25.01.2019 Politik
Arztzeit: knappe und wertvolle Ressource
Die Herausforderung ist klar: Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Fachkräftemangels in Praxen, Kliniken und der Kranken- und Altenpflege muss die Versorgung der Patienten effizient organisiert werden. Das gilt erst recht für die knapper werdende Arztzeit. Der Gesetzgeber ist angetreten, um mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) mehr Zeit für Patienten zu schaffen. So sollen die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten mehr und schnellere Termine zur Verfügung stellen. Doch mit dem derzeitig vorliegenden Entwurf wird genau das Gegenteil erreicht, zeigt sich der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) überzeugt. Eine drei Meter lange Arztzeituhr macht bildlich die Entwicklung deutlich: Die Zeit läuft langsam zwar, aber stetig ab.
„Der Gesetzentwurf in seiner derzeitigen Fassung macht durch massive Eingriffe in Praxisabläufe die Rahmenbedingungen für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen immer unattraktiver“, erläuterte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV. „Betroffen davon sind vor allem die selbständig tätigen Ärzte in eigener Praxis, die ohnehin im Schnitt 52 Wochenstunden arbeiten. Um das aber auch klarzustellen: Die angestellten Ärzte leisten eine medizinisch hervorragende Arbeit, aber ihr zeitliches Wirken ist logischerweise durch Arbeitsverträge auf maximal 40 Stunden begrenzt“, führte Gassen aus. Das TSVG verknappe noch einmal künstlich die zur Verfügung stehende Arztzeit, auch durch zusätzliche Bürokratie. „Es wird im schlimmsten Fall dazu führen, dass sich insbesondere ältere Kolleginnen und Kollegen früher als geplant aus der Versorgung zurückziehen“, warnte der KBV-Chef.
Um auf die sinkende Arztzeit aufmerksam zu machen, präsentierte die KBV eine digitale Stundenanzeige, die minütlich sichtbar zurückgeht. „Mit diesem rückwärtslaufenden Countdown wollen wir ein Signal setzen. Rein rechnerisch verschwinden mit jeder Minute insgesamt 474 Arztzeitminuten“, erläuterte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, den Funktionsmechanismus der Uhr. Faktoren wie ein steigender Trend zur Anstellung sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielten eine wichtige Rolle. „Diese gesellschaftlichen Trends machen auch vor den jungen Medizinerinnen und Medizinern nicht halt. Wir müssen alles dafür tun, ihnen attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen. Und das funktioniert mit dem Gesetzentwurf des TSVG in der derzeitigen Form nicht“, sagte er.
Im Rahmen der Diskussion um das TSVG trat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vergangene Woche in den Dialog mit Ärzten und Psychotherapeuten und signalisierte Gesprächsbereitschaft.
Bei dieser Gelegenheit hatte der Minister nochmals verdeutlicht, dass die Digitalisierung kommen werde. Hierbei wird die KBV sich einbringen. „Die Ärzte stehen der Digitalisierung offen gegenüber. Sie muss für die Praxen aber mit einem Nutzen verbunden sein. Deshalb legen wir Wert beispielsweise auf Schnittstellen, die in allen Programmen einheitlich genutzt werden. Auch klare Aufgabenteilungen sind wichtig, wie wir sie gemeinsam mit anderen Playern in Form von Letters of Intent vereinbart haben“, erklärte Dr. Thomas Kriedel, Vorstandsmitglied der KBV. „Doch Digitalisierung allein kann das Problem der zurückgehenden Arztzeit nicht lösen und den Mangel an Ärzten nicht auffangen“, sagte Kriedel.
Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, www.kbv.de, Praxisnachrichten, 23.01.2019
Weitere Artikel zum Thema
09.08.2017 Aus- & Weiterbildung
AWMF fordert: Nachwuchs braucht mehr als einen Masterplan fürs Medizinstudium
Die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) e. V. fordert im Vorfeld der anstehenden Bundestagswahl in einem Positionspapier den medizinischen Nachwuchs in Ausbildung, Weiterbildung und Karriere besser zu unterstützen. Ohne ausreichend viele und wissenschaftlich gut ausgebildete Ärzte mit attraktiven Berufschancen könne es weder medizinischen Fortschritt, noch eine qualitativ hochwertige Versorgung aller Bürger geben.
04.08.2017 Politik
Arzteinkommen steigen langsamer als Reallöhne
Der Jahresüberschuss in den Arztpraxen ist im Jahr 2015 zwar leicht gestiegen, blieb aber hinter der allgemeinen Reallohnentwicklung zurück. Das zeigen Ergebnisse des Zi-Praxis-Panels, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung heute veröffentlicht hat.
03.08.2017 Krankenhaus
Länder müssen bedarfsgerechte Krankenhausversorgung sicherstellen
„Der Strukturfonds wird das Investitionsproblem nicht lösen können. Im schlechtesten Fall werden Kapazitäten nur deshalb abgebaut, um notwendigen Investitionen aus dem Weg zu gehen. Dabei gibt es zweifellos auch strukturelle Probleme in der Krankenhausversorgung.
01.08.2017 Krankenhaus
Hygieneprogramm: Krankenkassen unterstützen Kliniken
Die gesetzlichen Krankenkassen haben die Ausstattung von Kliniken mit Hygienepersonal mit insgesamt 225 Millionen Euro finanziert, weist ein aktueller Bericht des GKV-Spitzenverbandes aus. Grundlage für diese zusätzlichen Gelder, die seit 2013 neben den von den Krankenkassen zu finanzierenden Betriebskosten fließen, ist das noch bis 2023 laufende Hygienesonderprogramm
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.