01.02.2019 Aus- & Weiterbildung
Angehende Ärztinnen und Ärzte wissen, was sie wollen – Familie und Beruf vereinbaren
Im Rahmen des „Berufsmonitorings Medizinstudierende“ gaben gut 13.000 Nachwuchsmediziner an, was sie von ihrer beruflichen Zukunft und den Arbeitsbedingungen erwarten. Ein wichtiger Faktor: die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Über 50 Prozent können sich vorstellen, sich niederzulassen, knapp die Hälfte kann das noch nicht.
Berlin, 30. Januar 2019 – 95 Prozent der befragten Studierenden nannten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als entscheidenden Faktor für die Wahl ihres späteren Arbeitsplatzes. In eigener Praxis wären gerne 53,5 Prozent tätig. Der Trend geht allerdings eher zur Gemeinschaftspraxis (50,6 Prozent) und weg von der Einzelpraxis. Nur 4,7 Prozent würden sich ausschließlich für Letztere entscheiden. 42,6 Prozent können sich immerhin beides vorstellen. Die Allgemeinmedizin und damit eine spätere hausärztliche Tätigkeit haben an Attraktivität gewonnen. 42,5 Prozent der Befragten können sich eine Niederlassung als Hausärztin oder Hausarzt vorstellen, das sind mehr als in den Vorjahren.
„Wichtig für junge Ärztinnen und Ärzte ist und bleibt der Wunsch nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Daraus ergeben sich auch Erwartungen an die Arbeitsbedingungen – Arbeitszeiten sollen idealerweise geregelt, aber gleichzeitig flexibel sein“, griff Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), ein Ergebnis der Befragung auf. „Das sind nachvollziehbare Wünsche, von denen ein Großteil der Befragten allerdings annimmt, dass sie mit einer selbständigen Tätigkeit in der ambulanten Versorgung nicht vereinbar seien. Das ist jedoch falsch!“, so Gassen weiter.
„Viele der angehenden Ärzte setzen die Niederlassung immer noch eins zu eins mit der selbstständig geführten Einzelpraxis gleich. Dieses Bild ist jedoch längst überholt. Der ambulante Sektor bietet alle Optionen, welche die Studierenden sich für ihre berufliche Zukunft wünschen. Ob Anstellung, Job-Sharing, Einzel- oder Gemeinschaftspraxis, Stadt oder Land, lokal oder standortübergreifend – kein anderer Bereich bietet so viele Möglichkeiten für Ärzte, sich beruflich zu verwirklichen und gleichzeitig ihre privaten Bedürfnisse, je nach Lebensabschnitt, zu berücksichtigen. Keine Art der Berufsausübung ist inhaltlich und gestalterisch freier als die Selbständigkeit. Das zu vermitteln, darin liegt die große Herausforderung“, betonte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Stephan Hofmeister. Die KBV betreibt hierzu beispielsweise die Website www.lass-dich-nieder.de, die Studierende und bereits approbierte Ärzte über alle Facetten der Niederlassung informiert. Die Website wird zurzeit überarbeitet, um noch stärker auf die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe einzugehen.
„Am Beispiel der gestiegenen Attraktivität der Allgemeinmedizin lässt sich erkennen, dass Initiativen wie der Ausbau der ambulanten Weiterbildung, aber auch ein frühzeitiger und besserer Einblick in das Hausarzt-Dasein Früchte tragen. Das sollte uns als Vorbild dienen, die Aus- und Weiterbildung in der Medizin auch im fachärztlichen Bereich weiter zu ambulantisieren“, ergänzte Hofmeister.
„Wir haben es mit einer selbstbewussten Generation zu tun, die weiß, was sie möchte und die freie Wahl hat, wo und wie sie arbeiten will“, sagte KBV-Chef Gassen. „Wichtig ist aber auch: Unser ambulantes System funktioniert nicht ohne die selbstständigen Ärzte in eigener Praxis – schon gar nicht, solange die Politik den Versicherten ein unbegrenztes Leistungsversprechen macht“, so Gassen weiter. Deshalb sei sie gut beraten, den Nachwuchs nicht mit immer neuen gesetzlichen Vorgaben zusätzlich von einer Niederlassung abzuschrecken: „Die inhabergeführte Praxis darf kein Auslaufmodell werden“, betonte Gassen.
Die befragten Studierenden gaben an, dass vor allem die Bürokratie in der Praxis (62,3 Prozent) sowie das hohe finanzielle Risiko (57,4 Prozent) sie von einer Niederlassung abhalten würden. Auch die Angst vor Regressforderungen ist nach wie vor ein wichtiger Faktor (46,7 Prozent).
„Die erfreuliche Trendwende im Interesse an der Allgemeinmedizin zeigt, dass sich das Engagement und die Bereitschaft zur Veränderung lohnen. Primär chirurgische Fachgebiete müssen schnellstmöglich die gelebte und vermittelte Arbeitskultur und die Arbeitsbedingungen überdenken, um den starken Attraktivitätsverlust abzupuffern. Der massive Interessensverlust an der Chirurgie verdeutlicht, dass die von der Politik gelebte Praxis der quantitativen Aufwertung von Fachgebieten im Medizinstudium in keinster Weise ein Erfolgsgarant für mehr ärztliche Versorgung darstellt“, so Peter Jan Chabiera, Vizepräsident 2018 der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd).
Zum Thema Digitalisierung ergibt die Befragung ein geschlossenes Bild. Verbesserungen erhoffen sich die Studierenden demnach bei der Diagnose, Arbeitsorganisation und Behandlung. Sie befürchten jedoch eine Verschlechterung der Arzt-Patienten-Kommunikation und im Vertrauensverhältnis. „Die Studie hat auch gezeigt, dass Studierende sich hinsichtlich der Digitalisierung der medizinischen Versorgung bisher wenig auf die Zukunft vorbereitet fühlen. Der Medizinische Fakultätentag (MFT) hat bereits bei der Veröffentlichung des Masterplans Medizinstudium 2020 darauf hingewiesen, dass das Thema Digitalisierung im Masterplan von der Politik bedauerlicherweise keine Beachtung gefunden hat. Bei der Weiterentwicklung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs in der Medizin (NKLM) wird das Thema daher in Bezug auf alle Rollen, die ein Arzt zukünftig einnehmen wird, Eingang finden“, kommentierte Dr. Frank Wissing, Generalsekretär des MFT.
Ein weiteres Ergebnis des Berufsmonitorings zeigt: Die Akzeptanz für die Delegation von ärztlichen Aufgaben an entsprechend qualifizierte Arztassistenten, Pflegekräfte oder Medizinische Fachangestellte ist im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen (um 17,6 Prozentpunkte). „Die interprofessionelle Versorgung wird zentraler Bestandteil der Versorgung der Zukunft sein. Wir sehen die dringende Notwendigkeit, diese Diskussionen gemeinsam bereits früh zu beginnen. Daher muss die interprofessionelle Ausbildung bereits integraler Bestandteil des Medizinstudiums sein“, kommentierte Jana Aulenkamp, Präsidentin 2018 der bvmd.
Das Berufsmonitoring Medizinstudierende ist eine bundesweite Online-Befragung, welche die Universität Trier seit 2010 alle vier Jahre im Auftrag der KBV in Kooperation mit dem MFT und der bvmd durchführt. „Das Berufsmonitoring hat sich als viel beachteter Standard zur Dauerbeobachtung der Wünsche, Bewertungen und Erwartungen des ärztlichen Nachwuchses etabliert“, so Prof. Rüdiger Jacob, Akademischer Direktor im Fach Soziologie der Universität Trier. Die aktuelle, dritte Befragung fand von Mitte Juni bis Mitte Juli 2018 statt. Angaben machten gut 13.000 Befragte, was rund 15 Prozent aller Medizinstudierenden entspricht.
Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, www.kbv.de, 30.01.2019
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