgebrauch; der Text der DDR-Nationalhymne durfte nicht mehr gesungen werden.

2  von 1953 bis 1990 so genannt, Hauptstadt des gleichnamigen Bezirkes; eine Anwesenheit des Philosophen Karl Marx in dieser Stadt ist nicht belegt.

3  Es handelt sich bei den beschriebenen Chirurgen ausschließlich um historische Personen.

Dr. med. habil. Volker Klimpel

Grazer Straße 3

01279 Dresden

Panorama

Klimpel V: In der Provinz — Chirurgen in der DDR (Teil 3). Passion Chirurgie. 2024 Juli/August; 14(07/08): Artikel 09.

Den ersten und zweiten Teil
„Chirurgie in der DDR“ lesen Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) unter
der Rubrik Wissen | Panorama.

PASSION CHIRURGIE im Juni 2024

Zur Ausgabe 06/QII/2024: Kongressnachlese 2024

Es ist Sommer und damit Zeit für unsere traditionelle Kongressausgabe im Juni. Der erfolgreiche Deutsche Chirurgie Kongress 2024 liegt bereits einige Wochen hinter uns, was für uns Grund genug ist, die Highlights und Ergebnisse zu reflektieren.

Außerdem lesen Sie in der neuen Ausgabe der Passion Chirurgie, was die Leitenden der Gemeinsamen Weiterbildungskommission Chirurgie zur Situation der fachärztlichen Weiterbildung im Schatten der KH-Reform denken und fordern.

Dazu haben wir direkt eine Empfehlung für Assistenzärztinnen und –ärzte, die demnächst vor ihrer Facharztprüfung stehen: Für das BDC-Seminar zur Facharztvorbereitung Allgemeinchirurgie vom 09. bis 13. September 2024 in Leipzig sind noch Plätze verfügbar. Gerne Weitersagen. Hier geht´s zur  Information & Anmeldung.

Viel Spaß beim Lesen,
Ihre PASSION CHIRURGIE-Redaktion

BDC-Praxistest: Centralisation of surgery in Sweden

Vorwort – Zentrum oder Zentrale?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die öffentliche Diskussion um die Bündelung medizinischer Leistungen birgt in Deutschland verschiedene diskursive Methodenfehler. Die wichtigsten Gründe dafür sind die Kenntnismängel führender Disputanten in den theoretischen Grundlagen argumentativer Debatten und ein wie immer in der Medizin vieles übertünchender, aber auch wie immer leicht zu erkennender Lobbyismus. So stolpern dann viele schon über den ersten Randstein – den Unterschied zwischen Zentrierung und Zentralisierung. Während das Zentrum Maßnahmen unter vielfältigen Erwägungen in Folge verbesserter Leistungen steigert, bündelt die Zentralisierung Ausführungen ex cathedra, damit die Qualität der Maßnahme folge. Natürlich werden Maßnahmen der Zentralisierung argumentativ unterfüttert, um die wissenschaftliche Erörterung zu überstehen. Hier zählt dann aber die Maßgabe „Less is more“, damit der anhängende politische Diskurs nicht mit zu vielen Parametern belastet wird. In Deutschland begrenzt sich so in der Medizin alles auf das Volume-Outcome. Wie dumm, denn schon ein simpler Blick über die Grenzen hätte schon geholfen, den Geist zu erhellen. Andere Länder in der EU haben diese Diskussion schon längst hinter sich.

Umso dankbarer waren wir, als die schwedischen Kollegen nach einer ganz intellektuellen, gemeinsamen Sitzung auf dem DCK 2023 zustimmten, ihre wertvollen Beiträge zur „Centralisation“ in Schriftform zu verfassen. Die Klaviatur wird in dem Beitrag so feingliedrig gespielt, dass wir neben dem englischsprachigen Original eine deutsche Übersetzung bieten. Das Thema ist zu wichtig.

Lehrreiche Lektüre wünschen

Prof. Dr. med. C. J. Krones

und

Prof. Dr. med. D. Vallböhmer

The Swedish Surgical Society were honoured to be invited to the Deutscher Chirurgie Kongress in 2023. It was a great honour to be part of this congress and this is a summary of the session about centralization. Linus Axelsson, Chairman of the Swedish Surgical Association began with a background lecture.

Health care systems in Europe have a lot in common. Many struggle with shortage of staff, increasing health care costs and challenges concerning surgical training. However, comparing Germany and Sweden there are noticeable differences with implications for surgical care.

Sweden is 25 % larger than Germany, but only has 10 million inhabitants making Sweden a scarcely populated country. One might think that Sweden would have many rural hospitals to provide accessible health care, but that is not the case. In 1960 Sweden had 100 hospitals providing emergency care, but for various reasons such as shortage of staff, lack of funding or other political reasons half of these have closed or offer only elective care. Today there are 52 emergency hospitals providing 24/7 surgical care. Hence many swedes travel long distances for emergency care, 5 % of the population has more than 45 minutes travel time to emergency care, with or without access to acute surgery, in spite of optimal road conditions. Thus, Sweden has prioritized larger hospitals rather than short travel time, and on average a Swedish emergency hospital with surgical care has a catchment population of 200,000, although unevenly distributed.

Sweden is divided in self-governing regions concerning health care. Sweden has 21 regions with proper parliaments, that cooperate in 6 “health-care regions”, each with university hospitals. The regions have a national interest organisation, the Swedish Association of Local Authorities and Regions – SKR which is not a formal part of the Swedish governing structure. Formally, most decisions about health care are taken in the regional parliaments, but in reality SKR have a crucial influence on how Swedish health care is governed. The state regulates care mainly by laws, regulations and control authorities, but also decides upon national centralized care, which is a very small part of the health care.

Around ten years ago further centralisation of care in Sweden was discussed. Inspired by work by the leapfrog initiative in the US, and Denmark’s radical change of their health care system, both national politicians, SKR and parts of the profession wanted to focus cancer surgery to fewer high-volume centers. A later criticized government report stating that a lot of lives could be saved gave fuel to the change. The fact that there was scarce support for further centralisation in recent published studies in Sweden, nor data from our extensive registers supporting the radical changes proposed, mattered little. Proposals for what type of surgery that should be centralised where made by SKR supported supra-regional cooperations for cancer surgery, and the decision to follow these proposals were taken in all the regions.

Volume is a crucial factor for surgical quality but there are other factors to take into consideration.

First, there is the obvious question if it is the volume of the surgeon, his or her volume of a specific operation or his or her volume of all surgery or types of surgery that is close to the specific operation that matters, or if it is the volume of the hospital that is the most important factor. And what is the volume threshold? Is surgical specialisation important and how does that affect volumes? Is it the surgery or the perioperative care and handling of complications that matters most? With centralisation, will the quality of care provided decline at hospitals that no longer perform advanced surgery? Is advanced surgical care more available to patients living close to larger centres? All this probably matters when it comes to the outcome of a disease in a population. There are a lot of studies done trying to give these answers, but many uncertainties remain [1–9].

Another challenge for a hospital that loses a procedure will be to keep competent staff able to handle other conditions, for example advanced emergency surgery. Other patients might lose more than the patients with centralised surgery gain. In Sweden, where almost all emergency surgery is done by visceral surgeons that mainly work with elective surgery this is an obvious risk. Further, the transfer of patients and information between different units has risks [10].

The economy of centralisation is important. The hospital receiving the transferred patients are often reimbursed from the home region more than the actual costs due to marginal effects making receiving transfers profitable. A hospital that loses a patient group might need to reduce costs, but often this is demanding if you still need to provide service 24/7, you cannot just cut down 10 %. For many smaller regions in Sweden, there has been a rise in costs that partly is attributable to centralisation.

With all this said, what was the patient outcome of the latest round of centralisation? This far, we cannot see any substantial differences in outcome for operated patients in the centralised groups, but more research is needed to evaluate this. We know even less of the effect on a population level, which of course is the most important issue. But you also must consider that small hospitals nowadays are rare in Sweden. The centralisation was in an international perspective mainly from middle volume hospitals to a bit larger middle volume university hospitals.

Centralisation is in some circumstances necessary. Too low volumes lead to bad results, but the threshold is uncertain. The wide range of thresholds for adequate quality assurance differs from studies and countries implying that a true threshold may remain unknown. The optimal level of centralisation depends on many factors, and the negative effects on the health care given to the whole population must be considered, especially regarding emergency care. It is of great importance that the surgical community is involved in the plans for centralization, to address the challenges and avoid unnecessary conflicts.

David Edholm, surgeon at Linköping University Hospital, presented the Swedish centralization of esophageal and gastric cancer from 2007 and onwards. In 2007 esophageal cancer resections were done in 25 centres and gastric cancer resections in 50 centres. This has now been centralized to 7–8 centers. A slight improvement in long-term survival since 2007 has been noted but simultaneously neoadjuvant treatment has improved and minimal invasive surgery has been implemented which may affect survival. The evidence for centralization of esophageal resections is strong but the optimal volume remains uncertain and varies from studies. Regarding gastric cancer resections, a Swedish nationwide register-based study indicated that neither annual surgeon volume nor annual hospital volume of gastrectomies influences the long-term survival in gastric adenocarcinoma [11]. The results were adjusted for age, comorbidity, and tumor stage. With centralization, patients with non-malignant gastric condidtions may have difficulties receiving surgical care of high quality at rural hospitals no longer performing gastric cancer resections.

Pär Myrelid, also from Linköping University Hospital, presented data on centralisation within the field of surgical therapy of inflammatory bowel disease. This type of surgery is somewhat different from cancer surgery as the indications are less black or white compared to cancer surgery and also more focused on function and quality of life, especially restorative surgery after colectomy in ulcerative colitis. Data from England and Sweden has shown that only one third to just below half of the patients will have a restorative procedure after their colectomy, and the chance of having a restorative procedure is higher if the colectomy is performed at a high-volume center within IBD[12]. The data from Sweden has not been able to show a difference between low- and high-volume units when it comes to the risk of failure after a restorative procedure but this has clearly been shown in England and Denmark[13, 14]. In Denmark they forced hospitals to refer patients eligible for pelvic pouches to only five hospitals and could show a clear advantage when it comes to failure risk. Today they have made a change to only three units in Denmark, improving the outcome further. With this in mind, the European Crohn’s and Colitis Organization suggest an annual minimum of ten pouches in order to be a surgical IBD-center[15]. Apart from quality it also focuses on the importance of taking care of short- as well as long-term complications, research, improvement of care and training of future pouch surgeons.

Patrik Larsson, surgeon at Karolinska University Hospital, presented data from a Swedish national survey on surgical education. In this survey, all surgical departments answered questions on surgical education at their department. More than half of all surgical departments report that their residents had problems fulfilling the curriculum for surgical education. The main reason for this was a too small volume of many procedures, including basic procedures such as inguinal hernia repair and cholecystectomies, and also a lack of some procedures at their hospitals. The experience from many departments was that the centralisation that had taken place the last decade had accelerated this problem. Moreover, many experienced that in the process of centralisation the surgical education had not been taken into account in their region.

Finally, one should consider Birkemeyer’s conclusion after studying the effect of centralisation in the US. „For most high-risk procedures, however, strategies such as operating-room checklists, outcomes-measurement and feedback programs, and collaborative quality improvement initiatives are likely to be more effective than volume-based referral” [16]. The tradition in Sweden of doing this might explain why Sweden has good surgical results despite lacking high volume centres.

Literatur

[1]   Dimick, J.B, et al., Measuring Surgical Quality: What is the Role of the Provider Volume? World J. Surg., 2005. 29 1217–1221

[2]   Fischer, C., et al., Volume-outcome revisited: The Effect of hospital acnd surgeon volume on multiple outcome measures in oesophago-gastric cancer surgery. PLoS One. 2017 Oct 26;12(10)

[3]   Dikken, J.L., et al., Differences in outcome of esophageal and gastric cancer surgery across Europe. BJS, 2013. 100: p. 83–94.

[4]   Ghaferi A.A., et al., Hospital Volume and Failure to Rescue With High-risk Surgery. Medical Care, 2011. 49(12): p. 1076–1081.

[5]   Funk, L.M., et al., Esophagectomy Outcomes at Low-Volume Hospitals, The Association Between System Characteristics and Mortality. Annals of Surgery, 2011. 253(5): p 912–917

[6]   Liedberg, F., et al., Period-specific mean annual hospital volume of radical cystectomy is assosiated with outcome and perioperative quality of care: a nationwide population-based study. BJU 2019. 124: p. 449–456

[7]   Sahni, R.S., et al., Surgeon specialisation and operative mortality in United States: retrospective analysis. BMJ 2016. 354: i3571

[8]   Hindenburg, T., et al., No reduction in mortality after centralisation in treatment of patients with ruptured abdominal aneurism. Dan Med J 2019. 66(7): A5551

[9]   Varagunam, M., et al., Changes in volume, clinical practice and outcome after reorganisation of oesophago-gastric cancer care in England: A longitudinal observational study EJSO 2018. 44: 524–531

[10]  Murshed, I., et al., Surgical interhospital transfer mortality: national analysis. BJS 2023. 110: p. 591–598

[11]  Asplund, J., et al., Annual surgeon and hospital volume of gastrectomy and gastric adenocarcinoma survival in a population-based cohort study. Acta Oncologica, 2022. 61(4): p. 425–432.

[12]  Worley, G., et al., Restorative surgery after colectomy for ulcerative colitis in England and Sweden: observations from a comparison of nationwide cohorts. Colorectal Dis, 2018. 20(9): p. 804–812.

[13]  Burns, E.M., et al., Volume analysis of outcome following restorative proctocolectomy. Br J Surg, 2011. 98(3): p. 408–17.

[14]  Mark-Christensen, A., et al., Pouch failures following ileal pouch-anal anastomosis for ulcerative colitis. Colorectal Dis, 2018. 20(1): p. 44–52.

[15]  Oresland, T., et al., European evidence based consensus on surgery for ulcerative colitis. J Crohns Colitis, 2015. 9(1): p. 4–25.

[16]  Finks, J.F., et al., Trends in Hospital and Operative Mortality for High-Risk Surgery. N Engl J Med, 2011. 364(22): p. 2128–2136.

Linus Axelsson

Chairman, Swedish Surgical Society

Senior Consultant

Department of Surgery

Blekinge County Hospital

Sweden

[email protected]

Gesundheitspolitik

Axelsson L: BDC-Praxistest: Centralisation of surgery in Sweden. Passion Chirurgie. 2024 Juni; 14(06/II): Artikel 05_01.

Editorial: DCK 2024

Zur Juniausgabe der Passion Chirurgie

Nach einem sehr erfolgreichen DCK 2024, der mich und hoffentlich alle Teilnehmenden inspiriert und bereichert hat, reflektiere ich das, was ich persönlich mitgenommen habe: Meine Hoffnung und meine Meinung, dass die Chirurgie nach wie vor eine Faszination ausübt, hat sich hier bestätigt. An den drei Kongresstagen vor Ort in Leipzig hatte ich das Gefühl, dass das Engagement der chirurgischen Verbände und der Personen, die sich seit vielen Jahren für die Chirurgie engagieren, beim DCK kulminiert und Früchte trägt: Die Sitzungen waren gut besucht, junge Chirurg:innen nahmen morgens um acht Uhr an praktischen Workshops teil, Zuhörer:innen brachten sich mit engagierten Fragen ein und die Timeline meines LinkedIn-Profils war mit Kommentaren und Bildern zum Kongress gefüllt. All das gibt mir Hoffnung, dass wir auch zukünftig eine flächendeckende und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung durch motivierte Chirurginnen und Chirurgen sicherstellen können.

Liebe Mitglieder, die aktuellen weltpolitischen Geschehnisse der vergangenen drei Jahre, lassen meinen Jubel wieder verstummen. Auch die Situation unseres aktuellen Gesundheitssystems wird die meisten von uns zurzeit verstimmen. Es knirscht, und auch die längst überfällige und von vielen begrüßte, aber gleichzeitig von den meisten – Verbänden, Ländern, Selbstverwaltung etc. – zutiefst kritisierte Gesundheitsreform wird uns weitere Lasten aufbürden.

Die deutsche Krankenhauslandschaft wird zukünftig geprägt sein durch tiefgreifende Strukturreformen mit Zentralisierung hoch spezialisierter Medizin, zunehmender Ambulantisierung mit notwendiger transsektoraler Zusammenarbeit sowie flächendeckender Digitalisierung. Das wird zu massiven Veränderungen im Gesundheitssektor und für dessen Beschäftige führen. Hervorheben möchte ich hier insbesondere die Auswirkungen auf die fachärztliche Weiterbildung. Wir werden alle unsere Kräfte mobilisieren müssen, um diese Umbrüche zu meistern. Ich meine: Nur, wenn wir als Deutsche Gesellschaft für Chirurgie mit all ihren hochspezialisierten Fachverbänden sowie mit dem chirurgischen Berufsverband BDC zusammenhalten, haben wir überhaupt eine Chance, in der Landes- und Bundesgesundheitspolitik auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden und das System maßgeblich in unserem Sinne mitzugestalten. Wir müssen den Entscheidern geschlossen klarmachen: Bei uns konzentriert sich die chirurgische Expertise, fachlich und berufspolitisch.

Es ist bei all den politischen Diskussionen um Finanzierung des Gesundheitssystems unsere gemeinsame Aufgabe, darauf zu achten, dass die durch Forschung und Wissenschaft geschaffenen Werte nicht verloren gehen, und dass der Motor für Fortschritt und Innovation bei uns, der Ärzteschaft, immer das Streben nach dem Verbessern der gesundheitlichen Versorgung des Menschen sein sollte. Mit dieser Einstellung werden Kooperationen mit Industrie und Sponsoren im Sinne des Ärztecodex gelingen.

Liebe Mitglieder, was wird die jüngere Generation bei all den Hürden motivieren, sich für die Chirurgie zu begeistern? Sicherlich auch die Entwicklung in den OPs hin zum Einsatz modernster Technologie wie Next-Generation-Robotics sowie künstlicher Intelligenz und virtueller Realitäten. Daten und Vernetzung spielen hier eine Rolle und auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Hier hat die junge Generation den klaren Vorteil, dass sie in digitalen Welten und mit virtuellen Realitäten aufgewachsen ist. Wo wir können, sollten wir ihre Talente fordern und fördern und sie zu chirurgischen Höchstleistungen motivieren. Dies gelingt auch ohne das von vielen jungen Menschen als althergebracht beurteiltes Konkurrenzdenken. Denn: Höchstleistung an sich macht schon Spaß! Das meinten schon die alten Wikinger.

Prof. Dr. med. Christiane Bruns

Präsidentin der DGCH 2023/2024

Direktorin

Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Tumor- und Transplantationschirurgie

Universitätsklinikum Köln (AöR)

[email protected]

Bruns C: Editorial – DCK 2024. Passion Chirurgie. 2024 Juni; 14(06/II): Artikel 01_01.