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F+A: Zahlungsverhalten von Privatkassen-Patient

Frage:

Eine niedergelassene Chirurgin fragt an, ob ein Privatpatient eine rechtlich sanktionierbare Pflichtverletzung gegenüber ihr als Ärztin und/oder gegenüber seiner privaten Krankenversicherung (PKV) begeht, wenn er den von der PKV erstatteten Rechnungsbetrag nicht an sie weiterleitet und schließlich seine Rechnung nicht mit diesem erstatteten Geld bezahlt.

Antwort:

Der Privatpatient ist weder der behandelnden Ärztin gegenüber noch gegenüber seiner PKV verpflichtet, mit dem von der PKV erstatteten Betrag die jeweilige Arztrechnung zu bezahlen bzw. diesen Betrag an die behandelnde Ärztin weiterzuleiten. Weder aus dem Zivil- noch aus dem Versicherungsrecht oder dem Strafrecht ergibt sich solch eine Verpflichtung des Patienten. Der Patient kann also den erstatteten Betrag ganz nach seinem Gusto verwenden.

Der Privatpatient ist zivilrechtlich lediglich nach § 630a Abs. 1 BGB zur Zahlung der Arztrechnung verpflichtet, sofern die Leistungen ordnungsgemäß erbracht und abgerechnet worden sind. Mit welchem Geld er diese bezahlt, bleibt jedoch allein ihm überlassen.

Ein Privatpatient macht sich somit weder in zivilrechtlicher, versicherungsrechtlicher noch in strafrechtlicher Hinsicht schuldig, wenn er den Erstattungsbetrag seiner PKV nicht an die behandelnde Ärztin weiterleitet. Eine rechtliche Sanktion ist deshalb nicht möglich.

Der Privatpatient verletzt lediglich seine zivilrechtliche Zahlungspflicht, wenn er die Rechnung ganz oder teilweise nicht bezahlt. In diesem Fall bleibt nach wie vor aber nur der Weg, den offenen Vergütungsanspruch gegenüber dem Patienten geltend zu machen und im Bedarfsfall gerichtlich durchzusetzen.

Heberer J: F+A: Zahlungsverhalten von Privat-Kassenpatient. 2024 Juni; 14(06/II): Artikel 04_05.

F+A: Unterschriftsberechtigter für Abrechnungssammelerklärung im MVZ

Frage:

Ein ärztlicher Leiter einer MVZ-GmbH fragt an, von wem die vom MVZ einzureichende Sammelerklärung zur Abrechnung unterzeichnet werden muss, von ihm oder vom Geschäftsführer der GmbH.

 

Antwort:

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 13.12.2023 – B 6 KA 15/22 R entschieden, dass die Sammelerklärungen zu den Abrechnungen des MVZ vom ärztlichen Leiter unterzeichnet werden müssen.

Der Honorarverteilungsmaßstab der beklagten KV enthalte eine entsprechende Vorgabe. Diese ist nach Auffassung des BSG auch von der Ermächtigungsgrundlage des § 87b Abs. 1 S. 2 SGB V gedeckt und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

Aus Sicht des BSG handelt es sich bei der Regelung nicht um ein bloßes Formerfordernis. Vielmehr lässt die ordnungsgemäße Abrechnungs-Sammelerklärung erst den Anspruch auf Vergütung der erbrachten Leistungen entstehen. Angesichts der Verantwortung des ärztlichen Leiters für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe sowie seiner Gesamtverantwortung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung begegnet es nach Meinung des BSG keinen Bedenken, wenn der Honorarverteilungsmaßstab die Unterschrift des ärztlichen Leiters unter die Sammelerklärung verlangt.

Grundsätzlich ist das MVZ als Träger der Zulassung für die Abgabe einer ordnungsgemäßen Sammelerklärung verantwortlich. Da es als Einrichtung aber nicht selbst handeln kann, ersetzt die Unterzeichnung durch den ärztlichen Leiter die in einer Einzelpraxis von dem Vertragsarzt zu leistende Unterschrift. Der ärztliche Leiter verfügt – anders als der nicht ärztliche Geschäftsführer eines MVZ – über die erforderliche medizinische Fachkompetenz, um beurteilen zu können, ob die von den einzelnen Ärzten angegebenen Behandlungsvorgänge Grundlage für eine korrekte Quartalsabrechnung sind. Ebenso gewährleistet die eigene ärztliche Tätigkeit des ärztlichen Leiters im MVZ, dass er hinreichend in dessen Strukturen und Arbeitsabläufe eingebunden ist und das Verhalten der Mitarbeiter aus eigener Anschauung beurteilen kann.

Das im Honorarverteilungsmaßstab festgelegte Unterschriftserfordernis berührt hingegen die Vertretungsbefugnis des GmbH-Geschäftsführers aus § 35 Abs. 1 S. 1 GmbH-Gesetz nicht. Denn das Unterschriftserfordernis im Honorarverteilungsmaßstab ist bereits keine gesellschaftsrechtliche Vertretungsregelung. Zudem liegt aus Sicht des BSG durch das Unterschriftserfordernis des ärztlichen Leiters kein unverhältnismäßiger Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Recht des MVZ auf Honorierung seiner Leistungen vor. Denn bei zeitweiser Verhinderung des ärztlichen Leiters kann etwa ein Vertreter bestellt oder die Sammelerklärung kann innerhalb der im Honorarverteilungsmaßstab bestimmten Jahresfrist nachgereicht werden (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2023 B 6 KA 15/22 R ; abgerufen 28.12.2023).

Unterzeichnet also der GmbH-Geschäftsführer die Abrechnungs-Sammelerklärung, so ist diese nicht ordnungsgemäß, da er hierzu nicht berechtigt ist. Rechtsfolge der damit fehlenden Unterschrift des ärztlichen Leiters auf der Sammelerklärung ist die formal fehlerhafte Abrechnung der Leistungen. Dies hat wiederum zur Folge, dass die Kassenärztliche Vereinigung berechtigt ist, die Honorarbescheide im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben und das ausgezahlte Honorar vollständig zurückzufordern.

Chirurgie+

Heberer J: F+A: Unterschriftsberechtigter für Abrechnungssammelerklärung im MVZ. 2024 Mai; 14(05): Artikel 04_10.

F+A: Übersendung eines Arztbriefs nach Koloskopie ausreichend oder persönliche Aufklärung nötig

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob die postalische Übersendung eines Arztbriefs nach von ihm durchgeführter Koloskopie an den überweisenden Arzt ausreichend ist oder ob er die Patienten unmittelbar persönlich therapeutisch aufklären muss.

 

Antwort:

Dem Arzt, der zur Durchführung einer Koloskopie hinzugezogen wird, kommt gemäß § 630c Abs. 2 S. 1 BGB die Pflicht zur therapeutischen Aufklärung (auch Sicherungsaufklärung genannt) zu. Ziel der therapeutischen Aufklärung ist, den Erfolg der medizinischen Behandlung sicherzustellen.

Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 11.03.2020 hierzu im Zusammenhang mit der von einem auf Überweisung tätig gewordenen Arzt vorgenommenen Koloskopie und der damit verbundenen Probeentnahme und Abtragung einer polypoiden Veränderung wie folgt entschieden (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 11. März 2020 – 7 U 10/19 –, juris):

Der Patient hat einen Anspruch auf Unterrichtung über die im Rahmen einer ärztlichen Behandlung erhobenen Befunde und Prognosen. Das gilt in besonderem Maße, wenn ihn erst die zutreffende Information in die Lage versetzt, eine medizinisch gebotene Behandlung durchführen zu lassen (Therapeutische Aufklärung/Sicherungsaufklärung). Es ist ein (schwerer) ärztlicher Behandlungsfehler, wenn der Patient über einen bedrohlichen Befund, der Anlass zu umgehenden und umfassenden ärztlichen Maßnahmen gibt, nicht informiert und ihm die erforderliche ärztliche Beratung versagt wird (vgl. Rn. 15).

Der Arzt hatte der Patientin in dem Nachgespräch anhand der gefertigten Bilder genau erläutert, was für eine Auffälligkeit bestanden habe und dass er diese mit einer Zange abgetragen habe sowie dass der Befundbericht noch um die Histologie ergänzt werde und der Bericht in 7 bis 10 Tagen bei dem Hausarzt mit der kompletten Histologie eintreffen werde. Ferner hatte er der Patientin im Hinblick auf die von ihm festgestellte und abgetragene polypöse Struktur im Analkanal mitgeteilt, dass man abwarten müsse, was die histologische Untersuchung ergebe (vgl. Rn. 18).

Das OLG Karlsruhe sah hierin eine in dem unmittelbar nach der Behandlung möglichen Umfang hinreichende therapeutische Aufklärung, da der Arzt zu diesem Zeitpunkt nicht zu einer weitergehenden therapeutischen Aufklärung verpflichtet war. Daran änderte der Umstand nichts, dass er nach seinen Angaben bereits bei der Untersuchung den Verdacht auf eine Präkanzerose des Analkanals hatte. Denn der Befund war nach seinen nachvollziehbaren Angaben auch für ihn nicht eindeutig, sondern es kam auf die Histologie an, was er der Patientin erläutert hatte. Auch der Sachverständige stellte fest, dass man zu dem Zeitpunkt der Abtragung der Läsion noch keine näheren Angaben zu deren Qualität machen konnte (vgl. Rn. 20).

Ferner war der Patientin auch hinreichend die Bedeutung und Schwere eines möglichen pathologischen Befundes und damit die Bedeutung der histologischen Untersuchung bekannt, da der Arzt ihr gesagt hatte, sie solle sich nicht so viele Gedanken machen und wenn sich ein bösartiger oder auffälliger Befund ergeben würde, werde er sich selbst telefonisch melden. Schon danach war ihr aus Sicht des OLG bekannt, dass auch die konkrete Möglichkeit eines bösartigen Befundes bestand. Der Arzt hat ferner bei seiner Anhörung vor dem Senat überzeugend vorgetragen, er sage den Patienten bei der Aufklärung, dass Polypen, wenn sie vorhanden sein sollten, entfernt würden, weil diese eine Vorstufe des Darmtumors sein könnten (vgl. Rn. 21).

Des Weiteren urteilte das OLG, dass auch nach Erhalt der Histologie der Arzt nicht gegen seine therapeutische Aufklärungsplicht verstoßen hat, indem er den Arztbericht mit den vom Pathologen mitgeteilten Ergebnissen nur per Post an die überweisende Hausärztin übersandte:

Der hinzugezogene Arzt ist grundsätzlich gehalten, den behandelnden Arzt in einem Arztbrief über das Ergebnis des Überweisungsauftrages zu unterrichten. Diese Pflicht gehört zu den Schutzpflichten gegenüber dem Patienten, die eine solche Unterrichtung des die Behandlung führenden Arztes über die von ihm aus der Hand gegebene Behandlungsphase umfassen und die der hinzugezogene Arzt dem Patienten aufgrund der übernommenen Behandlungsaufgabe vertraglich wie deliktisch schuldet. Im Übrigen gehört sie als Bestandteil der gegenseitigen Informationspflicht auch zu den Berufspflichten des Arztes (vgl. Rn. 23).

Der Arzt musste nach Meinung des OLG die Patientin nicht persönlich telefonisch informieren oder wiedereinbestellen, sondern es genügte die Information ihrer Hausärztin. Das OLG verwies aber darauf, dass bei hochpathologischen Befunden oder Befunden, die weitere zeitkritische Behandlungsschritte erfordern, bei denen eine rasche Reaktion geboten ist, dies anders sei, weshalb dann auch eine persönliche Information des Patienten geboten sein kann. Erhält der behandelnde Arzt einen Arztbericht, in dem für die Weiterberatung und -behandlung des Patienten neue und bedeutsame Untersuchungsergebnisse enthalten sind, die eine alsbaldige Vorstellung des Patienten bei dem Arzt unumgänglich machen, so hat er den Patienten auch dann unter kurzer Mitteilung des neuen Sachverhalts einzubestellen, wenn er ihm aus anderen Gründen die Wahrnehmung eines Arzttermins angeraten hatte. Auch eine entgegenstehende Übung entbindet den Arzt jedenfalls dann nicht von einer Pflicht zu besonderer Benachrichtigung seines Patienten, wenn dessen alsbaldige Vorstellung bei ihm aufgrund eines neuen Sachverhalts nötig wird und die Gefahr besteht, der Patient werde – weil ihm die neue Sachlage unbekannt ist – die Bedeutung des Arzttermins unterschätzen (vgl. Rn. 29).

Eine solche Konstellation lag im entschiedenen Fall jedoch nicht vor. Ferner war das Gericht davon überzeugt, dass die Patientin die Frage des Arztes, ob sie eine Kopie des Befundberichts erhalten wollte, verneinte. Adressat der Mitteilung war unter diesen Umständen vereinbarungsgemäß nicht die Patientin, sondern ihre Hausärztin.

Auch aus dem Umstand, dass die Hausärztin auf ihrer ärztlichen Überweisung mit der Diagnose/Verdachtsdiagnose „Stuhlgang-Entleerungsstörungen“ auch das Kästchen „Mit-/Weiterbehandlung“ angekreuzt hat, folgt nach Ansicht des OLG nichts anderes. Es mag aus Sicht des Gerichts zwar sein, dass in diesem Fall – anders, als wenn die Überweisung ausschließlich zu einer konkret benannten Diagnosemaßnahme vorgenommen wird – die gesamte diagnostische und therapeutische Tätigkeit dem weiterbehandelnden Vertragsarzt übertragen wird. Der Arzt durfte jedoch nach den Darlegungen des Sachverständigen sich auf die Übermittlung des Befundes und der Therapieempfehlung an die Hausärztin begnügen und musste nicht selbst die Weiterbehandlung der Patientin übernehmen. Er durfte bei objektiver Betrachtung davon ausgehen, dass die weitere ärztliche Versorgung der Patientin im Hinblick auf seinen Arztbrief an die Hausärztin hinreichend sichergestellt war. Zudem war im Übrigen eine Weiterbehandlung bei ihm selbst wegen der auf dem Überweisungsschein angegebenen „Stuhlgang-Entleerungsstörungen“ ersichtlich nicht geboten. Weitere Kontrolluntersuchungen waren vielmehr wegen der bei der Untersuchung entfernten polypoiden Veränderung und der sich aus dem diesbezüglichen Befundbericht ergebenden AIN III erforderlich (vgl. Rn. 36).

Hinsichtlich der rein postalischen Übersendung des Arztbriefs an die Hausärztin vertritt das OLG die Meinung, dass der Arzt nicht verpflichtet war, einen anderen Informationsweg, etwa die Übermittlung per Telefax, zu wählen oder den Zugang bei der Hausärztin zu überprüfen. Der Arztbrief ist aus Sicht des Gerichts ein gängiges Mittel zur gebotenen Aufrechterhaltung des Informationsflusses zwischen den an der Behandlung beteiligten Ärzten. Normaler Weise darf der Absender darauf vertrauen, dass sein Arztbrief beim Empfänger ankommt. Es kann ihm nicht zugemutet werden, sich bei jedem Arztbrief zu vergewissern, dass dieser erfolgreich übermittelt wurde. Nur dann, wenn dem Arzt aus vorherigen Fällen z. B. bekannt ist, dass es bei einer Praxis Probleme bei der Postzustellung gibt, kann es eine derartige Pflicht geben. Alternativ sollte der Behandler dann auf eine andere Kommunikationsmethode wie etwa Fax umstellen. Hinreichende Anhaltspunkte für derartige Probleme lagen im entschiedenen Fall aber nicht vor (vgl. Rn. 38).

Allerdings gilt nach Auffassung des OLG in dringenden Fällen, dass der Absender überprüfen muss, ob die Information beim Empfänger angekommen ist, z. B. bei hochpathologischen Befunden oder Befunden, die weitere, zeitkritische Behandlungsschritte erforderlich machen (vgl. Rn. 39). Wie oben dargestellt, war eine solche Konstellation im vorliegenden Fall aber nicht gegeben. Somit konnte sich der hinzugezogene Arzt, nachdem er den Informationsfluss im gebotenen Umfang aufrechterhalten hatte, darauf verlassen, dass die Hausärztin der Patientin seinen Arztbrief mit dem Befund lesen und ihrerseits die vorgeschlagenen Untersuchungen in dem von ihm empfohlenen Zeitraum veranlassen würde.

Folglich lässt sich nach Auffassung des Verfassers abschließend festhalten, dass eine Informationspflicht des hinzugezogenen Arztes unmittelbar den Patienten gegenüber dann besteht, wenn dies aus medizinischen Gründen im Hinblick auf eine besondere Gefährlichkeit des Befundes bzw. Eilbedürftigkeit einer Behandlung erforderlich ist. Ferner, wenn mit den Patienten vereinbart wird, dass sie eine Kopie des Arztbriefs, eine telefonische oder sonstige unmittelbare Benachrichtigung erhalten. Unter diesen Umständen könnte dann ein Verstoß gegen die therapeutische Aufklärungspflicht des hinzugezogenen Arztes in Betracht kommen. Zudem ist die postalische Übersendung des Arztbriefs an den überweisenden Arzt ausreichend, wenn keine hinreichenden An

Chirurgie+

Heberer J: F+A: Übersendung eines Arztbriefes nach Koloskopie ausreichend oder persönliche Aufklärung nötig. 2024 Mai; 14(05): Artikel 04_09.

F+A: Aufbereitung von Medizinprodukten von Praxispersonal

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob das von ihm für die Aufbereitung von Medizinprodukten der Kategorie semikritisch A und kritisch B eingesetzte Praxispersonal (MFAs) die von der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) geforderte Sachkenntnis benötigen oder ob diese nur für die Instandhaltung der Produkte erforderlich ist.

Antwort:

Zunächst ist es für das Erfordernis der Sachkenntnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 MPBetreibV unerheblich, ob es sich um eine Instandhaltung oder eine Aufbereitung eines Medizinproduktes handelt, denn für beide wird die Sachkenntnis gefordert. Für die Instandhaltung ergibt sich dies aus § 7 Abs. 2 MPBetreibV und für die Aufbereitung aus § 8 Abs. 7 MPBetreibV.

§ 8 Abs. 7 S. 1 MPBetreibV verlangt hinsichtlich der Voraussetzungen für die Aufbereitung von Medizinprodukten, dass der Betreiber – hier konkret also der Praxisinhaber – nur Personen, Betriebe oder Einrichtungen mit der Aufbereitung von Medizinprodukten beauftragen darf, die selbst oder deren Beschäftigte, die die Aufbereitung durchführen, die Voraussetzungen nach § 5 MPBetreibV hinsichtlich der Aufbereitung des jeweiligen Medizinproduktes erfüllen. § 8 Abs. 7 S. 2 MPBetreibV regelt, dass die nach § 5 MPBetreibV erforderliche Ausbildung auch durch die Teilnahme an fachspezifischen Fortbildungsmaßnahmen ersetzt werden kann. Dabei soll man sich an den Empfehlungen der Anlage 6 der KRINKO-Empfehlung orientieren.

Nichts anderes ergibt sich meiner Ansicht nach aus der KRINKO-Empfehlung „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ aus 2012 (siehe HIER; abgerufen 25.09.2023) i. V. m. der Ergänzung zur Empfehlung „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ der KRINKO vom 08.02.2018 (vgl. HIER, S. 2; abgerufen am 25.09.2023). Die Ergänzung vom 08.02.2018 verweist zunächst darauf, dass sich die Anforderungen an die Qualifikation des Personals für die Aufbereitung aufgrund der Verordnungsänderung nicht mehr aus § 4 Abs. 3 MPBetreibV ergeben, sondern jetzt in § 8 MPBetreibV in Verbindung mit § 5 MPBetreibV geregelt sind.

Auch hiernach muss die mit der Aufbereitung beauftragte Person hinsichtlich der jeweiligen Tätigkeit über aktuelle Kenntnisse aufgrund einer geeigneten Ausbildung und einer einschlägigen beruflichen Tätigkeit verfügen (= § 5 Abs. 1 Nr. 1 MPBetreibV).

Die in der Anlage 6 „Sachkenntnis des Personals“ der KRINKO-Empfehlung aus 2012 aufgeführten inhaltlichen Anforderungen an die Sachkenntnis behalten weiterhin ihre Gültigkeit (vgl. KRINKO Ergänzungsempfehlung vom 08.02.2018, a. a. O., S. 2). Die gemäß Anlage 6 festgelegte Sachkenntnis des Personals gilt für Aufbereitungseinheiten gemäß der in Anlage 5 dargestellten Kategorien A (Medizinprodukte semikritisch und kritisch A) und B (Medizinprodukte semikritisch und kritisch B (s. HIER; abgerufen am 25.09.2023).

Folglich ist für die Aufbereitung von Medizinprodukten der Kategorien semikritisch A und kritisch B nach Ansicht des Verfassers die Sachkenntnis des die Aufbereitung durchführenden Personals nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2, 7 MPBetreibV i. V. m. den KRINKO-Empfehlung „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ von 2012 und vom 08.02.2018 zwingend erforderlich.

Heberer J: F+A: Aufbereitung von Medizinprodukten von Praxispersonal. 2024 April; 14(04): Artikel 04_09.

F+A: Mutterschutzlohn im Beschäftigungsverbot

Frage:

Eine Chefärztin fragt an, welche Vergütung sie während des vom Arbeitgeber aufgrund ihrer Schwangerschaft angeordneten individuellen Beschäftigungsverbots erhält.

Antwort:

Gemäß § 18 Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium (MuSchG) erhält eine Frau, die wegen eines Beschäftigungsverbots außerhalb der Schutzfristen vor oder nach der Entbindung teilweise oder gar nicht beschäftigt werden darf, von ihrem Arbeitgeber Mutterschutzlohn. Als Mutterschutzlohn wird das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft gezahlt. Dies gilt auch, wenn wegen dieses Verbots die Beschäftigung oder die Entlohnungsart wechselt. Beginnt das Beschäftigungsverhältnis erst nach Eintritt der Schwangerschaft, ist das durchschnittliche Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsentgelt der ersten drei Monate der Beschäftigung zu berechnen.

Grundsätzlich ist es also so, dass während der Zeit eines Beschäftigungsverbots vom Arbeitgeber Mutterschutzlohn zu zahlen ist. Das Beschäftigungsverbot muss außerhalb der gesetzlichen Schutzfristen des § 3 MuSchG liegen, die in der Regel sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung betragen.

Der Mutterschutzlohn ist in Höhe von mindestens dem Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate bzw. dreizehn Wochen vor Beginn des Monats, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist, zu zahlen.

Dabei ist für die Berechnung des Verdienstes die arbeitsvertraglich vereinbarte geldwerte Gegenleistung des Arbeitgebers maßgeblich, wobei auch nichtständige Entgeltbestandteile, wie beispielsweise die Überstundenvergütung, Dienstgelder etc. hinzuzurechnen sind. Dazu zählt auch eine etwaige Umsatzbeteiligung, die als typischerweise arbeitsleistungsbezogen gilt.

Heberer J: F+A: Mutterschutzlohn im Beschäftigungsverbot. 2024 März; 14(03/QI): Artikel 04_06.

F+A: Behandlung eines Arbeits- oder Schulunfalls durch Vertragsarzt ohne D-Arztanerkennung

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob er ohne D-Arztzulassung einen durch einen Arbeits- oder Schulunfall verletzten Patienten nach der Erstbehandlung weiterversorgen darf und wer die Unfallmeldung an den Unfallversicherungsträger zu veranlassen hat.

Antwort:

Wenn ein Vertragsarzt kein D-Arzt ist, dann darf er bei Arbeits- und Schulunfällen nur die sofort notwendigen ärztlichen Maßnahmen im Sinne einer Erstversorgung durchführen. Das sofort Notwendige darf nicht überschritten werden. Was das sofort Notwendige ist, beurteilt sich nach Ansicht des Verfassers stets aus medizinischer Sicht. Die Verordnung von Medikamenten im Zusammenhang mit der unfallbedingten Versorgung ist dabei zulässig. Folglich darf nur die ärztliche Erstversorgung übernommen werden. Zu dieser Erstbehandlung sind Vertragsärzte im Übrigen auch verpflichtet, wenn ein Unfallverletzter zuerst bei ihnen erscheint.

Allerdings muss der Vertragsarzt dann zum einen prüfen, ob eine unverzügliche Vorstellung beim D-Arzt erforderlich ist. Diese ist immer dann der Fall, wenn a) der Patient über den Tag des Unfalls hinaus arbeitsunfähig ist und/oder b) die Behandlungsbedürftigkeit voraussichtlich länger als eine Woche beträgt und/oder c) der Patient bestimmte Heil- und Hilfsmittel benötigt. Zum anderen ist der Vertragsarzt verpflichtet, den Patienten in diesem Fall zur unverzüglichen Vorstellung bei einem D-Arzt anzuhalten.

Die Koordination der weiteren medizinischen Versorgung ist dann allein Aufgabe der D-Ärzte. Es obliegt allein deren Entscheidung, ob bei leichteren Verletzungen eine Allgemeine Heilbehandlung beim behandelnden Arzt durchgeführt werden soll (in diesem Fall kann dann der Vertragsarzt auf Veranlassung des D-Arztes wieder die Behandlung übernehmen) oder, ob wegen der Art oder Schwere der Verletzung eine Besondere Heilbehandlung erforderlich ist. Bei einer anschließenden Allgemeinen Heilbehandlung durch den Vertragsarzt überwacht der D-Arzt den Heilungsverlauf jedenfalls durch Nachschau. Die Besondere Heilbehandlung darf hingegen nur durch einen D-Arzt durchgeführt werden.

Sollte eine besondere Verletzung nach dem Verletzungsartenverzeichnis (Anhang 1 zum Vertrag Ärzte/UV-Träger) vorliegen, so muss eine Überweisung an ein Krankenhaus, das am Verletzungs- beziehungsweise Schwerstverletzungsartenverfahren der Unfallversicherung beteiligt ist, erfolgen. Andere, hierin nicht aufgeführte Verletzungen, die gleichwohl eine stationäre Versorgung erfordern, können von D-Ärzten in Krankenhäusern, die an den Besonderen Heilverfahren teilnehmen, behandelt werden.

Die zweite Frage ist wie folgt zu beantworten: Nachdem § 14 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger (Vertrag Ärzte/UV-Träger) mit Wirkung zum 01.01.2021 geändert wurde, ist aus Sicht des Verfassers der erstbehandelnde (Vertrags-)Arzt verpflichtet, die ärztliche Unfallmeldung vorzunehmen. Denn gemäß § 14 Abs. 1 Vertrag Ärzte-UV-Träger hat der (erst-)behandelnde Arzt am Tag der ersten Inanspruchnahme durch den Unfallverletzten, spätestens am nächsten Werktag, dem Unfallversicherungsträger die ärztliche Unfallmeldung nach Formtext F 1050 zu erstatten. Dies gilt auch in den Fällen der Vorstellungspflicht des Unfallverletzten beim D-Arzt nach § 26 Vertrag Ärzte/UV-Träger. Der Grund der D-Arzt-Vorstellung sowie die Art der Erstversorgung sind zu dokumentieren. Folglich muss ein Vertragsarzt, wenn er die Erstversorgung von Unfallverletzten vornimmt, nach Meinung des Verfassers immer die ärztliche Unfallmeldung abgeben. Der Arzt kann hierfür die Gebühr Nr. 125 UV-GOÄ abrechnen.

Eine Ausnahme von der Meldepflicht besteht nur, wenn wegen einer isolierten Augen-/HNO-Verletzung ein Augen-/HNO-Arztbericht nach § 40 Vertrag Ärzte/UV-Träger zu erstatten ist.

Heberer J: F+A: Behandlung eines Arbeits- oder Schulunfalls durch Vertragsarzt ohne D-Arztanerkennung. 2024 Januar/Februar; 14(01/02): Artikel 04_11.

F+A: Umsatzsteuerpflicht für ärztliche Vertretungsleistungen und polizeiliche Blutentnahme

Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob vertretungsweise Übernahmen für andere Ärzte im Rahmen des ärztlichen Notdienstes sowie Blutentnahmen für die Polizei umsatzsteuerpflichtig sind.

Antwort:

Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH sind nur solche ärztlichen Tätigkeiten umsatzsteuerfrei, die zum Zweck der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und – soweit möglich – Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden (= Heilbehandlung). Daraus folgt, dass heilberufliche Leistungen nur dann umsatzsteuerfrei sind, wenn mit ihnen ein therapeutischer Zweck verfolgt wird.

Das Finanzgericht Münster hat nunmehr mit Urteil vom 09.05.2023 – 15 K 1953/20 U (s. unter https://openjur.de/u/2471661.html) entschieden, dass Vertreterleistungen im ambulanten Notfalldienst sowie für die Polizei durchgeführte Blutentnahmen umsatzsteuerpflichtige Leistungen sind.

Der klagende Hausarzt hatte am hausärztlichen ambulanten Notfalldienst im Sitz- und Fahrdienst als Vertreter für andere Ärzte unter Übernahme der Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notdienstes teilgenommen. Gegenüber den vertretenen Ärzten rechnete der Kläger einen Stundenlohn ab. Die im Rahmen des Notfalldienstes erbrachten ärztlichen Leistungen rechnete der Kläger darüber hinaus entweder im Wege der Privatliquidation oder über die KV ab (vgl. FG Münster, a. a. O., Rn. 28, 33). Des Weiteren führte er für die Polizeibehörde von dieser angeordnete Blutentnahmen nebst ärztlichem Bericht durch und stellte dies jeweils der zuständigen Landeskasse in Rechnung.

Das FG Münster vertritt die Auffassung, dass die vom klagenden Arzt vereinnahmten Gelder für die Vertretung im ärztlichen Notdienst nicht im Zusammenhang mit einer nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG steuerfreien Heilbehandlung stehen und auch die Blutentnahmen nicht hiernach steuerbefreit seien.

Hinsichtlich der Vertreterleistungen erbringe der Arzt mit der Übernahme des ärztlichen Notdienstes gegenüber den vertretenen Ärzten eine sonstige Leistung gegen Entgelt, die auf die Freistellung des vertretenen Arztes von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit einem zugeteilten Notfalldienst gerichtet sei. Dies sei jedoch keine steuerfreie Heilbehandlung. Der Begriff der Heilbehandlung richte sich nach der oben dargestellten EuGH- und BFH-Rechtsprechung. Das Erfordernis einer therapeutischen Zielsetzung einer Leistung sei danach allerdings nicht unbedingt in einem besonders engen Sinn zu verstehen. Vielmehr sei der Begriff unter Berücksichtigung des Zwecks der Steuerbefreiung auszulegen, der darin bestehe, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken. Erfasst sein können auch Beratungsleistungen, die darin bestehen, die in Betracht kommenden Diagnosen und Therapien zu erläutern sowie Änderungen der durchgeführten Behandlungen vorzuschlagen oder die es der betroffenen Person ermöglichen, ihre medizinische Situation zu verstehen und gegebenenfalls entsprechend tätig zu werden. Zu den Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehören zudem Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende Untersuchungen. Insofern würden auch Maßnahmen erfasst, die darauf abzielen, die Beobachtung und die Untersuchung der Patienten zu ermöglichen, noch bevor es erforderlich wird, eine etwaige Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen, oder gesundheitliche Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen, um sofort entsprechende Maßnahmen einleiten und damit einen größtmöglichen Erfolg einer (späteren) Behandlung sicherstellen zu können. Demgegenüber komme eine Steuerbefreiung für ärztliche Leistungen, die zu einem anderen Zweck als dem des Schutzes einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht würden, nicht in Betracht (vgl. FG Münster, a. a. O., Rn. 83). Nach diesen Maßstäben diene somit die vertretungsweise Übernahme eines zugeteilten Notdienstes keinem therapeutischen Zweck. Denn mit der Erbringung dieser Leistung sei im Vergleich zu der ursprünglichen Zuteilung des vertretenen Arztes zum ärztlichen Notdienst kein weitergehender Schutz der menschlichen Gesundheit verbunden. Die Vertretung diene vielmehr dem Zweck, den ursprünglich zum Notfalldienst herangezogenen Arzt von sämtlichen Verpflichtungen in Bezug auf den zugeteilten Notfalldienst zu befreien. Dies fördere den Schutz, die Aufrechterhaltung oder die Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit nicht (vgl. FG Münster, a. a. O., Rn.  85).

Auf die Frage, ob die Durchführung ärztlicher Notdienste einem therapeutischen Zweck diene, komme es aus Sicht des FG im entschiedenen Fall nicht an. Denn die Besonderheit der zu beurteilenden Leistung liege hier darin, dass nicht nur ein ärztlicher Notdienst übernommen und damit im Sinne des Klägers von ihm durchgeführt wurde, sondern dass die Übernahme vertretungsweise und damit unter der von den am Leistungsaustausch beteiligten Personen bezweckten Freistellung des an sich eingeteilten Arztes erfolgte. Der Kläger selbst war nach der Vereinbarung mit der KV auch gar nicht berechtigt, selbst unmittelbar bei der Zuteilung zum ärztlichen Notdienst berücksichtigt zu werden. Dies sei ein Unterschied zu einem bereits anders entschiedenen Streitfall vor dem Niedersächsischen FG, in dem der dortige Arzt gegenüber der zentralen Notfallpraxis der Ärzteschaft die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft während der Bereitschaftsdienstzeit schuldete (vgl. FG Münster, a. a. O., Rn. 87). Im Übrigen diene nach Meinung des FG Münster die Durchführung des ärztlichen Notdienstes im ambulanten Notdienst keinem therapeutischen Zweck. Denn allein das Vorhalten medizinischer (Personal-)Ressourcen im Sitz- oder Fahrdienst diene noch keinem therapeutischen Zweck. Es handele sich vielmehr nur um die Schaffung der Voraussetzungen für die nachfolgende zeitnahe Erbringung von Heilbehandlungsleistungen, ohne selbst eine Heilbehandlungsleistung zu sein. Dass es sich auch hierbei um eine typische ärztliche Tätigkeit handele, weil die spätere Erbringung einer Heilbehandlungsleistung diese Qualifikation erfordere, sei insoweit ohne Belang (vgl. FG Münster, a. a. O., Rn. 88).

Zudem bilde weder die Übernahme des zugeteilten ärztlichen Notdienstes unter Freistellung des vertretenen Arztes von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit diesem Dienst mit den etwaig im ärztlichen Notdienst erfolgten Heilbehandlungen eine einheitliche Leistung, noch vermag der Umstand, dass die Durchführung des ärztlichen Notdienstes unerlässlich für eine zeitnahe ambulante Patientenversorgung sei, eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG zu begründen (vgl. FG Münster, a. a. O., Rn. 91).

Bezüglich der polizeilich angeordneten Blutentnahmen lehnte das FG Münster eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG unter Verweis auf die ständige EuGH- und BFH Rechtsprechung ab.

Zwar seien als Heilbehandlungen noch medizinische Analysen anzusehen, die von praktischen Ärzten im Rahmen ihrer Heilbehandlungen angeordnet werden und zur Aufrechterhaltung der menschlichen Gesundheit beitragen, indem sie wie jede vorbeugend erbrachte ärztliche Leistung darauf abzielen, die Beobachtung und die Untersuchung der Patienten zu ermöglichen, noch bevor es erforderlich wird, eine etwaige Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen. Werde eine ärztliche Leistung dagegen in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz der menschlichen Gesundheit ist, komme eine Steuerbefreiung als ärztliche Heilbehandlung nicht in Betracht. Dies gelte insbesondere, wenn Hauptzweck der Leistung nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit ist, sondern die Erstattung eines Gutachtens, das Voraussetzung einer Entscheidung ist, die Rechtswirkungen erzeugt (vgl. FG Münster, a. a. O., Rn. 101). Die Blutentnahmen seien auf polizeiliche Anforderung durchgeführt worden und erfolgten, um den Blutalkoholwert zu bestimmen oder die Einnahme von Drogen festzustellen. In diesem Zusammenhang sei ein ärztlicher Bericht zu erstellen gewesen, in dem diverse Feststellungen vom Arzt zu treffen waren, beispielsweise Auffälligkeiten im Zusammenhang mit einer weitergehenden Untersuchung wie das Gang- und Sprachbild. Diese Feststellungen dienten nach Ansicht des FG jedoch nicht vorrangig dem Schutz des Gesundheitszustandes des Betroffenen, sondern der Beweiserhebung im Zusammenhang mit einem strafrechtlich oder öffentlich-rechtlich geführten Verfahren. Dementsprechend wurde nicht die Untersuchung des Betroffenen, sondern die Blutentnahme selbst nach dem hierzu zu verwendenden Abrechnungsformular liquidiert (vgl. FG Münster, a. a. O., Rn. 102).

Hinzuweisen ist aus Sicht des Verfassers noch darauf, dass der Arzt, der sich auf eine Steuerbefreiung beruft, auch die Feststellungslast trägt, d. h. er muss darlegen können, dass eine Heilbehandlung im oben genannten Sinn vorliegt. Aus diesem Grund muss zwingend bei derartigen Leistungen die medizinische Indikation nachprüfbar und einzelfallbezogen dokumentiert werden.

In diesem Zusammenhang muss abschließend auch darauf hingewiesen werden, dass zum einen dieses Urteil noch nicht rechtskräftig ist, sondern Revision zum BFH eingelegt wurde, die dort unter dem Aktenzeichen XI R 24/23 anhängig ist. Es bleibt somit mit Spannung abzuwarten, ob der BFH dieses Urteil bestätigt, sodass die derzeitige Auskunft des Verfassers nicht als abschließend gesichert betrachtet werden kann. Zum anderen wird in steuerrechtlichen Angelegenheiten aufgrund der Komplexität des Rechtsgebiets stets eine steuerrechtliche Beratung durch einen Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht empfohlen.

Heberer J: F+A: Umsatzsteuerpflicht für ärztliche Vertretungsleistungen und polizeiliche Blutentnahme. 2024 Januar/Februar; 14(01/02): Artikel 04_12.

F+A: Letztverantwortung des Operateurs

Frage:

Ein Oberarzt fragt an, wer die Verantwortung für einen operativen Eingriff trägt, bei dem der Chefarzt zwar die Indikation zur Operation gestellt und die Weisung zu deren Durchführung erteilt hat, jedoch aus Sicht des die Operation durchführenden Oberarztes die Indikation nicht vorliegt, sondern vielmehr ein konservatives Vorgehen angezeigt ist. 

Antwort:

Der Operateur am Tisch trägt die Letztverantwortung für die Korrektheit der Indikation und der Aufklärung. Er kann sich dann nicht auf die Anweisung eines Chefarztes berufen, wenn offensichtlich erkennbar war, dass die Indikation nicht bestanden hat. Wenn diese nur zweifelhaft und damit vertretbar ist, dann wäre der Eingriff ja möglicherweise durchzuführen. Bei ganz klaren Kontraindikationen oder fehlenden Indikationen ist der Chefarzt auch nicht berechtigt, derartige Weisungen zu erteilen.

Heberer J: F+A: Letztverantwortung Operateur. 2023 November; 13(11): Artikel 04_08.

F+A: Genehmigung ambulanter Operationen

Frage:

Ein niedergelassener Vertragsarzt fragt an, ob die Auffassung der Kassenärztlichen Vereinigung rechtens ist, dass er keine rückwirkende Genehmigung für die Erbringung ambulanter Operationen und damit keine Vergütung der in diesem genehmigungslosen Zeitraum erbrachten Leistungen erhält, obwohl er den Antrag auf Genehmigung zum ambulanten Operieren unverschuldet verspätet gestellt hat. 

Antwort:

Maßgebliche Rechtsgrundlagen sind § 2 und § 7 Qualitätssicherungsvereinbarung ambulantes Operieren (QSV AOP). Nach § 2 Abs. 1 QSV AOP ist die Ausführung und Abrechnung von Eingriffen gemäß § 115b SGB V im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durch die Vertragsärzte erst nach Erteilung der Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung zulässig.

Gemäß § 7 Abs. 1 QSV AOP setzt die Erteilung der Genehmigung die Antragstellung durch den Vertragsarzt voraus.

Bei solchen antragsgebundenen Leistungen ist die Gesetzeslage und die Rechtsprechung leider sehr eindeutig. Unabhängig davon, ob ein Genehmigungsantrag verschuldet oder unverschuldet verspätet gestellt wurde, ist eine rückwirkende Genehmigung nicht möglich.

Aus diesem Grund haben Rechtsmittel gegen diese Auffassung der KV keine echten Erfolgsaussichten.

Heberer J: F+A: Genehmigung ambulanter Operationen. 2023 November; 13(11): Artikel 04_07.

Das neue Ehegattennotvertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten

Seit 01.01.2023 gilt die gesetzlich in § 1358 BGB verankerte gegenseitige Vertretung von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge (sog. Ehegattennotvertretungsrecht). Wie das Wort „Ehegattennotvertretung“ aber schon suggeriert, wird hiermit keine Pauschalbefugnis für eine anlasslose und zeitliche unbegrenzt zulässige Vertretung geschaffen, sondern dieses gesetzliche Vertretungsrecht wird auf bestimmte Personen, Anwendungsfälle, abschließend aufgezählte Vertretungshandlungen im Bereich der Gesundheitssorge sowie zeitlich beschränkt.

Beschränkung des Notvertretungsrechts auf bestimmte Personen

Das Recht zur gegenseitigen Vertretung kommt ausschließlich Ehegatten oder Lebenspartnern nach § 21 Lebenspartnerschaftsgesetz (nicht zu verwechseln mit Lebensgefährten, für die die gesetzliche Regelung gerade nicht gilt) zu, die nicht getrennt leben im Sinne des § 1567 Abs. 1 BGB. Hiernach leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Erforderlich für ein Getrenntleben ist damit jedenfalls ein Trennungswille zumindest eines Ehegatten.

Anwendungsfälle

§ 1358 Abs. 1 BGB beschränkt die Anwendungsfälle des Vertretungsrechts darauf, dass ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen kann (vertretener Ehegatte). Damit ist erforderlich, dass der vertretene Ehegatte entweder bewusstlos oder krank und aufgrund dessen einwilligungsunfähig ist.

Der Gesetzgeber führt in der Gesetzesbegründung dazu aus, dass damit klargestellt werde, dass Anlass für das gesetzliche Vertretungsrecht von Ehegatten eine akut eingetretene gesundheitliche Beeinträchtigung des Ehegatten infolge eines Unfalls oder einer Erkrankung ist, die auch eine ärztliche Akutversorgung notwendig macht (vgl. BT-Drucksache 19/24445, S. 179).

Fraglich ist damit aber, ob das Vertretungsrecht damit beispielsweise bei einer durch chronische Krankheit erstmals hervorgerufenen Einwilligungsunfähigkeit generell nicht gilt. Es wird hier somit wieder einmal die Rechtsprechung sein, die die Vorschrift wird auslegen müssen, um den Anwendungsbereich klar zu definieren.

Zulässige Notvertretungs­handlungen

Ferner grenzt § 1358 Abs. 1 BGB den Umfang der Vertretungsberechtigung dahingehend ein, dass er die Angelegenheiten der Gesundheitssorge, in denen der vertretende Ehegatte zur Vertretung berechtigt ist, abschließend festlegt.

Der vertretende Ehegatte kann hiernach für den vertretenen Ehegatten

1.in Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligen oder sie untersagen sowie ärztliche Aufklärungen entgegennehmen,
Hierbei muss es sich um medizinisch notwendige Untersuchungen, Behandlungen oder Eingriffe handeln. Der vertretende Ehegatte ist danach auch berechtigt, alle im Zusammenhang mit diesen medizinischen Maßnahmen notwendigen Aufklärungen entgegenzunehmen.

2.Behandlungsverträge, Krankenhausverträge oder Verträge über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege abschließen und durchsetzen,
Umfasst sind damit Rechtsgeschäfte, die unmittelbar nach Eintritt der das Vertretungsrecht auslösenden Erkrankung bzw. Bewusstlosigkeit anstehen sowie unaufschiebbare Maßnahmen der Rehabilitation und Pflege, die im zeitlichen Rahmen des Vertretungsrechts und im unmittelbaren kausalen Zusammenhang mit der anlassgebenden Erkrankung oder Bewusstlosigkeit getroffen werden müssen (vgl. BT-Drucksache 19/24445, S. 180). Mit umfasst vom Recht zur Durchsetzung sind auch die Geltendmachung von Mängeln sowie die Einleitung gerichtlicher Verfahren.

3.über Maßnahmen nach § 1831 Abs. 4 BGB entscheiden, sofern die Dauer der Maßnahme im Einzelfall sechs Wochen nicht überschreitet:
Diese zeitlich begrenzte Entscheidungsbefugnis bezieht sich auf freiheitsentziehende Maßnahmen. Hierunter fallen beispielsweise Bettgitter oder Medikamentengaben zur Ruhigstellung. Gleichwohl ist eine betreuungsgerichtliche Genehmigung der Entscheidung des vertretenden Ehegatten stets erforderlich, um deren Rechtmäßigkeit zu gewährleisten. Nicht unter die Vertretungsbefugnis fällt die Entscheidung über eine freiheitsentziehende Unterbringung.

4.Ansprüche, die dem vertretenen Ehegatten aus Anlass der Erkrankung gegenüber Dritten zustehen, geltend machen und an die Leistungserbringer aus den Verträgen nach Nummer 2 abtreten oder Zahlung an diese verlangen.
Hauptanwendungsfälle dürften Leistungsansprüche gegen die Krankenversicherung oder die Beihilfe des vertretenen Ehegatten sein. Der vertretende Ehegatte kann diese Ansprüche zwar geltend machen, jedoch wird der Vertretungsumfang dahingehend beschränkt, dass er Leistung (z. B. Zahlung der Erstattungsleistung der Krankenversicherung) nicht an sich verlangen kann, sondern er den Leistungsanspruch entweder an den Leistungserbringer abtreten muss oder nur Zahlung direkt an diesen fordern kann (vgl. BT-Drucksache 19/24445, S. 180).

Trotz des abschließenden Katalogs sind in der Praxis Anwendungsschwierigkeiten zu erwarten. Denn der Vertretungsumfang wird jeweils nur allgemein beschrieben, sodass der Gesetzeswortlaut im Einzelfall dahin wird ausgelegt werden müssen, ob eine konkrete Handlung, z. B. eine Einwilligung oder ein Vertragsabschluss, tatsächlich vom Vertretungsrecht umfasst ist. Beispielsweise kommt es nach dem Gesetzeswortlaut in Nummer 1 nicht darauf an, ob eine Behandlungsmaßnahme oder ein ärztlicher Eingriff unaufschiebbar ist. Die Gesetzesbegründung fordert andererseits aber für Behandlungen oder Eingriffe, die nicht in direktem Zusammenhang mit der das Vertretungsrecht auslösenden Erkrankung stehen, die im Zuge der Behandlung jedoch erstmals diagnostiziert wurden und deren Behandlung aus medizinischer Sicht notwendig ist, jedenfalls eine Unaufschiebbarkeit der Behandlung bzw. des Eingriffs (vgl. BT-Drucksache 19/24445, S. 179).

Derartige Auslegungsfragen sind zukünftig durch die Gerichte zu klären, sodass eine gewisse Rechtsunsicherheit durch die Neuregelung verbleibt.

Zeitliche Beschränkung des Notvertretungsrechts

In § 1358 Abs. 3 Nr. 4 wird das Vertretungsrecht zeitlich auf maximal sechs Monate befristet, d. h. es endet mit Fristablauf automatisch. Hierdurch sollen Missbrauchsgefahren verhindert werden. Die Frist beginnt mit der Feststellung des Arztes vom Vorliegen der Voraussetzungen des Vertretungsrechts nach § 1358 Abs. 4 Nr. 1 BGB. Ist die Frist abgelaufen und der vertretene Ehegatte weiterhin nicht in der Lage, seine gesundheitlichen Angelegenheiten zu regeln, so muss ein Betreuer bestellt werden, denn die Verlängerung des Notvertretungsrechts ist ausgeschlossen.

Wird während der Geltungsdauer des Notvertretungsrechts ein Betreuer bestellt, dessen Aufgabenkreis die in Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angelegenheiten umfasst, darf ab dessen Bestellung die Vertretung durch den Ehegatten nicht mehr ausgeübt werden (§ 1358 Abs. 5 BGB).

Gesetzliche Offenbarungsbefugnis für Ärzte

§ 1358 Abs. 2 BGB normiert bei Vorliegen der Voraussetzungen des Ehegattennotvertretungsrechts eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis für Ärzte hinsichtlich der in Absatz 1 Nummer 1 bis 4 genannten Angelegenheiten, d. h. die behandelnden Ärzte sind gegenüber dem vertretenden Ehegatten von ihrer Schweigepflicht diesbezüglich entbunden. Der vertretende Ehegatte darf zudem die diese Angelegenheiten betreffenden Krankenunterlagen einsehen und ihre Weitergabe an Dritte bewilligen.

Ausschluss des Notvertretungsrechts

Dieses neue Vertretungsrecht nebst den Rechten des Ehegatten aus § 1358 Abs. 2 BGB besteht allerdings gemäß § 1358 Abs. 3 Nr. 1 – 4 BGB nicht, wenn

1.die Ehegatten getrennt leben,

2.dem vertretenden Ehegatten oder dem behandelnden Arzt bekannt ist, dass der vertretene Ehegatte

a)eine Vertretung durch ihn in den in Absatz 1 Nummer 1 bis 4 genannten Angelegenheiten ablehnt oder

b)jemanden zur Wahrnehmung seiner Angelegenheiten bevollmächtigt hat, soweit diese Vollmacht die in Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angelegenheiten umfasst,

Dem vertretenden Ehegatten kommt allerdings keine Pflicht zu, Ermittlungen bezüglich des Eingreifens von lit. a) oder b) anzustellen. Liegt eine Vorsorge- oder Generalvollmacht vor, so ist der Ehegatte in seiner Vertretung jedenfalls nur insoweit beschränkt, als die Vollmacht eine Vertretungsbefugnis für die in Absatz 1 Nrn. 1–4 genannten Angelegenheiten bestimmt. Somit kann der Ehegatte entweder ganz oder auch nur teilweise von der Notvertretung ausgeschlossen sein.

3.für den vertretenen Ehegatten ein Betreuer bestellt ist, soweit dessen Aufgabenkreis die in Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angelegenheiten umfasst, oder

4.die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht mehr vorliegen oder mehr als sechs Monate seit dem durch den Arzt festgestellten Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 spätestens eingetreten sind, vergangen sind.

Die Voraussetzungen des Notvertretungsrechts liegen nicht mehr vor, sobald der vertretene Ehegatte seine gesundheitlichen Angelegenheiten rechtlich wieder selbst besorgen kann. Ist dies nach sechs Monaten immer noch nicht der Fall, endet das Notvertretungsrecht automatisch und es muss, wie oben dargestellt, ein Betreuer bestellt werden.

Liegt nur einer dieser Ausschlussgründe vor, so ist der Ehegatte nicht zur Notvertretung berechtigt bzw. endet dessen Vertretungsrecht bei späterem Eintritt eines Ausschlussgrundes.

Es stellt sich damit aber auch die Frage, ob Ärzte hier zur Prüfung bzw. Nachforschung bezüglich des Vorliegens eines Ausschlussgrundes verpflichtet sind. Die Begründung zum Gesetzentwurf spricht sich jedenfalls gegen eine solche spezifische Prüf- und Nachforschungspflicht des Arztes aus. Inwieweit dies auch bei aufkommenden Zweifeln des Arztes an der Vertretungsberechtigung gilt, ist offen und müsste ebenfalls gerichtlich geklärt werden, wobei eine solche Pflicht dem Sinn und Zweck der Regelung zuwiderlaufen würde und Ärzten regelmäßig nicht zumutbar sein dürfte.

Hingegen ist bei positiver Kenntnis eines Arztes vom Vorliegen eines Ausschlussgrundes, z. B. von einer Ablehnung oder einer Vollmacht nach Ziffer 2, dieser zwingend zu berücksichtigen, sodass die Vertretung durch den Ehegatten folglich abgelehnt werden muss (vgl. BT-Drucksache 19/24445, S. 181).

Neues Auskunft- und Einsichtsrecht für Ärzte in das Zentrale Vorsorgeregister

Dennoch hat der Arzt nunmehr die Möglichkeit, bei Zweifeln, ob der Vertretene von seinem Ehegatten vertreten werden möchte oder wenn Anhaltspunkte bestehen, dass einem Dritten eine Vorsorgevollmacht erteilt wurde, der Ehegatte aber auf seinem Notvertretungsrecht besteht, zu überprüfen, ob der Patient einen Widerspruch gegen die Vertretung durch seinen Ehegatten oder eine Vorsorgevollmacht, ggf. in Kombination mit einer Patienten- oder Betreuungsverfügung im Zentralen Vorsorgeregister eintragen hat lassen. Bisher konnte eine solche Einsicht nur durch das Betreuungsgericht vorgenommen werden (vgl. BT-Drucksache 19/24445, S. 182). Nun steht in diesen Fällen auch dem Arzt ein Auskunft- und Einsichtsrecht in das Register zu, soweit eine Auskunft für die Entscheidung über eine dringende medizinische Behandlung erforderlich ist (vgl. § 78b Abs. 1 S. 2 BNotO). Das Auskunft- und Einsichtsrecht ist somit auf Notfallsituationen beschränkt, in denen die Behandlung oder der Eingriff dringlich ist (vgl. BT-Drucksache 19/24445, S. 325).

Die Auskunft an die Ärzte erfolgt im Wege eines automatisierten Verfahrens auf Abruf. Dafür hat die Bundesnotarkammer zuvor mit der jeweiligen Landesärztekammer generell für solche Abfragen schriftlich Festlegungen zu den technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes und der Datensicherheit zu treffen (vgl. BT-Drucksache 19/24445, S. 325). Die Abfragen werden protokolliert. Die Landesärztekammern sind zur nachträglichen Überprüfung, ob die Voraussetzungen des § 78b Abs. 1 S. 2 BNotO vom ersuchenden Arzt eingehalten worden sind, berechtigt und können die Protokolle hierzu verwenden. Sollte ein Arzt Einsicht in das Zentrale Vorsorgeregister genommen haben, ohne dass diese Einsicht für die Entscheidung über eine medizinische Behandlung dringend erforderlich gewesen ist, wäre dies ein berufsrechtlicher Verstoß gegen die Pflichten zur gewissenhaften Berufsausübung, zur Entsprechung des entgegengebrachten Vertrauens und zur Einhaltung der berufsrechtlichen Vorschriften (vgl. §§ 2 Abs. 2 S. 1, Abs. 5 MBO-Ä). Dies könnte ein berufsrechtliches Verfahren nach sich ziehen, in dem die Protokolle zur Beweisführung verwendet werden können. Die Landesärztekammer hat ihr zur Verfügung gestellte Protokolle ein Jahr nach ihrem Eingang zu löschen, sofern die Protokolle nicht für weitere, bereits eingeleitete Prüfungen benötigt werden (vgl. BT-Drucksache 19/24445, S. 325, 326).

Dokumentationspflichten des Arztes

Bedauerlicherweise geht mit dem Notvertretungsrecht aber ein weiterer Verwaltungsaufwand für Ärzte einher. Denn nach § 1358 Abs. 4 BGB hat der Arzt im Zusammenhang mit der erstmaligen Ausübung des Vertretungsrechts dem vertretenden Ehegatten

1.Das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 und den Zeitpunkt, zu dem diese spätestens eingetreten sind, schriftlich zu bestätigen.

Es muss vom Arzt also bestätigt werden, dass aufgrund von Bewusstlosigkeit oder einer Krankheit der Patient seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen kann sowie der Zeitpunkt, zu dem die Erkrankung oder die Bewusstlosigkeit spätestens eingetreten sind. Zur Festlegung des Zeitpunkts kann sich der Arzt auf die Angaben des vertretenden Ehegatten stützen oder, falls solche fehlen, auf den Zeitpunkt der Klinikeinlieferung bzw. der Vorstellung beim Arzt (vgl. BT-Drucksache 19/24445, S. 183).

2.Dem vertretenden Ehegatten diese Bestätigung mit einer schriftlichen Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 und das Nichtvorliegen der Ausschlussgründe des Absatzes 3 vorzulegen.

Nachdem der Arzt die Voraussetzungen des Notvertretungsrechts und des Zeitpunkts ihres Eintritts festgestellt hat, muss der Ehegatte, der das Vertretungsrecht ausüben möchte, über die Ausschlussgründe nach Absatz 3 informiert werden. Hierzu ist ihm nach der Gesetzesbegründung ein Dokument vorzulegen, in dem neben der Bestätigung des Arztes die in der Regelung vorgesehenen Ausschlussgründe für das Ehegattenvertretungsrecht nach Absatz 3 dargelegt sind. Wünscht der Ehegatte deren Erläuterung, muss dem vom Arzt oder einem Verwaltungsmitarbeiter der Klinik nachgekommen werden (vgl. BT-Drucksache 19/24445, S. 183).

3.Sich von dem vertretenden Ehegatten schriftlich versichern zu lassen, dass

a)das Vertretungsrecht wegen der Bewusstlosigkeit oder Krankheit, aufgrund derer der Ehegatte seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen kann, bisher nicht ausgeübt wurde und

b)kein Ausschlussgrund des Absatzes 3 vorliegt.

Auf dem Dokument ist somit zudem die schriftliche Versicherung des Ehegatten erforderlich, dass weder ein Ausschlussgrund vorliegt noch das Notvertretungsrecht aufgrund der aktuellen Bewusstlosigkeit oder Krankheit schon ausgeübt wurde. Durch die Versicherung der erstmaligen Ausübung soll eine „kettenmäßige“ Ausübung bei länger andauernden oder chronischen Erkrankung verhindert werden. Nicht ausgeschlossen sein soll jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers eine mehrfache Notvertretung wegen zeitlich unabhängig voneinander eingetretener Krankheiten bzw. Bewusstlosigkeit, beispielsweise eines schweren Unfalls und eines zu einem späteren Zeitpunkt erlittenen Schlaganfalls (vgl. BT-Drucksache 19/24445, S. 183).

Dieses Dokument ist dem vertretenden Ehegatten für die weitere Ausübung des Notvertretungsrechts schließlich auszuhändigen. Ebenfalls sollte dies nach Ansicht des Verfassers zwingend in die Behandlungsdokumentation Einzug halten.

Das Bundesjustizministerium, die Bundesärztekammer und die Deutsche Krankenhausgesellschaft haben ein Muster-Dokument erstellt, das unter anderem HIER erhältlich ist.

Anforderungen an den Ehegatten bei Ausübung des Notvertretungsrechts

Nachdem § 1358 Abs. 6 BGB auf diverse Vorschriften zur Betreuung verweist, unterliegt der vertretende Ehegatte letztendlich bei der Ausübung des Vertretungsrechts den gleichen Vorgaben wie ein Vorsorgebevollmächtigter und ein gerichtlich bestellter Betreuer. Beispielhaft sind hier zu nennen, dass er die Angelegenheiten des vertretenden Ehegatten so zu besorgen hat, wie es dessen Wünschen entspricht oder, dass dem in einer wirksamen Patientenverfügung niedergelegten Willen des vertretenen Ehegatten Ausdruck und Geltung zu verschaffen ist, wenn die Festlegungen in der Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Ferner ist insbesondere auf § 1829 Absatz 1 bis 4 BGB hinzuweisen, der festlegt, unter welchen Voraussetzungen die Entscheidung des vertretenden Ehegatten eine Genehmigung des Betreuungsgerichts erfordert.

FAZIT

Nachdem in der Praxis die Erteilung einer Vorsorgevollmacht zu Gunsten des Ehegatten für Fälle einer plötzlichen Einwilligungsunfähigkeit bislang wohl zu wenig genutzt wurde, ist nach Meinung des Verfassers die gesetzliche Verankerung eines Ehegattennotvertretungsrechts sicherlich dem Grunde nach zu befürworten. Dies zum einen im Hinblick auf die dadurch grundsätzlich und zumindest zunächst entfallende Betreuerbestellung, was die Ärzteschaft zukünftig hoffentlich entlastet. Zum anderen auf die hiermit in der Regel verbundene Rechtssicherheit.

Dennoch bleiben auch hier Unwägbarkeiten für die Ärzte in der praktischen Anwendung im Einzelfall bestehen, vor allem durch die von den Gerichten zukünftig zu klärenden Auslegungsfragen.

Zudem ist auch fraglich, ob ein Arzt Konsequenzen zu befürchten hat, wenn sich beispielsweise der vertretende Ehegatte das Ehegattenvertretungsrecht durch falsche Angaben erschleicht oder eine Vorsorgevollmacht fälscht. Der Gesetzgeber vertritt hierzu jedenfalls klar die Auffassung, dass dem vertretenen Ehegatten in solchen Fällen keine Ansprüche gegen Dritte, wie Ärzte oder Krankenhaus zustehen und zwar unabhängig vom Gutglaubensschutz sowie, dass ein Arzt, der auf eine gefälschte Vollmacht vertraut, weder zivil- noch strafrechtliche Sanktionen befürchten muss (vgl. BT-Drucksache 19/24445, S. 480). Nach Auffassung des Verfassers kann dies unter allen rechtlichen und tatsächlichen Aspekten nur richtig sein. Gleichwohl wird man abwarten müssen, ob und wie sich ggf. die Gerichte hierzu positionieren werden. Bei Zweifeln des Arztes über die Vertretungsberechtigung wäre bis dahin nach Ansicht des Verfassers jedenfalls der rechtssicherste Weg die Anregung einer Betreuerbestellung.

Ebenso bleibt abzuwarten, ob der für Ärzte neu einhergehende Informations- und Dokumentationsaufwand für die Ausstellung der ärztlichen Bescheinigung, den die Gesetzesbegründung im Übrigen mit ca. 30 Minuten einschätzt, tatsächlich zu keinem Mehraufwand im Vergleich zu den ärztlichen Aufgaben bei Betreuerbestellung führen wird.

Heberer J: Das neue Ehegattennotvertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten. Passion Chirurgie. 2023 Mai; 13(05): Artikel 04_08.