Alle Artikel von Jörg Heberer

Darf man kostenlose Venenkurzuntersuchungen anbieten und dafür Werbung machen?

Frage:

Ein Chefarzt fragt an, ob es rechtlich unbedenklich sei, wenn er seinen Patienten kostenlose Venenkurzuntersuchungen anbietet und diese von der Klinik in Zeitungen und auf der Homepage beworben werden.

Antwort:

Das geplante Vorhaben unterfällt nach Ansicht des Verfassers dem grundsätzlichen Werbeverbot des § 7 Abs. 1 HWG, wonach es untersagt ist, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, es sei denn, dass einer der in § 7 Abs. 1 S. 1 HWG genannten Ausnahmetatbestände zur Anwendung kommt. Die Kostenlosigkeit einer beworbenen Venenkurzuntersuchung stellt eine Zuwendung oder sonstige Werbegabe i.S.d. § 7 Abs. 1 HWG dar, da es sich bei der angebotenen Venenkurzuntersuchung um einen Teil der ärztlichen Leistung handelt, die in der Regel nur gegen Geld zu erhalten ist. Aus Sicht des Verbrauchers, der im Rahmen einer solchen Untersuchung eine individuelle körperliche Befunderhebung zu seinem Venensystem und ggf. eine weiterführende Beratung erwartet, stellt sich die Kostenlosigkeit der Venenkurzuntersuchung als Zuwendung und Werbegabe dar, die geeignet ist, seine Entscheidung, ob und in wessen Behandlung er sich begibt, unsachlich zu beeinflussen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 03.11.2011, Az.: 13 U 167/11).

Insbesondere der Ausnahmetatbestand nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 HWG, nach dem Zuwendungen und Werbegaben, die in der Erteilung von Auskünften und Ratschlägen liegen, zulässig sind, ist hier nicht einschlägig, da eine Venenkurzuntersuchung üblicherweise eine individuelle (Kurz-)Befunderhebung enthält und damit über die Erteilung von Auskünften und Ratschlägen hinausgeht (so auch OLG Celle, Beschluss vom 03.11.2011, Az.: 13 U 167/11).

Zwar gelten für Kliniken nicht dieselben Werbebeschränkungen wie für Ärzte, weil es sich bei ihnen zumindest auch um Gewerbebetriebe handelt, die aufgrund des höheren personellen und sachlichen Aufwands und der laufenden Betriebskosten stärker belastet sind und insofern zur Sicherung ihrer Existenz darauf angewiesen sind, auf ihr Leistungsangebot aufmerksam zu machen. Daher dürfen Kliniken in sachangemessener Weise für ihre Leistungen und Betriebseigenschaften werben, d.h. dass die Werbung einem berechtigten Informationsbedürfnis der Patienten entsprechen muss. Diese Voraussetzung ist bei einer Werbung, die gegen Vorschriften des HWG verstößt, jedoch nicht erfüllt (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 03.11.2011, Az.: 13 U 167/11).

Das Anbieten, Bewerben und Durchführen von Venenkurzuntersuchungen ist daher rechtlich verboten.

Kann man Anmeldedaten eines Nutzers bei einem Internetportal einfordern?

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob er von dem Betreiber eines Internetportals, das Bewertungen von Ärzten ermöglicht, Auskunft über die bei ihm hinterlegten Anmeldedaten desjenigen beanspruchen kann, der unwahre Behauptungen über ihn auf diesem Portal verbreitet.


Antwort:

Nachdem sowohl das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 11.01.2013, Az.: 11 O 172/12) als auch das Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 26.06.2013, Az.: 4 U 28/13) in einem solch gelagerten Fall einen Auskunftsanspruch des Arztes gegenüber dem Betreiber des Internetportals bejahte, entschied nun der für das Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes mit Urteil vom 01.07.2014, Az.: VI ZR 345/13, dass der in seinem Persönlichkeitsrecht verletzte Arzt von dem Betreiber eines Internetportals Auskunft über die bei ihm hinterlegten Anmeldedaten des Verletzers nicht beanspruchen kann.

Der Senat führt zu seiner Begründung näher aus, dass der Betreiber eines Internetportals in Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 Abs. 2 des Telemediengesetzes (TMG) grundsätzlich nicht befugt ist, ohne Einwilligung des Nutzers dessen personenbezogene Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln. Der Betreiber dürfte die personenbezogenen Daten nach § 12 Abs. 2 TMG für andere Zwecke, womit auch die Übermittlung an Dritte gemeint ist, nämlich nur verwenden, wenn das TMG oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, dies erlaubt oder der Nutzer hierin eingewilligt hat. Der Nutzer wird in Fällen wie dem vorliegenden allerdings in die Übermittlung seiner personenbezogenen Daten regelmäßig nicht einwilligen und eine gesetzliche Vorschrift, nach der die Übermittlung erlaubt ist, existiert nicht. Daher ist nach Meinung des Senats ein Auskunftsanspruch des Arztes abzulehnen.

Zu beachten ist aber, dass der Arzt den unwahren Inhalten dennoch nicht völlig hilflos ausgeliefert ist. Vielmehr steht ihm ein Unterlassungsanspruch gegen den Dienstanbieter zu (vgl. Senatsurteil vom 25.10.2011, Az.: VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219) und der Dienstanbieter darf nach den §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 5 S. 4 TMG auf Anordnung der zuständigen Stellen im Einzelfall Auskunft über Bestands-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten erteilen, soweit dies u.a. für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist.

Nachbesetzungsverfahren – geplante Änderung von einer „Kann“- in eine „Soll“-Vorschrift

Änderung der §§ 103 Abs. 3a Satz 3 Hs. 1, Abs. 4 Satz 9 SGB V

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sieht eine für die niedergelassenen Ärzte vermutlich einschneidende und mit negativen Auswirkungen verbundene Änderung im Rahmen von Nachbesetzungsverfahren vor. Ziel des Vorhabens ist der Abbau von Überversorgung für eine langfristig ausgewogene Verteilung der Sitze und die Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV. Dies soll aus Sicht der Großen Koalition dadurch erreicht werden, dass die gesetzlichen Vorgaben für den Aufkauf von Arztsitzen von einer „Kann“ in eine „Soll“-Vorschrift geändert werden (vgl. Deutschlands Zukunft gestalten, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode, S. 54 HIER).

Zu Recht führt dieses Änderungsvorhaben zu einem Aufschrei unter den niedergelassenen Vertragsärzten.

Gesetzliche Regelungen des §§ 103 Abs. 3a Satz 3 Hs. 1, Abs. 4 Satz 9 SGB V

Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz wurde dem Zulassungsausschuss die Möglichkeit an die Hand gegeben, in Fällen, in denen die Zulassung des abgebenden Arztes durch Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis durch einen Nachfolger fortgeführt werden soll, in überversorgten Gebieten den Antrag des Vertragsarztes auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens abzulehnen.

Wörtlich heißt es in § 103 Abs. 3a Satz 3 Hs. 1 SGB V: „Der Zulassungsausschuss kann den Antrag ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist.“

Ausnahme: Dieses Ablehnungsrecht gilt jedoch gemäß § 103 Abs. 3a Satz 3 Hs. 2 SGB V lediglich dann nicht, sofern die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, der dem in § 103 Abs. 4 Satz 5 Nr. 5 und 6 bezeichneten Personenkreis angehört. Dies ist der Fall, wenn es sich bei dem Bewerber um den Ehegatten, den Lebenspartner, ein Kind, einen angestellten Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder einen bisherigen Partner handelt, mit dem die Praxis gemeinschaftlich betrieben wurde.

Entspricht der Zulassungsausschuss der Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens und kommt dieser dann im Rahmen seines Auswahlermessens hinsichtlich der Bewerber zu dem Ergebnis, dass ein Bewerber auszuwählen ist, der nicht dem vorgenannten Personenkreis des Absatz 4 Satz 5 Nr. 5 und 6 angehört, so „kann er auch die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes mit Stimmenmehrheit ablehnen, wenn eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist“, sprich bei Überversorgung (§ 103 Abs. 4 Satz 9 SGB V).

Diese Ablehnungsrechte kommen aus juristischer Sicht einer Einziehung der Zulassung gleich. Bisher entfalteten diese Bestimmungen in der Praxis zwar kaum Relevanz. Betroffen waren primär Hausarztpraxen mit unterdurchschnittlicher Fallzahl und auch dies bundesweit nur sehr wenige, jedenfalls weit im einstelligen Bereich. Dies wird sich bei tatsächlicher Umsetzung des Koalitionsvorhabens jedoch zukünftig maßgeblich ändern.

Bedeutung der Änderung von einer „Kann“ in eine „Soll“-Vorschrift

Entsprechend dem Vorhaben im Koalitionsvertrag sollen diese Regelungen nun in eine Soll-Vorschrift geändert werden.

Durch eine Kann-Vorschrift wird dem Zulassungsausschuss ein recht weites Entscheidungsermessen eingeräumt.

Eine Soll-Vorschrift räumt dem Zulassungsausschuss hingegen ein nur begrenztes, sogenanntes gebundenes Ermessen ein. Von der gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolge kann er dann nur in Ausnahmefällen abweichen.

Dies hätte nach Auffassung des Verfassers zur Folge, dass zukünftig im Regelfall bei Überversorgung keine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes mehr stattfindet. Hiermit sind jedoch diverse, noch ungeklärte Fragen und erhebliche Konsequenzen verbunden, von denen einige, aus Sicht des Verfassers wichtige, nachfolgend betrachtet werden sollen:

Entschädigungszahlung § 103 Abs. 3a Satz 8 SGB V

Lehnt der Zulassungsausschuss aufgrund einer der oben erwähnten Gründe die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens bzw. die Nachbesetzung ab, so sieht das Gesetz eine Entschädigungsregelung in § 103 Abs. 3a Satz 8 SGB V vor:

„Hat der Zulassungsausschuss den Antrag abgelehnt, hat die Kassenärztliche Vereinigung dem Vertragsarzt oder seinen zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben eine Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zu zahlen.“

Allerdings stellen sich hierzu einige bislang ungeklärte (Rechts-) Fragen:

Wie wird der Verkehrswert ermittelt, als Fortführungswert oder als Liquidationswert?

Können die einzelnen KVen bzw. Zulassungs- oder Berufungsausschüsse entscheiden, nach welcher Wertermittlungsmethode sie ermitteln, sodass es in den einzelnen Zuständigkeitsbereichen abweichende Ermittlungsmethoden geben kann oder müssen die KVen bzw. Zulassungs- oder Berufungsausschüsse alle dieselbe Wertermittlungsmethode zu Grunde legen?

Beim Fortführungswert wird der Praxiswert unter Betrachtung der zukünftigen Fortführung, d. h. Ertragserzielung und Wert der Praxisausstattung und somit unter Berücksichtigung sowohl des ideellen als auch des materiellen Praxiswerts, ermittelt. Im Rahmen des Liquidationswerts würde der ideelle Wert hingegen unberücksichtigt bleiben.

Welche Bewertungsmethode wird sodann angewendet?

Ist eine Pauschalierung der Entschädigung (wie wohl von den KVen favorisiert) zulässig?

Es gibt eine Vielzahl von Methoden und Ansätzen zur Bewertung von Arztpraxen. Genannt seien hier vor allem das (modifizierte) Ertragswertverfahren, das Substanzwertverfahren bzw. die sog. Bundesärztekammermethode. Je nach Bewertungsmethode können sich hier sehr erhebliche Unterschiede im Ergebnis der Praxiswertberechnung ergeben.

Das modifizierte Ertragswertverfahren wurde zwar durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH und des BSG als geeignetes Verfahren zur Ermittlung eines Verkehrswerts einer freiberuflichen Praxis anerkannt (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2011 – XII ZR 185/08, NJW 2011, 2572; BSG, Urteil vom 14.12.2011 – B 6 KA 39/10 R,

GesR 2012, 535). Allerdings besteht der Grundsatz der Methodenfreiheit.

Wer berechnet den Verkehrswert bzw. kann der Arzt auf die Auswahl des Gutachters Einfluss nehmen oder wird dieser ausschließlich von der KV bzw. den Zulassungs- oder Berufungsausschüssen bestimmt?

Kann der Arzt gegen das Verkehrswertgutachten Einwendungen erheben, stehen ihm Rechtsbehelfe zur Verfügung oder steht es ihm frei, ein Gegengutachten einzuholen? Wer trägt die Kosten dieser Gutachten? Welche Folgen ergeben sich bei im Ergebnis abweichenden Gutachten, wie werden Differenzen gelöst?

Folglich besteht zwingender Klärungsbedarf hinsichtlich dieser Fragen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob eine dahingehende Klarstellung im Rahmen der Gesetzesänderung erfolgt bzw. sich eine solche zumindest aus der Gesetzesbegründung ergeben wird.

Entschädigung auch für Folgeschäden?

Nachdem die Entschädigungsregelung des § 103 Abs. 3a Satz 8 SGB V lediglich auf den Verkehrswert der Arztpraxis abstellt, ist vollkommen ungeklärt, ob hiervon auch sogenannte Folgeschäden umfasst sind oder ob der Vertragsarzt, seine Erben, die verbliebenen Berufsausübungsgemeinschaftspartner oder andere Dritte diese zu tragen haben.

Folgeschäden können beispielsweise daraus entstehen, dass ein langfristig befristet abgeschlossener Mietvertrag, langfristig abgeschlossene Leasing- oder Wartungsverträge für medizinische Geräte oder Praxisversicherungen nicht außerordentlich bzw. zeitnah gekündigt werden können. Die Zahlungsverpflichtungen aus diesen Verträgen können unter Umständen somit über mehrere Jahre hinweg – z. B. bei Mietverträgen sind zehn Jahre verbleibende Dauer keine Seltenheit – bestehen bleiben.

Problematisch ist zum einen, dass gesetzliche Vorgaben für einen solchen Entschädigungsanspruch bislang fehlen. Sofern man die Rechtsgrundlage dieses Entschädigungsanspruchs direkt aus Art. 14 GG (Entschädigung bei Enteignung durch staatlichen Eingriff) herleitet (fraglich ist hierbei, ob die Einziehung der Zulassung als Enteignung einzustufen ist) und somit einen Entschädigungsanspruch bejaht, wird man jedoch dem Arzt aus derzeitiger juristischer Sicht empfehlen müssen, dass er nach Rechtskraft eines Einziehungsbeschlusses bestehende Verträge der Praxis sofort kündigt bzw. mit dem Vertragspartner über eine vorzeitige Beendigung verhandelt, da ihm gemäß § 254 Abs. 2 BGB die Pflicht zur Schadensabwehr bzw. Schadensminderung zukommt. Verletzt er diese, kann dies nämlich zur Kürzung eines Entschädigungsanspruchs führen.

Zum anderen wird zu prüfen sein, ob die Zulassungseinziehung als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung der jeweiligen Verträge berechtigt, sofern nicht im Vertrag ohnehin dem Vertragsarzt ein Sonderkündigungsrecht für den Fall der Beendigung der Zulassung durch Verzicht oder Entzug bzw. der Aufgabe der Praxistätigkeit eingeräumt wurde. Eine solche Vereinbarung könnte vorbeugend auch in derzeit bestehende Verträge im Einvernehmen mit dem Vertragspartner (z. B. des Vermieters) versucht werden mitaufzunehmen. Es ist deshalb anzuraten, bestehende Verträge diesbezüglich zu überprüfen.

Aber bisher sind solche Klauseln in Miet- oder sonstigen Verträgen völlig unüblich.

In Betracht ziehen könnte man grundsätzlich auch einen Anspruch des Arztes auf Anpassung der Verträge gemäß § 313 BGB, wenn durch die Ablehnung der Nachbesetzung die Geschäftsgrundlage weggefallen ist. Zu denken wäre beispielsweise an eine Verkürzung der Vertragslaufzeit oder an eine Reduktion der Zahlungen. Allerdings müsste dann die Nichtnachbesetzung des Vertragsarztsitzes bzw. die vertragsärztliche Zulassung Geschäftsgrundlage des Vertrages sein. Dies kann somit streitig sein und auch vom jeweiligen Vertragstyp abhängen.

Hingegen dürften aus Sicht des Verfassers bestehende Arbeitsverträge mit dem Praxispersonal grundsätzlich wohl relativ unproblematisch, auch bei Geltung des Kündigungsschutzgesetzes, zwecks Betriebsaufgabe beendet werden können.

Anrechnung des Werts für etwaig noch veräußerbare Gegenstände

Gesetzlich nicht geregelt ist, ob sich der Arzt im Falle der Entschädigung des Verkehrswerts den Sachwert für Gegenstände, die er gegebenenfalls noch veräußern kann, anrechnen lassen muss und dieser somit von der Entschädigungsleistung in Abzug zu bringen ist. Dies wird aufgrund des entschädigungsrechtlichen Grundsatzes, dass keine wirtschaftliche Besserstellung erfolgen soll, nach Auffassung des Verfassers wohl zu bejahen sein, wobei allenfalls der zu schätzende Liquidationswert des Praxisinventars anzurechnen sein kann.

Probleme der Versagung der Nachbesetzung für Berufsausübungsgemeinschaften

Auch für Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) stellen sich dieselben Probleme wie für Einzelpraxen, da die Vorschriften des §§ 103 Abs. 3a Satz 3 Hs. 1, 4 Satz 9 SGB V für diese gleichermaßen gelten. Die BAG wird jedoch mit folgenden weiteren Sonderproblemen konfrontiert werden:

Ungeklärt ist, was bei Einziehung der Zulassung mit den etwaig mit dem Sitz verbundenen weiteren Zulassungen, wie z. B. einer Angestelltenzulassung, geschieht.

Unsicher ist, ob auch die BAG die Geltung der Entschädigungsregel für Folgeschäden für sich in Anspruch nehmen kann, wenn sie durch die Zulassungseinziehung eines Praxispartners einen Vermögensverlust aufgrund einer damit verbundenen geringeren Geräteauslastung oder einer Nutzung zu großer Räumlichkeiten erleidet.

Für den aufgrund der Zulassungseinziehung ausscheidenden Gesellschafter wird sicherlich relevant sein, was im Falle einer Differenz zwischen Verkehrswertentschädigung und gesellschaftsvertraglicher Abfindung passiert und wer diesen Unterschiedsbetrag ausgleicht.

Erhält der Vertragsarzt eine Entschädigung des Verkehrswerts, so stellt sich ferner die Frage, welche Konsequenzen dies für die in der BAG vorhandenen Gegenstände (z. B. Computer, Ultraschallgeräte etc.) hat, die ja anteilig durch die KV aufgrund der Entschädigungszahlung aufgekauft wurden. Ist es der KV dann unter Umständen möglich, dass sie im Falle von insgesamt drei Praxispartnern beispielsweise den Computer des ausscheidenden Praxispartners herausverlangt? Was passiert, wenn zum Beispiel nur ein Ultraschallgerät vorhanden ist, an dem der Arzt lediglich zu ein Drittel beteiligt war?

Stellungnahme

Das Vorhaben der Großen Koalition zum Abbau der Überversorgung verfolgt zwar einen legitimen Zweck. Dennoch sind aus Sicht des Verfassers mit der geplanten Änderung der §§ 103 Abs. 3a Satz 3 Hs. 1, Abs. 4 Satz 9 SGBV von einer Kann- in eine Soll-Vorschrift mannigfaltige Probleme verbunden, die es bereits im Vorfeld zu diskutieren und zu lösen gilt, da dies zu einer ansteigenden Versagung der Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen führen wird. Eine gesetzliche Neuregelung sollte deshalb die offenen Fragen klarstellen, insbesondere sollte die Entschädigung von Folgeschäden gesetzlich normiert werden.

Wie weitreichend die Auswirkungen für Vertragsärzte, Berufsausübungsgemeinschaften oder Medizinische Versorgungszentren im Falle einer solchen Umwandlung in eine zwingende Rechtsvorschrift sein werden – möglicherweise katastrophale – kann derzeit nicht vorhergesagt werden. Bereits jetzt ist jedoch aus rechtlicher Sicht anzuraten, bestehende Verträge (z. B. Mietverträge, Leasing-, Wartungsverträge, Praxisversicherungen) auf ein Sonderkündigungsrecht für diesen Fall zu überprüfen bzw. den Versuch zu unternehmen, mit dem Vertragspartner ein solches ergänzend nachträglich zu vereinbaren.

Es bleibt somit nur die Möglichkeit abzuwarten, ob und wann die Große Koalition ihr Gesetzesvorhaben realisiert und wie sie mit den bereits jetzt offensichtlichen Problemen umgehen bzw. diese lösen wird. Die Hoffnung, dass für die Ärzteschaft nicht nur eklatant negative Folgen hieraus resultieren, stirbt aus Sicht des Verfassers wie immer zuletzt.

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Heberer J. Nachbesetzungsverfahren – geplante Änderung von einer „Kann“ in eine „Soll“-Vorschrift. Passion Chirurgie. 2014 Dezember; 4(12): Artikel 06_01.


Geld und Recht

Können Leistungen zur Primärprävention nach GOÄ abgerechnet werden?


Frage:

Ein niedergelassener Arzt fragt nach der Möglichkeit, gemeinsam mit einem freiberuflichen Diplomsportlehrer Gesundheitssportkurse zur Primärprävention anzubieten und dies nach GOÄ abzurechnen.

Antwort:

Medizinisch-physikalische Leistungen sind grundsätzlich delegationsfähige Leistungen. Auch bei delegierten Leistungen ist es aber erforderlich, dass eine Mitwirkung des Arztes im Sinne einer fachlichen Weisung erfolgt und der Arzt durch örtliche Anwesenheit die Leistungserbringung jederzeit überwachen bzw. korrigieren kann.

Sofern jedoch selbständige und nicht beim Arzt angestellte Diplomsportlehrer die Leistung erbringen und als selbständige Leistungserbringer weder der Weisung noch der Aufsicht des Arztes unterworfen sind, halte ich die Abrechenbarkeit dieser Leistungen nach GOÄ aus diesen Gründen für nicht möglich.

Antworten von Dr. jur. Jörg Heberer:
Justitiar BDC Berlin
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht

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Heberer J. Können Leistungen zur Primärprävention nach GOÄ abgerechnet werden? Passion Chirurgie. 2014 Dezember; 4(12): Artikel 08_02.

Ist die Abrechnung einer ambulanten OP bei stationärer Aufnahme möglich?

Frage:

Ein in Kooperation mit einem Krankenhaus ambulant operierender Vertragsarzt möchte wissen, ob die Abrechnung der ambulanten vertragsärztlichen Leistungen auch dann erfolgen könne, wenn der Patient unmittelbar postoperativ stationär aufgenommen wird, z. B. wegen Kreislaufkomplikationen.

Antwort:

Das Bundessozialgericht hat sich bereits im Urteil vom 04.03.2004, Az.: B 3 KR 4/03 R mit der Frage der Abgrenzung zwischen ambulanter und stationärer Krankenhausbehandlung befasst.

Dort hat es unter anderem festgestellt, dass bei zunächst ambulant vorgesehenen und durchgeführten operativen Eingriffen auch dann eine letztlich einheitliche vollstationäre Krankenhausbehandlung vorliege, wenn wegen einer Komplikation im nachoperativen Verlauf eine ständige Beobachtung und weitere Behandlung über die Nacht hinweg angezeigt erscheine und deshalb die Entlassung des Patienten nach Hause noch am gleichen Tag nicht möglich ist.

Entsprechend sieht § 7 Abs. 3 des AOP-Vertrages vor, dass bei stationärer Aufnahme am selben Tag in unmittelbarem Zusammenhang mit dem ambulanten Eingriff die Vergütung nach der Bundespflegesatzverordnung bzw. dem Krankenhausentgeltgesetz erfolgt.

Ich gehe deshalb davon aus, dass auf Basis dieser Vorgaben seitens der Krankenkassen eine separate Abrechnung der Leistungsziffern für den Chirurgen und den Anästhesisten neben der DRG nicht akzeptiert werden wird, sondern hier allein nach KHEntgG abgerechnet werden kann.

Es bietet sich deshalb ggf. an, mit dem Krankenhausträger in derartigen Fällen eine entsprechende DRG-anteilige Vergütung für die ärztlichen und anästhesiologischen Leistungen der beteiligten Ärzte zu regeln.

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Heberer J. Ist die Abrechnung einer ambulanten OP bei stationärer Aufnahme möglich? Passion Chirurgie. 2014 Dezember; 4(12): Artikel 08_01.


Fragen und Antworten

Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch nicht fest angestellte Honorarärzte

Bislang war in der Rechtsprechung umstritten, ob die Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch am Krankenhaus nicht fest angestellte, sondern freiberuflich aufgrund einer Kooperationsvereinbarung tätige, Honorarärzte rechtlich zulässig ist. Die mehrheitliche Rechtsprechung der Instanzgerichte lehnte dies ab, indem hierin ein Verstoß gegen § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG, der als Verbotsgesetz qualifiziert wurde, festgestellt wurde. Lediglich die Landgerichte Würzburg, Nürnberg-Fürth und Kempten erließen für niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser positive Urteile, wonach die Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch Honorarärzte als zulässig angesehen wurde, da § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG kein Verbotsgesetz darstelle, sondern dieser Regelung lediglich Erstreckungsfunktion zukomme.

Urteil des BGH vom 16.10.2014 – III ZR 85/14

Diesen Meinungsstreit hat nunmehr der BGH mit seinem Urteil vom 16.10.2014 entschieden, indem er sich der Auffassung der mehrheitlichen Rechtsprechung anschloss. Die schriftlichen Urteilsgründe, aus denen man detailliertere Ausführungen erwarten darf, stehen derzeit noch zur Veröffentlichung aus, sodass diese für eine abschließende Beurteilung der nunmehr geltenden Rechtslage und etwaiger Ausnahmefälle abzuwarten bleiben.

Aus der Pressemitteilung des BGH lässt sich jedoch folgendes deutlich entnehmen: Der BGH kommt zu dem Schluss, dass vom Krankenhausträger nicht fest angestellte Honorarärzte, die im Krankenhaus Operationen durchführen, ihre operative Tätigkeit gegenüber (Privat-) Patienten nicht als Wahlleistungen i. S. d. §17 Abs. 1 S. 1 KHEntgG erbringen und gesondert abrechnen können. Ein Vergütungsanspruch ergibt sich weder aus der Wahlleistungsvereinbarung zwischen Krankenhaus und Patient noch aus einer zwischen dem Honorararzt mit dem Patienten individuell getroffenen Vereinbarung über die Behandlung gegen Privatrechnung.

Aus der Wahlleistungsvereinbarung ergebe sich deshalb schon kein Vergütungsanspruch, da der niedergelassene Facharzt für Neurochirurgie weder als Wahlarzt noch als „gewünschter“ Stellvertreter des Wahlarztes in der Wahlleistungsvereinbarung aufgeführt gewesen sei. Denn gemäß dem Gesetzeswortlaut des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG erstrecke sich eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen im Rahmen der vollstationären und teilstationären sowie einer vor- und nachstationären Behandlung (§ 115a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses. Der BGH urteilte hier sodann streng am Wortlaut orientiert, wonach Honorarärzte eben weder Beamte noch Angestellte des Krankenhauses seien noch seien sie externe Wahlärzte, da keine Tätigkeit „auf Veranlassung“ eines angestellten oder beamteten Krankenhausarztes mit eigener Liquidationsberechtigung erfolge.

Zudem äußerte sich der 3. Senat des BGH dahingehend, dass § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte abschließend festlege. Diese Vorschrift stelle eine zwingende preisrechtliche Norm zum Schutz der Patienten dar. Hiervon könne auch nicht durch individuelle Vergütungsabreden (in diesem Fall zwischen Honorararzt und Patient) abgewichen werden, da diese einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB darstellen würden. Dem Honorararzt wurde deshalb auch der Vergütungsanspruch aus dieser zwischen ihm und der Patientin getroffenen individuellen, schriftlichen Vereinbarung versagt.

Folglich lässt sich hieraus aus Sicht des Verfassers eindeutig entnehmen, dass der BGH § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG als Verbotsgesetz qualifiziert.

Stellungnahme

Vorbehaltlich der ausführlichen schriftlichen Urteilsbegründung ist es nach derzeitiger Auffassung des Verfassers entsprechend diesem Urteil zum einen nicht möglich, durch ausdrückliche Benennung des nicht fest angestellten Honorararztes als Wahlarzt in der Wahlleistungsvereinbarung die Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch diesen zu ermöglichen. Denn der 3. Senat hat hierzu festgestellt, dass der Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte in § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG abschließend festgelegt sei. Dies sind jedoch eben nur angestellte oder beamtete Krankenhausärzte mit Liquidationsrecht oder externe Wahlärzte, die auf Veranlassung des liquidationsberechtigten Krankenhausarztes und somit ausdrücklich nicht auf Veranlassung des Krankenhausträgers aufgrund bestehender Kooperationsvereinbarung tätig werden.

Zum anderen sind sämtliche Vereinbarungen zur Umgehung dieser Regelung gemäß § 134 BGB unzulässig und nichtig. Dies gilt einmal entsprechend der BGH-Rechtsprechung für individuelle Vereinbarungen zwischen Patient und Honorararzt. Ferner betrifft dies nach Auffassung des Verfassers aber auch solche Konstellationen, in denen von vornherein und planmäßig die Durchführung der Wahlleistung durch den Honorararzt beabsichtigt ist und lediglich zur Umgehung der gesetzlichen bzw. durch die Rechtsprechung geschaffenen Voraussetzungen der liquidationsberechtigte Arzt dazwischen geschaltet wird, um die „Veranlassung“ zu erteilen.

Die nach dem Gesetz und dem BGH zulässige Veranlassungsleistung durch einen angestellten oder beamteten liquidationsberechtigten Krankenhausarzt meint nach Einschätzung des Verfassers nämlich nur solche Fälle, in denen im Einzelfall eine medizinische Notwendigkeit zur Heranziehung und Durchführung der Wahlleistung durch den Honorararzt besteht.

Somit ist im Ergebnis juristisch von jeglichen Umgehungsgeschäften im Hinblick auf die BGH-Rechtsprechung zwingend abzuraten. Dies vor allem deshalb, da hier unter Umständen erhebliche Rückforderungsansprüche durch Patienten oder Krankenversicherungen, die sich den Rückforderungsanspruch des Patienten abtreten lassen können, gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB drohen. Für derartige Rückforderungsansprüche gilt die 3-jährige Verjährungsfrist, die mit Entstehung des Anspruchs und Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände (= Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm) sowie der Person des Schuldners am Ende eines Jahres zu laufen beginnt.

Derzeit bestehende Honorararzt-/Kooperationsarztverträge sowie die tatsächlich durchgeführte Praxis hinsichtlich Erbringung und Abrechnung von Wahlleistungen sollten zudem zwingend auf deren rechtliche Zulässigkeit überprüft werden.

Die rechtssicherste Möglichkeit zur Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch einen Honorararzt ist nach Ansicht des Verfassers damit wie bisher, nun auch zukünftig, ein Anstellungsvertrag.

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Heberer J. Erbringung und Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch nicht fest angestellte Honorarärzte. Passion Chirurgie. 2014 Dezember; 4(12): Artikel 06_02.


Geld und Recht

Welche Anforderungen müssen bei der Überleitung der H-Arzt-Beteiligung in eine D-Arzt-Beteiligung erfüllt werden?

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg mit H-Arzt-Beteiligung fragt an, welche Anforderungen bei der Überleitung der H-Arzt-Beteiligung in eine D-Arzt-Beteiligung erfüllt werden müssen und ob es hierbei eine Härtefallregelung bzw. einen Bestandsschutz gibt.

Antwort:

Leider sieht § 30 Abs. 4 Satz 1 Vertrag Ärzte/UV-Träger vor, dass sich die Beteiligung eines H-Arztes als Durchgangsarzt aufgrund der Abschaffung des H-Arzt-Verfahrens nach den geltenden D-Arzt-Anforderungen bestimmt. Für bereits beteiligte H-Ärzte besteht bis 31.12.2014 die Möglichkeit der Antragstellung zur Überleitung in das Durchgangsarztverfahren, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. In persönlich-fachlicher Hinsicht findet eine erneute Prüfung der fachlichen Befähigung nach Auskunft der DGUV nicht statt, die bestehende H-Arzt-Beteiligung ist ausreichend. Die Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger nach § 34 SGB VII zur Beteiligung am Durchgangsarztverfahren legen die weiteren Voraussetzungen der personellen und sächlichen Ausstattung sowie der Pflichten des D-Arztes fest. Hierbei müssen sodann die unter den Nummern 3 bis 6 aufgestellten Anforderungen vom H-Arzt erfüllt werden.

Ein besonderes Augenmerk ist nach Meinung des Verfassers zu richten auf Ziffer 6.5.1, wonach gefordert wird, dass die Erstversorgung einer Mindestanzahl von jährlich 250 Arbeitsunfallverletzten in einem 5-Jahreszeitraum im Jahresdurchschnitt oder in den letzten drei Jahren des 5-Jahres-Zeitraums nachgewiesen werden muss.

§ 30 Abs. 4 Satz 2 Vertrag Ärzte/UV-Träger sieht allerdings eine Ausnahme von der notwendigen Erreichung der Mindestfallzahl vor, nämlich wenn dies zur Vermeidung der Gefährdung der Versorgung Arbeitsunfallverletzter in der Fläche erforderlich ist. Dies bedeutet, dass von der Erreichung der Mindestanzahl abgewichen werden kann, wenn die Notfallversorgung vor Ort ansonsten nicht gewährleistet werden kann. Von einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung ist nach Auskunft der DGUV dann auszugehen, wenn entweder das Verhältnis von D-Ärzten zu Versicherten in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt über 1:30.000 liegt oder in einer Region innerhalb von 30 Minuten kein D-Arzt erreicht werden kann.

Diese Mindestzahlforderung von 250 Fällen ist nach Ansicht des Verfassers gerade für Einzelpraxen sehr hoch angesetzt. Allerdings sieht der Vertrag keine weiteren Ausnahmetatbestände im Sinne einer Härtefallregelung oder einer Bestandsschutzregelung vor, sodass ein Abweichen von der Mindestfallzahl hiernach derzeit nur im Rahmen der genannten vertraglichen Ausnahmen aus Sicht des Verfassers erfolgversprechend möglich sein wird. Etwaige Rechtsprechung existiert hierzu nach Kenntnis des Verfassers bislang nicht, so dass abzuwarten bleibt, wie sich diese hierzu positionieren wird.

Antworten von Dr. jur. Jörg Heberer:
Justitiar BDC Berlin
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht

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Heberer J. Welche Anforderungen müssen bei der Überleitung der H-Arzt-Beteiligung in eine D-Arzt-Beteiligung erfüllt werden? Passion Chirurgie. 2014 November; 4(11): Artikel 08_02.

Muss ein Patient das Einsichtsrecht in seine Patientenakte höchstpersönlich ausüben?


Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob ein Patient das Einsichtsrecht in seine Patientenakte höchstpersönlich ausüben muss und ob Einsicht in die vollständige Patientenakte gewährt werden muss.

Antwort:

Ein Patient muss das Einsichtsrecht nicht höchstpersönlich ausüben, er kann auch einen Dritten mit der Einsicht beauftragen. Die ärztliche Schweigepflicht, die sich aus § 203 StGB sowie der ärztlichen Berufsordnung ergibt, gilt allerdings grundsätzlich auch gegenüber Familienangehörigen und dem Ehepartner des Patienten sowie ohnehin gegenüber Dritten, beispielsweise einem Rechtsanwalt. Zur Freigabe der Information gegenüber den Familienangehörigen/Ehepartnern/sonstigen Dritten wird deshalb aus juristischer Sicht zur Vermeidung straf- und berufsrechtlicher Konsequenzen zwingend empfohlen, dass vorher eine entsprechende Schweigepflichtentbindungserklärung des Patienten eingeholt wird. Üblicherweise erfolgt dies schriftlich, hierzu ist aus Beweissicherungsaspekten auch zu raten. Jedoch kann der Patient den Arzt nach Ansicht des Verfassers auch ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten (konkludent) von der Einhaltung der Schweigepflicht befreien. Zu Beweiszwecken sollte dies, falls die Schweigepflichtentbindungserklärung nicht schriftlich erfolgt, aber unbedingt vom Arzt dokumentiert werden.

Das Einsichtsrecht umfasst die „vollständige“ Patientenakte und gilt folglich auch für Drittbefunde, also an den behandelnden Arzt gerichtete Briefe anderer Kollegen und umgekehrt. Nicht erfasst vom Einsichtsrecht werden grundsätzlich rein subjektive Eindrücke oder Wahrnehmungen des Arztes (§ 10 Abs. 2 Muster-BO). Hierbei handelt es sich insbesondere um persönliche Vermerke des Arztes zu den besonderen Umständen der Behandlung oder der Person des Patienten.

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Heberer J. Muss ein Patient das Einsichtsrecht in seine Patientenakte höchstpersönlich ausüben? Passion Chirurgie. 2014 November; 4(11): Artikel 08_01.

 

Juristischer Notfallkoffer für Kündigungssituationen

Sofortmaßnahmen in einer Ausnahmesituation

Die Kündigung des Arbeitsvertrages ist eine Ausnahmesituation, die sowohl emotional als auch auf den ersten Blick finanziell überaus belastend sein kann.

Dabei ist festzustellen, dass der Kündigungsdruck in der anwaltlichen Praxis mit dem Erklimmen der Karriereleiter zunimmt. So ist für Fachärzte der Arbeitsmarkt derzeit derart günstig, dass die Wechselaussichten bei angedrohter oder ausgesprochener Kündigung, natürlich ein wenig in Abhängigkeit von dem dahinterstehenden Sachverhalt, äußerst günstig sind.

Gleiches gilt auch nach wie vor noch für Oberärzte, wobei hier die Stellen nicht so umfassend zur Verfügung stehen werden.

Am schwierigsten ist sicherlich die unmittelbare Fortführung für Chefärzte bzw. Leitende Ärzte. Wenn es sich bei der ausgesprochenen Kündigung um eine ordentliche Kündigung handelt, die also erst nach Ablauf der Kündigungsfrist greift, so ist die Situation möglicherweise bereits etwas entschärft. Denn Kündigungsfristen in den meisten außertariflichen Arbeitsverträgen betragen zwischen sechs Wochen zum Quartalsende und sechs Monaten zum Quartalsende, wobei die letztgenannte Frist in der Regel für Chefärzte gilt. Man hat also dann bei einer ordentlichen Kündigung noch in jedem Fall sechs Monate Zeit, einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Gleichwohl entsteht auch durch die ordentliche Kündigung bereits eine Dynamik, die nur schwer einzufangen ist. Dies gilt verstärkt noch dann, wenn es zu einer fristlosen Kündigung kommt, also das Arbeitsverhältnis von jetzt auf dann beendet wird. Nicht zuletzt die dadurch entstehende Öffentlichkeit (Der handelnde Arzt ist sofort weg!) führt in diesem Fall dazu, dass eine Lawine angestoßen wird, die nur schwer wieder einzufangen ist. Derartige Geschehnisse leben daher im Interesse beider Parteien davon, dass ein professionelles Konfliktmanagement Einzug hält, welches insbesondere Emotionen so gut es geht ausklammert.

Verhalten im Notfall

Diese beschriebene Eigendynamik bei (fristlosen) Kündigungen wird auch dadurch begründet, dass bei Ausspruch einer Kündigung eine unbedingte Klagefrist von drei Wochen gilt. Man muss also innerhalb von drei Wochen, nachdem man die schriftliche Kündigung erhalten hat, beim zuständigen Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag auf Feststellung, dass die ausgesprochene Kündigung oder gegebenenfalls die ausgesprochenen Kündigungen unwirksam sind. Dies bedeutet aber, dass man dann je nachdem, bei welchem Arbeitsgericht die Klage erhoben wird, bereits nach vier bis sechs Wochen einen ersten Gütetermin erhält, bei dem sich die Parteien treffen und der Sachverhalt öffentlich (entsprechende Verhandlungen sind öffentliche Sitzungen) diskutiert wird. Hier kann man dann nicht immer vermeiden, dass auch – je nach Schwere des Sachverhaltes und natürlich auch je nach handelnden Personen – die Medien zugegen sein werden.

Sollte die Kündigung ausgesprochen worden sein, so ist unmittelbar der Rechtsrat durch einen spezialisierten Anwalt einzuholen. Hier kann der BDC mit entsprechenden Empfehlungen als erste Anlaufstelle nur empfohlen werden.

Aufgrund des Prozesses, der dann in Gang gesetzt wird (Klage, zeitnahe Gerichtsverhandlung) muss man allerdings konstatieren, dass der Ausspruch der Kündigung der späteste Zeitpunkt ist, bei dem man sich Rechtsrat einholen sollte. Eigentlich muss man betonen, dass dieser Zeitpunkt unter Berücksichtigung der normalen Abläufe eigentlich zu spät ist. Denn eine Kündigung wird regelmäßig nicht ad hoc ausgesprochen, es sei denn, es handelt sich um einen überaus gravierenden Pflichtverstoß im Verhaltensbereich (besonders grober Behandlungsfehler, Abrechnungsbetrug, Tätlichkeiten etc.). Erfahrungsgemäß wird der Unbill der Krankenhausleitung mit dem Mitarbeiter bereits vorab kundgetan. Entweder dadurch, dass bereits Abmahnungen ausgesprochen wurden oder speziell bei Chefärzten, dass man beginnt, das Abrechnungsverhalten zu prüfen, gegebenenfalls die Komplikationsrate hinterfragt oder aber Strukturmaßnahmen ergreift, die letztlich nur den Schluss zulassen, dass der Chefarzt nicht mehr den Stellenwert besitzt, der ihm seiner Funktion nach zusteht.

Wenn derartige Anzeichen deutlich werden, so empfiehlt es sich dringlich, im Sinne einer Erstmaßnahme einmal anwaltlichen Rat einzuholen, um den Sachverhalt tatsächlich zu bewerten.

Die anwaltliche Praxis zeigt, dass hier oftmals die Zeichen nicht richtig gedeutet werden. Es ist dann für den jeweiligen betroffenen Arzt durchaus schockierend, wenn man ihn mit der Situation konfrontiert und den Sachverhalt so einschätzt, dass möglicherweise der Krankenhausträger mit ihm nicht mehr längerfristig plant. Gerade diese erste Einschätzung ist aber notwendig, um die Taktik für das weitere Vorgehen zu besprechen und auszuloten. Hier spielen beispielsweise der persönliche Lebenslauf, die Ortsgebundenheit und die Zukunftsvorstellungen eine Rolle. Denn all dies ist entscheidend dafür, wie schnell und wie unkompliziert gegebenenfalls eine neue Stelle angetreten werden kann. Wenn man übereinstimmend zu dem Schluss kommt, dass der Krankenhausträger möglicherweise einen Trennungswunsch hat, so sollte man hier relativ schnell unter Zuhilfenahme eines Rechtsbeistandes Kontakt zum Krankenhausträger aufnehmen. Dies signalisiert zum einen, dass auch seitens des Arbeitnehmers die Zeichen der Zeit erkannt wurden und zum anderen, dass man an einer einvernehmlichen Lösung interessiert ist. Dies nimmt dann oftmals vom Krankenhausträger auch den Ermittlungsdruck und führt dazu, dass die Situation entkrampft wird. Insbesondere können so oftmals Schnellschüsse des Krankenhausträgers im Hinblick auf den Ausspruch einer Kündigung oder einer Freistellung verhindert werden.

Die Verhandlungen gehen dann in erster Linie natürlich dahin, dass der Ausspruch einer Kündigung vermieden wird. Man wird eruieren, inwieweit ein Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis im besten Einvernehmen beenden kann. Maßgeblich aus Sicht des Arztes ist hier in erster Linie die Zeitkomponente. Man muss realistisch einschätzen, wie viel Zeit der betroffene Arzt benötigt, um eine Anschlussstelle zu erhalten. Denn die Arbeitslosigkeit bzw. der Bezug von Arbeitslosengeld stellt keine echte Alternative dar. Zum einen ist der Arbeitsmarkt für Ärzte derzeit so gut, dass man sich den Gang zum Arbeitsamt regelmäßig ersparen kann, zum anderen ist das Arbeitslosengeld so niedrig, dass es insbesondere bei höher dotierten ärztlichen Berufen (Oberarzt, Chefarzt) keinen adäquaten Ersatz für die Vergütung darstellt.

Schließlich wird man sich aber auch darüber unterhalten, ob und in welcher Höhe eine Abfindung dafür gezahlt wird, dass auch der betroffene Arzt sich dazu bereit erklärt, ohne große Störgeräusche auf seinen Arbeitsplatz „zu verzichten“. Der letzte Umstand wird natürlich maßgeblich dadurch bestimmt, wie valide der Kündigungsgrund ist. So ist hier also immer der jeweilige Einzelfall maßgeblich.

Kündigungsschutzklage als Mittel der Konfliktbeilegung

Wenn diese außergerichtlichen Verhandlungen nicht den gewünschten Erfolg bieten, weil beispielsweise beide Parteien unterschiedliche Auffassungen von der noch verbleibenden Vertragslaufzeit und der Abfindungshöhe haben, so kann einmal im Einzelfall der Gang zum Arbeitsgericht durchaus hilfreich sein. Denn das Arbeitsgericht wird bereits in der Güteverhandlung im Idealfall eine erste Einschätzung abgeben, wie es den Sachverhalt beurteilt. Dies insbesondere im Hinblick auf möglicherweise formale Voraussetzungen für eine Kündigung (Anhörung des Betriebsrates, vorheriger Ausspruch einer Abmahnung etc.). Dies kann dann im Einzelfall dazu führen, dass verkantete und festgefahrene Gespräche wieder an Dynamik gewinnen und man hier möglicherweise eine Einigung findet.

Insbesondere bei Chefärzten gilt aber nach wie vor der Grundsatz, dass eigentlich vermieden werden sollte, derart an die Öffentlichkeit zu gehen. Diese Maßnahme bleibt eigentlich nur den Fällen vorbehalten, bei welchen sich der Arbeitgeber keinesfalls bewegt. Dann muss man daran denken, mit dem gezielten Druck der Klage hier die Motivationen zu einer gütlichen Einigung zu erhöhen.

Manchmal neigen Arbeitgeber dazu anzudrohen, dass ihrerseits gezielt die Öffentlichkeit hergestellt wird. Dies ist insbesondere im Hinblick auf Behandlungsfehler und gegebenenfalls Unregelmäßigkeiten in der Abrechnung erst einmal als unangenehm zu empfinden. Die anwaltliche Erfahrung zeigt aber, dass, wenn überhaupt medial darüber berichtet wird, sich dieser Sturm regional begrenzt und insbesondere auch den Arbeitgeber trifft. Mit derartigen Ankündigungen sollte man sich daher nicht zu sehr verunsichern lassen.

Mediation als Möglichkeit der Streitbeilegung

Schließlich verbliebe noch die Möglichkeit, dass man sich der Hilfe eines Streitschlichters bedient, um Konflikte auszuräumen. Die Mediation wird dabei in der Öffentlichkeit oftmals wahrgenommen im Zusammenhang mit Nachbarschaftsstreitigkeiten oder innerfamiliären Zwistigkeiten. Die Wirtschaftsmediation hält aber immer mehr Einzug und hat durchaus ihre Daseinsberechtigung. Sie kann aber genau genommen immer nur zwischenmenschliche Probleme aufarbeiten und ist kein Mittel, Konflikte in Bereichen zu bereinigen, die der Mediation nicht zugänglich sind.

Insbesondere wenn schlichte sachliche unternehmerische Entscheidungen dazu führen, dass die jeweilige mit der Kündigung bedrohte Person nicht mehr in das Gesamtkonzept passt, kann eine Mediation nicht den gewünschten Erfolg bringen. Denn unternehmerische Entscheidungen kann sie nicht rückgängig machen. Es ist dem Mediator dabei auch gänzlich unmöglich, derartige Entscheidungen zu bewerten und zu versuchen, beispielsweise den Krankenhausträger vom Gegenteil zu überzeugen. Dies ist insbesondere auch nicht Aufgabe des Mediators, der ja nur dafür sorgen soll, dass die Parteien selbst eine für beide Seiten tragfähige Lösung des Konfliktes finden.

Bei verhaltensbedingten Kündigungen gilt dies erst recht. Oftmals ist hier auch der Krankenhausträger im Zugzwang, da er schlicht nur mit einer Kündigung reagieren kann, um weiteren Schaden vom Haus abzuwenden.

Selbstverständlich ist der beratende Anwalt gehalten, zunächst einmal auszuloten, inwieweit man das Arbeitsverhältnis denn nicht doch fortsetzen kann. Dies beispielsweise dann, wenn Strukturmaßnahmen ergriffen wurden und hierüber der Trennungswunsch entstanden ist. Hier kann man durch klare Signale der Bereitschaft zur Akzeptanz unter der Voraussetzung gegebenenfalls finanzieller Kompensation versuchen, die Wogen zu glätten.

Einer klassischen Mediation sind derartige Konfliktfälle aber aus Sicht der Autoren eher nicht zugänglich.

Schlussbetrachtung

So bleibt im Ergebnis festzustellen, dass mit Ausspruch der Kündigung die Dinge eilbedürftig werden. Es gilt eine unbedingte drei Wochen Klagefrist, da danach die Kündigung als wirksam fingiert wird.

Es ist allerdings festzuhalten, dass mit Ausspruch der Kündigung eigentlich oftmals die Zeichen der Zeit nicht richtig gedeutet wurden. Vielmehr sollte man sich bei auftretenden Konfliktfällen einmal kritisch selbst fragen, inwieweit hier möglicherweise tiefergreifende Zerwürfnisse dahinterstehen. Hier kann man sich gerade im Rahmen der für BDC-Mitglieder bestehenden kostenfreien Erstberatung eine erste Einschätzung einholen, von der man dann das weitere Vorgehen abhängig machen kann.

In jedem Fall ist man schlecht beraten, Stimmungen im Miteinander zwischen Geschäftsführung und Angestellten unreflektiert als gegeben hinzunehmen und „Business as usual“ zu machen, ohne auf etwaige Misstöne oder Konflikte zu achten. Nur eine in diesem Bereich bestehende Ignoranz und gegebenenfalls auch Unsensibilität führt dann oftmals zur Kündigung, die wiederum dann eine eigene Dynamik mit sich bringt. Denn dann wird dem eingeschalteten Rechtsanwalt mehr die Aufgabe eines Troubleshooters zu teil, als die wesentlich sachdienlichere Funktion eines Konfliktmanagers.

Heberer J. Juristischer Notfallkoffer für Kündigungssituationen. Passion Chirurgie. 2014 Oktober, 4(10): Artikel 02_06.

Bei der Wahl der Operationsmethode an die Weisung des Chefarztes gebunden?

 

Frage:

Eine Oberärztin fragt an, ob sie bei zwei dem medizinischen Standard entsprechenden Operationsmethoden in der Wahl der OP-Methode frei ist oder an die Weisung des Chefarztes gebunden ist.

 

Antwort:

Da hier der Fall sog. vertikaler Arbeitsteilung vorliegt, die Oberärztin also in einem Über-/Unterordnungsverhältnis innerhalb desselben Fachgebiets steht, muss sie als nachgeordnete Ärztin grundsätzlich die ihr erteilten Weisungen des Chefarztes befolgen, denn im Falle eines Schadens haftet sie grundsätzlich im Rahmen der erteilten Weisung, indem sie diese beispielsweise nicht sorgsam ausgeführt oder sogar entgegen der Weisung gehandelt hat. Sofern die Durchführung der von dem Chefarzt angewiesenen Methode dem medizinischen Standard entspricht und die Oberärztin mit deren Durchführung vertraut ist, hat sie nach Auffassung des Verfassers der Weisung Folge zu leisten. Hierbei darf sich die Oberärztin in der Regel auf den Vertrauensgrundsatz berufen. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich aufdrängende Bedenken bei der Oberärztin bestehen, so zum Beispiel wenn im konkreten Fall medizinische Gründe gegen diese Methode sprechen oder sie selbst mit der Durchführung dieser Methode nicht vertraut ist. In diesem Fall muss die Oberärztin hinsichtlich der erteilten Weisung ihre Zweifel kundtun. Unterlässt sie dies, kann sie im Schadensfall für die unbesehene Durchführung fehlerhafter Anweisungen haften. Hält der Chefarzt seine Weisung trotzdem aufrecht, sollte aus juristischer Sicht die Durchführung des Eingriffs abgegeben werden.

Antworten von Dr. jur. Jörg Heberer:
Justitiar BDC Berlin, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
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Heberer J. Bei der Wahl der Operationsmethode an die Weisung des Chefarztes gebunden? Passion Chirurgie. 2014 Oktober; 4(10): Artikel 08_01.