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Chefarztgehalt – Verjährung der Überleitungsansprüche

Wie bereits Anfang des Jahres dargestellt, sind zwischenzeitlich zahlreiche landesarbeitsgerichtliche Entscheidungen ergangen, die den Chefärzten einen Überführungsanspruch in die ärztespezifischen Tarifverträge zubilligen. Zu Beginn des Jahres gab es eine landesarbeitsgerichtliche Entscheidung, die den Überführungsanspruch der Chefärzte negiert hat. Als einziges Landesarbeitsgericht (LAG) hat das LAG Hessen derartige Ansprüche bislang den Chefärzten nicht zugebilligt.

Aktuelle Rechtslage

Nunmehr kommen aber auch vom LAG Hessen eindeutige Signale, wonach der Überführungsanspruch der Chefärzte auch dort als gegeben angesehen wird. Denn das hessische LAG hat nunmehr am 22.05.2009 den Chefärzten einen Überführungsanspruch in den ärztespezifischen Tarifvertrag zugebilligt. Das LAG Hessen geht dabei davon aus, dass eine Verweisungsklausel im Dienstvertrag auf Tarifverträge, die den BAT ersetzen, dazu führt, dass es mehrere mögliche Lösungsansätze gibt, wie diese Klausel zu verstehen ist.

Das LAG Hessen vertritt die Auffassung, dass sowohl der TVöD, als auch der TV-Ärzte/VKA im Sinne der Klausel Tarifverträge darstellen, die den BAT ersetzen. Dabei erklärt das LAG Hessen der Auffassung der Arbeitgeber, mit einer einmaligen Überführung in den zeitlich vorangehenden TVöD hätte es sein Bewenden, eine klare Absage. Denn nach Auffassung des LAG Hessen sind von der Bezugnahmeklausel nicht nur ein den BAT unmittelbar ablösender, sondern auch ein den zunächst an die Stelle des BAT getretenen Tarifvertrags ablösender weiterer Tarifvertrag umfasst.

Letztlich löst das LAG Hessen die Problematik, dass zwei Tarifverträge Anwendung finden mit den Unklarheitsregeln nach § 305 c Abs.2 BGB. Denn danach muss die für den Chefarzt günstigste Auslegung herangezogen werden. Im Hinblick auf die Vergütung ist dies die ab dem 01.08.2006 geltende Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/ VKA. Insofern kann man festhalten, dass nunmehr sämtliche mit dieser Problematik befassten Landesarbeitsgerichte einheitlich, wenn auch aus unterschiedlichen Begründungen heraus, den Chefärzten einen Überführungsanspruch zubilligen.

Drohende Verjährung Ende 2009

Obgleich es nunmehr eine Phalanx der Rechtsprechung der LAG´s gibt, werden die Chefärzte aber nicht automatisch überführt, sondern die Arbeitgeber warten auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG). Die ärztespezifischen Tarifverträge sind aber bereits am 01.08.2006 in Kraft getreten. Die regelmäßige Verjährung für Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag beträgt drei Jahre, so dass zum Ende des Jahres 2009 die Verjährung der Ansprüche drohen könnte.

Ob dies den Anspruchsgrund betrifft, also der Überführungsanspruch insgesamt wegfällt oder ähnlich den Verfallsklauseln nur monatlich, ist derzeit offen. Viel spricht aber dafür, dass nur Monat für Monat eine Verjährung eintreten kann, da der Vergütungsanspruch auch nur Monat für Monat besteht. Insofern würden dann also nur diejenigen Ansprüche verjähren, die im Jahr 2006 bestanden hätten. Um diese Unwägbarkeit allerdings gar nicht erst problematisieren zu müssen, könnte man nunmehr fristwahrend Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben, um die korrekte Eingruppierung gerichtlich durchzusetzen. Eine derartige Klage würde auch die Verjährung verhindern. Da ein Klageverfahren regelmäßig durchaus eine gewisse Eintrübung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben kann, wäre auch eine einvernehmliche Regelung mit dem Arbeitgeber anzudenken. Dieser müsste sich dann schriftlich dazu bereit erklären, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Dieser Verzicht müsste nicht einmal unendlich sein, sondern man könnte sich auf den Zeitpunkt einigen, bis das BAG die Sache rechtsverbindlich entschieden hat.

Nach derzeitigem Kenntnisstand steht zu erwarten, dass spätestens zum Ende des zweiten Quartals 2010 eine entsprechende Entscheidung vorliegt. Sollte sich der Arbeitgeber zu einer solchen Erklärung jedoch nicht bereitfinden, müsste man in der Tat zu einem Klageverfahren raten, um nicht etwaiger Ansprüche verlustig zu gehen.

Zusammenfassung

Mit der aktuellen Entscheidung des LAG Hessen besteht nunmehr Einheitlichkeit bei den Obergerichten dahingehend, dass Chefärzte, aus welcher Begründung heraus auch immer, einen Überführungsanspruch in die ärztespezifischen Tarifverträge haben. In einer Vielzahl der Verfahren wurden die Revisionen zum BAG zugelassen, so dass von dort nunmehr eine rechtsverbindliche Entscheidung zu erwarten ist.

Diese wurde für Ende des zweiten Quartals 2010 angekündigt. Bis zu diesem Zeitpunkt drohen etwaige Ansprüche (zumindest teilweise) zu verjähren, so dass man sich mit dem Arbeitgeber dahingehend einigen sollte, eine Erklärung abzugeben, mit welcher dieser auf die Einrede der Verjährung bis zur Entscheidung des BAG verzichtet. Sobald dann die Entscheidung vorliegt, müsste man nochmals eine außergerichtliche Einigung anstreben bzw. dann eben gerichtlich unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BAG die Ansprüche durchsetzen, sofern das BAG im Sinne der Chefärzte entscheidet. Sofern eine solche Erklärung nicht zu erreichen ist, muss bereits jetzt ein Klageverfahren empfohlen werden.

Bericht des Justitiars aus dem vergangenen Jahr 2006

Seit nunmehr ziemlich auf den Tag genau zehn Jahren berate ich mit Freude in juristischen Fragen die Mitglieder des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen. Regelmäßig erreichen mich wöchentlich sehr viele schriftliche Anfragen. Diese werden üblicherweise binnen ein bis maximal zwei Wochen beantwortet, vornehmlich schriftlich, postalisch oder durch Fax, vermehrt mittlerweile auch durch E-Mail-Antworten und in seltenen Fällen telefonisch oder persönlich. Regelmäßig bin ich montags oder dienstags ganztägig in der Geschäftsstelle des BDC in Berlin anwesend. Darüber hinaus bin ich in eiligen Fällen täglich für die BDC-Mitglieder auch telefonisch zu erreichen.

Das Spektrum der Anfragen ist sehr groß. Grob geschätzt betreffen die Anfragen – von aktuellen gesetzgeberischen und berufspolitischen Schwankungen abgesehen – etwa 30 Prozent arbeitsrechtliche Probleme aus dem Krankenhausbereich, je zehn Prozenzt sozialrechtliche Probleme aus dem niedergelassenen Bereich, strafrechtliche Fragen, haftungsrechtliche Bereiche, Rechtsschutz- und sonstige Versicherungsfragen sowie Fragen zum Privatliquidationsbereich der Krankenhaus- und niedergelassenen Chirurgen gleichermaßen. Die restlichen 20 Prozent betreffen das weite Spektrum des Chirurgenalltages, welches nur sehr schwer und differenziert zu schildern und aufzuteilen wäre, was hier den Rahmen sprengen würde.

Selbstverständlich sind die aus wirklich sämtlichen Bereichen des Chirurgenalltages aus Klinik und Praxis herrührenden juristischen Fragestellungen nicht immer mit der gewünschten Sicherheit zu beantworten. Die jeweils mögliche Auslegung und Entscheidungsfindung der Gerichte kann nur unsicher prophezeit werden, gerade bei neuen Gesetzesvorgaben, wie im Tarifgefüge, aber auch bei unveränderter Gesetzeslage, in der trotzdem oftmals Unterschiede in der Rechtsprechung zu beobachten sind. Ebenso sind manchmal nicht oder kaum justitiable Vorgänge – beispielsweise im Kollegialitätsbereich untereinander – angesprochen, die nur einvernehmlich im Sinne der Vertragsfreiheit einer Regelung zugeführt werden können.

Dennoch ist es mir in den allermeisten Anfragen möglich, eine Hilfestellung den anfragenden Chirurgen oder in Ausbildung zu diesem Fach befindlichen zu erteilen. Ferner ergeben sich aus der Justitiartätigkeit eine Vielzahl von Veröffentlichungen, beispielsweise in der Rubrik „Fragen–Antworten“ und Artikel zu aktuellen Problemen in unserer Zeitschrift „Der Chirurg-BDC“ und sonstigen Veröffentlichungen. Abschließend bedanke ich mich bei den Mitgliedern unseres Verbandes für die allermeist sehr erfreuliche Resonanz sowie auch für die kritischen Anregungen. Sämtliche Anfragen bleiben selbstverständlich anonym; auch in den „Fragen-Antworten“ sind die Sachverhalte so abgeändert, dass sie keinen Rückschluss auf Personen oder Institutionen zulassen. Ich danke dem BDC und den Mitgliedern für das mir erteilte Vertrauen und die Unterstützung, werde meine ganze Kraft in eine kompetente und vertrauensvolle Rechtsberatung unserer Mitglieder und Gremien einbringen und freue mich auf eine allzeit weiterhin vertrauensvolle Zusammenarbeit