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Zur Bedeutung der Berufspolitik in Orthopädie und Unfallchirurgie

In der Vertretung des Faches Orthopädie und Unfallchirurgie sind neben den wissenschaftlichen Fachgesellschaften die Berufsverbände mit ihren jeweiligen Interessenlagen von Bedeutung. Während die wissenschaftlichen Fachgesellschaften die Weiterentwicklung des Gebietes und die Darstellung der Leistungsfähigkeit auf nationaler und internationaler Ebene im Fokus haben, kommt den Berufsverbänden die Rolle der Vertretung der im Gesundheitswesen Tätigen zum Wohle der von ihnen versorgten Patientinnen und Patienten zu. Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen unterhält hierzu mannigfaltige Strukturen. Das höchste Gremium zur Unterstützung des Vorstandes stellt das Präsidium/Erweiterte Präsidium dar. Hier erfolgt der Austausch zwischen den Fachvertretern sämtlicher chirurgischer Disziplinen. Es handelt sich bei dem Erweiterten Präsidium somit um die einzige Struktur in der Berufspolitik, in der die Fachvertreter der gesamten chirurgischen Disziplinen den Austausch pflegen können und die spezifischen Probleme der einzelnen Fachgebiete zur Sprache kommen können. Hervorgegangen aus der Arbeit des Erweiterten Präsidiums ist die Gemeinsame BG-Kommission, in der sich neben den Repräsentanten der Deutschen Gesellschaft für Unfallversicherung die niedergelassenen Durchgangsärzte, Vertreter der berufsgenossenschaftlichen Heilanstalten und des Verbandes leitender Orthopäden und Unfallchirurgen Deutschlands e. V. zur Weiterentwicklung des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens an mindestens zwei Terminen pro Jahr treffen. Wie überall nehmen auch hier Fragen der Qualitätssicherung einen zunehmenden Raum ein. Die Steuerung dieser Verfahren erfolgt in konsentierter Weise und legt Zeugnis ab über die Kooperationswilligkeit aller Beteiligten in dieser Kommission.

Der Verband leitender Orthopäden und Unfallchirurgen Deutschlands e. V. (VLOU) ist entstanden aus der im Nachgang zur Novellierung der Weiterbildungsordnung und der damit erfolgten Schaffung des gemeinsamen Gebietes Orthopädie und Unfallchirurgie notwendigen und auch zeitnah durchgeführten Fusion des Verbandes leitender Orthopäden und des Verbandes leitender Unfallchirurgen. Der VLOU besteht aus neun Regionalverbänden (VLOU Bayern e. V., VLOU Hamburg/Schleswig-Holstein e. V., VLOU Hessen e. V., VLOU Mitte-West e. V., VLOU Nord e. V., VLOU Nordost e. V., VLOU Sachsen e. V., VLOU Süd-West e. V., VLOU Thüringen e. V.). Die Regionalverbände bieten den Vorteil, dass die dortigen Mandatsträger unmittelbaren Zugang zu den wesentlichen Organen der Ärzteschaft (Ärztekammer) und den entsprechend des föderalistischen Prinzips zuständigen politischen Gruppierungen haben. Die Regionalverbände veranstalten eigenständig zweimal pro Jahr Sitzungen für ihre Mitglieder, in denen die berufspolitischen Belange und die strategische Ausrichtung in unserem Fach von Bedeutung sind.

Der übergeordnete Verband leitender Orthopäden und Unfallchirurgen Deutschlands e. V. richtet den bundesweiten VLOU-Workshop aus. Dieser zunächst von VLO und VLU gemeinsam veranstaltete Workshop geht ursprünglich auf die Initiative des VLO zurück und diente während der in Frankfurt durchgeführten Veranstaltung als Forum der gemeinsamen Sacharbeit und des vertieften Kennenlernens. Am 20. und 21. Januar 2017 fand der nunmehr 16. Workshop wiederum in Frankfurt statt. Die Planung sieht eine alternierende Ausrichtung in Berlin und Frankfurt in der Zukunft vor.

Das VLOU-Forum ist mittlerweile fester Bestandteil der Jahrestagung der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden und Unfallchirurgen in Baden-Baden und wird sich in diesem Jahr am 28. April 2017 mit aktuellen berufspolitischen Themen beschäftigen.

Der wesentliche Fokus der Berufspolitik in Orthopädie und Unfallchirurgie in der Zukunft wird sich – aus Sicht der schneidenden Fächer – mit der inakzeptablen Verordnung zu den Arbeitszeiten beschäftigen müssen. Hier ist dringender Handlungsbedarf geboten. Eine sinnvoll strukturierte Weiterbildung ist unter den gegebenen Rahmenbedingungen, die ursprünglich nicht für die Medizin konzipiert worden sind, schlechterdings unmöglich. Die sich jetzt schon abzeichnende Verschiebung der Weiterbildungsinteressen der Medizinstudenten droht mit einer Unterversorgung von Ärzten in schneidenden Fächern einherzugehen. Dies ist u. a. eine Funktion der Auswahlkriterien für das Medizinstudium, denn die hier geforderten und geförderten Interessenlagen sind nicht zwingend deckungsgleich mit den Anforderungen der operativen Medizin. Trotz mannigfaltiger Bekenntnisse zu einer notwendigen Überarbeitung des Ansatzes, Medizinstudenten im Wesentlichen nach der Abiturnote auszusuchen, wird in Deutschland ähnlich wie in Großbritannien das Auswahlverfahren mehr und mehr an die Universitäten verlagert, da die von den Abiturienten mittlerweile erreichten Durchschnittsnoten als alleiniges Kriterium zur sinnvollen Auswahl nicht geeignet erscheinen. Trotz mannigfaltiger Bekenntnisse und Willensäußerungen aus Politik und verfasster Ärzteschaft ist hier keinesfalls zu erkennen, dass eine Berücksichtigung der besonderen Interessenlage der operativen Fächer ins Auge gefasst worden ist.

Berufspolitisch von großer Bedeutung wird der sich abzeichnende und in Zukunft verschärfende Wandel in der Altersstruktur unserer Patienten sein. Hier droht eine Rationierung, deren Ausgestaltung durch politische Gremien die Ärzteschaft nicht hinnehmen darf. Es gilt grundsätzlich das Prinzip, dass nur Ärzte Medizin verstehen und zum Wohle der ihnen anvertrauten Patienten umsetzen können. Jeder Eingriff der Politik in dieses Hoheitsrecht der Ärzteschaft ist mit Nachdruck abzulehnen.

Trotz einer in allen Kliniken evidenten Unterfinanzierung der Notaufnahmen werden gerade im Bereich von Orthopädie und Unfallchirurgie Strukturen vorgehalten, deren Ziel die sichere Versorgung von Unfallverletzten und Schwerunfallverletzten in Deutschland ist. Die Forderung nach Bereitstellung entsprechender Mittel für leistungsfähige Notaufnahmen muss mit aller Deutlichkeit erhoben werden, um diese Strukturen nicht wegbrechen zu lassen und die Versorgung sicherzustellen. Dies gilt auch im Hinblick auf Massenanfälle von Unfallverletzten wie in Paris, Nizza oder auch Berlin. Hier fehlt ein klares Bekenntnis der Politik und der Kostenträger, die Bereitstellung der Ressourcen an 365 Tagen im Jahr entsprechend zu honorieren.

Die wichtige Rolle der wissenschaftlichen Fachgesellschaften bedarf im Bereich der Berufspolitik einer starken Partnerschaft mit den in Orthopädie und Unfallchirurgie erfolgreich tätigen Organisationen wie BDC, BVU und VLOU. Die besonderen Interessenlagen der niedergelassenen Ärzte, die operativ tätig sind, muss ebenfalls in diesen Strukturen Berücksichtigung finden, um die Stabilität der Versorgung trotz des altersbedingten Ausscheidens von niedergelassenen aber auch Krankenhauschirurgen in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht zu einer gefährlichen Versorgungslücke werden zu lassen. Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) hat bereits 2012 eine Mitteilung unter dem Titel „112 – und niemand hilft“ verfasst und auf den drohenden massiven Personalmangel im Gesundheitswesen hingewiesen. Unter der Annahme, dass nur das derzeitige Versorgungsniveau aufrechterhalten wird, bleiben nach dieser Studie im Jahre 2020 (somit in weniger als drei Jahren) rund 33.000 Arztvollzeitstellen unbesetzt, 2030 sind bereits 76.000 Vollzeitstellen vakant. Dies entspricht im Bundesdurchschnitt 23,7 % der Stellen. Insgesamt fehlen somit zum Jahre 2030 laut Studie 109.000 Ärzte. Ein ähnliches Bild findet sich im Pflegebereich. Nach der o. g. Studie werden im Jahre 2020 212.000, im Jahre 2030 328.000 Pflegekräfte fehlen. Im Fokus der Politik stehen lediglich Maßnahmen, welche die angeblich kostentreibende Nachfrage nach ärztlichen oder pflegerischen Leistungen reduzieren soll. Eine Unterstützung der im Gesundheitswesen Tätigen ist vonseiten der Politik nicht zu erkennen. Die heute in Deutschland nachgefragte Qualität wird aufgrund des sich abzeichnenden katastrophalen Personalmangels nicht zu halten sein. Eine weitere Reduzierung von Betten etwa im Bereich von Orthopädie und Unfallchirurgie würde diese Situation in fataler Weise verschärfen und den Versorgungsnotstand in naher Zukunft als wahrscheinlich erscheinen lassen. Nur der Schulterschluss der wissenschaftlichen Fachgesellschaften mit den erfolgreich berufspolitisch tätigen Organisationen wird es erreichen, der schneidenden Medizin im Dialog mit den politischen Entscheidungsträgern Gewicht zu verschaffen. In dieser Richtung müssen die Aktivitäten gebündelt werden, um unser Fach nicht der Attraktivität zu berauben und die Versorgung der Patienten sicherzustellen.

Pennig D. Zur Bedeutung der Berufspolitik in Orthopädie und Unfallchirurgie. Passion Chirurgie. 2017 April, 7(04): Artikel 05_01.

Wandel des unfallchirurgischen Patientengutes in einer alternden Bevölkerung

Die Veränderung der Altersstrukturen unserer Patienten im demographischen Wandel ist in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich in das Bewusstsein der behandelnden Ärzte getreten, nicht aber in das Bewusstsein der Politik. Der jüngst zu Ende gegangene Demographiegipfel in Berlin konstatiert zwar eine ständig älter werdende Gesellschaft mit einer Lebenserwartung der Männer von 77 Jahren und der Frauen von 82 Jahren, die Politik beschäftigt sich aber ausschließlich mit der Wohlstandssicherung dieser älteren Generation. Die immer teurer werdende medizinische Versorgung wird von der Politik jedoch nicht bewertet, da sie grundsätzlich das Zeitfenster einer Legislaturperiode weit überschreitet. Von der Politik aufgegriffene Themen wie Rentensicherung, altersgerechtes Wohnen und Versorgung ländlicher Räume vernachlässigen vollkommen die notwendigen finanziellen und logistischen Voraussetzungen der Behandlung und operativen Versorgung älterer verunfallter Patienten.

Weiterhin verliert die Politik aus den Augen, dass zur Versorgung der weiter steigenden Zahl betagter und hochbetagter Patienten eine relativ immer geringer werdende Zahl von Ärzten und Pflegekräften bereitsteht.

Umfeld und Status des verunfallten Patienten

Der gesellschaftliche Wandel betrifft auch die familiären Strukturen mit einem Aufbrechen üblicher Familienverbände. Wir werden in der Zukunft vermehrt mit alleinlebenden und alleinstehenden verunfallten Patienten zu tun haben, bei denen die Betreuungssituation oft nicht geklärt ist. Auch das Vorliegen von Patientenverfügungen tritt ohne unterstützende Angehörige, die sich dem älteren Menschen familiär verbunden und verpflichtet fühlen, in den Hintergrund. Der Anteil in Seniorenwohnheimen lebender Patienten wird – wie schon in den letzten Jahren zu beobachten – weiter steigen. Die Rolle des mitpflegenden Angehörigen, sofern er denn überhaupt vorhanden ist, wird im Rahmen der Versorgung der Patienten weiter in den Hintergrund treten.

Der Anteil von Patienten mit relevanten Co-Morbiditäten wird weiter zunehmen. Nicht nur die stetig steigende Zahl demenzkranker Patienten, sondern auch die immer komplexere medikamentöse Therapie älterer Patienten ist hier zu berücksichtigen. Der regelhafte Einsatz blutverdünnender Medikamente ist schon jetzt ein wesentlicher Faktor in der Versorgung dieser Patienten bzw. in Bezug auf die Zeitverzögerung zwischen Eintreten des Unfallereignisses und der operativen Maßnahme. Aus anästhesiologischer Sicht kommen eine Reihe von Herausforderungen auf die operative und post-operative Versorgung dieser Patienten hinzu, die sich aus den immer komplexeren Krankheitsbildern, die im Rahmen des Älterwerdens auftreten, erklären lassen. Zerebrale Ereignisse als Ursache des Unfalles sind ebenfalls mit höherer Inzidenz zu beobachten und beeinflussen neben der operativen Versorgung auch das zu erreichende Ergebnis.

Besonderheiten in der operativen Versorgung betagter und hochbetagter Patienten

Das selbstgesteckte Ziel der Versorgung unfallchirurgischer Patienten ist es, den Patienten möglichst in den gleichen Zustand zu versetzen wie vor dem Unfallereignis. Dass dies nicht durchgängig zu lösen sein wird, versteht sich von selbst. Einhergehend mit einem Nachlassen der kognitiven Fähigkeiten ist eine eingeschränkte Compliance, welche die strategischen Überlegungen zur operativen Stabilisierung von Frakturen nachhaltig beeinflusst. Der betagte und hochbetagte Patient wird regelhaft eher nicht in der Lage sein, die Anweisungen und Verordnungen zur post-operativen und späteren Weiterbehandlung umzusetzen.

Hinsichtlich der operativen Versorgung fällt in den hierzu vorliegenden Studien ins Auge, dass die Reoperationsrate bei betagten und hochbetagten Patienten im Vergleich zu einer jüngeren Population deutlich erhöht ist. Kutcha-Lissberg et al. konnten zeigen, dass in einer retrospektiven Analyse von Patienten mit einem Durchschnittsalter von 83,4 Jahren die gesamte Reoperationsrate bei 10 Prozent lag (946 behandelte Frakturen). Bei 3,1 Prozent handelte es sich um Weichteilrevisionen bei Infektionen, 2 Prozent benötigten eine Revision auf Grund eines Implantatversagens und einer tiefen Infektion, bei 5,2 Prozent der Patienten war die Reoperation indiziert auf Grund eines Implantatversagens alleine.

Ali et al. betrachteten das Osteosyntheseversagen bei Tibiaplateaufrakturen. Die von den Autoren analysierten Faktoren betrafen das Alter, den Verletzungsmechanismus, die Frakturart, die Knochenqualität, die Ausdehnung der Trümmerzone, die initiale Dislokation der Fragmente, den Zeitabstand zwischen Unfallereignis und Versorgung, die Operationszeit, die Osteosynthesemethoden und die Mobilisation. Die Autoren konnten darstellen, dass das radiologisch nachweisbare Osteosyntheseversagen, wie Schraubenwanderung, Perforationen und Nachsintern von Frakturen, deutlich höher war als in zuvor publizierten Studien. Bei betagten und hochbetagten Patienten war das Osteosyntheseversagen unakzeptabel hoch. Während 7 Prozent der jüngeren Patienten ein Versagen der Osteosynthese zu beklagen hatten, war es bei 79 Prozent der Patienten über 60 Jahre der Fall. Als auslösende Faktoren wird von den Autoren neben der Knochenqualität (Osteoporose) auch die mangelnde Compliance mit zu früher und nicht autorisierter Teilbelastung und Belastung angeführt.

Bei Mehrfachverletzungen der älteren Population im Sinne von Polytraumatisierung war bereits im Jahre 1992 statistisch festgehalten worden, dass bei einer Gesamtzahl von 20.084 Todesfällen als Unfallfolge 51,4 Prozent dieser Patienten älter waren als 65 Jahre.

Besonderheiten in der Versorgungsstrategie

Die zur Anwendung kommenden Osteosyntheseverfahren müssen im Wesentlichen zwei Aspekte berücksichtigen. Zum einen ist die Compliance der Patienten oft eingeschränkt, so dass Verfahren, die auf deren Vorhandensein abstellen, weniger geeignet erscheinen. Zum zweiten müssen die Osteosyntheseverfahren in Bezug auf ihre Eignung für den osteoporotischen Knochen überprüft werden. Dementsprechend ist beispielsweise trotz des geringeren operativen Traumas die Dreifachverschraubung der Schenkelhalsfraktur des betagten und hochbetagten Patienten nur dann sinnvoll, wenn eine entsprechende sofort belastbare Situation erzielt werden kann. Als Alternative ist die Versorgung mittels Duokopfprothese zu erwägen, die unter Berücksichtigung der Prothesenluxation naturgemäß auch unter dem Aspekt der Compliance zu bewerten ist. Intramedulläre Osteosyntheseverfahren sind, sofern von der Fraktursituation her durchführbar, mit Vorteilen gegenüber den extramedullären Stabilisierungstechniken belegt. Die operative Versorgung muss ebenfalls berücksichtigen, dass ein nicht unerhebliches Risiko des erneuten Sturzes besteht. Bei der Konstruktion von Implantaten bedarf es der Anstrengung der orthopädisch-unfallchirurgischen Industrie, eine Augmentation des osteoporotischen Knochens bereitzustellen, welche die Haltefestigkeit der uns zur Verfügung stehenden Osteosyntheseverfahren verbessert. Hier sind Bestrebungen der Industrie zu verzeichnen, ein Durchbruch ist jedoch bislang nicht zu konstatieren. Hinsichtlich der Abwägung operativ vs. konservativ bedarf es der Berücksichtigung, dass die Patienten bei konservativer Behandlung dennoch eine gewisse Gebrauchsfähigkeit ihrer insbesondere oberen Gliedmaßen benötigen, um eine vorhandene Selbständigkeit oder Restselbständigkeit zu erhalten. Auch der betagte und hochbetagte Patient hat ein Recht auf eine Versorgung, die eine Gebrauchsfähigkeit beispielsweise der Hände nach der im Alter häufigen distalen Radiusfraktur herbeiführt. Ein therapeutischer Nihilismus darf im Rahmen der unfallchirurgischen Versorgung keinesfalls zum Tragen kommen.

Nach- und Weiterbehandlung im Rahmen der geriatrischen Versorgung

Die Versorgung betagter und hochbetagter Patienten fordert eine frühzeitige Planung und den Einsatz einer geriatrischen Nachbehandlung bis hin zur geriatrischen Komplexbehandlung. Hierzu sind Organisationsformen in den versorgenden Kliniken zu schaffen, die einen engen Kontakt zwischen den geriatrischen Abteilungen und den im Rahmen der Akutversorgung tätigen Ärzten sichern. Auch nach Verlegung der Patienten in eine geriatrische Weiterbehandlung ist die regelmäßige Visitation des unfallchirurgisch operierten oder versorgten Patienten durch unsere Facharztgruppe erforderlich. Der Geriater wird auf Grund seiner Weiterbildung kaum in der Lage sein, ohne Unterstützung durch die operativ tätigen Kliniker die Nachbehandlung zu strukturieren und zu beaufsichtigen. Die operativ tätige Klinik muss ein Interesse haben, auch über die Verlegung in die geriatrische Weiterbehandlung hinaus, den Behandlungserfolg zu sichern und die Entwicklung von Komplikationen zu vermeiden bzw. diese frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren.

Wer versorgt in Zukunft die betagten und hochbetagten Patienten?

Der Anteil der über 65-jährigen in Deutschland nimmt stetig zu. Mit 65 Jahren treten aber auch die meisten der im Gesundheitswesen tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ruhestand. Bereits jetzt ist zu erkennen, dass 2020 ein erheblicher Mangel an chirurgisch tätigen Ärzten im niedergelassenen Krankenhausbereich auftreten wird. Diese Entwicklung wird von der Politik in keinster Weise gewürdigt. Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) hat am 05.10.2012 in einer Mitteilung unter dem Titel „112 – und niemand hilft“ auf den drohenden massiven Personalmangel im Gesundheitswesen hingewiesen. Unter der Prämisse, dass wir nur das derzeitige Versorgungsniveau in Deutschland aufrechterhalten, bleiben nach dieser Studie im Jahre 2020 rd. 33.000 Arzt-Vollzeitstellen unbesetzt, 2030 sind bereits 76.000 Vollzeitstellen vakant. Dies entspricht einem Bundesdurchschnitt von 23,7 Prozent der Stellen. Insgesamt fehlen somit bis zum Jahre 2030 laut Studie 109.000 Ärzte.

Ärzte sind auf die Unterstützung kompetenter Pflegekräfte angewiesen. Auch der Pflegenotstand wird sich weiter verschärfen. Im Jahre 2020 fehlen nach dieser Studie bereits 212.000 Pflegekräfte, im Jahre 2030 328.000 Pflegekräfte. Zu dieser bedrohlichen Gesamtsituation gesellt sich die Notwendigkeit, entsprechende stationäre Betten vorzuhalten. Der Abbau von Bettenkapazitäten im unfallchirurgisch-orthopädischen Bereich würde eine fatale Situation schaffen, die uns die Reaktion auf die zunehmende Zahl unfallverletzter betagter und hochbetagter Patienten nicht mehr ermöglicht.

Die Politik initiiert lediglich Maßnahmen, welche die Nachfrage nach ärztlichen oder pflegerischen Leistungen reduzieren soll. Eine Unterstützung der im Gesundheitswesen Tätigen ist vonseiten der Politik keinesfalls zu erkennen. Die heute gewohnte Qualität wird auf Grund des sich abzeichnenden Personalmangels keinesfalls zu halten sein. Eine Reduzierung der Betten im Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie würde diese Situation in fataler Weise verschärfen und einen Versorgungsnotstand heraufbeschwören.

Literatur

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[6] Heck S, Gick S, Rabiner R, Pennig D. Neue Strategie in der Alterstraumatologie? Intramedulläre Stabilisierung durch ein photodynamisches Polymer – Erste klinische Erfahrungen am Humerus, 29./31. März 2012 – Kongress Osteologie – Basel, Schweiz

[7] Kutscha-Lissberg F, Kollig E, Keller M, Muhr G (2000) Frakturbehandlung im hohen Alter. Der Orthopäde Vol. 29, Nr. 4:274-280

Pennig D. Wandel des unfallchirurgischen Patientengutes in einer alternden Bevölkerung. Passion Chirurgie. 2012 Dezember; 2(12): Artikel 02_05.

Zukunftspläne – Referat Unfallchirurgie/Orthopädie

Die besonderen Herausforderungen des Referates Unfallchirurgie/Orthopädie bestehen im weiteren Zusammenwachsen der beiden ursprünglich eigenständigen Bereiche zu der bedeutenden Versorgungsstruktur Orthopädie und Unfallchirurgie. Besonderes Augenmerk wird in der Zukunft die Zusammenarbeit der Berufsverbände erfahren. Ziel ist hier der enge Schulterschluss zur Schaffung schlagkräftiger berufspolitischer Strukturen.

Die Nachwuchsförderung und die besondere Beachtung der Ärztinnen im Bereich der Unfallchirurgie und Orthopädie sind ebenfalls von großer Bedeutung. An den Krankenhäusern sind Strukturen zu schaffen, die es gut ausgebildeten Fachärzten ermöglichen, eine befriedigende Tätigkeit mit einer lebenslangen beruflichen Perspektive zu erhalten.