Alle Artikel von Jörg Heberer

F+A: Bedenkzeit zwischen Aufklärung und Einwilligung

Frage:

Ein Chefarzt fragt an, ob dem Patienten ein bestimmter Zeitraum als Bedenkzeit zwischen Aufklärung und Einwilligung gewährt werden muss, oder ob der Patient auch unmittelbar nach der Aufklärung bzw. durch späteres Erscheinen zum Eingriff rechtswirksam in diesen einwilligen kann.

Antwort:

Das OLG Bremen hatte im November 2021 für eine aufsehenerregende Entscheidung unter Klinikträgern, Ärzten und Fachanwälten für Medizinrecht gesorgt, indem es zum einen die Auffassung vertrat, dass die Einwilligung eines Patienten unwirksam sei, wenn diese unmittelbar nach dem Aufklärungsgespräch erteilt werde, weil dem Patienten entgegen § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB keine Bedenkzeit zwischen der Aufklärung über die Risiken des Eingriffs und der Entscheidung über die Einwilligung eingeräumt werde. Zum anderen war es der Ansicht, ein Patient könne auch nicht konkludent dadurch in eine Operation einwilligen, wenn er sich drei Tage nach dem Aufklärungsgespräch zur stationären Aufnahme in die Klinik begibt, um die Operation durchführen zu lassen.

Dieses Urteil hat jedoch – nach Meinung des Verfassers glücklicher- und richtigerweise – keine Bestandskraft erlangt, da der BGH diesen beiden Rechtsauffassungen des OLG Bremen nunmehr entschieden eine Abfuhr erteilt hat. Am 20.12.2022 urteilte der BGH hierzu wie folgt (vgl. zu Nachfolgendem: BGH, Urteil vom 20.12.2022 – VI ZR 375/21):

Grundsätzlich ist keine Bedenkzeit zwischen Aufklärung und Einwilligung erforderlich

Mit seiner Beurteilung, dass eine Einwilligung nicht sofort nach der Aufklärung erteilt werden könne, überspannt das OLG Bremen aus Sicht des 6. BGH-Senats den Wortlaut des § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB und stellt überzogene Anforderungen an die der Behandlungsseite obliegenden Pflichten zur Einholung einer Einwilligung. Die Bestimmung enthält kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsste, sondern kodifiziert die bisherige Rechtsprechung, der zufolge der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden muss, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen kann (vgl. Rn. 16). § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB regelt die Anforderungen an die Aufklärung des Patienten in zeitlicher Hinsicht. Nach dieser Vorschrift muss die Aufklärung so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. Bereits nach dem Wortlaut und der Stellung im Gesetz bezieht sich die Bestimmung somit allein auf den Zeitpunkt, zu dem das Aufklärungsgespräch stattzufinden hat, das rechtzeitig vor dem Eingriff erfolgen muss. Nach dem Willen des Gesetzgebers zum Patientenrechtegesetz sollte mit dieser Regelung keine inhaltliche Änderung der Rechtslage verbunden sein, sondern lediglich die bisherige Rechtsprechung wiedergegeben werden. Im Einklang mit dieser sieht sie keine vor der Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“ vor, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen würde; sie enthält kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsste. Entscheidend ist, ob der Patient unter den jeweils gegebenen Umständen ausreichend Gelegenheit hat, innerlich frei darüber zu entscheiden, ob er sich der beabsichtigten medizinischen Maßnahme unterziehen will oder nicht (vgl. Rn. 18).

Zu welchem konkreten Zeitpunkt ein Patient nach ordnungsgemäßer – insbesondere rechtzeitiger – Aufklärung seine Entscheidung über die Erteilung oder Versagung seiner Einwilligung trifft, ist aus Sicht der Richter seine Sache. Sieht er sich bereits nach dem Aufklärungsgespräch zu einer wohlüberlegten Entscheidung in der Lage, ist es sein gutes Recht, die Einwilligung sofort zu erteilen. Wünscht er dagegen noch eine Bedenkzeit, so kann von ihm grundsätzlich erwartet werden, dass er dies gegenüber dem Arzt zum Ausdruck bringt und von der Erteilung einer – etwa im Anschluss an das Gespräch erbetenen – Einwilligung zunächst absieht. Dass ihn dies – beispielsweise, weil er bereits in Operationsplanungen einbezogen ist und sich einem „Apparat“ gegenübersieht, den er möglichst nicht stören möchte – eine gewisse Überwindung kosten mag, ist seiner Selbstbestimmung zuzuordnen. Der – zum Zwecke einer sinnvollen Wahrnehmung seines Selbstbestimmungsrechts – ordnungsgemäß aufgeklärte Patient ist nicht passives Objekt ärztlicher Fürsorge; er ist vielmehr grundsätzlich dazu berufen, von seinem Selbstbestimmungsrecht aktiv Gebrauch zu machen und an der Behandlungsentscheidung mitzuwirken. Es kann von ihm grundsätzlich verlangt werden zu offenbaren, wenn ihm der Zeitraum für eine besonnene Entscheidung nicht ausreicht. Tut er dies nicht, so kann der Arzt grundsätzlich davon ausgehen, dass er keine weitere Überlegungszeit benötigt (vgl. Rn. 19).

Eine andere Beurteilung ist allerdings – sofern medizinisch vertretbar – nach Ansicht des BGH dann geboten, wenn für den Arzt erkennbare konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Patient noch Zeit für seine Entscheidung benötigt. Solche Anhaltspunkte können beispielsweise in einer besonders eingeschränkten Entschlusskraft des Patienten liegen. Gleiches gilt, wenn dem Patienten nicht die Möglichkeit gegeben wird, weitere Überlegungszeit in Anspruch zu nehmen. Das ist etwa – von medizinisch dringenden Behandlungsmaßnahmen abgesehen – dann anzunehmen, wenn der Patient zu einer Entscheidung gedrängt oder „überfahren“ wird (vgl. Rn. 20).

Konkludente Einwilligung durch Erscheinen zur OP

Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Einwilligung in den ärztlichen Eingriff kein Rechtsgeschäft, sondern eine Gestattung oder Ermächtigung zur Vornahme tatsächlicher Handlungen, die in den Rechtskreis des Gestattenden eingreifen. Die Vorschriften über Willenserklärungen finden daher keine unmittelbare Anwendung. Der Gesetzgeber hat die Einwilligung nicht als Rechtsgeschäft konzipiert, sondern als frei widerrufliche Disposition über ein höchstpersönliches Rechtsgut (vgl. Rn. 23).

Die Einwilligung in den ärztlichen Eingriff ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Sie kann ausdrücklich erfolgen oder sich konkludent aus den Umständen und dem gesamten Verhalten des Patienten ergeben. Für die Ermittlung des Bedeutungsgehalts des Verhaltens des Patienten ist dabei maßgeblich, wie es aus der Sicht eines objektiven Dritten in der Position des Empfängers – des Behandlers – verstanden werden musste. Entgegen der Auffassung des OLG Bremen setzt die Annahme einer (konkludenten) Einwilligung weder den Widerruf einer zuvor erklärten (unwirksamen) Einwilligung durch den Patienten noch das Bewusstsein des Behandelnden voraus, der Patient erteile erstmals eine wirksame Einwilligung (vgl. Rn. 24). Entscheidend ist, ob der Patient zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem Eingriff eine wirksame Einwilligung erklärt und diese nicht widerrufen hat (vgl. Rn. 25).

Nachdem der Patient im konkreten Fall am 01.11.2013 ordnungsgemäß aufgeklärt und sich mehr als zwei Tage später, am 04.11.2013, zum Zwecke der Operation in das Krankenhaus begab, sich stationär aufnehmen ließ und die Operationsvorbereitungen duldete, mussten die behandelnden Ärzte dieses Verhalten dahingehend verstehen, dass er mit der streitgegenständlichen Operation einverstanden war. Mit diesem Verhalten hat er seine bereits am 01.11.2013 unmittelbar nach dem Aufklärungsgespräch erklärte Einwilligung, sofern sie wirksam ist, „bekräftigt“; war diese Einwilligung hingegen unwirksam, weil ihm nicht die erforderliche Überlegungszeit eingeräumt war, sondern er zu ihrer Erteilung gedrängt wurde, so hat er die erforderliche Einwilligungserklärung erstmals am 04.11.2013 abgeben. Der ärztliche Eingriff vom 04.11.2013 war somit aus Sicht der BGH-Richter in jedem Fall durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt (Rn. 26).

Zusammenfassend kann ein Patient damit sofort nach dem Aufklärungsgespräch in eine Behandlungsmaßnahme wirksam einwilligen, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt zu einer wohlüberlegten Entscheidung in der Lage sieht. Ist dies nicht der Fall, muss er dies gegenüber dem Arzt kundtun. Die unmittelbar erteilte Einwilligung kann jedoch dann unwirksam sein, wenn für den Arzt erkennbar konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die gegen eine wohlüberlegte Entscheidungsfähigkeit des Patienten zum Einwilligungszeitpunkt sprechen. Keinesfalls sollte der Patient auch zu einer Entscheidung unmittelbar nach dem Aufklärungsgespräch gedrängt oder „überfahren“ werden. Erscheint der Patient sodann jedoch einige Tage nach dem Aufklärungsgespräch zur Durchführung der Maßnahme, dann erteilt er hiermit jedenfalls konkludent seine Einwilligung.

Für Klinikträger und Ärzte ist diese BGH-Entscheidung höchst erfreulich, da ansonsten erhebliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Praxis- und Klinikabläufe zu befürchten gewesen wäre. Aber auch die Mündigkeit der Patienten wird hierdurch nicht mehr in Frage gestellt.

Heberer J: F+A: Bedenkzeit zwischen Aufklärung und Einwilligung. 2023 Mai; 13(05): Artikel 04_09.

F+A: Auslandsreise mit Krankschreibung

Frage:

Ein niedergelassener Arzt fragt an, ob es rechtens ist, wenn eine angestellte Praxismitarbeiterin während einer Krankschreibung ins Ausland in den Urlaub fährt, wobei die attestierte Arbeitsunfähigkeit bereits vor Reisebeginn vorlag und er nur per Zufall über deren Social-Media-Auftritt die Urlaubsfotos gesehen und so von der Auslandsreise erfahren hat. 

Antwort:

Zwar gilt der Grundsatz, dass Arbeitnehmer während einer Krankschreibung alles unterlassen müssen, was ihre Genesung hindert. Allerdings schließt dies nach ständiger Rechtsprechung einen Urlaub bzw. Auslandsaufenthalt während einer Krankschreibung nicht aus. Maßgeblich ist stets, ob die Urlaubsreise der Genesung entgegensteht oder ob sie dieser möglicherweise sogar dienlich sein kann. Für diese Einschätzung spielt deshalb auch immer die Art der Erkrankung eine Rolle.

Falls der Urlaub der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht entgegensteht bzw. der Genesung oder Gesundheit förderlich sein kann, liegt aus Sicht des Verfassers kein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten vor, sodass für den Arbeitgeber in diesem Fall auch keine Sanktionsmöglichkeiten bestehen.

Sollte hingegen der Auslandsaufenthalt der Genesung hinderlich sein, liegt ein Pflichtverstoß vor. Dieser könnte zunächst mittels einer Abmahnung sanktioniert werden und erst bei Wiederholung oder in einem schwerwiegenden Fall ein Grund für eine fristlose Kündigung sein. Allerdings muss man für die rechtliche Würdigung immer auf die konkreten Einzelfallumstände abstellen.

In der Regel werden die Überprüfung und der Nachweis eines Verstoßes für den Arbeitgeber jedoch äußerst schwierig sein, da er den Grund der Erkrankung nicht kennt und die Mitarbeiterin diesen selbst bei Nachfrage nicht mitteilen muss. Spätestens in einem Arbeitsrechtsstreit kann dies zu Lasten der dem Arbeitgeber obliegenden Beweislast bezüglich einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit der Mitarbeiterin gehen. Die Rechtsprechung spricht nämlich einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen großen Beweiswert zu und ihre inhaltliche Richtigkeit wird vermutet. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung fordert vom Arbeitgeber deshalb die Darlegung der vorsätzlichen Täuschung durch die Mitarbeiterin über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und darüber hinaus von ausreichenden Tatsachen, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründen und den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit erschüttern. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass aus Sicht der Gerichte nicht zwangsläufig der Täuschungsbeweis schon dadurch geführt werden kann, weil beispielsweise Urlaubsfotos auf Social Media veröffentlicht werden. Die Rechtsprechung sieht allein hierin keine Tatsache, die zu ernsthaften Zweifeln an der attestierten Arbeitsunfähigkeit Anlass gibt.

Welche Möglichkeiten zum Nachweis eines Arbeitspflichtenverstoßes kann der Arbeitgeber also ergreifen? Er könnte die Krankenkasse informieren. Diese ist sodann bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 275 Abs. 1 S. 1 Nr. 3c) SGB verpflichtet, den Medizinischen Dienst mit einer Gutachtenerstellung zu beauftragen.

Ferner könnte der Arbeitgeber selbstständig weitere Recherchen anstellen, beispielsweise in den Social-Media-Auftritten. Allerdings kann dies zum einen sehr zeitaufwendig sein. Zum anderen muss er unbedingt darauf achten, dass das Profil bzw. ein Chat der Mitarbeiterin öffentlich ist oder er zu den Kontakten der Mitarbeiterin zählt, für die ein konkreter Chatinhalt bestimmt ist und keine Dauerüberwachung stattfindet.

Abschließend sei noch erwähnt, dass die Mitarbeiterin nicht verpflichtet ist, den Arbeitgeber über ihren Aufenthaltsort während der Krankschreibung zu informieren, sodass auch hieraus kein Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten hergeleitet werden kann.

Heberer J: F+A: Auslandsreise mit Krankschreibung. 2023 Januar/Februar; 13(01/02): Artikel 04_10.

F+A: Schallschutz für Sprech- und Untersuchungszimmer

Frage:

Ein Chefarzt fragt an, ob es Vorschriften zum Schallschutz für Sprech- und Untersuchungszimmer gibt, wenn Krankenhausabteilungen neu gebaut oder umgebaut werden.

Antwort:

Tatsächlich gibt es diesbezüglich diverse Vorschriften.

Nach Kenntnis des Verfassers gilt bei Neu- oder Umbaumaßnahmen zum einen die DIN 4109-1 „Schallschutz im Hochbau“, die in Kapitel 6.2, Tabelle 5 Anforderungen an die Schalldämmung in Krankenhäusern aufstellt. Hierbei gelten erhöhte Schallschutzanforderungen. Die vorgenannte DIN 4109-1 gibt meines Wissens nach beispielsweise für Türen zwischen Untersuchungs- bzw. Sprechzimmern sowie zwischen Fluren und Untersuchungs- bzw. Sprechzimmern eine Mindestanforderung an den Schalldämmwert von 37 dB im eingebauten Zustand vor. Dies gilt auch für Türen zwischen Räumen, die einem erhöhten Ruhebedürfnis oder einer erhöhten Vertraulichkeit unterliegen.

Ebenso sind hier Mindestwerte für Wände vorgegeben, die zwischen Untersuchungs- und Sprechzimmern sowie zwischen Fluren und Untersuchungs- und Sprechzimmern ein Schalldämmmaß von 47 dB ergeben müssen. Für Wände zwischen Räumen mit Anforderungen an ein erhöhtes Ruhebedürfnis und besondere Vertraulichkeit gilt sogar ein Schalldämmmaß von mindestens 52 dB.

Nach Auffassung des Verfassers ist bei Sprech- und Untersuchungszimmern durchaus von einer besonderen Vertraulichkeit auszugehen, da ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht sowohl berufs- als auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Für eine Strafbarkeit reicht es dabei schon aus, dass der Arzt es billigend in Kauf nimmt, dass eine geheime Tatsache gegenüber Dritten unbefugt offenbart wird.

Diese Werte wären somit im Rahmen der neu bzw. umzubauenden Sprechstundenräume und Untersuchungszimmer aus Sicht des Verfassers durch den Krankenhausträger zu berücksichtigen.

Des Weiteren ist bezüglich des vorhandenen Lärms die Arbeitsstättenverordnung maßgebend. Diese gibt bezüglich des Lärms im Anhang unter Ziffer 3.7 vor, den Schalldruckpegel in den Arbeitsstätten so niedrig zu halten, wie es nach der Art des Betriebes möglich ist. Darüber hinaus ist der Schalldruckpegel in den Arbeitsräumen in Abhängigkeit von der Nutzung und den dort zu verrichtenden Tätigkeiten so weit zu minimieren, dass keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beschäftigten entstehen. Die Anwendung wurde auf den Bereich unterhalb des in der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) festgelegten unteren Auslösewertes von 80 dB(A) begrenzt. Die Höhe der zulässigen Geräuschbelastung und ggf. erforderliche Schutzmaßnahmen müssen sich am Stand der Technik und den arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren. Nach der LärmVibrationsArbSchV sind Arbeitsräume so zu gestalten, dass die Schallausbreitungsbedingungen dem Stand der Technik entsprechen. Die Technische Regel zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (TRLV Lärm) aus August 2017 definiert in Teil 3 (Maßnahmen zur Lärmreduzierung) den Stand der Technik bei Reflexionsschall und Schallpegelabnahme (bei Entfernung von der Schallquelle). Außerdem gilt der Stand der Technik als eingehalten, wenn der mittlere Schallabsorptionsgrad α in den Oktavbändern mit den Mittenfrequenzen von 500 Hz bis 4000 Hz mindestens 0,3 beträgt. Als Hilfe kann dabei die Richtlinie VDI 2058 Blatt 3:2013-04 Blatt 3 dienen, die die unterschiedlichen Auswirkungen von Lärm beschreibt und in Abhängigkeit von der Tätigkeit Richtwerte von 55 dB(A) für ärztliche Tätigkeiten vorgibt.

Empfehlungen zur akustischen Gestaltung hinsichtlich der Sprachverständigung in Räumen werden ferner in der DIN 18041:2016-03 „Hörsamkeit in kleinen bis mittelgroßen Räumen“ gegeben. Die DIN 18041:2016-03 gibt für unterschiedliche Raumnutzungen (z. B. Besprechungsräume etc.) Nachhallzeiten an. Sie sind frequenzabhängig. Eine maximale Nachhallzeit bei Räumen z. B. von 200 Kubikmetern von 0,6 Sekunden wird in DIN EN ISO 9241-6:2001-03 gefordert.

Insofern müssen je nach Raumgröße, Raumnutzung und Gebäudeteilen (z. B. Innentür zu einem Lager oder Tür zwischen zwei Sprechzimmern) die unterschiedlichen DIN-Vorgaben beim Neu- oder Umbau von Sprech- und Untersuchungszimmern durch den Krankenhausträger berücksichtigt werden.

Heberer J: F+A: Schallschutz für Sprech- und Untersuchungszimmer. 2022 November; 12(11): Artikel 04_07.

Zum 100. alles Gute – Prof. Dr. Walther Weißauer

Der BDC gratuliert Herrn Senator E. h., Professor Dr. med. h. c. Walther Weißauer zum 100. Geburtstag und dankt für drei Jahrzehnte als Justitiar im BDC

Walther Weißauer gilt als Nestor des Medizinrechts. Er hat sich als hervorragender Sachkenner des Arztrechts und des Grenzbereiches zwischen Jurisprudenz und Medizin einen Namen gemacht. Er wurde am 10.11.1921 in Freising geboren. Weißauer schloss 1948 sein durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochenes Jurastudium ab. Zunächst nahm er eine Stelle im Bayerischen Staatsministerium an, bevor er von 1952 bis 1954 als Richter am Landgericht München tätig war. Er kehrte dann an das Justizministerium zurück und wurde dort 1963 zum Ministerialrat und 1970 zum Ministerialdirigenten befördert. 1984 wurde er pensioniert.

Bereits 1953 begann seine zweite medico-legale Karriere als Vorsitzender des Disziplinarausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. 1961 fertigte er ein wegweisendes Rechtsgutachten zur Frage der Arbeitsteilung und Verantwortung zwischen Anästhesie und Chirurgie. Damit ebnete er den Weg für die eigenständige und weisungsungebundene Anästhesie. Viele kluge und ebenfalls wegweisende Impulse gab Weißauer für das gesamt Medizinrecht, beispielsweise für das noch heute im Wesentlichen geltende Institut der Aufklärung. Rund 30 Jahre von 1968 bis 1998 war Weißauer unter anderem Justitiar des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen.

Als genialer Medizinrechtlicher, als ehrlicher Makler zwischen auch anderen Fachrichtungen der Medizin, insbesondere auch der Anästhesisten, als bescheidener und humorvoller Mensch war Walther Weißauer in dieser langen Zeit eine große Unterstützung für den Berufsverband der Deutschen Chirurgen. Anlässlich seines 100. Geburtstages dankt ihm der BDC hierfür und wünscht ihm weiterhin gute Gesundheit.

Das Ende der gleichzeitigen Gesellschafterstellung und Anstellung im MVZ?

Anmerkungen zur Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27.01.2022, Az. B 6 KA 2/21 R

Die Entscheidung

In dem Urteil geht es um ein als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) von zwei Ärzten geführtes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Die GbR beantragte die beiden Gesellschafter in dem von ihr betriebenen MVZ als Ärzte anzustellen. Beide Gesellschafter waren zugleich Geschäftsführer und jeweils zur Hälfte am Vermögen und am Gewinn der Klägerin beteiligt.

Nach Ablehnung durch den Zulassungs- und Berufungsausschuss gab das SG Marburg dem Genehmigungsantrag statt. Dass die beiden Vertragsärzte Gesellschafter der Klägerin mit jeweils hälftigem Anteil seien, schließe den Anspruch nicht aus. Die zu erteilende Genehmigung sei allein an vertragsärztlichen Gesichtspunkten zu messen. Zivil-, gesellschafts-, steuer-, arbeits- oder sozialversicherungsrechtliche Aspekte hinderten die Erteilung der Genehmigung nicht. Ärzte könnten bei einem MVZ angestellt sein, auch und gerade, wenn sie Gesellschafter der Träger-GbR seien. Weder die Größe ihres Gesellschafteranteils noch ihr Einfluss auf die MVZ-GbR und damit die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Einordnung ihrer Beschäftigung als abhängig Beschäftigte oder als selbstständig Tätige erlaube es den Zulassungsgremien, die Genehmigung der Anstellung zu versagen.

Der Berufungsausschuss legte hiergegen Sprungrevision zum BSG ein. Dieses hob die SG-Entscheidung mit Urteil vom 27.01.22 auf. Das schriftliche Urteil liegt noch nicht vor. Aus dem Terminbericht lässt sich entnehmen, dass die Anstellungsgenehmigungen nach Meinung des BSG nicht erteilt werden dürften, weil die verzichtenden Ärzte als Geschäftsführer und Gesellschafter derart an der Gesellschaft beteiligt seien, dass sie über ihre Möglichkeiten der Einflussnahme die Geschicke der Gesellschaft lenken können. Dies stehe einer Angestelltenstellung entgegen. Hierfür sehe das Gesetz die Variante des Vertragsarzt-MVZ vor.

Stellungnahme

Die Entscheidung betrifft zunächst die konkrete Konstellation eines MVZ in der Rechtsform der GbR und mit lediglich zwei Ärzten. Klar ist jedoch auch, dass zukünftig bei vergleichbaren Anträgen auf Anstellungsgenehmigung regelhaft eine Berücksichtigung der gesellschafts- und sozialversicherungsrechtlichen Regeln zu erfolgen hat und nicht nur die vertragsarztrechtlichen Vorgaben maßgeblich sind. Es ist also im Einzelfall zu prüfen, in welcher Rechtsform das MVZ betrieben wird und wie die Rechte der einzelnen Arzt-Gesellschafter konkret ausgestaltet sind.

Denn das BSG orientiert sich in seiner Entscheidung offensichtlich primär an dem sozialversicherungsrechtlichen Begriff der abhängigen Beschäftigung. Dieses Thema ist seit langem relevant bei der Frage, ob Geschäftsführer Sozialversicherungsabgaben zahlen müssen, wenn sie zugleich Gesellschafter sind. Nach der einschlägigen Rechtsprechung hierzu können viele unterschiedliche Aspekte eine Rolle für die Beurteilung des Einzelfalls haben.

Hilfreich kann es z. B. sein, die Befugnisse der Gesellschafter-Ärzte in bestimmten Bereichen so zu beschränken, dass diese sie selbst betreffende Beschlüsse des MVZ nicht verhindern können. Dies wird allerdings in kleineren MVZ, wie das in der BSG-Entscheidung betroffene, kaum möglich sein. Viele Fragen bleiben aber auch offen, wie z. B.:

  • Welche Rolle spielt zukünftig die Vertragsarztvariante?
  • Gibt es eine wesentlich andere Beurteilung bei der GmbH?
  • Besteht Bestandsschutz für vorhandene MVZ mit dieser Konstellation.

Ob die schriftlichen Urteilsgründe etwas mehr Klarheit bringen werden, bleibt abzuwarten. In jedem Fall sollten aber Ärzte, die eine MVZ-Gründung planen, die genannten gesellschafts- und sozialversicherungsrechtlichen Aspekte ebenso wie das Vertragsarztrecht in ihre Beratung mit einbeziehen.

Butzmann O, Heberer J: Das Ende der gleichzeitigen Gesellschafterstellung und Anstellung im MVZ? Passion Chirurgie. 2022 August, 12(07/08), Artikel 04_09. 

Entschädigungsansprüche aufgrund einer Maßnahme nach dem Infektionsschutzgesetz anlässlich der Covid-19-Pandemie

Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen der Landesregierungen wirken sich nach wie vor privat und beruflich auf die Menschen aus.

Nunmehr hat nach Kenntnis des Verfassers erstmals ein Zivilgericht über Entschädigungsansprüche eines selbständigen (Zahn-) Arztes (im Folgenden: Kläger) aufgrund finanzieller Mindereinnahmen während des ersten Lockdowns, die aufgrund der durch die Landesregierung Niedersachsen mit Verordnung vom 17.04.2020 getroffenen Regelungen verursacht worden seien, entschieden. Rechtsgrundlage der Verordnung vom 17.04.2020 war das Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Das LG Hannover entschied hierüber mit Urteil vom 20.11.2020 – 8 O 4/20 (vgl. im Folgenden:LG Hannover, Urteil vom 20.11.2020 – 8 O 4/20, juris).

SACHVERHALT

Das Bundesland Niedersachsen erließ am 27.03.2020, gestützt auf § 32 S. 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG die zeitlich befristete Niedersächsische Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus. Am 17.04.2020 wurde dann eine Anschlussverordnung erlassen, die u. a. in § 1 Abs. 1 eine physische Kontaktreduzierung außerhalb der Personen des eigenen Hausstands auf das nötigste Minimum vorsah sowie in § 3 Nr. 3 die Inanspruchnahme dringend erforderlicher zahnmedizinischer Behandlungen für zulässig erklärte. Diese Anschlussverordnung galt vom 20.04.2020 – 06.05.2020 (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 3).

Der Kläger verklagte zusammen mit anderen Branchenbeteiligten deshalb das Land Niedersachsen unter der Behauptung, dass ihm während dieses ersten Lockdowns finanzielle Einbußen von über EUR 10.000,00 entstanden seien. Er begehrte deshalb den Ausgleich aller Mindererträge, die ihm durch die oben genannte Infektionsschutzmaßnahme des beklagten Landes vom 17.04.2020 entstanden seien (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 8, 12).

Zwar stimmte der Kläger zu, dass diese Maßnahmen zum Infektionsschutz auf der primären Eingriffsebene rechtmäßig waren. Allerdings müssten diese Eingriffe aus verfassungsrechtlichen Gründen auf sekundärer Ebene finanziell ausgeglichen werden. Hierfür verwies er darauf, dass die wirtschaftlichen Folgen der coronabedingten Betriebsschließungen und Betriebseinschränkungen trotz staatlicher Fördermaßnahmen für viele Betriebsinhaber eine existentielle Notlage bedeuteten (vgl. LG Hannover a. a. O., Rn. 14).

Sofern auch die gebotene verfassungskonforme Auslegung ergebe, dass das Infektionsschutzgesetz derzeit einem Ausgleichsanspruch für seine aufgrund der Infektionsschutzmaßnahmen erlittenen finanziellen Nachteile entgegenstehe, sei es verfassungswidrig. Denn aus Sicht des Klägers verlangten Artikel 12, insbesondere aber Artikel 14 GG als Kompensation für die erheblichen Eingriffe eine angemessene finanzielle Entschädigung, da es für ihn bei einer Güterabwägung nicht zumutbar sei, selbst kurzzeitige Betriebsschließungen entschädigungslos hinnehmen zu müssen. Werde die Privatnützigkeit des Eigentums wenn auch nur vorübergehend ganz oder teilweise entzogen, liege ein Fall des verfassungsrechtlichen Ausgleichsanspruchs vor. Diese Entschädigung müsse vom Gesetzgeber geregelt werden, wobei kein voller Schadensersatz, aber zumindest eine Deckung der Betriebskosten und eine angemessene Vergütung des Betriebsinhabers vorzusehen sei, um Insolvenzen zu vermeiden. Dass dies zu erheblichen Belastungen für die öffentlichen Haushalte führe, sei der Preis der gewählten Strategie zur Pandemiebekämpfung, da die Grundrechte nicht kostenlos seien (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 15, 16).

Das beklagte Land wandte hiergegen ein, dass der klägerische Vortrag zu Grund und Höhe der behaupteten finanziellen Nachteile unsubstantiiert sei. Insbesondere sei festzustellen, dass die hierzu vorgelegte Übersicht des Klägers nur eine Umsatzveränderung ausweise und damit keinerlei Aussagekraft habe, weil aus Artikel 14 GG allenfalls Substanzeinbußen finanziell ausgleichsfähig seien, nicht aber Erwerbschancen. Zudem enthalte die angegriffene Verordnung keine Vorschrift, die den Betrieb seiner Arztpraxis beschränkt habe. Darüber hinaus verwies das beklagte Land darauf, dass der Praxisbetrieb des Klägers auch ohne die angegriffene Verord­nung erhebliche Einbußen gehabt hätte, da seine Dienstleistungen allein schon aufgrund der Pandemielage nicht oder nur in geringem Umfang nachgefragt worden wären, weil sich der Großteil der Bevölkerung ohnehin und auch ohne die angegriffene Verordnung nur auf lebensnotwendige Kontakte beschränkt habe, sodass es auch ohne explizite staatliche Schließungsanordnung zu deutlichen Umsatzrückgängen gekommen wäre (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 24, 25).

ENTSCHEIDUNG

Das LG Hannover wies die Klage als unbegründet ab. Es sah die Voraussetzungen eines Zahlungsanspruchs aus dem IfSG, dem allgemeinem Gefahrenabwehrrecht oder dem allgemeinen Staatshaftungsrecht nicht als erfüllt an.

ZAHLUNGSANSPRUCH AUS § 56 ABS. 1 ODER 1A IFSG

Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 1 IfSG ist, dass der Anspruchsteller einen Verdienstausfall erlitten hat, weil er als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern einem infektionsschutzrechtlichen Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit oder einem infektionsschutzrechtlichen Absonderungsgebot unterliegt (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 36).

Das LG verneinte hiernach einen Zahlungsanspruch, da der Kläger weder zum Personenkreis des Abs. 1 gehörte, noch die Tatbestandsvoraussetzungen des Abs. 1a erfüllt waren.

ZAHLUNGSANSPRUCH AUS § 65 ABS. 1 IFSG

Diese Tatbestandsvoraussetzungen waren vorliegend ebenfalls nicht erfüllt, da anspruchsbegründende Maßnahmen nur solche gem. § 16 oder § 17 IfSG sind, während die streitgegenständliche Verordnung des beklagten Landes auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützt worden war (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 40). Mit der streitgegenständlichen Verordnung wurden nach detaillierter Begründung des Gerichts Bekämpfungsmaßnahmen nach § 28 IfSG und keine Verhütungsmaßnahmen nach § 16 IfSG getroffen.

ANALO GE ANWENDUNG DER ENTSCHÄDIGUNGSTATBESTÄNDE GEM. § 56 BZW. § 65 IFSG

Einen aus einer analogen Anwendung des § 56 bzw. § 65 IfSG hergeleiteten Zahlungsanspruch lehnte das LG Hannover ebenfalls ab, da es keine planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers sah.

ZAHLUNGSANSPRUCH AUS DEM ALLGEMEINEN POLIZEIRECHT GEM. § 80 NPOG I.V.M. § 8 NPOG

Das Gericht erläuterte zunächst, dass zwar der Tatbestand des § 80 Abs. 1 NPOG nach seinem Wortlaut einschlägig sein könnte, da die dem Kläger auferlegte Betriebsschließung eine Inanspruchnahme darstellt, die sich unstreitig weder auf einen von ihm selbst noch von seinem Betrieb ausgehenden Corona-Verdachtsfall bezieht und er daher als Nichtstörer im Sinne von § 8 Abs. 1 NPOG angesehen werden könnte. Jedoch sei aus Sicht des Gerichts Voraussetzung für dessen Anwendbarkeit gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 NPOG, dass das IfSG insoweit keine abschließende Regelung enthalte, da Ansprüche aus § 80 NPOG nur dann in Frage kommen, wenn das IfSG als spezielles Gefahrenabwehrrecht keine Normen enthält, die die Anwendung des NPOG sperren (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 68, 69).

Das LG vertrat sodann die Auffassung, dass ein Anspruch des Klägers aus § 80 Abs. 1 S. 1 NPOG aufgrund der Sperrwirkung der speziellen Regeln des IfSG ausscheide, da hierfür ausreichend sei, wenn die Normen des IfSG eine abschließende Regelung für die einschlägige Fallkonstellation der Inanspruchnahme von Nichtstörern treffen (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 71). Dies sei mit § 65 IfSG jedenfalls gegeben.

ZAHLUNGSANSPRUCH AUFGRUND ENTEIGNENDEN EINGRIFFS

Ansprüche aus enteignendem Eingriff kommen nach ständiger Rechtsprechung des BGH in Frage, wenn an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen bei einem Betroffenen unmittelbar zu meist atypischen und unvorhergesehenen Eigentumsbeeinträchtigungen führen, die er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen muss, die aber die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigen (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 77).

Zwar sah das Gericht in den durch die Verordnung angeordneten Betriebsschließungen bzw. in der Untersagung, den bereits vorhandenen Betrieb im bisherigen Umfang zu nutzen, einen Eingriff in den eigentumsrechtlichen Schutzbereich von Artikel 14 GG.

Allerdings verneinte es die weitere Anspruchsvoraussetzung eines dem Kläger auferlegten Sonderopfers. Ein ausgleichspflichtiges Sonderopfer besteht, wenn ein Eingriff in eine eigentumsmäßig geschützte Rechtsposition vorliegt, durch die der Betroffene als Eigentümer unverhältnismäßig oder im Verhältnis zu anderen ungleich betroffen wird und er mit einem besonderen, den übrigen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit belastet wird (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 80).

Nachdem ein sehr weiter Personenkreis von den Schließungsmaßnahmen bzw. Betriebseinschränkungen betroffen war, wurde dem Kläger schon kein individuelles Sonderopfer auferlegt. Darüber hinaus hegte das Gericht auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Verordnung und die Verhältnismäßigkeit der hierdurch bewirkten Eingriffe in die Rechtspositionen des Klägers (vgl. LG Hannover a. a. O., Rn. 81, 83).

Ferner wies das Gericht hierzu auf die Rechtsprechung des BGH hin, wonach bei der im Rahmen der Prüfung eines Sonderopfers geforderten „wertenden Betrachtung der Kollision zwischen Gemeinwohl und Einzelinteresse“ (vgl. BGH, Urteil vom 05. März 1981 – III ZR 9/80 –, BGHZ 80, 111–118, Rn. 22) dem gemeinwohlorientierten Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit der Bevölkerung der Vorrang vor den Eigentümerbelangen des Klägers einzuräumen sei (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 108).

Ein Anspruch des Klägers wegen enteignenden Eingriffs scheitere nach Meinung des LG darüber hinaus auch an dem Umstand, dass diese Anspruchsgrundlage auf die vorliegende Fallkonstellation keine Anwendung finden würde. Denn die vom BGH zur Ablehnung der Haftung für legislatives Unrecht entwickelte Argumentation treffe nach dem Verständnis des LG auch auf den vorliegenden Fall zu, in dem massenhafte Ansprüche auf Grund von Rechtsverordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu erwarten wären. Die Zubilligung von Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüchen gegen den Staat für vielfach auftretende Eigentumsbeschränkungen könnte so weitreichende Folgen für die staatlichen Finanzen haben, dass hierdurch dem Haushaltsgesetzgeber die freie Entscheidungskompetenz aus der Hand genommen würde, wie, wofür und in welchem Umfang er in einer nationalen Krisensituation die begrenzten staatlichen Mittel einsetzt. Dies widerspräche dem Grundsatz der Gewaltenteilung, da die grundlegenden Entscheidungen über die Verwendung der staatlichen Mittel zum Kern der parlamentarischen Rechte in der Demokratie gehören und es insoweit für die Auswirkung auf den Entscheidungsspielraum des parlamentarischen Gesetzgebers unerheblich sei, welche Rechtsform der als entschädigungspflichtig angesehene staatliche Akt habe. Das richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs biete keine geeignete Grundlage, um die generellen und typischen Folgen einer in einem formellen Gesetz enthaltenen oder auch auf einem formellen Gesetz beruhenden Inhalts- oder Schrankenbestimmung finanziell abzugelten. Denn die Gewährung von Ausgleichsansprüchen durch die Zivilgerichte würde hier im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass das den hoheitlichen Eingriff betreffende Gesetz kraft Richterrechts um eine Klausel für Ausgleichsleistungen ergänzt werde. Eine solche Befugnis stehe aber dem an Recht und Gesetz gebundenen Richter nicht zu (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 109, 111).

WEITERE ANSPRUCHSGRUNDLAGEN UND HILFSANTRAG DES KLÄGERS

Weitere Anspruchsgrundlagen kamen aus Sicht des Gerichts nicht in Betracht. Da das Gericht damit den Hauptantrag des Klägers auf Zahlung abgewiesen hatte, musste es nunmehr noch über dessen Hilfsantrag entscheiden.

Diesbezüglich hatte der Kläger hilfsweise beantragt, dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob das IfSG insoweit mit Artikel 12 und 14 GG vereinbar sei, als es keine angemessene Entschädigung für die Anordnung von Betriebsschließungen und Tätigkeitsverboten gegenüber Personen und Betrieben vorsehe, die nicht unter die §§ 31, 56, 65 IfSG fallen, sowie dem Gesetzgeber in zu bestimmender Frist aufzugeben, das IfSG insoweit um Regelungen der angemessenen Entschädigung zu ergänzen.

Auch diesen Hilfsantrag hielt das LG Hannover letztendlich für unbegründet.

STELLUNGNAHME

Damit bestätigt sich nunmehr, dass eine zivilrechtliche Durchsetzung von Erstattungsansprüchen aufgrund Mindereinnahmen einer Arztpraxis während des ersten Lockdowns im Frühjahr dieses Jahres, die Folge der von den Bundesländern erlassenen Maßnahmen zur Bekämpfung bzw. Eindämmung der Corona- Pandemie per Verordnung waren, äußerst schlechte bis gar keine Erfolgsaussichten haben dürfte.

Hinzu kommt, dass bereits diverse Oberverwaltungsgerichte die formelle und materielle Rechtmäßigkeit dieser jeweiligen landesrechtlichen Verordnungen zwischenzeitlich bestätigt haben (vgl. LG Hannover, a. a. O., Rn. 107 mit weiteren Nachweisen, u. a. OVG Magdeburg, Beschluss vom 30.4.2020 – 3 R 69/20; OVG Schleswig, Beschluss vom 30.4.2020 – 3 MR 15/20; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2020 – 20 NE 20.632, Rn. 33–34, juris).

Damit müssen betroffene Ärzte nach Auffassung des Verfassers aus Gründen der Rechtssicherheit bedauerlicherweise weiterhin zum Ausgleich ihrer coronabedingten finanziellen Verluste auf die bisher beschlossenen staatlichen Hilfsmaßnahmen verwiesen werden, sofern hier natürlich überhaupt eine Anspruchsberechtigung im jeweiligen Einzelfall gegeben ist.

Heberer J.: Entschädigungsansprüche aufgrund einer Maßnahme nach dem Infektionsschutzgesetz anlässlich der covid-19-Pandemie. 2021 April; 11(04): Artikel 04_06.

F+A: Urheberrecht im Arbeitsrecht

Frage:

Ein Oberarzt fragt an, ob er seinem Arbeitgeber mit Verweis auf das Urheberrecht verbieten kann, von ihm im Rahmen des Arbeitsverhältnisses entwickelte und erstellte Standards für Operationen ohne sein Einverständnis zu nutzen und, z. B. im Rahmen eines vom Arbeitgeber als Herausgeber noch zu publizierenden Buches, zu veröffentlichen.

Antwort:

Sofern die entwickelten Standards ein urheberrechtsfähiges Werk i. S. d. Urhebergesetzes (UrhG) sind, gilt, dass derjenige Urheber bleibt, der das Werk geschaffen hat. Dies gilt auch im Arbeitsverhältnis.

Nach § 43 UrhG gilt, dass die Vorschriften der §§ 31 – 44 UrhG auch anzuwenden sind, wenn der Urheber das Werk in Erfüllung seiner Verpflichtung aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis geschaffen hat, soweit sich aus dem Inhalt oder dem Wesen des Arbeits- oder Dienstverhältnisses nichts anderes ergibt. Dies bedeutet letztendlich jedoch aus juristischer Sicht, dass der Arbeitgeber grundsätzlich die Nutzungsrechte an den vom angestellten Arbeitnehmer in Erfüllung seines Arbeitsvertrages geschaffenen Werken erhält, soweit er diese für betriebliche Zwecke benötigt. Denn aus dem Wesen eines Arbeitsverhältnisses ergibt sich nach herrschender Meinung, dass das Arbeitsergebnis gerade dem Arbeitgeber und eben nicht dem Arbeitnehmer zusteht sowie, dass eine Pflicht des Arbeitnehmers zur Übertragung der Nutzungsrechte an von ihm im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geschaffenen Werken besteht.

Es ist in der Rechtsprechung deshalb auch anerkannt, dass aufgrund des Arbeitsvertrages bzw. des Arbeitsverhältnisses der Arbeitgeber die urheberrechtlichen und regelmäßig ausschließlichen Nutzungsrechte eingeräumt erhält. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Arbeitnehmer das Werk im Rahmen des Arbeitsverhältnisses und in Erfüllung der ihm obliegenden arbeitsrechtlichen Pflichten geschaffen hat.

Damit fallen nur solche Werke aus dem Anwendungsbereich des § 43 UrhG raus, die weder in Zusammenhang mit einer Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis stehen, noch zu betrieblichen Zwecken nutzbar sind.

Es muss somit auch stets anhand des konkreten Arbeitsvertrages, etwaiger kollektivvertraglicher Regelungen sowie sonstiger Individualvereinbarungen geprüft werden, welche urheberrechtlichen Regelungen getroffen wurden. Fehlt es an jeglicher Regelung, so ist sowohl auf die betriebliche Funktion und das Berufsbild des Arbeitnehmers abzustellen als auch auf die Verwendbarkeit des Werkes für den Arbeitgeber. Maßgebend sind dabei ausschließlich objektive Kriterien. Subjektiver Wille oder subjektive Vorstellungen spielen bei dieser Beurteilung keine Rolle.

In der Regel stehen die Arbeitsergebnisse damit dem Arbeitgeber zu. Der angestellte Arbeitnehmerurheber ist deshalb auch zur Einräumung der Nutzungsrechte verpflichtet. Diese Pflicht kann sich aus ausdrücklicher Regelung oder aber auch stillschweigend aus dem Arbeitsvertrag ergeben. Die Einräumung selbst erfolgt oftmals durch sog. Vorausverfügung oder sodann mit Übergabe des Werkes. Eine bestimmte Formvorschrift besteht hier nicht.

Wird der Umfang der Nutzungsrechtseinräumung nach Inhalt, räumlichem und zeitlichem Geltungsbereich nicht ausdrücklich festgelegt, so gilt die Zweckübertragungsregel des § 31 Abs. 5 UrhG. Dies bedeutet, dass dem Arbeitgeber die Nutzungsrechte insoweit einzuräumen bzw. durch Vorausverfügung eingeräumt sind, wie dieser sie für seine betrieblichen Zwecke benötigt.

Der Arbeitnehmer selbst bleibt zwar weiterhin Urheber. Allerdings kann er die sich aus dem Urheberrecht ergebenden Rechte zum einen nur insoweit selbst ausüben bzw. verwerten, wie diese nicht schon dem Arbeitgeber eingeräumt wurden. Zum anderen unterliegt er diesbezüglich den Einschränkungen durch die arbeitsrechtliche Treuepflicht sowie dem arbeitsvertraglichen Wettbewerbsverbot. Damit stehen dem Arbeitnehmer oftmals nur seine Urheberpersönlichkeitsrechte, also die Rechte auf Veröffentlichung, Namensnennung, Rückruf, Zugang und das Änderungsverbot, im Kern zu.

Zudem besteht regelmäßig kein gesonderter Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers für die dem Arbeitgeber eingeräumte Nutzung, da diese zumeist bereits bei der Festlegung des Arbeitsentgelts berücksichtigt ist. Lediglich wenn der Arbeitgeber das Werk nicht zu betrieblichen Zwecken nutzen will, könnte sich ein gesonderter Vergütungsanspruch nach dem Urhebergesetz sowie den arbeitsrechtlichen Grundsätzen ergeben, sofern vertraglich nicht schon eine Regelung getroffen wurde. Inwieweit beispielsweise eine Buchveröffentlichung noch vom Betriebszweck umfasst ist, richtet sich aus Sicht des Verfassers u. a. nach dem Inhalt des Buches und ggf. sonstigen Umständen. Dies bedarf stets einer Beurteilung im Einzelfall anhand der konkreten Tatsachen.

Daneben bleiben aber nach Auffassung des Verfassers, wie gesagt, die genannten Urheberpersönlichkeitsrechte dem Grunde nach bestehen, sodass beispielsweise bezüglich eigener Veröffentlichung des Arbeitnehmers und dessen Namensnennung empfohlen wird, dies mit dem Arbeitgeber zu besprechen und auf diese im Kern unentziehbaren Rechte hinzuweisen.

Im Zweifel oder bei Streitigkeiten sollte ggf. ein Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz in Anspruch genommen werden.

Heberer J. F+A: Urheberrecht im Arbeitsrecht. 2021 März; 11(03): Artikel 04_09.

F+A: Unterzeichnung des Arztbriefs

Frage:

Ein Oberarzt fragt an, ob ein Arztbrief, der von einem ärztlichen Mitarbeiter im Homeoffice, der nicht in die Behandlung involviert war, nach Diktat des behandelnden Arztes geschrieben wurde, von diesem zu unterzeichnen ist oder vom behandelnden Arzt.

Antwort:

Die Verpflichtung zur Erstellung des Arztbriefs trifft den behandelnden Arzt. Allerdings muss die Anfertigung aus Sicht des Verfassers nicht eigenhändig erfolgen, sondern kann vielmehr beispielsweise auf ärztliche Kollegen delegiert werden. Dennoch bleibt der behandelnde Arzt für die ordnungsgemäße Dokumentation, also den Inhalt des Arztbriefs, (haftungsrechtlich) verantwortlich. Auch die übergeordneten Ärzte, insbesondere der Chefarzt, können bei Dokumentationsfehlern aufgrund eines Organisationsverschuldens haften, sofern hieraus ein Schaden beim Patienten entsteht.

Ein solcher Arztbrief gilt in einem Zivilprozess, beispielsweise im Rahmen eines Schadensersatzprozesses wegen Behandlungsfehler, als Urkundenbeweis und damit grundsätzlich als starkes Beweismittel. Die Patientendokumentation gehört i.d.R. zu den Privaturkunden, die den vollen Beweis dafür begründen, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben sind. Der Beweiswert einer solchen Urkunde ist jedoch an die strengen Voraussetzungen der Authentizität sowie der Integrität geknüpft. Authentizität bedeutet, dass die Urkunde ihren Aussteller erkennen lassen muss. Unter Integrität versteht man, dass die Urkunde im Nachhinein nicht mehr veränderbar sein darf.

Der Aussteller des Arztbriefes, also nach Meinung des Verfassers der behandelnde und unterzeichnende Arzt, ist damit verantwortlich für die in einem Arztbrief enthaltenen Angaben und Erklärungen, auch wenn er diesen nicht selbst getippt hat. Der im Homeoffice tätige Mitarbeiter würde mit seiner Unterschrift ebenfalls zum Aussteller und damit nach Ansicht des Verfassers auch haftbar für den Inhalt des Arztbriefes. Folglich ist die Frage, ob diese Haftungserweiterung von Seiten der Klinik gewünscht ist. Wenn dies der Fall ist, wäre dies juristisch nicht zu beanstanden. Ansonsten sollte der ärztliche Mitarbeiter, der in die Behandlung nicht involviert war, sondern lediglich den Brief aufgrund des Diktates des behandelnden Arztes geschrieben hat, diesen nicht unterzeichnen.

Heberer J. F+A: Unterzeichnung des Arztbriefs. 2021 Januar/Februar; 11(01/02): Artikel 04_09.

Rechtsbeistand für BDC-Mitglieder

Nachdem im April 1960 der Berufsverband gegründet war, beschloss acht Jahre später der geschäftsführende Vorstand in Hamburg in seiner Sitzung am 10.02.1968 die Schaffung eines Justitiariats und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit dem Justitiar, Prof. Dr. med. h.c. W. Weißauer. Professor Weißauer erklärte sich damals bereit, für die Beratung in grundsätzlichen rechtlichen Fragen, die mit der Berufspolitik zusammenhängen, zur Verfügung zu stehen und zwar in folgenden juristischen Bereichen: Arztrecht, Straf-, Zivil-, Verfassungs- und öffentliches Recht. 1968 hatte der BDC 1.433 Mitglieder, sein Kassenstand betrug 50.158,61 DM.

Knapp drei Jahrzehnte arbeitete Professor Weißauer überaus erfolgreich und segensreich für die Mitglieder des BDC sowie in engem Vertrauen mit dem Präsidenten und den Vorstandsmitgliedern des Berufsverbandes. Maßgeblich war Professor Weißauer an der Entwicklung der guten Serviceleistungen des Berufsverbandes beteiligt. In diesem Zusammenhang sei beispielhaft die 1980 eingeführte Strafrechtsschutzversicherung für die Mitglieder des Berufsverbandes erwähnt. Im Jahr 1985 betrug die Jahresprämie hierfür 45,00 DM. Als weitere Serviceleistung wurde 1986 die juristische Beratung von sogenannten Chefarztdienstverträgen angeboten. Bis heute konnte auf diesen Serviceleistungen aufgebaut und dieselben ganz erheblich erweitert werden. Durch die Weiterentwicklung wurde die Rechtsschutzversicherung in den letzten zehn Jahren und auch die Vertragsberatung um ein Vielfaches erweitert. Umso erstaunlicher ist die Prämienentwicklung von heute sage und schreibe nur 49,00 EUR für die seit 25 Jahren währende und immer wieder um weitere Rechtsgebiete erweiterte und verbesserte Rechtsschutzversicherung für unsere Mitglieder.

In den 90er Jahren sind weitere Aktivitäten des BDC-Justitiars Weißauer zu Fragen medico-legaler Bedeutung besonders der Aufklärung, zum sogenannten Facharzturteil, zur Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen etc. wegweisend beantwortet worden. Die klare Denkweise des Juristen Professor Weißauer wurde nicht nur von Professor Hempel in der Chronik „40 Jahre BDC“ gelobt, sondern seine „juristische Lehre“ setzte auch über die Grenzen der Chirurgie wichtige Klarstellungen. Im Jahre 1997 äußerte Professor Weißauer die Absicht, mit dem anstehenden Präsidentenwechsel im Jahr 1998 seine Tätigkeit als Justitiar des BDCs zu beenden.

Aus der Beraterpraxis erzählte mir Professor Hempel einige kuriose Fälle. So wünschte zum Beispiel ein sehr aufgebrachter Chefarzt einen Besprechungstermin mit dem Präsidenten und dem Justitiar des BDC. Zu dem vereinbarten Termin in der Geschäftsstelle des BDC in Hamburg erschien der Chefarzt und berichtete hoch emotional von den Ärgerlichkeiten mit der Geschäftsführung und den Kollegen in seiner Klinik.

Nachdem über eine Stunde die Herren Professoren Hempel und Weißauer den verärgerten Schilderungen des Chefarztes wortlos zugehört hatten, sprang dieser auf, bedankte sich überschwänglich für das gute und hilfreiche Gespräch und verabschiedete sich. Ein Beispiel für eine gute, wortarme Beratung, so Professor Hempel zu seinem Justitiar.

Wie aus der Chronik von Professor Hempel zu entnehmen, standen einige hochqualifizierte Juristen als Nachfolger für Professor Weißauer zur Auswahl. Nach eingehender Diskussion im geschäftsführenden Präsidium im November 1997 fiel die Wahl einstimmig auf den Verfasser dieses Berichtes.

Ich erinnere mich bei meinem Beginn als Nachfolger von Professor Weißauer mit großer Dankbarkeit an den damaligen Präsidenten und leider verstorbenen Ehrenpräsidenten Professor Hempel, mit dem ich bis zu dem Präsidentenwechsel an Professor Witte eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet habe. Jedes Mal, wenn ich wöchentlich in Hamburg eintraf, haben wir die täglichen medico-legalen Alltagsprobleme der Chirurgen sowie Grundsatzfragen, Hintergründe und Zusammenhänge des chirurgischen Alltages und dessen Probleme ausführlich besprochen.

Nach fast drei Jahrzehnten erfolgreicher Justitiarstätigkeit durch Professor Weißauer war es für mich eine große Aufgabe, das Justitiariat in den seither vergangenen 23 Jahren beständig weiterzuentwickeln. Damals bei Beginn meiner Aufgabenbewältigung als Justitiar hatte der Berufsverband knapp 10.000 Mitglieder, heute zählt er gut 17.000. Geht man daher von einer 75-prozentigen Steigerung der Mitgliederzahl und einer erheblichen Vermehrung der Verrechtlichung in der Medizin und im Besonderen in der Chirurgie aus, so hat sich das Arbeitsaufkommen des Justititars in dieser Zeit weit mehr als verdoppelt.

Alle Bereiche des Straf-, Zivil-, Sozial- und insbesondere des Arbeitsrechtes haben deutlich zugenommen. Veröffentlichungen und Seminare vermehrten auch im juristischen Bereich das Tätigkeitsfeld des Berufsverbandes.

Während damals die Schreibarbeiten als persönliche Eigenart des damaligen Justitiars handschriftlich und dann von der Geschäftsstelle in Brief und Fax umgesetzt wurden, sind heute das Diktat, das Schreiben und Versenden vornehmlich als E-Mail von der Geschäftsstelle des Berufsverbandes nach München in meine Kanzlei verlagert.

Regelmäßig bin ich einen Tag in der Woche in der Geschäftsstelle zunächst in Hamburg und nunmehr seit 20 Jahren in Berlin anwesend. Daneben bin ich täglich in meiner Kanzlei in München persönlich, telefonisch, per Fax oder E-Mail immer erreichbar. Im Schnitt erreichen mich pro Tag ca. 12 Fragen von Mitgliedern des Berufsverbandes. Dazu zählen schriftliche Anfragen – überwiegend mittlerweile per E-Mail – sowie im Besonderen kurze und auch überaus ausführliche Telefongespräche. Hierbei stehen natürlich in der Hauptsache berufliche Belange im Vordergrund, teilweise aber auch sehr persönliche Anfragen bis hin zu Ehe- und Erbstreitigkeiten.

Ich bin froh und dankbar, dass ich dabei auf die volle Unterstützung meiner Kanzlei bauen kann und ich darf an dieser Stelle erwähnen, dass die umfangreiche Arbeit ohne die Unterstützung meiner Kollegen und Fachanwälte für Medizinrecht, Strafrecht und Arbeitsrecht in der Kanzlei sicherlich nicht in dieser Form möglich wäre.

Trotz der Fülle der Anfragen ist es mir ein Anliegen, dass auch alle schriftlichen Anfragen zeitgerecht (oftmals noch am selben Tag – spätestens innerhalb einer Woche) beantwortet werden.

Insgesamt wurden im Jahr 2019 nahezu 100 Gutachten für die Dienstverträge vornehmlich der Chefärzte aber auch der Oberärzte erstellt. So haben wir beispielsweise in 2019 insgesamt ca. 1.500 Stunden, also rund 40 Arbeitswochen (gerechnet auf einen Anwalt) aufgewandt, um die Mitglieder des Berufsverbandes zu beraten.

Aus der Fülle an kuriosen Fällen sei einer beispielhaft erwähnt: Ein Chefarzt wurde fristlos gekündigt. Die Gründe waren eher unbedeutend und hätten vor dem Arbeitsgericht nicht Stand halten können, allenfalls eine Abmahnung hätte gerechtfertigt sein können. Einen Tag vor dem Arbeitsgerichtstermin rief mich der Chefarzt an, ich möge bitte die Kündigungsschutzklage zurücknehmen. Ungläubig erwiderte ich, wir würden die Klage nahezu mit Sicherheit gewinnen. Nein, er wollte trotz dieser Erfolgsaussichten mit der Klinik nichts mehr zu tun haben. Er habe letzte Woche einen mehrstelligen Millionenbetrag im Lotto gewonnen. Eher würde er die Klinik kaufen, und den Herren zeigen, wo es langgeht. Auf diese Weise hatte sich meine Beratung bzw. der Arbeitsgerichtsprozess erledigt.

Nicht mit eingerechnet sind dabei die Anwesenheitszeiten in Berlin, die für mich einen der zentralen Punkte meiner Tätigkeit darstellen. Gerade auch das erfreuliche und von wechselseitiger Wertschätzung und Unterstützung getragene Teamwork mit den Mitarbeitern des Berufsverbandes, allen voran natürlich Professor Meyer als Präsident und der Geschäftsführerin Frau Dr. Burgdorf, ist eine der Säulen der erfolgreichen Tätigkeit als Justitiar eines Verbandes mit einer so großen Mitgliederzahl.

Beispielhaft für die höchst vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit mit den Gremien des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen sei das außerordentlich gute und konstruktive Verhältnis mit den fünf Präsidenten, Professor Hempel, Professor Witte, Professor Polonius, Professor Bruch und insbesondere nunmehr mit Professor Meyer, von mir dankbar erwähnt. Letzterer hatte auch durch seine Eigenschaft als Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie eine erfreuliche Nähe zwischen BDC und DGCH geschaffen, die in den vergangenen Jahrzehnten nicht immer gegeben war. Die steten Zusammentreffen in Sitzungen, an meinen Arbeitstagen in Berlin sowie in zahlreichen Telefongesprächen halfen und helfen mir bei der Bewältigung der juristischen Aufgaben des Berufsverbandes sehr viel weiter. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die vier Geschäftsführer des BDC, Dr. Felsing, Dr. Ansorg, Dr. Dittmar und jetzt Frau Dr. Burgdorf erwähnen, mit denen ich allesamt stets sehr eng und vertrauensvoll zum Wohle unserer Mitglieder zusammenarbeiten durfte.

Die Verrechtlichung der Medizin und auch die Zahl der Haftungs- und Strafverfahren werden langsam steigen, sicher aber nicht sprunghaft, wie dies manche Kommentare in der Literatur befürchten.

Ich werde mich auch zukünftig mit großer Freude und mit großem Engagement für die Belange unserer sämtlichen Mitglieder des Berufsverbandes einsetzen und weiter daran arbeiten, dass der BDC als kompetenter Partner seiner Mitglieder in allen medico-legalen Aspekten wahrgenommen wird.

Heberer J: Rechtsbeistand für BDC-Mitglieder. Passion Chirurgie. 2020 März, 10(03): Artikel 04_08.

F+A: Terminvergabe durch Callcenter

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob rechtliche Bedenken gegen die Übernahme der Terminvergabe seiner Praxis durch ein Callcenter bestehen.

Antwort:

Die Organisation der Terminvergabe durch ein auf Arztpraxen spezialisiertes externes Callcenter muss aus juristischer Sicht des Verfassers zwingend die Vorgaben des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht beachten und einhalten, damit dies rechtskonform ist.

Die Beauftragung eines Callcenters zur Terminvergabe stellt juristisch eine Auftragsverarbeitung gemäß Art. 28 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dar. Folglich muss ein entsprechender schriftlicher Vertrag mit dem hierin geforderten Mindestinhalt abgeschlossen werden sowie die in der DSGVO geforderten Sicherheitsmaßnahmen, z. B. technisch-organisatorische Maßnahmen, umgesetzt werden. Diese richten sich jeweils nach dem Schutzbedarf der Daten, wobei wenn sensible Daten wie Gesundheitsdaten Gegenstand der Verarbeitung sind, der Schutzbedarf grundsätzlich sehr hoch anzusetzen ist. Sichergestellt werden muss in jedem Fall, dass Datenschutzverletzungen, z. B. durch unberechtigte Zugriffe Dritter auf die Patientendaten, vermieden werden. Ferner müssen die Mitarbeiter des Callcenters, die mit der Datenverarbeitung beschäftigt sind, auf die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Anforderungen nach der DSGVO verpflichtet werden.

Zudem muss unabhängig hiervon selbstverständlich die ärztliche Schweigepflicht gewahrt werden, um sich keinen berufs- und strafrechtlichen Konsequenzen auszusetzen. Im Falle einer Auftragsverarbeitung ist nach Ansicht des Verfassers der neugefasste § 203 StGB zu berücksichtigen, wonach der Einsatz von „sonstigen mitwirkenden Personen“ unter bestimmten Voraussetzungen straffrei gestellt wird. Zu diesem Personenkreis zählen insbesondere Mitarbeiter von Dienstleistungsunternehmen oder selbstständig tätige Personen, die Dienstleistungen für Ärzte erbringen. Folglich würden die Callcenter-Mitarbeiter nach Meinung des Verfassers hierunter subsumiert werden können. Ärzte sind diesem Personenkreis gegenüber dann zur Offenbarung von Patientengeheimnissen berechtigt, soweit bestimmte Informationen für die konkrete Tätigkeit der jeweiligen Person erforderlich sind (§ 203 Abs. 3 S. 2 StGB). Hieraus folgt nach Auffassung des Verfassers, dass den Callcenter-Mitarbeitern also nur insoweit unter die Schweigepflicht fallende Informationen übersandt bzw. bekanntgegeben werden dürfen, als diese für die konkrete Tätigkeit der jeweiligen Person erforderlich sind. Welche Daten bzw. Informationen erforderlich sind, ist anhand der konkreten Umstände der Callcenter-Tätigkeit zu bestimmen. Dies sollte aus Sicht des Verfassers zumindest im Vertrag detailliert festgelegt werden, auch wenn die vertraglichen Bestimmungen unmaßgeblich für die Beurteilung einer etwaigen Strafbarkeit sind, da stets der tatsächlich gelebte Sachverhalt entscheidend ist.

Ebenso sind die Mitarbeiter des Callcenters im Hinblick auf die Strafbarkeit nach § 203 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB zwingend zur Geheimhaltung zu verpflichten. Hierfür hat der Arzt nach der vorgenannten Vorschrift zu sorgen. Daraus folgt, dass der Arzt entweder selbst die Geheimhaltungsverpflichtung der Callcenter-Mitarbeiter durchführen muss, oder er das von ihm beauftragte Callcenter-Unternehmen vertraglich zu dieser Durchführung verpflichtet. Die zweite Alternative ist dabei nach Auffassung des Verfassers wohl die praktikabelste, da der Arzt regelmäßig keine Kenntnis über den Personalbestand der Callcenter-Mitarbeiter haben wird.

Bevor die Auslagerung der Terminvergabe an ein externes Callcenter erfolgt, ist aus Gründen der Rechtssicherheit zudem zwingend zu empfehlen, dies vorab mit der zuständigen Landesärztekammer sowie dem Landesdatenschutzbeauftragten abzuklären, um berufs-, straf- und datenschutzrechtliche Verstöße zu vermeiden.

Heberer J. F+A: Terminvergabe durch Callcenter. 2019 September; 9(09): Artikel 04_10.