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Änderung der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist es für Beschäftigte und selbständig Tätige möglich, sich für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen. Diese Vorschrift ist für Ärzte Rechtsgrundlage, um sich zu Gunsten der Mitgliedschaft im ärztlichen Versorgungswerk vollständig von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen zu können. Hierdurch wird eine doppelte Versicherungspflicht vermieden.

Nunmehr hat jedoch das Bundessozialgericht mit drei Urteilen (Az.: B 12 R 8/10 R, B 12 R 5/10 R und B 12 R 3/11 R) vom 31.10.2012 eine epochale Änderung in der Befreiungspraxis eingeläutet.

Von Bedeutung sind diese BSG-Entscheidungen für alle Pflichtmitglieder berufsständischer Versorgungswerke, die gleichzeitig aufgrund einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit pflichtversichert bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) sind. Hierzu zählen somit auch Ärzte.

Entscheidung des BSG – B 12 R 3/11

Aufgrund der Sachnähe wird allein auf dieses Urteil eingegangen.

In diesem Fall ging es um einen approbierten Arzt, der wegen seiner Tätigkeit als AiP seit 01.10.1997 von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit war. In der Folge war er sodann ab 01.12.1999 zunächst im Innendienst und sodann ab 01.05.2000 als Pharmaberater im Außendienst für ein pharmazeutisches Unternehmen tätig.

Das BSG hat in seinen Entscheidungen aufgrund enger Wortlautauslegung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI festgestellt, dass sich die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht stets nur auf die konkrete Beschäftigung bei einem konkreten Arbeitgeber oder die konkrete selbständige Tätigkeit des Betroffenen beschränkt.

Dies ergebe sich aus Sicht des BSG bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Regelung in § 6 Abs. 5 S. 1 SGB VI, der die Befreiung auf die „jeweilige“ Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränke. Somit komme mit der Befreiungsentscheidung eine umfassende Befreiung von der Versicherungspflicht auch für andere als die „jeweils“ ausgeübte Beschäftigung des Betroffenen nicht in Betracht. Dies gelte selbst dann, wenn ursprüngliche und nachfolgende Erwerbstätigkeiten ähnlich sein mögen. Aufgrund dieses Gesetzeswortlauts werde die Reichweite der Befreiung von der Versicherungspflicht laut BSG gerade nicht über die konkreten inhaltlichen Merkmale der ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit, wie beispielsweise berufliche Qualifikation, beruflicher Status oder Berufsbezeichnung bestimmt. Sondern diese Vorschrift stelle ausschließlich auf die Rechtsbegriffe „Beschäftigung“ und „selbständige Tätigkeit“ ab, weshalb allein die konkrete Beschäftigung/selbständige Tätigkeit maßgeblicher alleiniger Anknüpfungspunkt für den Umfang der Befreiung sein könne.

Auswirkungen

Mit dieser Rechtsprechung erteilt das BSG der bisherigen Praxis der DRV und auch der Auffassung einiger Sozialgerichte, die den Begriff „jeweilige Beschäftigung/selbständige Tätigkeit“ in § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI für manche Berufsgruppen im Sinne der „berufsgruppenspezifischen Beschäftigung“ unabhängig vom jeweiligen Arbeitgeber ausgelegt haben, eine klare Absage. Hiernach mussten diese Berufsgruppen bei einem Arbeitgeberwechsel in der Vergangenheit dann keinen neuen Befreiungsantrag stellen, wenn auch die neue Tätigkeit bestimmte Kriterien erfüllte. Der ursprüngliche Befreiungsantrag entfaltete dann auch hierfür Wirkung.

Das BSG definiert nunmehr jedoch die konkrete Beschäftigung über den jeweiligen Arbeitgeber, bei dem der Arzt zum Befreiungszeitpunkt angestellt war. Im Falle einer selbständigen Tätigkeit kommt es auf die tatsächlich ausgeübte selbständige Tätigkeit im Befreiungszeitpunkt an.

Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass bei jedem Beschäftigungswechsel und bei jeder wesentlichen Änderung des Tätigkeitsfeldes die Befreiungswirkung endet und ein neuer Befreiungsantrag für die neue Beschäftigung/selbständige Tätigkeit bei der DRV gestellt werden muss.

Die DRV weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass als neu aufgenommene Tätigkeit in diesem Sinne sowohl jeder Arbeitgeberwechsel als auch jede wesentliche Änderung im Tätigkeitsfeld bei dem bisherigen Arbeitgeber anzusehen ist.

Allerdings ist aus Sicht des Verfassers noch nicht abschließend geklärt, wann eine wesentliche Änderung vorliegt. Die DRV geht derzeit nach aktuellster Mitteilung wohl davon aus, dass sich dies nach dem Berufsrecht, also der Bundesärzteordnung (BÄO) und der (Muster-)Berufsordnung (M-BO) bestimmt. Diese Rechtsauffassung ist jedoch noch nicht offiziell bestätigt worden. Von einer wesentlichen Änderung im Tätigkeitsfeld sei dann nicht auszugehen, solange die Tätigkeit weiterhin dem in § 1 Abs. 2 M-BO festgelegten typischen ärztlichen Berufsbild (das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken) entspreche. Nachdem der Arztberuf gemäß §§ 2, 2a, 3 BÄO nur mit Approbation ausgeübt werden könne, müsse nach dieser Auffassung der DRV die befreiungsfähige Beschäftigung auch nach Tätigkeitsfeldänderung eine solche sein, deren Ausübung die Approbation voraussetze. Allerdings folge allein aus der Approbation noch keine ärztliche Tätigkeit.

Dies bedeutet nach Meinung des Verfassers, dass nur noch für kurativ-ärztliche Berufstätigkeiten, sprich für die eine ärztliche Approbation erforderlich ist, eine Möglichkeit zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bestünde und nicht mehr wie bislang für Tätigkeiten, deren Voraussetzung nur eine ärztliche Ausbildung war. Welche Umstände zu dieser geänderten Auffassung der DRV geführt haben ist derzeit unklar. Möglicherweise ist diese Ausfluss dreier jüngst ergangener Urteile des BSG vom 03.04.2014 (Az.: B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R, B 5 RE 3/14 R) zum Befreiungsanspruch für abhängig beschäftigte Syndikusanwälte. Das BSG hat darin zur Beurteilung der Frage, ob eine anwaltliche Tätigkeit vorliegt, auf die verfassungs- und berufsrechtliche Rechtsprechung zum Tätigkeitsbild eines Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und damit auf das Berufsrecht abgestellt (vgl. Pressemitteilung BSG vom 03.04.2014, Medieninformation Nr. 9/14, http://www.bsg.bund.de/DE/03_Medien/02_Medieninformationen/medieninformationen_node.html). Allerdings liegen die schriftlichen Urteilsgründe hierzu noch nicht vor, weshalb der Verfasser derzeit keine rechtssichere Auskunft darüber erteilen kann, ob und inwieweit diese Rechtsprechung auch auf die Befreiungsmöglichkeit für Ärzte angewandt werden kann. Sollte diese Auffassung sich durchsetzen, müsste zukünftig ein Arzt, der sich befreien lassen will, im Rahmen seiner Beschäftigung wohl zumindest überwiegend kurativ-ärztlich tätig sein.

Indiz für die Notwendigkeit eines neuen Befreiungsantrags könne aus Sicht der DRV sein, wenn die Tätigkeitsfeldänderung eine arbeitsvertragliche Anpassung bedinge, wobei allein Veränderungen in der Organisationsstruktur ohne wesentliche Umgestaltung des Tätigkeitsinhalts, der Zuständigkeiten und der Verantwortlichkeiten nicht zu berücksichtigen seien.

Zur Verdeutlichung werden folgende Beispielsfälle aufgezeigt, die der wohl derzeitigen, aber noch nicht offiziell bestätigten Rechtsauffassung der DRV entsprechen:

Der Wechsel eines Arztes im Krankenhaus von einer Station auf die andere oder vom Stationsarzt zum Oberarzt bzw. Chefarzt stellt aus Sicht der DRV keine wesentliche Änderung des Tätigkeitsfeldes dar, unabhängig von einer Arbeitsvertragsänderung (vgl. zudem DRV „Änderungen im Befreiungsrecht der Rentenversicherung“, Stand 10.01.2014, http://www.deutsche rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/5_Services/05_fachinformationen/01_aktuelles_aus_der_rechtsprechung/bsg_aenderungen_im_befreiungsrecht_der_rv.html).

Dies gilt auch für den in Weiterbildung befindlichen Arzt, für den eine Befreiung für seine ärztliche Tätigkeit in einer Praxis oder im Krankenhaus vorliegt, solange als Facharzt kein Arbeitgeberwechsel im klassischen Berufsfeld stattfindet.

Hingegen beurteilt die DRV den Fall anders, in dem ein Arzt neben seiner ärztlichen Haupttätigkeit zeitweise oder dauerhaft bei einem anderen Arbeitgeber eine ärztliche Nebentätigkeit ausübt. Für diese Nebentätigkeit benötigt der Arzt eine neue Befreiung.

Ebenso verhält es sich aus Sicht der DRV, wenn ein selbständiger Arzt, der grundsätzlich mangels Versicherungspflicht für seine selbständige Tätigkeit keine Befreiung erhält, neben dieser selbständigen Tätigkeit eine Angestelltentätigkeit ausübt. Für diese Angestelltentätigkeit ist dann ein Befreiungsantrag notwendig.

Für die Konstellation, in der ein Arzt für denselben Arbeitgeber innerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses auch nicht dem typischen Berufsbild entsprechende Tätigkeiten übernimmt, ist nach Auffassung der DRV maßgeblich darauf abzustellen, welche Tätigkeiten innerhalb des einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses überwiegen oder dessen Charakter bestimmen. Ein neuer Befreiungsantrag ist somit dann zu stellen, wenn diese Abwägung zu Gunsten der nicht dem typischen Berufsbild entsprechenden Tätigkeiten ausfällt, sprich diese überwiegen.

Inwieweit die DRV diese Rechtsauffassung zur Befreiungsfähigkeit nur rein kurativ-ärztlicher Berufstätigkeit offiziell bestätigen wird und bei welchen Kriterien vor allem die sozialgerichtliche Rechtsprechung zukünftig eine wesentliche Änderung des Tätigkeitsfeldes annehmen wird, bleibt abzuwarten. Dies kann derzeit nicht vorhergesagt werden, sodass eine gewisse Rechtsunsicherheit bestehen bleibt.

Hinsichtlich der Antragstellung ist zu beachten, dass diese innerhalb von drei Monaten ab Beginn der neuen Tätigkeit bzw. ab Wechsel des Tätigkeitsfeldes erfolgen muss. Denn nur in diesem Fall wirkt die Befreiung zurück auf den Zeitpunkt der Beschäftigungsaufnahme bzw. des Wechsels des Tätigkeitsfeldes.

Andernfalls gilt die Befreiung erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung, wodurch es zu einer Doppelversicherung kommt, die es zu vermeiden gilt. Selbstverständlich kann ein neuer Befreiungsantrag auch schon vor Beginn der Beschäftigung bzw. vor dem Tätigkeitswechsel gestellt werden.

Behandlung sog. Altfälle (Beschäftigungsaufnahme vor dem 31.10.2012)

Fraglich ist zudem, wie sog. Altfälle, also Fälle mit Beschäftigungswechsel vor dem Zeitpunkt der Urteile des BSG am 31.10.2012 behandelt werden.

Auch hier verfolgt das BSG in seinen oben genannten Urteilen vom 31.10.2012 einen zu § 6 SGB VI entsprechenden Prüfungsansatz, wonach auch § 231 SGB VI für die fortdauernde Wirkung einer früheren Befreiung auf die konkrete Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit abstelle und eine Identität der Beschäftigung oder der selbständigen Tätigkeit, die während der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht verrichtet wurde, fordere, indem die Fortwirkung einer vor dem 1.1.1992 erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht nur hinsichtlich „derselben“ Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit möglich sei (vgl. BSG, 31.10.2012, Az. B 12 R 5/10 R). Dies bedeutet nach Meinung des Verfassers im Ergebnis, dass das BSG hier einen Bestandsschutz für Altfälle in diesem Urteil verneint.

Die DRV vertritt hingegen die Auffassung, dass für berufsständisch Versorgte, die in der Vergangenheit für die Ausübung einer klassischen berufsspezifischen Tätigkeit befreit worden waren und nach einem Arbeitsplatzwechsel vor dem 31.10.2012 eine derartige Tätigkeit weiterhin ausüben, Vertrauensschutz für die Dauer dieser aktuellen Beschäftigung besteht. Die DRV ging in der Vergangenheit davon aus, dass eine einmal erteilte Befreiung bei einem Arbeitgeberwechsel gültig blieb, wenn der neue Arbeitgeber bestimmte Kriterien erfüllte und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt wurde. Die bisherige Praxis wird somit auf diese Fälle bei der aktuellen Beschäftigung von der DRV weiter angewandt. Soweit also Ärzte, die eine ärztliche Tätigkeit in Krankenhäusern oder Arztpraxen ausüben, ihre derzeitige Beschäftigung/Tätigkeit vor dem 31.10.2012 aufgenommen haben, müssen diese hiernach aus Sicht des Verfassers keinen neuen Befreiungsantrag stellen. Folglich muss erst bei einem weiteren Beschäftigungswechsel zwingend ein neuer Befreiungsantrag gestellt werden. Für die aktuell ausgeübte Beschäftigung kann jedoch eine Antragstellung zur Klärung erfolgen (vgl. DRV, a. a. O.).

Dieser Vertrauensschutz gilt nach Auffassung der DRV jedoch nicht für vor dem 31.10.2012 aufgenommene Beschäftigungen bei Ausübung einer anderen berufsspezifischen Tätigkeit. Dies betrifft Fälle, in denen eine Befreiung für die Ausübung einer berufsspezifischen Beschäftigung oder Tätigkeit zuerkannt worden war, vor dem 31.10.2012 jedoch durch einen Arbeitsplatzwechsel von dieser Beschäftigung oder Tätigkeit abgewandt wurde. Nachdem gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nur berufsspezifische Tätigkeiten einer Befreiung zugänglich sind, war maßgeblich für den neuen Befreiungsantrag die konkrete Arbeitsplatzbeschreibung (vgl. DRV, a. a. O.). Dies bedeutet somit nach Ansicht des Verfassers, dass in solchen Fällen ein neuer Befreiungsantrag zu stellen ist.

Folglich ist aus juristischer Sicht zwingend zu empfehlen, sofern kein aktueller Befreiungsbescheid bzw. keine schriftliche Bestätigung der DRV über die Weitergeltung der ursprünglichen Befreiung für die aktuell ausgeübte Beschäftigung vorliegt, die Antragstellung nachzuholen, damit die Beschäftigung beurteilt werden kann. Denn möglicherweise ist diese als berufsspezifisch einzuordnen.

Liegen die Befreiungsvoraussetzungen vor, wird ab dem Datum der Antragstellung die Befreiung erteilt. Nach Auskunft der DRV sind weder zukünftig noch für die Vergangenheit die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für diese Beschäftigung zu zahlen, damit ein lückenloser Schutz durch die berufsständische Versorgungswerke gewährleistet werde (vgl. DRV, a. a. O.).

Aus den aktuellen Urteilen des BSG vom 03.04.2014 lässt sich zwar entnehmen, dass das BSG wohl nunmehr die Auffassung vertritt, dass die Inhaber einer begünstigenden Befreiungsentscheidung ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Fortbestand dieser Entscheidung hätten. Denn die Inhaber hätten Lebensentscheidungen über die Altersvorsorge getroffen, weshalb einer Änderung der Rechtsauffassung hinsichtlich ergangener Befreiungsentscheidungen grundsätzlich und in aller Regel keine Bedeutung zukommen könne (vgl. Pressemitteilung BSG vom 03.04.2014, a. a. O.). Allerdings kann mangels Vorliegen der Urteilsgründe zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden, ob das BSG auch den Vertrauensschutz in die Befreiung auch bei einem Arbeitgeberwechsel oder einer Änderung der Tätigkeit bejaht.

Empfehlung

Nachdem derzeit nach Kenntnis des Verfassers zum einen noch nicht abschließend geklärt ist, wann eine wesentliche Änderung des Tätigkeitsfeldes vorliegt, ist aus juristischer Sicht dringend anzuraten, bei einem innerbetrieblichen Aufgaben- oder Funktionswechsel sicherheitshalber einen neuen Befreiungsantrag zu stellen. Zum anderen ist trotz der scheinbar eindeutigen Auffassung der DRV dennoch bis zum Eintritt einer rechtssicheren Lage sowohl bei Alt- als auch bei Neubefreiungen zu empfehlen, sich mit dem zuständigen Versorgungswerk bzw. mit der DRV in Verbindung zu setzen, um abzuklären, ob eine aktuell wirksame Befreiung für die aktuell ausgeübte Beschäftigung/Tätigkeit vorliegt und zur Sicherheit einen Befreiungsantrag zu stellen.

Sollte im Rahmen einer Betriebsprüfung weder ein alter noch ein aktueller Befreiungsbescheid für den Arbeitnehmer in den Unterlagen des Arbeitgebers vorliegen, werden die Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung für den vergangenen Zeitraum unmittelbar eingefordert. Es kann hier zu hohen Nachforderungen seitens der gesetzlichen Rentenversicherung kommen, wenn kein positiver aktueller Befreiungsbescheid vorgelegt werden kann. Dies gilt es folglich zu vermeiden.

Heberer J. Änderung der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Passion Chirurgie. 2014 Juni; 4(06): Artikel 06_01.

Dürfen präventivmedizinische Leistungen in der privatärztlichen Praxis erbracht werden?

Frage:

Eine niedergelassene Chirurgin fragt an, ob sie als Fachärztin für Chirurgie auch präventivmedizinische Leistungen, wie beispielsweise kosmetische Anti-Aging-Behandlungen oder Botoxinjektionen, in ihrer privatärztlichen Praxis erbringen darf.

Antwort:

Gemäß § 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz (HeilPrG) ist Ausübung der Heilkunde jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. Zur Ausübung der Heilkunde benötigt man gemäß § 1 Abs. 1 HeilPrG entweder die Bestallung als Ärztin oder eine Heilpraktikererlaubnis. Aufgrund der Approbation ist man zunächst zur Ausübung der Heilkunde berechtigt, auch wenn es sich hier um nichtärztliche bzw. nichtoperative Leistungen handelt.

Inwieweit die angebotenen präventivmedizinischen Leistungen unter den Heilkundebegriff zu subsumieren sind, obliegt einer rein medizinischen Einschätzung. Grundsätzlich kann aber gesagt werden, dass die rechtliche Einordnung kosmetischer Behandlungen als Heilbehandlung nach wie vor umstritten ist und diese Frage nicht generell, sondern stets nur im konkreten Einzelfall entschieden werden kann. Wird beispielsweise lediglich eine Verschönerung des äußeren Erscheinungsbildes bezweckt, ohne dass eine medizinische Indikation vorliegt, so ist keine Heilbehandlung gegeben. Andererseits können aber auch ästhetische Eingriffe zur Beseitigung einer körperlichen Verunstaltung dienen, welche für den Patienten eine seelische Belastung und damit ein psychisches Krankheitsbild und somit eine Heilbehandlung darstellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.07.2006 – 9 S 519/06).

Im Rahmen der Heilkundeerbringung sind sodann maßgeblich für die Frage, welche Leistungen als Fachärztin für Chirurgie erbracht werden dürfen, die Regelungen des Berufsrechts, also das jeweils geltende Heilberufe-Kammergesetz und die geltende Weiterbildungsordnung nebst den hierzu erlassenen WBO-Richtlinien. Wenn die geplanten präventivmedizinischen Leistungen hiernach Bestandteil des Fachgebietes, eines erworbenen Schwerpunktes oder einer erworbenen Zusatzbezeichnung sind, dürfen diese von einer Fachärztin für Chirurgie auch erbracht werden, wobei man bei der Leistungserbringung grundsätzlich an die Grenzen des Fachgebietes gebunden bleibt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 01.02.2011 – 1 BvR 2383/10 entschieden, dass Ärzte im privatärztlichen Bereich fachfremde Leistungen auch systematisch und dauerhaft erbringen können, soweit es sich nur um einen geringfügigen Leistungsumfang (ca. 5% der Gesamtleistungen) handelt. Allerdings muss hier wohl auf die Art der fachgebietsfremden Leistung abgestellt werden.

Stehen diese Leistungen nicht unter einem Fachgebietsvorbehalt, sondern dürfen diese unabhängig von den Fachgebietsgrenzen von jedem Arzt erbracht werden, so können nach Auffassung des Verfassers auch Fachärzte für Chirurgie diese Leistungen erbringen. Somit muss für jede Leistung, die angeboten werden soll, geprüft werden, ob diese unter die Fachgrenzen eines Gebietes, Schwerpunktes oder einer Zusatzbezeichnung nach der geltenden WBO fallen oder nicht. Für diese detaillierte Auskunft empfiehlt der Verfasser, sich an die zuständige Landesärztekammer zu wenden.

Antworten von Dr. jur. Jörg Heberer:
Justitiar BDC Berlin, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
[email protected]

Heberer J. Dürfen präventivmedizinische Leistungen in der privatärztlichen Praxis erbracht werden? Passion Chirurgie. 2014 Mai; 4(05): Artikel 08_02.

Datenschutz bei Abrechnung durch private Abrechnungsstelle

Der Datenschutz hat gerade in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Die Öffentlichkeit wurde insbesondere auch durch die Medien hinsichtlich der Beachtung des Datenschutzes sensibilisiert. Dies hat vor allem auch Auswirkungen auf das Arzt-Patienten-Verhältnis, gerade im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht. Von gesonderter Problematik ist hier die Abrechnung der ärztlichen Leistungen durch externe private Abrechnungsstellen. Da hierzu die Weitergabe der Patientendaten sowie der durch den Arzt erbrachten ärztlichen Leistungen und oftmals auch der gestellten Diagnose erfolgt, stellt sich die Frage, ob und in welchen Fällen dies zulässig ist.

Die wichtigsten gesetzlichen Regelungen

1. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB

Diese Vorschrift stellt den Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht unter Strafe. Hierin heißt es:

„Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als Arzt anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, macht sich strafbar.“

Gemäß Absatz 4 gilt dies auch über den Tod des Betroffenen hinaus.

Der Begriff des Geheimnisses meint Tatsachen, die sich auf die Person des Betroffenen sowie seine vergangenen und bestehenden Lebensverhältnisse beziehen. Dies können auch Tatsachen der Identifikation, wie beispielsweise der Patientenname sein (vgl. Fischer T., Strafgesetzbuch, Kommentar, § 203 Rn. 4, 55. Auflage 2008, Verlag C. H. Beck). Selbstverständlich fallen insbesondere Gesundheitsdaten hierunter.

Unbefugt bedeutet ohne Einwilligung bzw. mutmaßliche Einwilligung des Betroffenen oder ohne gesetzliche Offenbarungspflicht.

2. § 9 Muster-Berufsordnung Ärzte (MBO-Ä)

Auch berufsrechtlich ist die ärztliche Schweigepflicht umfassend normiert. Danach haben Ärztinnen und Ärzte gemäß Absatz 1 über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Ärztin oder Arzt anvertraut oder bekannt geworden ist – auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus – zu schweigen. Schriftliche Mitteilungen der Patienten, Aufzeichnungen über Patienten, Röntgenaufnahmen und sonstige Untersuchungsbefunde zählen auch hierzu.

Absatz 2 legt berufsrechtlich eine Befugnis zur Offenbarung fest, wonach diese besteht, soweit der Arzt/die Ärztin von der Schweigepflicht entbunden worden ist oder soweit die Offenbarung zum Schutze eines höherwertigen Rechtsgutes erforderlich ist. Unberührt hiervon bleiben gesetzliche Aussage- und Anzeigepflichten. Ist die ärztliche Schweigepflicht durch gesetzliche Vorschriften eingeschränkt, so soll der Patient darüber unterrichtet werden.

Zudem sieht Absatz 4 vor, dass für den Fall, dass mehrere Ärztinnen und Ärzte gleichzeitig oder nacheinander denselben Patienten untersuchen oder behandeln, sie untereinander nur insoweit von der Schweigepflicht befreit sind, als das Einverständnis des Patienten vorliegt oder anzunehmen ist.

3. Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)

Dem Bundesdatenschutzgesetz kommt für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten eine zentrale Stellung zu, dessen Vorschriften grundsätzlich von Jedermann zu beachten sind. Daneben können aber noch weitere Gesetze bestehen, die Geltung besitzen oder als Spezialvorschriften primären Vorrang haben. Zu nennen sind hier insbesondere die Landesdatenschutzgesetze, die für Krankenhäuser geltenden Krankenhausgesetze der Länder oder auch das SGB V für die vertragsärztliche Versorgung.

Personenbezogene Daten sind nach § 3 Abs. 1 BDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person, wie zum Beispiel Name, Anschrift und Geburtsdatum.

Besondere personenbezogene Daten sind nach § 3 Abs. 9 BDSG Angaben über die ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben.

Nach § 4 Abs. 1 BDSG sind die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn eine gesetzliche Rechtsgrundlage nach dem BDSG oder einem anderen Gesetz dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene hierzu seine Einwilligung erteilt hat. Dies gilt nach Auffassung des Verfassers erst recht für besondere personenbezogene Daten. Folglich setzt die Zulässigkeit der Übermittlung von Patientendaten hiernach entweder eine gesetzliche Grundlage oder die Einwilligung des Patienten voraus.

Die Einwilligung ist jedoch gemäß § 4a Abs. 1 BDSG nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Zudem bestehen hiernach Hinweispflichten gegenüber dem Betroffenen hinsichtlich des Zwecks der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, bei Erforderlichkeit oder auf Verlangen des Betroffenen, der Folgen der Verweigerung der Einwilligung. Die Einwilligung bedarf grundsätzlich der Schriftform. Wenn die Einwilligung zur Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Daten zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt wird, muss sie besonders hervorgehoben werden.

Soweit besondere Arten personenbezogener Daten im Sinne des § 3 Abs. 9 BDSG erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, muss sich die Einwilligung darüber hinaus ausdrücklich auf diese Daten beziehen (§ 4a Abs. 3 BDSG).

§ 39 BDSG unterstellt die Verarbeitung oder Nutzung von personenbezogenen Daten, die einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegen und die von der zur Verschwiegenheit verpflichteten Stelle (also z. B. dem Arzt) in Ausübung ihrer Berufs- oder Amtspflicht zur Verfügung gestellt worden sind, einer Zweckbindung, d. h. sie dürfen von der verantwortlichen Stelle nur für den Zweck verarbeitet oder genutzt werden, für den sie sie erhalten hat. Eine Verarbeitung oder Nutzung zu einem anderen Zweck ist nur zulässig, wenn die Änderung des Zwecks durch besonderes Gesetz zugelassen ist.

Rechtsprechung

a. Privatpatienten

Für die Übermittlung, Verarbeitung, Nutzung und Speicherung der Patientendaten zum Zwecke der Abrechnung an eine externe private Abrechnungsstelle benötigt der Arzt vom Privatpatienten nach ständiger Rechtsprechung mangels gesetzlicher Grundlage zwingend eine ausdrückliche Schweigepflichtentbindungserklärung sowie eine datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung (vgl. BGH, NJW 1991, 2955; OLG Karlsruhe, NJW 1998, 831; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.08.2007 – I-16 U 209/05; BGH, Urteil vom 10.10.2013 – III ZR 325/12). Ohne Vorliegen dieser Erklärungen bzw. bei Verweigerung der Unterzeichnung der Erklärungen durch den Patienten dürfen die Daten nicht an die Abrechnungsstelle weitergegeben werden. Ferner reicht nach ständiger Rechtsprechung eine konkludente Einwilligung zur Legitimation der Datenübermittlung nicht aus. Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, ob die externe gewerbliche Abrechnungsstelle nur mit der Rechnungserstellung beauftragt ist, oder ob die ärztliche Forderung zudem an diese zur Einziehung abgetreten wurde (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2013 – III ZR 325/12).

Hinsichtlich des Zugriffs der externen Abrechnungsstelle durch Einwahl in das Praxisprogramm zur Kontrolle der Privatliquidation anhand der Karteikarteneinträge ist dies aus datenschutzrechtlicher Sicht nach Meinung des Verfassers durchaus höchst problematisch.

Denn die Einwilligungserklärung des Patienten bezieht sich in der Regel ausschließlich auf diejenigen Daten, die zur Abrechnung erforderlich sind. Sofern durch die Einwahl in das Praxisprogramm bei dem jeweiligen Patienten durch die Abrechnungsstelle auch Daten zur Kenntnis genommen werden können, die für die Abrechnung nicht erforderlich sind und hiermit nichts zu tun haben, ist dies aus Sicht des Verfassers unzulässig und überdies auch nicht mehr von der Einverständniserklärung des Patienten gedeckt. Alle Daten, die somit nicht für die Abrechnung erforderlich sind, müssen vor dem unbefugten Zugriff Dritter geschützt werden. Ansonsten liegt sowohl ein datenschutzrechtlicher als auch ein strafrechtlicher Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht vor. Umfassen jedoch die Schweigepflichtentbindungs- und die Datenschutzerklärungen auch diese Vorgehensweise, wird der Patient hierüber informiert und willigt er ausdrücklich ein, so wäre dies nach Meinung des Verfassers rechtlich zulässig.

Eine wirksame Schweigepflichtentbindungserklärung setzt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung voraus, dass

der Patient eine im Wesentlichen zutreffende Vorstellung davon hat, worin er einwilligt,

er die Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung überblicken kann,

er deshalb wissen muss, aus welchem Anlass und mit welcher Zielsetzung er welche Personen von ihrer Schweigepflicht entbindet und

er über Art und Umfang der Einschaltung Dritter (die genau benannt werden müssen mit Anschrift) unterrichtet wird (vgl. BGH, NJW 1992, 2348; ders. Urteil vom 10.10.2013 – III ZR 325/12).

Dies bedeutet vor allem im Falle der Abtretung der Forderung zur Einziehung, dass der Patient eindeutig und zweifelsfrei erkennen kann, wer Forderungsinhaber ist und zu welchem Zweck (also zum Beispiel Forderungseinziehung und gegebenenfalls gerichtliche Geltendmachung) die Behandlungsdaten weitergegeben werden sowie, dass der Patient darauf hingewiesen wird, dass etwaige Einwendungen gegen die ärztliche Honorarforderung in einem folgenden Prozess gegenüber der Abrechnungsstelle geltend zu machen sind und hierzu möglicherweise Einzelheiten aus der Krankengeschichte und der Behandlung offenbart werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2013 – III ZR 325/12).

Die datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung setzt nach Auffassung des Verfassers unter Berücksichtigung der gesetzlichen Anforderungen voraus, dass

sie schriftlich abgegeben wird,

sie für den Fall, dass sie zusammen mit anderen Erklärungen erteilt wird, besonders deutlich hervorgehoben wird,

sie den Patientin auf den Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie der Folgen der Verweigerung der Einwilligung (dem Patienten sollte eine alternative Möglichkeit zur Abrechnung gegeben werden) hinweist,

sie deutlich erkennen lässt, an welches gewerbliche Abrechnungsunternehmen und welche Daten (personenbezogene und/oder besondere personenbezogene Daten, bei Forderungsabtretung i. d. R. die gesamten Behandlungsdokumente) übermittelt werden,

der Patient erkennen kann, ob die Erklärung nur für den konkreten Behandlungsfall gilt oder für die gesamte Dauer der ärztlichen Vertragsbeziehung (vgl. Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen, Übermittlung von Patientendaten an private Abrechnungsdienste, unter http://www.ldi.nrw.de/mainmenu_Datenschutz/submenu_Datenschutzrecht/Inhalt/Gesundheit/Inhalt/01_Uebermittlung_von_Patientendaten_an_private_Abrechnungsdienste/01_Uebermittlung_von_Patientendaten_an_private_Abrechnungsdienste.php) und

sie den deutlichen Hinweis enthält, dass die Einwilligung freiwillig erteilt wird und vom Patienten jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann.

b. GKV-Patienten

Für den vertragsärztlichen Bereich hat das BSG allerdings entschieden, dass eine Weitergabe von Patientendaten an externe private Abrechnungsstellen grundsätzlich unzulässig ist mangels gesetzlicher Rechtsgrundlage und eine solche auch nicht entbehrlich wird durch eine schriftliche Einwilligungserklärung des GKV-Patienten zur Datenweitergabe (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2008 – B 6 KA 37/07 R).

Die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des SGB I und des SGB X finden aus Sicht des BSG auf vertragsärztliche Leistungserbringer keine Anwendung, da diese Vorschriften allein den Schutz von Sozialdaten im Verwaltungsverfahren der Sozialleistungsträger regeln. Die §§ 284 ff. SGB V enthalten diesbezüglich (nahezu) ausschließlich Bestimmungen, die sich mit datenschutzrechtlichen Anforderungen an die Erhebung, Speicherung, Verarbeitung und Nutzung von Daten durch die KVen und die gesetzlichen Krankenkassen auseinandersetzen, jedoch (nahezu) keine Regelungen, die sich mit der Weitergabe von Patientendaten durch Leistungserbringer befassen. Von den im SGB V gesetzlich normierten oder als selbstverständlich vorausgesetzten Abrechnungswegen (Abrechnung zwischen Vertragsarzt-KV-Krankenkasse) sei deshalb nur dann eine Abweichung zulässig, wenn dies auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage beruhe. Die im SGB V zu findende unterschiedliche Regelungsdichte hinsichtlich der Einschaltung Dritter in den Datenfluss sei nach Auffassung des BSG nur dann nachvollziehbar, wenn davon ausgegangen werde, dass die Krankenkassen bzw. KVen die allein in Betracht kommenden Empfänger und Nutzer der von den Vertragsärzten weiterzugebenden Sozialdaten seien. Für die Zulässigkeit der Datenübermittlung an externe Abrechnungsstellen bedürfte es insoweit deshalb detaillierter datenschutzrechtlicher Bestimmungen, die denen für KV und Kassen entsprächen, welche allerdings fehlen. Die wenigen gesetzlich geregelten Ausnahmefälle (z. B. § 300 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB V) würden hingegen belegen, dass die Einschaltung Dritter dann gerade angemessenen datenschutzrechtlichen Beschränkungen unterworfen ist. Letztendlich sei die Weitergabe von Gesundheitsdaten nach der Konzeption des SGB V auf das Unerlässliche beschränkt. Die gegenüber den Vorschriften des SGB V subsidiären Vorschriften des BDSG können nach Meinung des BSG nur in solchen Fällen Anwendung finden, in denen die Vorschriften des SGB V ausdrücklich hierauf verweisen. Denn das Sozialgesetzbuch treffe in seinem Geltungsbereich als abschließend zu verstehende bereichsspezifische Regelungen, die eine entsprechende oder ergänzende Anwendung des BDSG verbieten. Folglich komme hiernach für eine zulässige Datenweitergabe und verarbeitung durch externe Abrechnungsstellen der Rückgriff auf die Einwilligung des Patienten als Ermächtigungsgrundlage weder direkt noch analog in Betracht. Dies vor allem auch im Hinblick darauf, dass an anderen Stellen eine Normierung der Zulässigkeit einer auf eine Einwilligung gestützten Datenübermittlung durch Leistungserbringer gerade für erforderlich angesehen wurde und ausdrücklich erfolgt sei (z. B. § 17 Abs. 3 Satz 6 KHEntgG, §§ 73 Abs. 1b Satz 1und 2, 137f Abs. 3 Satz 2, 63 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Diese Grundsätze gelten entsprechend der Begründung des BSG für alle Personen und Institutionen, die Leistungen der ambulanten Krankenbehandlung erbringen (solange keine abweichende Gesetzesvorschrift besteht), sodass der Teilnahmestatus im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung insoweit unmaßgeblich ist. Mangels bestehender spezifischer Datenschutzregelungen in den Vorschriften über besondere Versorgungsformen (§§ 73b, 73c oder 140a SGB V) dürften aus Sicht des BSG dieselben Grundsätze gelten. Damit verbundene abrechnungs-organisatorische Einschränkungen der Ärzte und der Abrechnungsstellen seien zumutbar und im Übrigen zulässige Berufsausübungsregelungen (vgl. zu alledem: BSG, a. a. O.).

Exkurs: Minderjährige

Bei minderjährigen Patienten gelten nach Auffassung des Verfassers grundsätzlich die gleichen Maßstäbe wie für die Aufklärung von Minderjährigen. Die Schweigepflichtentbindungs- und die Datenschutzerklärung sind generell von dem Patienten zu erteilen.

Minderjährige können dann die vorgenannten Erklärungen selbständig abgeben, wenn sie einsichts- und einwilligungsfähig sind, d. h. sie eine im Wesentlichen zutreffende Vorstellung davon haben, worin sie einwilligen, und die Bedeutung und Tragweite ihrer Entscheidung zu überblicken vermögen. Dies ist sicherlich bei Minderjährigen zwischen 14 und 18 Jahren in der Regel anzunehmen (vgl. BGH, NJW 1959, 811). Eine konkrete Feststellung der Einsichtsfähigkeit hat dennoch stets in jedem Einzelfall durch den Arzt zu erfolgen. Deshalb sollten diese Patienten die Schweigepflichtentbindungs- und die Datenschutzerklärung (mit ) unterschreiben. Da hier regelmäßig auch Daten der Eltern, die als Versicherte die Rechnung erhalten, weitergegeben werden, müssen diese jedoch auch die jeweiligen Erklärungen nach Meinung des Verfassers unterschreiben.

Nachdem bei Minderjährigen unter 14 Jahren die Einsichtsfähigkeit in der Regel abzulehnen sein wird, ist es hier aus Sicht des Verfassers zwingend, die Erklärungen von den Eltern einzuholen.

Rechtsfolgen bei Verstoß

Die Erfüllung des Straftatbestandes des § 203 Abs.1 StGB sieht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe als Bestrafung vor.

Aus dem BDSG ergibt sich zum einen, dass nach § 6 Abs. 1 der Betroffene ein Recht auf Auskunft, Berichtigung, Löschung oder Sperrung seiner Daten hat und dieses Recht auch nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden kann.

Zum anderen normiert § 7 BDSG eine Schadensersatzpflicht der verantwortlichen Stelle gegenüber dem Betroffenen bei einer nach dem BDSG oder nach anderen Vorschriften über den Datenschutz unzulässigen oder unrichtigen Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung seiner personenbezogenen Daten, wenn dem Betroffenen hierdurch ein Schaden zugefügt wird. Bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt durch die verantwortliche Stelle kann die Ersatzpflicht jedoch entfallen.

Überdies sieht das BDSG sowohl für einige Verstöße gemäß § 43 BDSG ein Bußgeld vor. Beispielsweise für die Fälle, dass jemand entgegen § 28 Abs. 5 Satz 2 BDSG personenbezogene Daten übermittelt oder nutzt (Abs. 1 Nr. 4) oder wenn vorsätzlich oder fahrlässig unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, erhoben oder verarbeitet werden (Abs. 2).

Absatz 3 sieht für Ordnungswidrigkeiten im Fall des Absatzes 1 eine Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro, in den Fällen des Absatzes 2 eine Geldbuße bis zu dreihunderttausend Euro vor. Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen, wobei die vorgenannten Beträge nach Absatz 3 Satz 3 überschritten werden können, wenn sie hierfür nicht ausreichen.

Des Weiteren wird in § 44 BDSG ein Straftatbestand geschaffen, wenn eine in § 43 Abs. 2 bezeichnete vorsätzliche Handlung gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, begangen wird. Hier droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. Diese Tat wird jedoch nur bei Stellung eines Strafantrages verfolgt.

Bei einem Verstoß gegen die berufsrechtliche Vorschrift des § 9 MBO-Ä muss u. a. mit einer Rüge, einer Geldauflage oder auch mit der Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens gerechnet werden. Maßgeblich sind die Vorschriften in den Heilberufe-Kammergesetzen der jeweiligen Bundesländer.

In diesem Zusammenhang darf der Verfasser darauf hinweisen, dass die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung „Empfehlungen zu ärztlicher Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis“ herausgegeben haben, die unter www.bundesaerztekammer.de/downloads/Empfehlung_Schweigepflicht_Datenschutz.pdf eingesehen und heruntergeladen werden können. Dieser Empfehlung ist eine technische Anlage beigefügt zur Etablierung und Aufrechterhaltung eines angemessenen IT-Sicherheitsstandards in der ärztlichen Praxis. Ferner hat die KBV einen Leitfaden für Ärzte zu den Anforderungen an Hard- und Software veröffentlicht mit Hinweisen zum Datenschutz, der unter www.kbv.de/25718.html eingesehen werden kann.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass bei Nichteinhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften sowie bei einem Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht dem Arzt somit insgesamt erhebliche Konsequenzen drohen können.

Heberer J. Datenschutz bei Abrechnung durch private Abrechnungsstelle. Passion Chirurgie. 2014 Mai; 4(05): Artikel 06_01.

Wie ist der urheberrechtliche Schutz bei medizinischen Gutachten für die BG?

Frage:

Ein Chefarzt fragt an, wie es sich mit dem Urheberrechtsschutz bei medizinischen Gutachten für die Berufsgenossenschaft verhält.

Antwort:

Medizinische Gutachten genießen aus Sicht des Verfassers entgegen wohl weitverbreitetem Glauben leider nur ausnahmsweise Urheberrechtsschutz nach dem Urheberrechtsgesetz. Dies nämlich gemäß § 2 Abs. 2 UrhG nur dann, wenn sie eine gewisse Schöpfungshöhe aufweisen. Da die Rechtsprechung, wann diese Gestaltungshöhe erreicht ist, nicht einheitlich ist und sich stets an den konkreten Umständen des Einzelfalls orientiert, ist somit die Frage hier schwierig zu beantworten. Einigkeit besteht jedoch darin, dass es bei der Schutzfähigkeit nicht auf den wissenschaftlichen Inhalt ankommt, sondern allein auf die Form der Darstellung. Kriterien sind hier die Einteilung, Umstände der Sammlung, Originalität und Besonderheit der Darstellung. Um schutzfähig zu sein, muss das Gutachten deshalb eine deutliche Überschreitung des alltäglichen Maßes der üblichen Darstellung in der Gliederung und der Verarbeitung des Materials aufweisen, es darf sich also nicht auf einem selbstverständlichen Niveau bewegen. Der geistig-schöpferische Gehalt muss somit in der fachlichen Gedankenführung über das übliche Maß hinausgehen. Der Inhalt und damit die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind nicht schutzfähig. Der häufig zu findende Urheberrechtsvermerk auf den Gutachten ist im Hinblick hierauf insoweit grundsätzlich nicht von Bedeutung.

Bei medizinischen Standardgutachten wird die erforderliche Schöpfungshöhe somit in der Regel fehlen. Der wissenschaftliche Inhalt ist ohnehin nicht geschützt.

Genießt das ärztliche Gutachten hiernach ausnahmsweise Urheberrechtsschutz, darf eine Nutzung bzw. Verwertung des Gutachtens grundsätzlich nur mit Zustimmung des Arztes erfolgen. Ist der Urheberrechtsschutz abzulehnen, können aber unabhängig hiervon mit der auftraggebenden BG vertraglich Nutzungs- bzw. Verwertungsrechte vereinbart werden.

Nachdem die BG Auftraggeberin des Gutachtens und somit alleinige Vertragspartnerin des Arztes ist, darf das Gutachten ohne deren Zustimmung nach Auffassung des Verfassers aber grundsätzlich nicht an die untersuchte Person oder an andere Dritte übersandt bzw. diesen zum weiteren Gebrauch überlassen werden. Ein Rechtsverhältniss zwischen untersuchter Person bzw. Drittem und begutachtendem Arzt besteht nämlich nicht, weshalb auch ein Anspruch auf Einsichtnahme dieser Personen gegenüber dem Gutachter ausscheidet. Allenfalls bestünde ein solcher Anspruch nur gegen die BG bei einem rechtlichen Interesse.

Antworten von Dr. jur. Jörg Heberer:
Justitiar BDC Berlin, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
[email protected]

Heberer J. Wie ist der urheberrechtliche Schutz bei medizinischen Gutachten für die BG? Passion Chirurgie. 2014 Mai; 4(05): Artikel 08_01.

Das Urheberrecht bei Vorträgen

Medizinische Kongresse oder ähnliche Veranstaltungen zeichnen sich oftmals unter anderem dadurch aus, dass vom Veranstalter gebuchte Referenten Vorträge zu interessanten Themen vor einem öffentlichen Publikum halten. Der Vortrag des Referenten setzt sich dabei grundsätzlich zusammen aus der persönlichen Darbietung des Referenten sowie einer von ihm erstellten Präsentation auf Bild- oder Tonträgern (z. B. PowerPoint-Präsentation). Dem medialen Fortschritt ist es wohl geschuldet, dass es immer öfter dazu kommt, dass die Teilnehmer den Vortrag beispielsweise per Handy aufnehmen bzw. die gezeigten Folien etc. fotografieren. Dies geschieht oftmals ohne vorherige Einwilligung des Referenten. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, ob durch die Foto-, Video- und/oder Audioaufnahmen der Teilnehmer von Vorträgen das Urheberrecht des Referenten verletzt wird.

Grundsätzliche urheberrechtliche Regelung

Da in diesem Artikel davon ausgegangen wird, dass der vortragende Referent den Vortrag selbst erstellt hat und somit Urheber des Werks ist, steht ihm gemäß § 15 Abs. 1 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) das ausschließliche Recht zu, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten. Dies umfasst insbesondere das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG), das Verbreitungsrecht (§17 UrhG) und das Ausstellungsrecht (§ 18 UrhG).

Des Weiteren ist es das ausschließliche Recht des Urhebers, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG. Hierzu zählt insbesondere das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19 UrhG), das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) und das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21 UrhG).

Da die Wiedergabe nach § 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG öffentlich sein muss, wird in § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG definiert, dass dies der Fall ist, wenn die Wiedergabe für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Gemäß Absatz 3 Satz 2 gehört jeder zur Öffentlichkeit, der nicht mit dem Urheber oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist. Aus Sicht des Verfassers gehören somit die zuhörenden Teilnehmer einer solchen Vortragsveranstaltung, wie einleitend dargestellt, grundsätzlich zur Öffentlichkeit.

Der Referent als Urheber des Vortrags kann somit grundsätzlich jederzeit und gegenüber jedermann bestimmen, ob dieser zur Verwertung und/oder Wiedergabe seines Vortrags, der hiermit verbundenen Folien/Grafiken etc. berechtigt sein soll oder nicht. Im Folgenden werden nun die nach Meinung des Verfassers relevantesten Rechte näher dargestellt.

§ 16 UrhG Vervielfältigungsrecht

Der Urheber hat das Recht zu bestimmen, ob, in welchem Verfahren und in welcher Zahl Vervielfältigungsstücke (Kopien) seines Werks (= Vortrag) hergestellt werden dürfen. Als Vervielfältigung gilt dabei auch die Übertragung des Werkes auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- oder Tonaufnahmen (Bild- oder Tonträger) gemäß § 16 Abs. 2 UrhG. Sowohl dauerhafte als auch vorübergehende Vervielfältigungen sind hiervon umfasst.

Bereits die erste körperliche Festlegung des Werkes (Erstfixierung) stellt eine Vervielfältigung dar, wie beispielsweise das Mitschreiben oder der Mitschnitt eines frei gehaltenen Vortrages (vgl. Dustmann in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 16 UrhG Vervielfältigungsrecht Rn. 10, 10. Auflage 2008, Verlag W. Kohlhammer). Auch die Fotografie eines urheberrechtlich geschützten Werkes oder dessen digitale Speicherung, unabhängig davon ob es sich um eine Erstspeicherung (Digitalisierung durch Scannen) oder eine Übertragung von einem Speichermedium in ein anderes handelt, stellen eine Vervielfältigung dar (vgl. Dustmann, a. a. O., § 16 Rn. 12). Erforderlich für eine Vervielfältigung ist dabei stets die Geeignetheit der Festlegung des Werks zur unmittelbaren oder mittelbaren Wahrnehmbarmachung. Von einer mittelbaren Wahrnehmbarmachung spricht man, wenn die Signale erst in analoge Signale umgewandelt werden müssen, damit sie wahrgenommen werden können.

Nach § 16 Abs. 2 UrhG zählt aber auch die Herstellung von Tonband- oder Filmaufnahmen eines Werkes zum Vervielfältigungsrecht. Insbesondere unterfallen alle Formen digitaler Datenträger dem Begriff „Bild- und Tonträger“.

Mit welchem Verfahren Vervielfältigungen vorgenommen werden, ist unerheblich, da jegliche Techniken zur Vervielfältigung von § 16 UrhG erfasst sind. Vervielfältig werden muss nicht nur das vollständige Werk. Vielmehr umfasst das Vervielfältigungsrecht auch lediglich einzelne Teile. Ebenso sind Anzahl der vervielfältigten Stücke und der Vervielfältigungszweck (privat oder gewerblich) völlig unmaßgeblich.

Aus Sicht des Verfassers stellen somit beispielsweise das Abfotografieren von Folien während eines Vortrages oder der Mitschnitt/die Aufnahme eines Vortrages grundsätzlich Vervielfältigungen dar, an denen der Referent zunächst einmal das ausschließliche Recht besitzt und diese somit untersagen kann.

§ 19 UrhG Vortrags- und Vorführungsrecht

§ 19 Abs. 1 UrhG schützt das Vortragsrecht des Urhebers. Dies meint das Recht, ein Sprachwerk durch persönliche Darbietung öffentlich zu Gehör zu bringen. Das Werk wird in diesem Fall einem unmittelbar anwesenden Publikum in unkörperlicher Form, also nicht durch Bild- oder Tonträger, dargeboten (vgl. Dustmann, a. a. O., § 19 Rn. 1). Somit hat der Urheber das Recht, seinen von ihm verfassten Vortrag den anwesenden Teilnehmern unmittelbar (live) vorzutragen.

Hingegen unterfallen die Aufnahme oder die Vervielfältigung eines Vortrages nicht dem Recht aus § 19 Abs. 1 UrhG, sondern dem Vervielfältigungsrecht des § 16 UrhG. Von § 21 UrhG wird überdies die öffentliche Wiedergabe eines aufgezeichneten Vortrags durch Bild- oder Tonträger erfasst (vgl. Dustmann, a. a. O., § 19 Rn. 10).

Das Vorführungsrecht gemäß § 19 Abs. 4 UrhG ist das Recht, ein Werk der bildenden Künste, ein Lichtbildwerk, ein Filmwerk oder Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art durch technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen. Hierunter ist zum Beispiel die öffentliche Powerpoint-Präsentation wissenschaftlicher Darstellungen zu subsumieren (vgl. Dustmann, a. a. O., § 19 Rn. 27). Geschützt vom Anwendungsbereich des Absatzes 4 werden aber nur die hier abschließend aufgezählten Werke. Die öffentliche Wiedergabe eines Sprachwerks ist hiervon nicht umfasst. Unterstützt folglich der Referent seinen persönlichen Vortrag durch eine Powerpoint-Präsentation, so können hier unterschiedliche Verwertungsrechte bestehen. Beinhaltet die Powerpoint-Präsentation auch die Wiedergabe wissenschaftlicher Darstellungen, so greift hier zusätzlich zu den Rechten aus §§ 16, 21 UrhG auch das Recht des § 19 Abs. 4 UrhG.

Als technische Einrichtung im Sinne des Absatzes 4 sind Abspielgeräte und Projektoren jeglicher Art zu verstehen, die Bilder oder Bildfolgen für den Betrachter wahrnehmbar machen können (vgl. Dustmann, a. a. O., § 19 Rn. 29).

§ 21 Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger

Gemäß § 21 UrhG ist das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger das Recht, Vorträge des Werkes mittels Bild- oder Tonträger öffentlich wahrnehmbar zu machen. Dieses Recht stellt ein sog. Zweitverwertungsrecht dar, da Voraussetzung hierfür die Vervielfältigung des Werks durch Herstellung eines Bild- oder Tonträgers nach § 16 Abs. 2 UrhG durch den Urheber ist (vgl. Dustmann, a. a. O., § 21 Rn. 1). Dementsprechend muss der Vortrag schon einmal stattgefunden haben und aufgenommen worden sein, braucht aber selbst nicht öffentlich gewesen sein (vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, § 21 Rn. 5, 8, 3. Auflage 2013, Verlag Hüthig Jehle Rehm GmbH).

Damit dieses Wiedergaberecht einschlägig ist, muss ein Vortrag nach § 19 Abs. 1 UrhG, damit also ein Sprachwerk, durch Abspielen von einem Bild- oder Tonträger öffentlich wiedergegeben werden. Auch diese Vorschrift bezieht sich auf alle analogen oder digitalen Datenträger jeglicher Art, die geeignet sind, Texte und Musik wiederzugeben. Werden somit Texte mittels Powerpoint-Präsentation, Dia- oder Overheadprojektor durch einen Anderen als den Urheber ohne dessen Einwilligung wiedergegeben, liegt ein Verstoß gegen § 21 UrhG vor (vgl. Dustmann, a. a. O., § 21 Rn. 8; Dreyer/Kotthoff/Meckel, a. a. O., § 21 Rn. 14).

Die alleinige Möglichkeit der Wahrnehmung reicht wohl allerdings für den Tatbestand des § 21 UrhG nicht aus, da hierfür die tatsächlich unmittelbar wahrnehmbare (ggf. spätere) Wiedergabe erforderlich ist.

Schranken des Urheberrechts

Die §§ 44a ff. UrhG unterstellen diese ausschließlichen Verwertungs- und Wiedergaberechte des Urhebers aber einigen Schranken.

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist (§ 51 UrhG). Insbesondere ist dies zulässig, wenn nach Satz 2 Nr. 2 Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden. Hierbei ist jedoch stets die Vorschrift des § 63 UrhG über die Erfordernisse einer Quellenangabe zu beachten.

Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werks beispielsweise zulässig, wenn die Wiedergabe keinem Erwerbszweck des Veranstalters dient, die Teilnehmer ohne Entgelt zugelassen werden und im Falle des Vortrags oder der Aufführung des Werkes keiner der ausübenden Künstler eine besondere Vergütung erhält.

Maßgeblich erscheint dem Verfasser für die hier behandelte Problematik vor allem die Einschränkung des § 53 UrhG zu sein.

Danach sind gemäß Absatz 1 grundsätzlich einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern zulässig, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen und soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird.

Unter Privatgebrauch wird der Gebrauch in der Privatsphäre zur Befriedigung rein persönlicher Bedürfnisse durch die eigene Person oder die mit ihr durch ein persönliches Band verbundenen Personen verstanden (vgl. Wilhelm Nordemann in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, § 53 UrhG Vervielfältigung zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch, Rn. 6, 10. Auflage 2008, Verlag W. Kohlhammer). Der Privatgebrauch muss ausschließlich sein, d. h. er darf weder mittelbar noch unmittelbar daneben Erwerbszwecken dienen. Jeglicher Zusammenhang mit dem Beruf muss deshalb aus Sicht des Verfassers ausgeschlossen sein.

Eine weitere Einschränkung liegt darin, dass auch zum Privatgebrauch nur einzelne Kopien hergestellt werden dürfen. Bei der Anzahl der Kopien, bei denen das Merkmal „einzelne“ noch als erfüllt angesehen werden kann, wird nicht ganz einheitlich beurteilt. Die Rechtsprechung geht von maximal 7 Stück aus, während Stimmen in der Literatur maximal drei Stück als zulässig erachten (vgl. W. Nordemann, a. a. O., § 53 Rn. 13).

Gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UrhG ist es beispielsweise auch zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes herzustellen oder herstellen zu lassen zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist und sie keinen gewerblichen Zwecken dient. Zum wissenschaftlichen Gebrauch meint eine wissenschaftliche Betätigung, wobei zur Wissenschaft nur das an einer Universität oder Hochschule Gelehrte zählt. Ein Arzt, der für eine medizinische Zeitschrift einen Aufsatz verfasst, ist danach wissenschaftlich tätig. Die Kopie ist zu diesem Zweck geboten, wenn der Erwerb oder die Ausleihe eines Werkexemplars unzumutbar sein würde (vgl. W. Nordemann, a. a. O., § 53 Rn. 19). Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn hierdurch zu hohe Kosten entstehen oder ein zu hoher Beschaffungsaufwand verursacht werden würde.

Ferner ist nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 4a die Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke erlaubt zum sonstigen eigenen Gebrauch, wenn es sich um kleine Teile eines erschienenen Werkes handelt. Unter einem kleinen Teil versteht die Rechtsprechung den Fall, dass der Gesamtumfang im Verhältnis zum Gesamtwerk noch als klein erscheint. Abzustellen ist wohl stets auf den jeweiligen Einzelfall, wobei prozentual in der Regel zwischen 10% und 20% als Maßstab herangezogen werden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.05.1987, AZ: 6 U 31/86; W. Nordemann, a. a. O., § 53 Rn. 28).

§ 53 Abs. 6 Satz 1 UrhG verbietet jedoch sowohl die Verbreitung, als auch die öffentliche Wiedergabe der Vervielfältigungsstücke für alle Fälle der Absätze 1-5.

Die wichtigste Vorschrift für den Referenten stellt in diesem Zusammenhang § 53 Abs. 7 UrhG dar, der von dem in § 53 UrhG festgelegten Vervielfältigungsrecht wiederum eine Ausnahme macht. Denn hiernach ist die Aufnahme von öffentlichen Vorträgen, von Aufführungen oder Vorführungen eines Werkes auf Bild- oder Tonträger stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig. Die Rechte des Urhebers sind hier somit vorrangig. Dies bedeutet auch, dass die Einwilligung ausschließlich vom vortragenden Referenten erteilt werden kann.

Nach Ansicht des Verfassers gibt § 53 Abs. 7 UrhG den Referenten somit eine Rechtsgrundlage an die Hand, den Teilnehmern des Vortrags die Aufnahme oder den Mitschnitt des Vortrags zu verbieten, wenn dies nicht gewollt ist.

Sonstige Rechte/Rechtsfolgen

Bei Verstoß gegen das Urheberrecht oder ein sonstiges durch das Urhebergesetz geschütztes Recht kann der Berechtigte die Beseitigung der Beeinträchtigung sowie bei Wiederholungsgefahr Unterlassung verlangen. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht (§ 97 Abs. 1 UrhG). Zudem kann ein Schadensersatzanspruch des Berechtigten entstehen, wenn die verletzende Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen wird (§ 97 Abs. 2 UrhG).

Gemäß § 22 Satz 1 Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Wird also ein Foto des Referenten ohne dessen Einwilligung gemacht und dieses verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt, so kann hierin grundsätzlich ein Verstoß gegen diese Vorschrift gegeben sein. Satz 2 bestimmt aber, dass die Einwilligung im Zweifel als erteilt gilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Ob der Erhalt eines Referentenhonorars grundsätzlich ausreicht, damit diese Vermutungswirkung eintritt, wird nach Auffassung des Verfassers jedoch stark bezweifelt. Maßgeblich sind aber immer die Umstände des konkreten Einzelfalls.

Des Weiteren legt § 23 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 KunstUrhG fest, dass eine Einwilligung zur Verbreitung und zur Schaustellung nicht erforderlich ist bei Bildern, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen oder bei Bildern von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben. Allerdings gilt dies gemäß Absatz 2 nur soweit, solange durch die Verbreitung oder Schaustellung kein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. § 33 KunstUrhG sieht bei einem Verstoß gegen §§ 22, 23 KunstUrhG eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vor, wobei die Tat nur auf Antrag verfolgt wird.

Auch zivilrechtlich kämen grundsätzlich ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch bei Verletzung bzw. Beeinträchtigung des Rechts am eigenen Bild analog § 1004 Abs. 1 BGB in Betracht.

Anspruchsgegner, also derjenige gegen den der Urheber seine berechtigten Ansprüche geltend machen kann, ist aus Sicht des Verfassers stets derjenige, der die Urheberrechtsverletzung unmittelbar begangen hat.

Fraglich ist, ob zudem der Veranstalter als Störer in Anspruch genommen werden kann, wenn dieser die Teilnehmer ungehindert während des Vortrags fotografieren oder aufnehmen lässt. Die Störerhaftung beruht auf dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahr notwendig sind (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2007, Az.: I ZR 18/04). Als Störer kann dabei grundsätzlich jeder haften, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Art und Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung oder Aufrechterhaltung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Dabei kann als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.1996 – I ZR 129/94). Folglich käme auch der Veranstalter als Störer in vorgenannter Fallkonstellation grundsätzlich in Betracht. Da nach ständiger Rechtsprechung die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten (speziell im Urheberrecht) voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung auf mögliche Rechtsverletzungen zuzumuten ist (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2004 – I ZR 304/01). Auch müssen sich die sonstigen Vorkehrungen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen im Rahmen des Zumutbaren halten (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 16.05.2012 – 23 S 296/11). Sofern also der Veranstalter besondere Vorkehrungen zur Verhinderung einer Urheberrechtsverletzung im Vorfeld getroffen hat, beispielsweise durch spezielle Hinweise auf das Verbot der Aufnahme bzw. des Fotografierens, muss nach Auffassung des Verfassers anhand der Gesamtumstände im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob es diesem zumutbar ist, weitere Schutzvorkehrungen zu treffen bzw. ob dieser ihm alles Zumutbare unternommen hat, um Urheberrechtsverletzungen im Rahmen seiner Veranstaltung zu verhindern. Nach Meinung des Verfassers ist es deshalb auch dem Veranstalter, sofern dieser beim Vortrag selbst anwesend ist, zumutbar, die gegen das Urheberrecht verstoßenden Teilnehmer zur Unterlassung aufzufordern und anzuhalten. Ob es ihm auch zumutbar ist, einzelne Teilnehmer von der Veranstaltung auszuschließen, wird im jeweiligen Einzelfall zu prüfen sein und wohl nur bei schwerwiegenden oder beharrlichen Verstößen vertretbar sein. Ist der Veranstalter hingegen nicht vor Ort, so endet aus Sicht des Verfassers dessen Verantwortungsbereich und es beginnt hier die eigenständige Verantwortlichkeit des Referenten, sodass dieser selbst die Teilnehmer zur Beseitigung bzw. Unterlassung auffordern muss.

Zusammenfassung

Die Video- oder Audioaufnahme bzw. der Mitschnitt eines öffentlichen Vortrages auf Bild- oder Tonträger ist nach Meinung des Verfassers in jedem Falle nur mit Einwilligung des Urhebers (hier des Referenten) zulässig. Das Abfotografieren vom Referenten erstellter Folien etc. ist in der Regel nur für einzelne (also wenige) Vervielfältigungen und nur in bestimmten Fällen, wie beispielsweise zum ausschließlichen Privatgebrauch, auch ohne Einwilligung zulässig. Ein Bildnis des Referenten darf zudem grundsätzlich nur mit dessen Einwilligung verbreitet oder zur Schau gestellt werden.

Folglich können unberechtigte Foto-/Video-/Audioaufnahmen von Vorträgen zu diversen urheberrechtlichen Verletzungen mit entsprechenden negativen Konsequenzen, wie Beseitigungs-, Unterlassungs- oder auch Schadensersatzansprüchen des in seinem Urheberrecht Verletzten, führen.

Heberer J. Das Urheberrecht bei Vorträgen. Passion Chirurgie. 2014 April; 4(04): Artikel 06_01.

Zur Auskunftspflicht an Krankenkasse verpflichtet?

Frage:

Ein Oberarzt fragt an, ob er auf Anfrage der gesetzlichen Krankenkasse zur Auskunft verpflichtet ist, wenn sich der Patient die Verletzung im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem Dritten zugezogen hat und die Kasse ihr Auskunftsbegehren auf § 294a SGB V stützt.

Antwort:

Gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen besteht in der Tat eine Auskunftspflicht gemäß § 294a Abs. 1 SGB V, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Krankheit u. a. die Folge oder Spätfolge eines Unfalls oder einer Körperverletzung ist oder wenn Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden vorliegen.

Nach dem Gesetz sind in solchen Fällen die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sowie die Krankenhäuser nach § 108 SGB V verpflichtet, die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher den Krankenkassen mitzuteilen.

Die Vorschrift des § 294a Abs. 1 SGB V stellt nach Auffassung des Verfassers eine gesetzliche Offenbarungspflicht dar, weshalb zur Mitteilung der in § 294a Abs. 1 SGB V genannten Daten/Informationen keine Schweigepflichtentbindungserklärung durch die Kasse vorzulegen ist bzw. beim Versicherten eingeholt werden muss.

Für Informationen, die allerdings über diese gesetzliche Offenbarungspflicht hinausgehen und für die keine anderweitige gesetzliche Grundlage zur Offenbarung besteht, muss aus Sicht des Verfassers jedoch eine Schweigepflichtentbindungserklärung des Versicherten vorliegen.

Antworten von Dr. jur. Jörg Heberer:
Justitiar BDC Berlin, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
[email protected]

Heberer J. Zur Auskunftspflicht an Krankenkasse verpflichtet? Passion Chirurgie. 2014 April; 4(04): Artikel 08_01.

Internetbewertungsportale

Arzt-Bewertungsportale erfreuen sich seit geraumer Zeit immer größerer Beliebtheit. Gerade, wenn die Inhalte allerdings negativ sind, stellt sich die Frage, welche Bewertungen der bewertete Arzt hinnehmen muss und inwieweit er gegen den Bewertenden bzw. den Portalbetreiber einen Unterlassungsanspruch hat, diese Bewertung weiter zu verbreiten.

Vorab ist zu betonen, dass die Zulässigkeit von Internetportalen zur Bewertung von Ärzten zu bejahen ist. Sogar die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben mit Stand Dezember 2009 ein Schriftstück publiziert, welches von der grundsätzlichen Zulässigkeit ausgeht und Qualitätsanforderungen für Arztbewertungsportale aufstellt. Ein Verstoß gegen diese Richtlinie zur Qualitätsanforderung stellt jedoch keinen justitiablen Aspekt dar.

Grundrecht der Meinungsfreiheit – Rechtsprechung

Für die Zulässigkeit der einzelnen Bewertung kommt es aber in jedem Einzelfall darauf an, ob die Bewertung als Meinungsäußerung von der durch das Grundgesetz geschützten Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 GG juristisch gedeckt ist. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass eine Äußerung, die durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sei, als Meinung von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt sei (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.05.2007 – 1 BvR 193/05). Dementsprechend geht ebenso der BGH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG sich auch auf Äußerungen von Tatsachen erstreckt, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermischen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2009 – VI ZR 36/07).

Persönliche Wertungen und Einschätzungen des Patienten sind damit vom Recht der freien Meinungsäußerung grundsätzlich gedeckt.

Fällt eine Äußerung in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, so steht diesem Grundrecht des Patienten aber das Recht der informationellen Selbstbestimmung des bewerteten Arztes gegenüber. Deshalb muss sodann eine Abwägung dieser betroffenen Interessen stattfinden, um die Zulässigkeit der Äußerung beurteilen zu können.

Den Entscheidungen der Rechtsprechung kann man nach Ansicht des Verfassers entnehmen, dass der Arzt grundsätzliche Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinnehmen muss, insbesondere wenn nur die Sozialsphäre durch die Bewertung betroffen ist und nicht auch die Privat-, Intim- oder Geheimsphäre. Die Bewertung der beruflichen Tätigkeit zählt zur Sozialsphäre, also zu einem Bereich, in dem sich aus Sicht der Rechtsprechung die persönliche Entfaltung von vornherein in Kontakt mit der Umwelt vollzieht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03.08.2011 – I-3 U 196/10). Das OLG Hamm ging in seinem Beschluss in dem zu Grunde liegenden Fall zudem davon aus, dass soweit die Bewertung auch persönliche Eigenschaften des Arztes betraf, diese dem Arzt offenkundig allein aufgrund seines Auftretens innerhalb seines beruflichen Wirkungskreises beigelegt werden und somit auch diese Bewertung ausschließlich der Sozialsphäre beizuordnen sei. Solange hierdurch für den Arzt keine gravierenden Folgen wie Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder eine Prangerwirkung zu befürchten seien, seien negative Sanktionen bei allein die Sozialsphäre betreffenden Äußerungen nicht zulässig, so das Gericht.

Insbesondere folgende Entscheidungen verdeutlichen, dass die Abwägung der Gerichte zwischen der Meinungsfreiheit und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Fällen der Bewertungen in Arztbewertungsportalen bisher eher zu Gunsten der Patienten, also der Meinungsfreiheit, ausfiel:

Das OLG Frankfurt am Main urteilte, dass Ärzte eine anonyme Bewertung auf solchen Portalen grundsätzlich hinnehmen müssen. Nach Auffassung des Gerichts seien die Bewertungen vom Recht der freien Meinungsäußerung grundsätzlich gedeckt. Insbesondere ließen die Richter hier das Argument nicht gelten, die Bewertung sei von einem medizinischen Laien abgegeben worden. Denn nach Ansicht des Gerichts sei das Recht der freien Meinungsäußerung nicht auf allgemeingültige Werturteile beschränkt und jeder Leser wisse zudem, dass es sich in diesen Fällen nicht um eine wissenschaftlich fundierte Bewertung handele. Ferner äußerten sich die Richter dahingehend, dass sich Ärzte im Hinblick auf das Recht der freien Arztwahl dem ärztlichen Wettbewerb stellen müssen und insoweit den Marktmechanismen, zu denen eben auch solch öffentlich zugängliche Internetbewertungsportale gehören, ausgesetzt seien. Der Antrag der betroffenen Ärztin auf Löschung der Bewertung wurde deshalb abgelehnt (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 08.03.2012 – 16 U 125/11).

Ebenso hat das OLG Hamm, wie oben dargestellt, befunden, dass Ärzte die Bewertung ihrer Arbeit auf solchen Internetbewertungsportalen grundsätzlich akzeptieren müssen. Denn nachdem sich das Angebot der beruflichen, ärztlichen Dienstleistungen an jedermann richte, sei ein generelles öffentliches Interesse der Patienten anzunehmen, die Bewertung durch Dritte zu erfahren, (vgl. OLG Hamm, a. a. O.). Sofern solch ein besonderes öffentliches Interesse besteht, muss sogar eine möglicherweise polemische und überspitzte Kritik hingenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2009 – VI ZR 36/07).

Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung umfasst jedoch nicht unzutreffende Tatsachenbehauptungen. Die Rechtsprechung geht bei der Beurteilung solcher Bewertungen grundsätzlich sehr großzügig vor und nimmt immer dann eine Meinungsäußerung an, wenn die Äußerung nicht objektiv überprüfbar ist (so beispielsweise LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 13.01.2010, Az. 3 O 3692/09; so auch LG Hannover, Urteil vom 13.05.2009, Az. 6 O 102/08). Beurteilt werden muss jedoch stets der vollständige Aussagegehalt in seinem Gesamtzusammenhang. Wie bereits erläutert, sind deshalb auch Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, von der Meinungsfreiheit umfasst, wenn sie nach ihrem Gesamtzusammenhang durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind.

Außerdem findet die Meinungsäußerungsfreiheit dann ihre Grenze, wenn es sich um Formalbeleidigungen oder einen Angriff auf die Menschenwürde handelt, was hauptsächlich bei unsachlicher Schmähkritik angenommen wird (vgl. BGH, Versicherungsrecht 2007, 249).

So hat beispielsweise das Amtsgericht Oldenburg entschieden, dass ein Widerrufsanspruch wegen einer eingestellten Bewertung dann nicht besteht, wenn die Bewertung bei objektiver Betrachtungsweise nicht als Schmähkritik angesehen werden kann, sondern vielmehr einen sachlichen Bezug aufweist und im Übrigen weitgehend persönliche Wertungen und Einschätzungen des Bewertenden wiedergegeben werden (vgl. AG Oldenburg, Beschluss vom 26.09.2007 – 23 (22) C 678/07).

Die höchstrichterliche Rechtsprechung legt für die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik jedoch strenge Maßstäbe an. Danach nimmt eine Äußerung den Charakter einer unzulässigen Schmähkritik an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person, ihre Diffamierung im Vordergrund steht, jenseits polemischer und überspitzter Kritik die Person herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2009 – VI ZR 36/07).

Zusammenfassend gilt das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nicht für unzutreffende, objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptungen, Formalbeleidigungen sowie bei Angriffen auf die Menschenwürde.

Rechtsschutzmöglichkeiten, abschließende Empfehlung

Sollten in der Bewertung somit Tatsachen behauptet werden, die grundsätzlich objektiv überprüfbar sind und auch als unzutreffend nachgewiesen werden können bzw. sollte eine unsachliche Schmähkritik vorliegen, bestehen natürlich Möglichkeiten, die Bewertung anzugreifen. Sowohl gegen den Bewertenden, als auch gegen den Portalbetreiber können in solchen Fällen u. a. Unterlassungs-, Löschungs-, Gegendarstellungs- oder auch Schadensersatzansprüche bestehen.

In diesem Zusammenhang hat das LG Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 08.05.2012 – 11 O 2608/12 dem Antrag eines Zahnarztes auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung gegen die Internetportalbetreiberfirma aufgrund der sog. Störerhaftung stattgegeben. Dies deshalb, da das Gericht einen Sorgfaltsverstoß der Betreiberfirma gegen deren Prüfpflichten annahm. Denn die Betreiberfirma hätte sich nach dem Löschungsantrag des Zahnarztes von seinem Kunden (Patienten) einen Nachweis dafür vorlegen lassen müssen, dass die Behandlung tatsächlich stattgefunden habe. Weil dies nicht geschehen sei und eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten des Zahnarztes gegeben sein könnte, hafte nach Ansicht des Gerichts der Betreiber auf Unterlassung, ungeachtet der Frage, ob die Bewertung zutreffend sei. Allerdings wurde in diesem Verfahren nicht beurteilt, ob die vorgenommene Bewertung im Rahmen der Meinungsfreiheit lag und damit zulässig war.

Die Störerhaftung beruht auf dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbare Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahr notwendig sind (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2007, Az.: I ZR 18/04). Als Störer kann dabei grundsätzlich jeder haften, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Art und Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Auf eine Kenntnis oder gar ein Verschulden des Dritten kommt es dabei nicht an.

Indem das in diesem Fall verklagte Bewertungsportal eine Website betreibe, dabei den Speicherplatz für die von den Nutzern verfassten Beiträge bzw. Bewertungen bereitstelle und den Abruf dieser Website über das Internet ermögliche, trage es nach Auffassung des Gerichts willentlich und adäquat kausal zur Verbreitung von Äußerungen bei, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigen können.

Die Störerhaftung darf jedoch nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt nach Meinung der Gerichte die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten voraus. Insofern sind nach der Rechtsprechung Internetportale gehalten, von den Patienten, die eine negative Bewertung über einen Arzt abgeben, sich hierfür einen Nachweis vorlegen zu lassen. Dies spätestens dann, wenn das Bewertungsportal vom betroffenen Arzt von Beanstandungen Kenntnis erlangt. Dann muss das Portal nach Auffassung der Rechtsprechung Ermittlungen anstellen und eine Bewertung des gesamten Sachverhaltes vornehmen (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 08.05.2012, Az.: 11 O 2608/12). Folglich muss nach Ansicht des Verfassers dem Portal aber auch eine Prüfpflicht durch den Arzt eingeräumt werden.

Aus diesen Gründen bestehen aus Sicht des Verfassers insbesondere die beiden nachfolgenden Möglichkeiten, um gegen eine unrichtige oder der Schmähkritik unterfallende Bewertung schnellstmöglich vorzugehen, vor allem wenn die Bewertung anonym vorgenommen wurde.

Zum einen kann der betroffene Arzt selbst eine in der Regel kostenlose Überprüfung durch den Portalbetreiber beantragen. Hierzu gibt es meistens nach der Bewertung Buttons wie beispielsweise „Missbrauch melden“ oder „Gegendarstellung“, worin sodann der Sachverhalt aus Sicht des Arztes dargelegt werden kann. Hierbei sollte geschildert werden, inwiefern die Behauptungen des Patienten falsch sind und den tatsächlichen Gegebenheiten objektiv nachprüfbar widersprechen. Zudem sollte beantragt werden, die Bewertung deshalb vollständig zu löschen.

Zum anderen bestünde natürlich auch die Möglichkeit, dass der Betreiber durch eine Anwaltskanzlei zur Entfernung der Bewertung aufgefordert wird bzw. eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Veröffentlichung der Bewertung bzw. auf Löschung der Bewertung bei Gericht eingereicht wird. Dies löst jedoch nicht ganz unerhebliche Anwalts- und Gerichtskosten aus, denn die Gegenstandswerte in solchen Verfahren liegen regelmäßig sehr hoch.

Aus diesen Gründen empfiehlt der Verfassers in derartigen Angelegenheiten regelmäßig, damit der Portalbetreiber auch den von der Rechtsprechung geforderten Prüfplichten nachkommen kann, zunächst selbst das Problem auf dem Portal zu melden und die Überprüfung sowie Entfernung – ggf. unter Fristsetzung – zu beantragen. Der Erfahrung nach wird so eine Überprüfung von den Betreibern auch vorgenommen. Wird hierdurch nicht der gewünschte Erfolg erreicht, sollte man sich anwaltlich beraten und das Bestehen weiterer Ansprüche im konkreten Fall, insbesondere auch gegenüber dem Bewertenden, sowie etwaige Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Geltendmachung prüfen lassen.

Heberer J. Internetbewertungsportale. Passion Chirurgie. 2014 März; 4(03): Artikel 06_01.

Kann rechtlich gegen schlechte Bewertungen von Patienten auf Internetportalen vorgegangen werden?

Frage

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob gegen die Bewertung eines Patienten in einem Internetbewertungsportal mit der Aussage „schlechter Service, unfreundliches Personal, abweisend, geldgierig“, rechtlich vorgegangen werden kann.

Antwort

Die Thematik der Bewertungen von Ärzten durch Patienten in Internetportalen ist nach wie vor häufig Gegenstand rechtlicher Beratung und weiterhin aktuell.

Zum Leidwesen der Ärzteschaft ist die Rechtsprechung bei der Beurteilung solcher Bewertungen grundsätzlich sehr großzügig ist. Es wird immer dann von einer Meinungsäußerung ausgegangen, wenn die Äußerung nicht objektiv überprüfbar ist (so beispielsweise LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 13.01.2010, Az. 3 O 3692/09; so auch LG Hannover, Urteil vom 13.05.2009, Az. 6 O 102/08).

Das OLG Frankfurt am Main hat in diesem Zusammenhang jüngst entschieden, dass Ärzte eine anonyme Bewertung auf solchen Portalen grundsätzlich hinnehmen müssen. Nach Auffassung des Gerichts seien die Bewertungen vom Recht der freien Meinungsäußerung grundsätzlich gedeckt. Insbesondere ließen die Richter hier das Argument nicht gelten, die Bewertung sei von einem medizinischen Laien abgegeben worden. Denn nach Ansicht des Gerichts sei das Recht der freien Meinungsäußerung nicht auf allgemeingültige Werturteile beschränkt und jeder Leser wisse zudem, dass es sich in diesen Fällen nicht um eine wissenschaftlich fundierte Bewertung handele. Der Antrag einer Ärztin auf Löschung wurde deshalb abgelehnt (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 08.03.2012 – 16 U 125/11). Nachdem das OLG die Sache wegen der grundsätzlichen Bedeutung zur Revision zugelassen hat, bleibt abzuwarten, ob und wie der BGH entscheiden wird.

Dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung steht selbstverständlich das Recht der informationellen Selbstbestimmung des Bewerteten gegenüber. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofes im sog. Spick-mich-Urteil kann man aber entnehmen, dass der Einzelne grundsätzliche Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinnehmen muss, wenn und soweit solche Beschränkungen von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls oder überwiegenden Rechtsinteressen Dritter getragen werden und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist.

Grenzen dieser Meinungsäußerung werden dann angenommen, wenn es sich um Formalbeleidigungen oder einen Angriff auf die Menschenwürde handelt, was im Wesentlichen bei unsachlicher Schmähkritik angenommen wird (vgl. BGH, Versicherungsrecht 2007, 249).

Aufgrund der grundsätzlichen Zulässigkeit derartiger Bewertungsportale und der Anonymität der Bewertenden ist es nicht immer einfach, entsprechende Bewertungen widerrufen bzw. löschen zu lassen. Auch hier wird wiederum die Schmähkritik als dasjenige herangezogen, was die Grenze der freien Meinungsäußerung darstellt. So hat beispielsweise das Amtsgericht Oldenburg entschieden, dass ein Widerrufsanspruch wegen einer eingestellten Bewertung dann nicht besteht, wenn die Bewertung bei objektiver Betrachtungsweise nicht als Schmähkritik angesehen werden kann, sondern vielmehr einen sachlichen Bezug aufweist und im Übrigen weitgehend persönliche Wertungen und Einschätzungen des Bewertenden wiedergegeben werden.

Der Verfasser ist der Auffassung, dass die Aussagen des Patienten wie „schlechter Service, unfreundliches Personal, abweisend, geldgierig“ nach rechtlicher Beurteilung lediglich als persönliche Wertungen und Einschätzungen des Patienten, die vom Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt sind, einzustufen sind. Diese Äußerungen sind aus Sicht des Verfassers aber in jedem Falle nicht als Schmähkritik im rechtlichen Sinne zu werten.

Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gilt jedoch nicht für unzutreffende, objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptungen. Sofern hier Tatsachen behauptet werden würden, die grundsätzlich objektiv überprüfbar wären, bestünde eine Möglichkeit, die Bewertung anzugreifen, sofern solche Behauptungen als unzutreffend nachgewiesen werden könnten.

Dementsprechend hat beispielsweise das LG Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 08.05.2012 – 11 O 2608/12 einem Antrag eines Zahnarztes auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung gegen die Internetportalbetreiberfirma aufgrund der sog. Störerhaftung stattgegeben. Dies deshalb, da das Gericht einen Sorgfaltsverstoß der Betreiberfirma gegen deren Prüfpflichten annahm. Denn die Betreiberfirma hätte sich nach dem Löschungsantrag des Zahnarztes von ihrem Kunden einen Nachweis dafür vorlegen lassen müssen, dass die Behandlung tatsächlich stattgefunden habe. Weil dies nicht geschehen sei und eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten des Zahnarztes gegeben sein könnte, hafte nach Ansicht des Gerichts der Betreiber auf Unterlassung, ungeachtet der Frage, ob die Bewertung zutreffend sei.

Die Störerhaftung beruht auf dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbare Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahr notwendig sind. Als Störer kann dabei grundsätzlich jeder haften, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Art und Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Auf eine Kenntnis oder gar ein Verschulden des Dritten kommt es dabei nicht an. Indem das in diesem Fall verklagte Bewertungsportal eine Website betreibe, dabei den Speicherplatz für die von den Nutzern verfassten Beiträge bzw. Bewertungen bereitstelle und den Abruf dieser Website über das Internet ermögliche, trage es nach Auffassung des Gerichts willentlich und adäquat kausal zur Verbreitung von Äußerungen bei, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigen können. Die Störerhaftung dürfe jedoch nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt nach Ansicht der Gerichte die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten voraus. Insofern sind nach der Rechtsprechung Internetportale gehalten, von den Patienten, die eine negative Bewertung über einen Arzt abgeben, sich hierfür einen Nachweis vorlegen zu lassen. Dies spätestens dann, wenn das Bewertungsportal durch den betroffenen Arzt über Beanstandungen informiert wird. Dem Portalbetreiber kommt dann eine Pflicht zur Anstellung eigener Ermittlungen und zur Vornahme einer Bewertung des gesamten Sachverhaltes zu. Aus diesem Grund muss dem Portal allerdings auch eine Prüfpflicht eingeräumt werden.

Folglich bestehen aus Sicht des Verfassers in der Regel zwei Möglichkeiten, um gegen die Bewertungen vorzugehen.

Zum einen kann der Arzt selbst eine Überprüfung durch den Portalbetreiber beantragen. Hierzu gibt es meistens direkt unter der Bewertung ein Feld mit einem entsprechenden Hinweis (z. B. Problem melden), worin der Arzt den Sachverhalt aus seiner Sicht darlegen kann. Hierbei sollte geschildert werden, dass die Behauptungen falsch sind und den tatsächlichen Gegebenheiten objektiv nachprüfbar widersprechen, sofern hier solche objektiv nachprüfbaren Tatsachen wahrheitswidrig behauptet wurden. Zudem sollte die vollständige Löschung der Bewertung beantragt werden. Bei Äußerungen, die unter die freie Meinungsäußerung fallen, muss eine Löschung aber nicht vorgenommen werden.

Zum anderen bestünde natürlich auch die Möglichkeit, dass der Betreiber durch eine Anwaltskanzlei zur Entfernung der Bewertung aufgefordert wird bzw. eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Veröffentlichung der Bewertung bei Gericht eingereicht wird. Dies löst jedoch nicht ganz unerhebliche Kosten aus, die zunächst vom Arzt vorzuverauslagen wären. Die Gegenstandswerte in solchen Verfahren liegen regelmäßig sehr hoch zwischen EUR 5.000,00 und EUR 10.000,00.

Deshalb empfiehlt der Verfasser regelmäßig in derartigen Angelegenheiten dem Arzt zunächst, damit der Portalbetreiber auch den von der Rechtsprechung geforderten Prüfpflichten nachkommen kann, selbst das Problem auf dem Portal zu melden und die Überprüfung sowie Entfernung – ggf. unter Fristsetzung – zu beantragen. Der anwaltlichen Erfahrung nach wird so eine Überprüfung auch vorgenommen.

Sollte die Bewertung nicht entfernt werden, bestünde natürlich auch noch die Möglichkeit dem negativen Eindruck dieser Bewertung durch ca. drei/vier positive Bewertungen von anderen Patienten, Bekannten etc. entgegen zu steuern.

Heberer J. Kann rechtlich gegen schlechte Bewertungen von Patienten auf Internetportalen vorgegangen werden? Passion Chirurgie. 2013 November; 3(11): Artikel 08_01.

Privatärztliche Abrechnung von (Spezial-) Laborleistungen im Krankenhaus

Bei der Frage der Delegation und Abrechnung von Laborleistungen kommt es immer wieder zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen hinsichtlich der geltenden Rechtslage. Dies betrifft auch den Bereich der privatärztlichen Abrechnung von Laborleistungen im Krankenhaus.

Systematik des Abschnitts M der GOÄ

Die Erbringung von Laborleistungen ist nach den für die Behandlung von Privatpatienten einschlägigen Regelungen der GOÄ in vier Bereiche gegliedert, die nach den vier Kapiteln der Anlage M unterschieden werden.

Untersuchungen der Klasse M-I müssen vom untersuchenden Arzt persönlich oder durch von ihm beaufsichtigte und angeleitete Dritte in einem Labor durchgeführt werden (sog. Vorhalteleistungen). Dafür, dass der Arzt extra ein Labor für die Erbringung dieser Leistungen vorhält, sind diese Leistungen bei einfachem bis mittlerem Schwierigkeitsgrad verhältnismäßig gut dotiert. Die Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung ergibt sich ausdrücklich aus § 4 Abs. 2 S. 1, S. 2 GOÄ.

Die Untersuchungen der Klasse M-II („Basislabor“) gelten auch dann als persönliche Leistungen, wenn sie tatsächlich in einer Laborgemeinschaft unter Aufsicht eines dort tätigen Arztes (oder durch einen Arzt ohne eigene Liquidationsbefugnis) erbracht werden, auch ohne Mitwirkung oder persönliche Anwesenheit des abrechnenden Arztes bei der Durchführung der Leistung. Es handelt sich um sog. delegierbare Leistungen des Basislabors.

Technisch sind diese Leistungen ebenfalls von einfachem bis mittlerem Schwierigkeitsgrad. Den aus der möglichen Delegation in einer Laborgemeinschaft resultierenden Rationalisierungsvorteilen wird dadurch Rechnung getragen, dass diese Leistungen etwas niedriger honoriert werden, als etwa die Vorhalteleistungen.

In den Klassen M-III und M-IV der GOÄ finden sich komplexe Laboruntersuchungen (sog. „Speziallabor“), deren Durchführung nicht nur einen wesentlich besser ausgerüsteten Maschinenpark erfordert, sondern die wegen ihrer Komplexität auch erhöhte Anforderungen an die labormedizinische Qualifikation des Arztes stellen. Die Abrechnung von Leistungen dieser Kategorie ist nach § 4 Abs. 2 S. 1, S. 2 GOÄ wiederum nur dem Arzt gestattet, der sie persönlich erbringt oder der während der Durchführung dieser Leistungen die Aufsicht führt und die fachlichen Weisungen erteilt.

Die Anforderung des § 4 Abs. 2 GOÄ sind grundsätzlich auch Voraussetzung für die Abrechnung von Laborleistungen gegenüber Privatpatienten, die im Krankenhaus erbracht werden. Dass hat z. B. zur Folge, dass Krankenhäuser, die ihr eigenes Labor schließen und ein externes Labor mit der Erstellung der Laborparameter beauftragen („outsourcing“ des Krankenhauslabors), damit ihren liquidationsberechtigten Krankenhausärzten jede Grundlage zur Abrechnung von Laborleistungen entziehen. In einem solchen Fall sind die Krankenhausärzte daher überhaupt nicht mehr berechtigt, irgendwelche Laborleistungen selbst abzurechnen.

Rechtslage nach GOÄ-Änderung

Bereits mit der Neufassung der GOÄ zum 01.01.1996 wurden die Anforderungen an die persönliche Leistungserbringung erhöht, auch gerade für Speziallaborleistungen der Abschnitte M-III und M-IV GOÄ. Die Ärzteschaft war hierüber teilweise verwundert, da bei fortschreitender Weiterentwicklung der Technik (Automatisierung) die Einwirkungsmöglichkeit des Arztes bei diesen Leistungen weiter reduziert ist und Anforderungen an die Aufsicht daher eigentlich gemindert werden müssten.

Die Intention des Gesetzgebers war jedoch genau entgegengesetzt, so heißt es beispielsweise in der amtlichen Begründung zur Neufassung der GOÄ:

„…. Gebührenanreizen zur Ausweitung von Laborleistungen über das medizinisch notwendige Maß hinaus soll zudem dadurch entgegengewirkt werden, dass die Beziehbarkeit von Laborleistungen, bei der aus Laborgemeinschaften kostengünstig bezogene Laborleistungen als eigene Leistungen abgerechnet werden können, auf ein eng begrenztes Segment häufig anfallender Leistungen beschränkt wird [1].“

Die Rechtsprechung hatte – von der Ärzteschaft weitgehend unbemerkt – in der Vergangenheit wiederholt Gelegenheit, sich mit den Voraussetzungen der Abrechnung von Laborleistungen, insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung, zu befassen.

Strittig war zunächst, in welchem Umfang die Anwesenheit des liquidierenden Arztes erforderlich ist. Während einzelne gerichtliche Entscheidungen eine Erreichbarkeit des liquidierenden Arztes im Laborgebäude noch als ausreichend erachtet hatten [2], verlangt die Rechtsprechung inzwischen überwiegend eine persönliche Anwesenheit des liquidierenden Arztes während des gesamten Labor-Untersuchungsvorgangs [3].

Das Landgericht Regensburg hatte bereits 2003 einen Chefarzt unter anderem wegen Betrugs und Untreue verurteilt, weil dieser M-II-Leistungen abgerechnet hatte, die ohne seine Beteiligung im Sinne von § 4 Abs. 2 GOÄ erbracht worden waren [4].

Ganz auf dieser Linie liegt auch eine jüngere Entscheidung des Landgerichts München I [5]. In diesem Verfahren wurde ein niedergelassener Arzt, der unter anderem M-III- und M-IV-Leistungen über einen externen Laboratoriumsmediziner bezogen und als eigene Leistung abgerechnet hatte (weitere Verstöße gegen § 4 Abs. 2 GOÄ gab es auch im Bereich der M-I- und M-II-Leistungen) zu einer Haftstrafe verurteilt. Diese Entscheidung ist leider jüngst durch den Bundesgerichtshof [6] ausdrücklich bestätigt worden.

Laborliquidation im Krankenhaus

Für die Abrechenbarkeit von Speziallaborleistungen als eigene Leistungen gelten die vorgenannten gesetzlichen Voraussetzungen auch bei der Leistungserbringung im Krankenhaus. Ferner muss der laborleitende Krankenhausarzt über die Liquidationsberechtigung zur Abrechnung von Laborleistungen verfügen. Dies bedeutet im Grundsatz, dass nur noch der Leiter des Labors bei Leistungen des Speziallabors liquidationsberechtigt ist, da er die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt.

Eine Ausnahme gilt allerdings in denjenigen Fällen, in denen ein leitender Krankenhausarzt Speziallaborleistungen persönlich erbringt (die zudem erforderliche, fachliche Qualifikation jeweils vorausgesetzt). Leistungen des Speziallabors (M-III und M-IV) können daher nur von dem Krankenhausarzt liquidiert werden, der selbst die Aufsicht über das Krankenhauslabor hat und unter dessen Aufsicht und fachlicher Weisung sie erbracht werden. Die Übertragung des Liquidationsrechts für Leistungen des Speziallabors an leitende Krankenhausärzte, die solche Leistungen für ihre Patienten in Auftrag geben, selbst aber an der Leistungserbringung im Labor nicht persönlich beaufsichtigend mitwirken, ist danach ausgeschlossen. Diese Krankenhausärzte dürfen berufsrechtlich auch nicht an den Liquidationseinnahmen des Laborleiters für die von ihnen veranlassten Leistungen beteiligt werden (Verbot der Zuweisung von Untersuchungsmaterial gegen Entgelt). Ausgeschlossen ist ferner eine Übertragung der kollektiven Leitung des Labors an alle liquidationsberechtigten Krankenhausärzte, da dies erkennbar eine Umgehung des Zuweisungsverbots wäre.

Ein Honoraranspruch des zuweisenden Krankenhausarztes lässt sich leider auch nicht mit dem häufig vorgetragenen Argument begründen, dieser sei „im weitesten Sinne“ an der Leistungserbringung beteiligt.

Nach der allgemeinen Bestimmung zu Abschnitt M Nr. 1 ist der Inhalt der Gebühren für Laborleistungen wie folgt definiert:

  • Eingangsbegutachtung des Probenmaterials
  • Probenvorbereitung
  • Durchführung der Untersuchung (einschließlich der erforderlichen Qualitätssicherungsmaßnahmen)
  • Erstellung des daraus resultierenden ärztlichen Laborbefundes

Der zuweisende Krankenhausarzt erbringt hingegen regelmäßig folgende Leistungen:

  • Indikationsstellung
  • Probenentnahme
  • Einordnung der Befunde in das Krankheitsbild

Diese Leistungen sind jedoch nach herrschender Meinung nicht Bestandteil der Laborleistung und daher auch nicht mit den Gebühren für Laboruntersuchungen abgegolten. Hierfür kann der Arzt die Gebühren für die ärztlichen Grundleistungen sowie die Entnahmen von Körpermaterial abrechnen. Daher erbringt der Laborleistungen veranlassende bzw. zuweisende Krankenhausarzt in der Regel keine substantiellen Teilleistungen, mit denen ein eigenständiger Honoraranspruch hinsichtlich der Speziallaborleistung begründet werden könnte.

[1] vgl. BT-Drucksache 211/94, Seite

[2] so etwa LG Duisburg, Urt. v. 18.06.1996 – 1 O 139/96

[3] so bereits LG Hamburg, Urt. v. 20.02.1996 – 312 O 57/96

[4] Landgericht Regensburg, Az. 2 Kls 103 Js 5189/00

[5] Az. 7 Kls 572 Js 46495/08

[6] Az. 1 StR 45/11

Heberer J. / Eicher M. Privatärztliche Abrechnung von (Spezial-) Laborleistungen im Krankenhaus. Passion Chirurgie. 2013 Juni; 3(06): Artikel 04_01.

Das Patientenrechtegesetz

Seit dem 26.02.2013 sind die Regelungen des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz PatRG) umzusetzen. Insbesondere die hierdurch erfolgte grundsätzlich Normierung der bislang geltenden Rechtsprechung für den ärztlichen Behandlungsvertrag mit seinen sich ergebenden Rechten und Pflichten in §§ 630a ff. BGB hat in der Ärzteschaft für Aufsehen und Unruhe gesorgt. Aus diesem Grund werden in diesem Artikel die vermeintlichen Neuregelungen im BGB vorwiegend betrachtet, wobei auch ein Blick auf die wichtigsten Änderungen des SGB V und der Bundesärzteordnung (BÄO) geworfen wird.

Wenn man die Berichterstattung über dieses Gesetz verfolgt hatte, so wurde schnell der Eindruck vermittelt, dass es sich hierbei um eine bahnbrechende Neuerung und um eine erhebliche Verbesserung der Patientenrechte handelt.

Tatsächlich handelt es sich dabei aber in weiten Teilen lediglich um die Kodifizierung eines seit Jahrzehnten ausgefeilten und dennoch flexiblen Richterrechts.

Denn beispielsweise Fragen der Einsichtnahme in Patientenunterlagen, der Aufklärung und der Einwilligung, des Behandlungsvertrages und der wechselseitigen daraus resultierenden Rechte und Pflichten sind seit Jahrzehnten juristisch aufgearbeitete und geklärte Fragestellungen.

Es ist gerade also nicht so, dass der Patient in der Vergangenheit, wie der nunmehrige Name „Patientenrechtegesetz“ suggerieren mag, ohne Rechte seinem Arzt gegenüber gestanden hat. Vielmehr waren die allgemeinen Regelungen, die sich aus dem BGB beispielsweise für den Dienstvertrag ergeben, ausreichend, um auch diese Rechte und Pflichten von Arzt bzw. Patient zu regeln.

Man folgt mit dem Patientenrechtegesetz einem Trend immer speziellere Regelungen in die Gesetze einzuarbeiten. Dabei wird aber der große Vorteil der Flexibilität und der Möglichkeit der konkreten Anwendung eines abstrakten Gesetzes aufgegeben. Gerade diese Möglichkeiten haben es aber in der Vergangenheit zugelassen, flexibel, auch unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Wertvorstellungen, Recht zu sprechen.

Grund zur Aufgeregtheit besteht also im Hinblick darauf, dass die nunmehr „neuen“ Regelungen bereits seit Jahrzehnten gelten, eigentlich nicht.

Weiterführende Informationen
Ausführlicher Artikel „Das Patientenrechtegesetz“ mit Regelungen und Erklärungen zu allen Paragraphen

Heberer J. Das Patientenrechtegesetz. Passion Chirurgie. 2013 Juni; 3(06): Artikel 06_02.