Alle Artikel von Jörg-Andreas Rüggeberg

Berufspolitik Aktuell: Lauterbach und die Mär von der „doppelten Facharztschiene“

Endlich lässt der Wolf das Schafsfell fallen! Seit 30 Jahren prangert der jetzige Gesundheitsminister das in seinen Augen Grundübel des deutschen Gesundheitssystems an: die in seiner Ideologie überflüssige sogenannte „doppelte Facharztschiene“. Schon damals, noch als Bundestagsneuling, hat er diese These mit Billigung seiner Gesundheitsministerin Ulla Schmidt auf allen denkbaren Podien der Republik vertreten, was ihm den Spitznamen Karlchen Überall eingebracht hat. Ich selbst hatte mehrfach das zweifelhafte Vergnügen, mehr oder weniger höflich seine Argumente zu kontern. Immerhin wurde es um diesen vergifteten Begriff zwischenzeitlich ruhiger. Am Ende ist auch der Versuch gescheitert, mit einer geplanten Einführung eines hausärztlichen Primärarztmodells die Fachärzte zu reinen Auftragnehmern zu degradieren. Aber aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben.

Jetzt spricht Prof. Lauterbach wieder ganz offen über die von ihm so sehnlich gewünschte Eliminierung der freiberuflichen Fachärzte in eigenen Praxen. Laut Regierungsentwurf sollen die Krankenhäuser breit für die ambulante fachärztliche Versorgung geöffnet werden. Dabei übersieht der Minister, der zwar Arzt ist, aber abgesehen von ein paar publikumswirksamen Corona-Impfungen nicht in der realen Versorgung tätig war, dass es hierzulande überhaupt keine doppelte Facharztschiene gibt. Die Aufgaben der Klinikärzte sind absolut nicht vergleichbar mit denen in der ambulanten Praxis. Jede und jeder leistet in seinem Gebiet Großartiges, aber eben auch Verschiedenes. Während im Krankenhaus sehr viel intensiver und vor allem invasiver am einzelnen Patienten gearbeitet wird, decken die Niedergelassenen nahezu 90% aller Behandlungsfälle ab und betreuen ihre Patienten vor allem langfristig, teilweise lebenslang. Schon die schiere Menge an Patienten würde jede Klinik ins Chaos stürzen, jedenfalls mit der zur Verfügung stehenden Personaldecke. Nochmal: es soll keinen Wettbewerb um die Frage geben, wer die bessere Medizin abliefert. Die fachärztliche Versorgung in Deutschland ist miteinander und komplementär zu verstehen. Jeder Zug würde auf der Stelle entgleisen, würde man von dem Schienenpaar eine entfernen.

Noch ein weiterer Punkt verdient Aufmerksamkeit: Die Pläne des Gesundheitsministers sehen vor, die ambulante fachärztliche Medizin an die unter den Bedingungen der Krankenhausreform dem Untergang geweihten kleineren Krankenhäuser anzusiedeln, um diesen trotz allem ein Überleben zu sichern. Dagegen wird sich niemand aussprechen wollen, wenn denn weiterhin eine wohnortnahe Versorgung gewährleistet werden soll. Aber wie soll das gehen. Eine Praxis hat einen Flächenbedarf von durchschnittlich 180 qm, schon drei oder vier Disziplinen bräuchten ein neues Ärztehaus. Das lässt sich alles irgendwie realisieren, wenn die entsprechenden Finanzen zur Hand sind. Die könnten dann aus einem „Enteignungsfond“ kommen, denn die ambulanten Facharztpraxen, die ja offenbar zur Disposition gestellt werden, haben einen durchschnittlichen Verkehrswert von 300–500 TSD Euro. Sind die Praxen aufgrund des angedachten Strukturwandels plötzlich unverkäuflich, verschwindet ein deutlicher Milliardenbetrag im Nirwana und die Altersversorgung sehr vieler Fachärzte löst sich in Luft auf. Übrigens verliert auch der Staat die Steuereinnahmen aus Praxisverkäufen.

Es dürfte unstrittig sein, dass wir wesentlich mehr Ansätze einer sektorübergreifenden Versorgung brauchen. Das kann aber nicht erreicht werden, indem ein Sektor eliminiert wird. Am Ende braucht es vor allem die Ärztinnen und Ärzte, die die neuen Aufgaben im Interesse ihrer Patienten stemmen. Da wäre es schon hilfreich, deren Sachverstand einmal nachzufragen. Das geschieht aber ganz bewusst nicht

Rüggeberg JA: Lauterbach und die Mär von der „doppelten Facharztschiene“. Passion Chirurgie. 2024 Juni; 14(06): Artikel 05_03.

Ambulantes Operieren: Cui bono?

Zur Ausgabe 04/2024: Ambulantes Operieren im Zeitalter der Krankenhausreform

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

diese Ausgabe der Passion widmet sich (mal wieder) den Problemen des ambulanten Operierens. Nach Jahrzehnten strenger Abschottung zwischen der stationären und ambulanten Versorgungsebene ist tatsächlich mit Beginn des Jahres die sogenannte sektorengleiche Vergütung über den § 115f SGB V eingeführt worden. Allerdings war schon der Start geprägt von verbissenen Grabenkämpfen innerhalb der Selbstverwaltung. Angesichts der erheblichen Absenkung der Honorare gegenüber bisherigen stationären DRGs war abzusehen, dass die Kliniken durchaus nachvollziehbar nur ein sehr kleines Spektrum ambulantisierbarer Eingriffe vorgeschlagen haben, die Kassenärztliche Bundesvereinigung dagegen einen extrem umfangreichen Katalog abgeliefert hat. Da eine Einigung nicht möglich war, hat das Bundesministerium per Rechtsverordnung entschieden. Wie immer bei einem Kompromiss sind alle Beteiligten mit dem Ergebnis unzufrieden. Erschwerend kommt hinzu, dass es keine Regelungen zur konkreten Abrechnung der neuen H-DRG gab. Für die Kliniken haben sich Kassen und Krankenhausgesellschaft rasch geeinigt. Im Wesentlichen werden die neuen H-DRG in der bekannten an Krankenhäusern etablierten Struktur abgerechnet. Kein Wunder, denn die Kassen profitieren von der Absenkung der Vergütung und haben demnach ein Interesse an einer zügigen Umsetzung.

Ganz anders im niedergelassenen Bereich. Zwar gibt es seit Kurzem auch dort eine Vereinbarung zwischen KBV und GKV, die ist aber zu einer Monopolregelung für die Kassenärztlichen Vereinigungen verkommen. Die Kassen verweigern eine Abrechnung über Drittanbieter und wollen diese erst zum 01.01.2025 ermöglichen. (Am 31.12.2024 läuft die Rechtsverordnung übrigens aus!!) Natürlich hat die KBV ein Interesse daran, exklusiv tätig zu werden. Immerhin fließen Verwaltungskosten und vor allem bleibt der Zugriff auf die Patienten im KV-System.

Bleibt die Frage, wem nützt das alles? Profiteure einer Ambulantisierung sind primär die Kostenträger, denn die Reduktion stationärer DRG wird immer eine Einsparung nach sich ziehen, selbst wenn über die H-DRG die zu generierenden Erlöse meist (aber keinesfalls immer) etwas höher sind als in einer Abrechnung nach EBM. Die Kliniken können kein großes Interesse haben, sowohl aus finanzieller Sicht wie auch aus deren Selbstverständnis heraus, jedenfalls solange es nicht gelingt, das stationär wegfallende Spektrum am eigenen Haus in einer ambulanten Struktur zu etablieren. Auf die Probleme für die fachärztliche Weiterbildung haben wir schon mehrfach hingewiesen.

Auch im vertragsärztlichen Bereich ist das Interesse begrenzt, solange die Honorierung nicht kostendeckend ist. Insbesondere die aus der H-DRG selbst zu tragenden Kosten für Implantate und andere Sachmittel führen oft genug zu deutlichen Defiziten. Wieder einmal wird die gute Versorgung unserer Patienten unter ökonomischen Gesichtspunkten gefährdet.

Sie finden in dieser Ausgabe einige vertiefende Artikel. Im Übrigen wird uns das Thema mit Sicherheit auch während des Deutschen Chirurgiekongresses beschäftigen, zu dem ich Sie an dieser Stelle herzlich einladen darf.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre,
Ihr Jörg-Andreas Rüggeberg

Rüggeberg JA: Editorial: Cui bono? Passion Chirurgie. 2024 April; 14(04): Artikel 01.

Ambulantes Operieren – Wer will das eigentlich?

Kritische Gedanken zu einem Dauerthema

Das ambulante Operieren hinkt in Deutschland nach wie vor deutlich hinter vergleichbaren mitteleuropäischen Ländern hinterher. Die Patienten und die Krankheitsbilder unterscheiden sich im Grunde nicht, auch die ärztliche Qualifikation der operierenden Fächer ist nicht anders. Woran liegt es also, dass wir ambulantes Operieren nicht in größerem Umfang anbieten?

Es wäre zu einfach, dieses Manko nur auf die schlechte finanzielle Honorierung ambulanter Eingriffe zu schieben. Der Ruf nach mehr Geld kommt bei jeder Diskussion nahezu reflexartig aus den Vertretungen der sogenannten Leistungserbringer. Sowohl die Deutsche Krankenhausgesellschaft wie auch die diversen Organisationen im ambulanten Sektor sprechen hier dieselbe Sprache, meinen am Ende aber durchaus Verschiedenes.

Schon bei der Einführung eines eigenen Abrechnungskapitels im EBM war klar, dass die Vergütung bei realistischer Kalkulation nicht kostendeckend sein würde. Anfangs wurde dieses Problem noch verschärft durch floatende Punktwerte im Rahmen eines allgemeinen Budgets für Vertragsärzte. Die Herausnahme der ambulanten Operationen aus diesem Budget hat allerdings angesichts steigender inflationsbedingter Kosten und unveränderter Bewertung nur eine kurze Erholungspause bewirkt. Immerhin hat die Kassenseite eingesehen, dass ein Austrocknen letztlich nicht zielführend sein kann, und hat zusätzliche Mittel bereitgestellt. Ohne hier auf die Details einzugehen, bleibt festzustellen, dass Kleineingriffe ohne wesentlichen personellen und apparativen Aufwand bei optimierten Prozessen einigermaßen wirtschaftlich darstellbar sind, umfangreiche Eingriffe aber die Grenze der Unwirtschaftlichkeit erreichen bzw. überschreiten. Das gilt erst recht für ambulante Operationen im klinischen Setting. Dort ist der Aufwand aufgrund der komplexeren Strukturen oftmals deutlich größer und die Ertragssituation damit entsprechend schlechter. Da wundert es nicht, dass die Kliniken auf stationäre DRG ausweichen, die eine um ein Vielfaches höhere Vergütung auslösen. Auch die Gefahr unerfreulicher Prüfungen durch den Medizinischen Dienst schreckt nicht ab. Wenn es also keine Anreize gibt, Operationen aus der stationären Versorgung in die ambulante Leistungserbringung zu transferieren, muss man sich nicht wundern, dass in Deutschland die Quote von ambulanten Operationen vergleichbar niedrig ist.

Nun ist Geld zwar ein wichtiges, aber nicht das einzige Argument gegen die sogenannte Ambulantisierung. Man darf bei der Diskussion nicht die möglichen Auswirkungen auf die Weiterbildung außer Acht lassen. Eine große Zahl der prinzipiell ambulant durchführbaren Eingriffe sind eher kleinere bis mittlere Prozeduren, die typischerweise zu Beginn der Weiterbildung von Assistenzärztinnen und -ärzten geleistet werden. Wenn diese Operationen im ambulanten Sektor verschwinden, fehlen wichtige Inhalte der Weiterbildung nicht nur in der Chirurgie. Denn nach aktueller Gesetzeslage ist im ambulanten Bereich der Facharztstatus gefordert und nicht wie in der Klinik der Facharztstandard. Ohne eine Klärung dieses Problems wird es keine breite Ambulantisierung geben können. Wir im BDC fordern beständig eine Verbundweiterbildung ein, damit die jungen Chirurginnen und Chirurgen auch außerhalb der Heimatklinik ihre operativen Fähigkeiten erlernen können.

Ein zusätzliches, wenn auch lösbares Problem stellt das Management eines ambulanten OP-Betriebs dar. Im ambulanten Setting sind die Patienten nicht beliebig verfügbar, sondern müssen gezielt zum Termin einbestellt werden, ohne andererseits zu lange Wartezeiten zu verursachen. Der Eingriff selbst unterscheidet sich nicht von einer stationären Vorgehensweise, aber eine längere Überwachung gibt es nicht, weil die Patienten nach dem Eingriff mehr oder weniger zügig die Einheit verlassen und damit einer weiteren Kontrolle entzogen sind. In diesem Zusammenhang sind relevante medico-legale Konsequenzen zu befürchten, denn auch nach häuslicher Entlassung bleibt die operierende Einheit für den Verlauf verantwortlich. Aus diesem Grund wehrt sich der Berufsverband auch vehement gegen die Aufnahme von Appendektomien oder Cholezystektomien in den neuen Katalog der Hybrid-DRG der dann obligat ambulant zu erbringenden Eingriffe. Es ist unstrittig, dass diese Operationen im Einzelfall ambulant durchführbar sind, aber eine obligate Regelversorgung darf es nicht geben.

Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen, wer ambulantes Operieren eigentlich will, kann man konstatieren, dass die Kliniken kein großes Interesse haben können, sowohl aus finanzieller Sicht wie auch aus ihrem Selbstverständnis heraus, jedenfalls solange es nicht gelingt, das stationär wegfallende Spektrum am eigenen Haus in einer ambulanten Struktur zu etablieren. Auch im vertragsärztlichen Bereich ist das Interesse begrenzt, solange die Honorierung nicht kostendeckend ist.

Profiteure einer Ambulantisierung sind primär die Kostenträger, denn die Reduktion stationärer DRG wird immer eine Einsparung nach sich ziehen, selbst wenn über die H-DRG die zu generierenden Erlöse meist (aber keinesfalls immer) etwas höher sind als in einer Abrechnung nach EBM.

Interessant ist die Frage nach den Wünschen der Patienten. Umfragen zeigen eine allgemeine Präferenz für ein ambulantes Vorgehen. Im konkreten Einzelfall entscheiden sich die Menschen dann aber doch häufig für einen komfortablen Krankenhausaufenthalt. Angesichts zunehmender Tendenzen in Richtung eines staatlich regulierten Gesundheitssystems dürfte der Bevölkerung die Wahloption genommen werden, auch wenn kein Gesundheitspolitiker dies laut aussprechen wird. Denn jegliche Einschränkung von Gesundheitsdienstleitungen führt unweigerlich zur Abstrafung an der Wahlurne.

Wenn denn keiner so richtig möchte, wie erklärt sich dann der verbissene Kampf um die Ressource „Ambulante Operation“?

Die Kernursache liegt in unserem streng sektoral aufgeteilten System. Kliniken und Niedergelassene leben jeweils in einem gegeneinander abgeschotteten Käfig. Übrigens setzt sich diese sektorale Aufteilung auch in den Krankenkassen fort. Auch dort gibt es keine Durchlässigkeit in der Verwaltung der Geldmittel zwischen den Sektoren. Im Klartext bedeutet dies: Jede Verlagerung von A nach B führt auf der einen Seite zu zusätzlichen Einnahmen, auf der anderen Seite zu Verlusten. Dieses Denken betrifft paradoxerweise sogar defizitäre Leistungen! Es geht auch um Macht und Einfluss, insbesondere um den Zugriff auf die Patienten. Kassenärztliche Bundesvereinigung und Deutsche Krankenhausgesellschaft kämpfen um jeden Millimeter an der Sektorengrenze.

Auch wenn man sonst nicht viel Gutes über das Gesundheitsministerium sagen mag, so hat doch die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag eine sektorgleiche Vergütung beschlossen, die dann auch tatsächlich umgesetzt wurde. Der § 115f SGB V definiert Eingriffe, die im Rahmen neu festgelegter Hybrid-DRG zu festen Preisen vergütet werden, und zwar unabhängig vom Ort der Leistungserbringung. In der Anfangsphase handelt es sich noch um eine überschaubare Zahl meist kleinerer bis mittlerer Prozeduren, eine Erweiterung ist in Arbeit. H-DRG sind deutlich billiger als stationäre A-DRG, aber besser vergütet als Operationen nach § 115b über den EBM. Mittlerweile sind auch die Abrechnungsbedingungen vertraglich von der Selbstverwaltung geregelt. Krankenhäuser rechnen wie üblich ab, Vertragsärzte derzeit über die KV, weil eine Direktabrechnung mit den Kassen erst zum 01.01.2025 (dann läuft übrigens der § 115f aus!!) möglich ist. Es ist müßig, an dieser Stelle auf alle Details, handwerklichen Fehler und Widersprüche der Rechtsverordnung einzugehen. Die Umstellung der bisher durchaus differenzierten Kalkulation im EBM auf nunmehr einheitliche H-DRG führt dazu, dass Kleinsteingriffe sehr hoch, mittlere Eingriffe gering verbessert und größere Eingriffe unter EBM-Niveau vergütet werden. Da die Kassen erkennen lassen, dass sie eine Abrechnung nach EBM-alt nicht akzeptieren werden und Kliniken nicht mehr stationär abrechnen dürfen, wird es vermutlich in der Folge zu Minderangeboten bis hin zur Leistungsverweigerung kommen. Als Erschwernis kommt noch hinzu, dass Sachkosten wie z. B. Osteosynthesematerial, Herniennetze und Implantate in den H-DRG versenkt sind. Wirtschaftlich gesehen müsste dann der Shouldice genutzt werden.

Es steht außer Frage, dass ambulante Eingriffe unter Kostengesichtspunkten gefördert werden müssen, aber mit Augenmaß. Bedauerlicherweise fehlt es beim Verordnungsgeber eindeutig an fundiertem Sachverstand und eine Beratung beispielsweise durch Berufsverbände oder Fachgesellschaften wird kategorisch abgelehnt.

Verteilungskampf oder Kooperation?

Angesichts der neuen Herausforderung sollten wir alle einmal aus den Schützengräben heraustreten und uns der Frage stellen, welche Organisationsformen am besten geeignet wären, diese Aufgabe zu bewältigen. Wenn eigentlich alle bis auf geschickte Rosinenpicker nur verlieren, muss man Lösungen finden, gemeinsam vorzugehen. Da ist natürlich auf der einen Seite der gemeinsame Verband, der gegenüber Politik und Selbstverwaltung die Interessen aller vertritt. Aber im Grunde ist jeder Einzelne selber verantwortlich, zum Wohle der Patienten eine qualitativ hochwertige Versorgung darzustellen. Schon heute kann der einzeln in der Praxis tätige Chirurg nur gelegentliche Kleineingriffe wirtschaftlich darstellen. Unter ökonomischen Gesichtspunkten rentiert sich nur ein Betrieb mit hoher ganztägiger Auslastung zur Reduzierung des prozentualen Anteils der Allgemeinkosten. Das wiederum ist mit einem laufenden Praxisbetrieb nicht zu vereinbaren. Wie unsere Statistiken zeigen, beschreitet die Kollegenschaft in großem Umfang den Weg der Kooperation, entweder mit mehreren in einer Praxis oder unter Nutzung externer OP-Zentren. Das werden auch die Ökonomen an den Krankenhäusern erkennen und dafür sorgen, dass neu errichtete ambulante OP-Einheiten ganztägig ausgelastet werden. Wenn das aus der eigenen Klientel nicht gelingt, wird auch hier zwangsläufig eine Kooperation mit Dritten erforderlich werden. Das mag anfangs ungewohnt sein und mit Sicherheit zu Reibungsverlusten führen. Am Ende ist das dann aber der Schritt in die richtige Richtung, nämlich zu einer wahren sektorenüberwindenden Versorgung unserer letztlich gemeinsamen Patienten.

Rüggeberg JA: Ambulantes Operieren – Wer will das eigentlich? Passion Chirurgie. 2024 April; 14(04): Artikel 03_01.

Berufspolitik Aktuell: Chaos ohne Ende

Es wäre wirklich schön, im Rahmen der berufspolitischen Seite einmal etwas Positives oder Konstruktives melden zu können. Aber leider bleibt es weiter zum Verzweifeln. Die von allen gewollte und dringend erforderliche Krankenhausreform droht im Morast einer gegenseitigen Kompromisslosigkeit zwischen Bund und Ländern stecken zu bleiben. Der Minister versucht mit allerlei Tricks, über Nebenwege sein Transparenzgesetz am Bundesrat vorbei in eine Beschlussfassung zu lotsen, wird damit aber vermutlich nicht durchkommen. Dann wird es wohl auch keine Reform im Ganzen geben, es sei denn, in den nächsten Wochen schlägt irgendwer den gordischen Knoten durch. Aber wer sollte das schon sein angesichts des innerkoalitionären Stillstands?

Ein klassisches Beispiel ist in diesem Zusammenhang die Bauchlandung, die das Bundesgesundheitsministerium mit seiner Rechtsverordnung zu Hybrid-DRG erlitten hat. Noch Anfang Dezember war die Verordnung einigermaßen umsetzbar, bis dann der Justizminister wesentliche Passagen zur Abrechenbarkeit gestrichen hat. Übrig geblieben ist ein Torso, der nichts anderes beinhaltet als eine Liste von OPS-Ziffern und den dazugehörigen H-DRG. Kein Wort zu den Rahmenbedingungen wie insbesondere der Frage, wie das Ganze denn abgerechnet werden soll. Um es deutlich an dieser Stelle zu sagen: Wir wollen den Einstieg in eine sektorengleiche Vergütung und damit in eine Ambulantisierung, da, wo es auch medizinisch sinnvoll ist.

Der aktuelle Stand ist der, dass eine Option zwischen existierendem EBM und H-DRG nicht möglich ist. Zudem gibt es nach wie vor keine Einigung zwischen dem Spitzenverband der Krankenkassen und der KBV über die Abrechnungswege von H-DRG außerhalb des Krankenhauses. Heißt im Klartext: die Vertragsärzte hängen in der Luft. Für die Kliniken gibt es inzwischen eine Vereinbarung zwischen DKG und Kassen. Danach gilt hier der Datensatz nach § 301, der in den Häusern schon immer genutzt wird. Also an dieser Stelle läuft es, allerdings auch weiter mit dem Problem, dass Sachkosten, insbesondere Implantate, in der DRG miterfasst sind und nicht gesondert zur Abrechnung gebracht werden können. Das führt bei einer nicht unerheblichen Zahl von Eingriffen zu einer erheblichen finanziellen Unterdeckung. Wir hören von mehreren Einrichtungen, dass die Verwaltung deswegen entsprechende Leistungserbringungen untersagt.

Wir sind als BDC permanent im Austausch mit den Partnern der Selbstverwaltung, namentlich der KBV, müssen aber feststellen, dass hier wenig bis gar nichts vorangeht. Mag sein, dass bis zum Quartalsende doch noch eine Lösung gefunden wird, die wir natürlich umgehend kommunizieren werden. Aktuell muss man befürchten, dass der wohlgemeinte Ansatz einer sektorengleichen Vergütung von ambulanten Operationen an entscheidenden Details zu scheitern droht. Am Ende muss jedwede Leistung kostendeckend sein und darf schon gar nicht in ihrem Wert unter den sowieso schon schlecht dotierten EBM fallen. Das gilt ausdrücklich für alle und keinesfalls nur für den freiberuflichen Bereich.

Denn: H-DRG sind obligat und führen in jedem Fall zu einer Reduktion der Vergütung im stationären Bereich. Wir werden zusammen mit unseren Partnern die Problematik weiter und massiv thematisieren. Achten Sie auf unsere Mitteilungen, denn leider kann es sein, dass diese Zeilen bei Erscheinen der PASSION schon überholt sind.

Rüggeberg JA: Chaos ohne Ende. Passion Chirurgie. 2024 März; 14(03/I): Artikel 05_02.

Berufspolitik aktuell: Satire oder Absicht?

Kurz vor Weihnachten hat das Bundesministerium für Gesundheit praktisch ohne Vorlaufzeit die angekündigte Rechtsverordnung zur Einführung der sogenannten Hybrid-DRG zum 1. Januar in Kraft gesetzt. Im Gegensatz zu dem ersten Referentenentwurf vom 21.9.2023 ist diese von sechs auf zwei Paragraphen zusammengeschmolzen, nachdem zahlreiche Regelungen sich als nicht rechtskonform erwiesen haben.

Zur Vorgeschichte: Anfang 2023 wurde gesetzlich über den neuen § 115f SGB V beschlossen, bestimmte Operationen aus der stationären und kostenintensiven Vergütung herauszunehmen und stattdessen eine neue und preiswertere Vergütung durch Hybrid-DRG einzuführen. Im Klartext: Kliniken sollte verboten werden, bei diesen Eingriffen stationäre DRG abzurechnen. Ebenfalls per Gesetz sollte die Selbstverwaltung innerhalb kürzester Frist die Einzelheiten regeln, anderenfalls werde das Ministerium per Ersatzvornahme tätig. Die Frist war von vornherein absehbar zu kurz, als dass die Gremien von KBV, DKG und Kassen sich rechtzeitig hätten einigen können. Damit hat die Ministerialbürokratie sich selbst die Erlaubnis erteilt, in den Aufgabenbereich der Selbstverwaltung einzugreifen. Wie zu erwarten, ist dieser Versuch gescheitert, nachdem das Justizministerium routinemäßig die Verordnung geprüft und alles gestrichen hat, was die Regelungen zur Vergütung betrifft. Im Ergebnis musste das Gesundheitsministerium nun doch wieder die Selbstverwaltung beauftragen, die Einzelheiten auszuarbeiten. Es zeigt sich, dass man nicht mit Steinen auf andere werfen sollte, wenn man selber im Glashaus sitzt.

Man könnte diesen Vorgang nun als Realsatire mit einer gewissen Schadenfreude abtun, aber das wäre zu einfach. In der Rechtsverordnung steht nur sehr wenig, abgesehen von der Liste der OPS-Codes und der Preise für die die ersten freigeschalteten H-DRG sowie schon heute das Enddatum 31.12.2024. Allerdings wird verlangt, zertifizierte Groupersysteme zu nutzen und eine elektronische Datenübertragung an die Kassen zum Zwecke der Vergütung.

Während sich in Krankenhäusern abgesehen von einer Absenkung der Vergütung im Prinzip nichts ändert, da die geforderten Grouper- und Abrechnungssysteme dort vorhanden sind, ist das in freiberuflichen Einheiten, egal ob krankenhausgestütztes MVZ oder operative Fachpraxis anders. Im niedergelassenen Bereich sind weder Grouper noch die EDV für eine elektronische Direktabrechnung mit den Kassen installiert. Außerdem ist völlig unklar, wie die neuen DRG abgerechnet werden sollen, über die KVen oder Managementgesellschaften oder direkt mit den Kassen? Angesichts des üblichen Tempos in Verhandlungen der Selbstverwaltung, die das nun regeln soll, ist nicht absehbar, wie, wann und mit wem eine Vergütung vereinbart werden wird.

Steckt da eventuell Absicht dahinter? Will der Gesetzgeber die Freiberufler aus dem neuen System der H-DRG heraushalten, um letztlich den Einfluss des Staates auf die Versorgungsstrukturen zu verstärken? Denn diese Tendenz muss man aus der Erfahrung der letzten Jahre oder eigentlich Jahrzehnte unterstellen. Freie Unternehmer stören ein dirigistisches System. Außerdem fordert der aktuelle Gesundheitsminister seit mehr als 30 Jahren die Abschaffung der von ihm postulierten sogenannten „doppelten Facharztschiene“. Was liegt also näher, als ein paar zusätzliche Hürden aufzubauen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Rüggeberg JA: Satire oder Absicht? Passion Chirurgie. 2024 Januar/Februar; 14(01/02): Artikel 05_04.

Editorial 12/QIV 2023: Halb leer oder halb voll?

Zur Ausgabe 12/QIV/2023: Aus-, Weiter- und Fortbildung in der Chirurgie

Am Ende eines Jahres gehört es zu den üblichen Traditionen, Bilanz zu ziehen und das Vergangene zu bewerten. Und Sie kennen das: Der gleiche Sachverhalt wird oft unterschiedlich betrachtet, das Glas ist eben halb voll oder halb leer. Beides ist richtig, nur die Emotionen der Betrachter unterscheiden sich, hier der Pessimist, der einen Mangel beklagt, dort die Optimistin, die sich über das (noch) Vorhandene freut.

Das vergangene Jahr war geprägt von politischen Spannungen direkt vor unserer Haustür, die bis tief in unsere Gesellschaft hinein längst vergessen geglaubte Konflikte haben wiederaufleben lassen. Die wirtschaftliche Bedrohung durch hohe Inflationsraten und Energiepreissteigerungen hat jeden betroffen, ganz zu schweigen von den immanenten Auswirkungen des Klimawandels. Grund genug, eher düster auf das halb leere Glas zu blicken. Andererseits ist unsere Gesellschaft offenbar stabil genug, solche Friktionen zu überstehen, und das sollte dann doch hoffnungsfroh stimmen.

Auch im BDC und in Ihrem und unserem beruflichen Umfeld gibt es häufig unterschiedliche Wahrnehmungen. Manchmal auch nicht, wie bei der Weiterentwicklung der GOÄ; da ist das Glas für alle erkennbar völlig leer. Auch bei der Diskussion um die vollmundig als Revolution angekündigte Krankenhausreform gibt es nur sehr Wenige, die derzeit mehr als einen Bodensatz im Glas erkennen. Die Sorge um tiefgreifende belastende Veränderungen erscheint begründet, weil der Gesetzgeber offenbar nach wie vor kaum Wert legt auf fachkundige Beratung und die Pläne demzufolge eher in die Irre führen als tatsächlich die flächendeckende wohnortnahe Patientenversorgung zu verbessern. Gerade für die Chirurgie dürfte sich die Frage stellen, wer in Zukunft wo tätig sein kann und wie überhaupt die Weiterbildung zukünftiger Chirurg:innen-Generationen gewährleistet werden soll. Gerade deshalb setzt sich auch die gemeinsame Weiterbildungskommission der chirurgischen Berufsverbände und Fachgesellschaften intensiv für eine zeitgemäße Weiterbildungsordnung ein.

Damit kommen wir wieder zu dem Bild des Glases und seines Füllungszustands. Wir registrieren sehr wohl, dass die Arbeit des BDC und seiner Mitarbeiter durchaus kritisch betrachtet wird. Für viele wirkt es so, als geschehe nichts, weil nur vereinzelt Erfolge erkennbar sind, zumindest nicht die gewünschten. Aus unserer Sicht stellt sich das verständlicherweise anders dar. Darum ist es hilfreich, das Bild des Glases um eine dynamische Komponente zu erweitern. Wasser fließt hinein oder hinaus oder auch hindurch. Sie können davon ausgehen, dass niemand, vor allem nicht die entsprechenden politischen Gremien, unser Glas freiwillig füllen wird, nur, weil wir das einfordern. Unsere Aufgabe besteht vielmehr darin, den Korken am Einlassventil aufzubohren und mehr noch, die Leckagen auf der Ausflussseite zu stopfen. Dann kann es durchaus als Erfolg gewertet werden, wenn der Pegelstand zumindest nicht sinkt, auch wenn das diejenigen, die nur das halb leere Glas sehen, nicht zufriedenstellen wird.

In jedem Fall bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung, die Aufgaben der nächsten und auch der ferneren Zukunft zu bewältigen. Unser Dank gilt all denjenigen, die sich persönlich daran beteiligen, sei es durch aktive Mitarbeit in den Gremien, durch uns gegenüber zur Kenntnis gebrachte Kritik und Anregungen oder auch durch Verbreitung der BDC-Botschaften in Ihrem jeweiligen Umfeld. Wir werden auch weiter Ihre Interessen wahrnehmen, schon allein, weil es auch unsere eigenen sind.

Um das zu erreichen, brauchen wir einen starken Verband, der allein durch seine Größe und Mitgliederzahl die erforderliche Wahrnehmung erzielt, um unsere und vor allem Ihre Interessen zu platzieren. Bitte überlegen Sie sich daher, ob der BDC nicht eigentlich Ihre berufspolitische Heimat lebenslang sein müsste und begrenzen Sie Ihre Mitgliedschaft nicht nur auf Zeiten, in denen Sie die unmittelbaren Vorteile durch Versicherung, Fortbildung, Rechtsberatung etc. in Anspruch nehmen können.

Wir wünschen Ihnen unabhängig von einer spannenden Lektüre dieser Ausgabe der PASSION ein friedvolles und ruhiges Weihnachtsfest und für das neue Jahr privat und beruflich nur das Beste, vor allem aber Frieden und Gesundheit.

Rüggeberg JA, Kalbe P, Meyer HJ: Editorial – Halb leer oder halb voll? Passion Chirurgie. 2023 Dezember; 13(12): Artikel 01.

Berufspolitik Aktuell: Es geht immer noch schlimmer als angenommen

Immer wenn man glaubt, das Ende der Fahnenstange sei erreicht, wird die Latte noch mal höher gelegt. Während Bundesregierung und Länder noch um die Endfassung eines KrankenHausVersorgungsVerbesserungsGesetzes (KHVVG) ringen mit aktuell schwer abschätzbarem Ergebnis für die klinische Versorgungslandschaft, hat der Bundesminister jetzt die angedrohte Ersatzvornahme zur vorher schon gesetzlich beschlossenen Ambulantisierung herausgebracht. Es handelt sich dabei um eine Rechtsverordnung, die keine Zustimmung durch Bundestag oder Bundesrat benötigt und demnach so wie der Entwurf derzeit formuliert ist umgesetzt werden kann.

Ob und inwieweit die von den Beteiligten vorgebrachten Bedenken und Vorschläge Eingang finden, ist fraglich. Natürlich beteiligt sich auch der BDC an dieser Diskussion. Folgende Punkte seien Ihrer Aufmerksamkeit empfohlen: Der vorgesehene Katalog an OPS-Prozeduren ist in der ersten Stufe beginnend mit dem 1.1.2024 noch durchaus überschaubar und umfasst neben urologischen und gynäkologischen Eingriffen für die Chirurgie die gesamte Hernienchirurgie, bestimmte Vorfußeingriffe und einzelne proktologische Operationen. In einer nächsten Stufe sollen arthroskopische Prozeduren und die Metallentfernungen folgen.

Problematisch sind die Regelungen im Einzelnen. Der Hauptpunkt ist natürlich erwartungsgemäß die Dotierung der neuen Hybrid-DRGs. Die Systematik folgt ziemlich exakt der InEK-Kalkulation für die bisherigen stationären DRGs, allerdings mit einem wesentlichen Abschlag, der nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist und offenbar auch einen ministeriellen Rabatt enthält, gern auch als Lauterbach-Faktor benannt. Sobald die abschließenden Tabellen vorliegen, werden wir Sie informieren.

Bestandteil der Kalkulation soll der gesamte Bereich der Sachkosten und insbesondere der Implantate sein. Das wird nicht finanzierbar sein, weder für die Kliniken noch für den ambulanten Bereich. Auch ist die Verteilung der an dann nur an einer Stelle anfallenden Gesamtsumme auf die verschiedenen Leistungserbringer nicht geregelt. Weiterhin führt die Zusammenführung stark differenter OPS-Prozeduren in eine einheitliche DRG zu erheblichen Verschiebungen der relativen Vergütungen, im Klartext: Kleineingriffe werden aufgewertet, größere Operationen sind nicht mehr kostendeckend.

Wesentlich ist die Laufzeit der Hybrid-DRG, die ja alle Leistungen und Kosten in dieser Zeit subsummiert. Während das Ende offenbar unstrittig mit dem Abschluss der unmittelbaren postoperativen Überwachung festgelegt ist, soll die H-DRG nach der aktuellen Formulierung mit der Indikationsstellung beginnen. Das könnte nicht nur theoretisch Monate vor dem Eingriff liegen. Hier muss zwingend nachgebessert werden.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Zuordnung der zu verwendenden DRG an die Nutzung eines zertifizierten Groupers geknüpft wird. Für Kliniken kein Problem, im niedergelassenen Bereich gibt es diese Software aber nicht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ganz abgesehen von den Zusatzkosten beim Erwerb eines Groupers bedeutet das eine weitere Bürokratievermehrung und steht im Widerspruch zu allen Beteuerungen, einen Bürokratieabbau vornehmen zu wollen.

Immerhin gibt es eine Wahloption, anstelle der Hybrid-DRG weiter im EBM-System abzurechnen, das aber bekanntlich ebenso unterfinanziert ist. Es wird jeder überlegen müssen, ob er die mäßig besser dotierte Pauschale nutzt oder nicht zuletzt wegen der Sach- und Implantatkosten den EBM vorzieht und sowohl auf den teuren Grouper verzichtet als vor allem die genannten Zusatzkosten über KV oder Kassen refinanziert.

Wir werden alle oben genannten Punkte im BMG schriftlich reklamieren. Ob das hilft, steht in den Sternen oder deutlicher formuliert in der Beliebigkeit des Ministeriums.

Rüggeberg JA: Es geht immer noch schlimmer als angenommen. Passion Chirurgie. 2023 Oktober; 13(11): Artikel 05_02.

Hybrid DRGs: BDC-Webinar zu Umsetzungen, Abrechnungsmodalitäten und Handlungsoptionen 13.11.2023

Hybrid DRGs – jetzt schon die Umsetzungen, Abrechnungsmodalitäten und Handlungsoptionen verstehen! 13.11.2023 19 Uhr.

Das BDC-Webinar wird über die konkreten Umsetzungen, Handlungsoptionen und Abrechnungsmodalitäten informieren, auch wenn der vorliegende Referentenentwurf noch eine ganze Reihe von Unklarheiten aufweist. Umso wichtiger ist es, die Interpretationen des Gesetzestextes zu kennen und optimal einzusetzen.

Das Webinar richtet sich sowohl an Kliniker, die zukünftig verpflichtet sind, die Patientenbehandlung und Abrechnung der oben genannten Indikationen zu den Bedingungen des neuen §115f SGB V zu erbringen, als auch an Niedergelassene, die eine Wahlmöglichkeit zwischen neuer Welt und bestehendem EBM haben.

Hintergrund

Am 1.1.2024 beginnt nach der Ersatzvornahme durch das Bundesministerium für Gesundheit die neue Welt der Hybrid-DRGs, im Bereich der Chirurgie zunächst mit Hernien, Proktologie und Vorfußchirurgie. Weitere Indikationen werden folgen.
Hier gehts zur Webinar-Anmeldung: Hybrid-DRGs

Berufspolitik Aktuell: Ersteinschätzungsrichtlinie des G-BA für Notfallpatienten vom BMG beanstandet

Das Bundeskabinett hat das Krankenhaustransparenzgesetz beschlossen. Es muss aber noch vom Parlament verabschiedet werden und angesichts des Widerstands vor allem aus den Ländern ist mit zahlreichen Änderungen zu rechnen. Nach aktuellem Stand soll das Transparenzverzeichnis der Bevölkerung Informationen bieten: Fallzahlen von Leistungen (differenziert nach 65 Leistungsgruppen), vorgehaltenes ärztliches und pflegerisches Personal, personelle Ausstattung im Verhältnis zum Leistungsumfang, Komplikationsraten für ausgewählte Eingriffe, Zuordnung der einzelnen Krankenhausstandorte zu Versorgungsstufen (Level). Zwar behauptet das BMG, die Veröffentlichung durch das BMG habe keine Auswirkungen auf die Krankenhausplanung der Länder und die Krankenhausvergütung. Das mag allenfalls formal so sein, in der Praxis bedeutet das nichts anderes als ein Ranking der Kliniken im Sinne eines staatlichen Bewertungsportals im Stile von „jameda“ und anderen. Die Auswirkungen werden am Ende zu einem „kalten“ Kliniksterben führen.

Zwei Tage vor Ablauf der Frist hat das Bundesministerium für Gesundheit die intensiv diskutierte Ersteinschätzungsrichtlinie für Notfälle des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) als Aufsicht beanstandet. Somit kann die Richtlinie für ein standardisiertes und qualifiziertes Ersteinschätzungsverfahren nicht wie vorgesehen kommendes Jahr in Kraft treten.

Das BMG kritisiert vor allem:

  • Die Kategorisierung des G-BA von Notfällen in drei „Dringlichkeitsstufen“ sowie das dafür anzuwendende, aber noch nicht vorhandene System eines „qualifizierten und standardisierten Verfahrens“ zur Einschätzung. Dieses liege beim Start der Richtlinie zum 1. Juni 2024 noch nicht vor, Kliniken könnten sich bis dahin auf keine Vorgaben verlassen. Etabliert seien bisher die validierten Triagesysteme zur Behandlungspriorisierung, „nicht jedoch Verfahren, welche weiter in ‚Dringlichkeitsgruppen‘ differenzieren.“
  • Auch sei unklar, wie die Dringlichkeitsgruppen vergütet werden, dies schaffe Unsicherheiten. Das BMG kritisiert die Einschätzung, dass Krankenhäuser bis zur Einführung eines Ersteinschätzungsinstrumentes einen Probebetrieb nutzen sollen – sowie die vage Aussage, dass der G-BA zum 1. März 2025 ein solches Instrument erwartet.
  • Ebenso als rechtswidrig bewertet das BMG, dass die Ersteinschätzung auch für die Menschen gelten sollte, die mit dem Rettungsdienst in ein Krankenhaus gebracht werden, und nicht nur für die, die selbst das Krankenhaus aufsuchen.
  • Als ebenfalls rechtswidrig stuft das BMG die räumlichen Vorgaben des G-BA ein, eine Zentrale Notaufnahme zu errichten. Es stehe laut Gesetz den Krankenhäusern frei, an der Notfallversorgung nach dem gestuften System von Notfallstrukturen des G-BA teilzunehmen.
  • Deutliche Kritik auch an der geplanten Vorgabe, dass Menschen, die mit ihrem Anliegen in die künftige Dringlichkeitsstufe 1 eingruppiert werden, „grundsätzlich auch an ein Medizinisches Versorgungszentrum in Trägerschaft des Krankenhauses weitergeleitet werden müssen“.

Nach wie vor bleibt damit die Organisation der Notfallversorgung eine Dauerbaustelle, sehr zum Ärger der Beteiligten KBV und DKG. Im Kern beanstandet das BMG die Richtlinie wohl deshalb, weil sie den Plänen einer Krankenhausreform eine offenbar nicht gewünschte Richtung geben würde.

Zum Schluss noch ein Wort zu den jüngsten Honorarabschlüssen zwischen KBV und GKV-Spitzenverband: Die vereinbarte Steigerung (nur unter Anrufung des Schiedsamts) bedeutet mit knapp 4 % Plus eine Anpassung auf dem Niveau der Klinikärzte, aber natürlich bei Weitem nicht einen Ausgleich der inflationsbedingten Kostensteigerung. Die Proteste einiger Ärzteorganisationen haben nicht lange auf sich warten lassen. Im Grunde das sattsam bekannte Spiel. Protest immer gern, aber aktive Gegenmaßnahmen scheitern an der nicht ausreichend vorhandenen Solidarität.

Rüggeberg JA: Ersteinschätzungsrichtlinie für Notfälle vom G-BA beanstandet. Passion Chirurgie. 2023 Oktober; 13(10): Artikel 05_02.

©BÄK

Kontinuität in Zeiten des Wandels

Der Deutsche Ärztetag hat am 18. Mai 2023 den bisherigen Präsidenten Dr. Reinhardt in seinem Amt bestätigt. Ebenfalls wurde Frau Dr. Lundershausen als Vizepräsidentin wiedergewählt. Neu in das Führungstrio wurde Frau Dr. Johna vom Marburger Bund aufgenommen. Als weitere Vorstandsmitglieder – neben den kraft Amtes gesetzten Präsident:innen der Landesärztekammern – wurden Dr. Botzlar, Chirurg aus München, und Frau Neumann-Grutzek, Präsidentin des BDI, gewählt. Auch wenn im Vorfeld alle ihren Willen zur gemeinsamen und einheitlichen Vertretung der Ärzteschaft betont haben, spiegelt das Wahlverhalten dennoch eine gewisse Kluft zwischen der gewerkschaftlichen Vertretung der Krankenhausärzte durch den Marburger Bund und den übrigen Freiberuflern wider. Gleichwohl ist es ein gutes Signal, dass die Bundesärztekammer (BÄK) in ihrer personellen Zusammensetzung weitgehend unverändert in eine erneute Legislaturperiode eintritt und damit gegenüber der Politik Kontinuität garantiert.

Das dürfte umso wichtiger sein, als in den Eröffnungsreden des Ärztetages die drei Protagonisten sehr unterschiedliche Positionen vertreten haben. Der Gesundheitsminister von NRW, Karl Josef Laumann, stellte seine in NRW bereits anlaufende Krankenhausreform vor, die im Gegensatz zum Modell des Bundesministeriums (BMG) zwar ebenfalls in der Versorgung gestufte Kliniken vorsieht, aber dennoch eine in seinen Worten „akzeptable“ Erreichbarkeit verlangt. Der Präsident der BÄK hat dies unterstützt und im Übrigen vor allem auf die gute Versorgung der Bevölkerung jetzt und in Zukunft verwiesen. Mit sehr deutlichen Worten und ohne unnötige Schärfe hat er die zwingend erforderliche Beteiligung der Ärzteschaft an den Reformvorhaben eingefordert.

Bundesminister Lauterbach präsentierte sich dagegen eher fahrig und in seinen Aussagen vage. Bemerkenswerterweise ist er auf die Themen Cannabis-Legalisierung und vor allem die GOÄ überhaupt nicht eingegangen, bei dem Punkt Digitalisierung ist bezeichnenderweise die Saaltechnik ausgefallen. Man kann wohl davon ausgehen, dass sich die Länder unter Führung von Herrn Laumann in der Frage der Krankenhausreform gegen das BMG durchsetzen werden. Geplant ist ein erster konkreter Entwurf voraussichtlich im Juni. Dann wird man sehen, welche Auswirkungen dies auf die konkrete Versorgungslandschaft haben wird. Neu ist neben den drei bekannten Leveln I-III jetzt auch eine Stufe F für spezialisierte Fachkliniken. Dazu sollen dann auch Bundeswehr- und BG-Kliniken gehören, obwohl diese durchaus ein breites Spektrum versorgen.

Ein weiterer Punkt, der ebenfalls bis Ende Juni an die Öffentlichkeit gebracht werden soll, ist die Ersatzvornahme des BMG zur sogenannten Ambulantisierung. Nachdem sich bekanntermaßen die drei Vertragspartner KBV, DKG und Spitzenverband Bund der Krankenkassen nicht auf einen gemeinsamen Katalog, weder zu Art, noch zu Umfang und erst recht nicht zu den Preisen geeinigt haben, muss jetzt das BMG entscheiden. Es liegen dort unterschiedliche „Wunschlisten“ vor, unter anderem auch vom BDC. Bei aller Spekulation dürfte es relativ sicher sein, dass der Bereich der Hernienchirurgie in die Systematik der Hybrid-DRGs aufgenommen werden wird. Völlig unklar bleibt das zugrunde zu legende Kalkulationsmodell, vermutlich wird das BMG damit das INEK und das INBA beauftragen.

Sowohl die Krankenhausreform wie auch die Ambulantisierung werden erhebliche Auswirkungen auf die Weiterbildung haben. Der BDC wird weiterhin auf diesen Punkt hinweisen und entsprechende Lösungen einfordern.

Rüggeberg JA: Kontinuität in Zeiten des Wandels. Passion Chirurgie. 2023 Juni; 13(06): Artikel 05_02.