01.03.2017 Fachübergreifend
Akademie aktuell: Wenn Mediziner in die Mühlen der Medien geraten
Im Ruhrgebiet kommt ein Baby mit schweren Missbildungen zur Welt und die Mutter verklagt die Frauenärztin laut BILD auf 1,3 Mio. Euro. In einer Klinik im Oberbergischen Kreis wird eine Frau statt an der Schulter am Knie operiert – Panorama macht eine reißerische Story daraus. Der Operateur muss gehen. Der Stern attestiert jedem zehnten deutschen Krankenhaus zum Teil schwere Behandlungsfehler und Hygienemängel. Jörg Lauterberg vom AOK-Bundesverband rechnet im FOCUS vor, dass in Deutschland mit über 17.500 Patienten jährlich mehr Menschen an Behandlungsfehlern sterben, als im Straßenverkehr.
Immer häufiger geraten Mediziner in die Mühlen der Medien. Und das vielleicht Schlimmste dabei: Fast alle Mediziner sind sich sicher, dass ihnen dies nicht passieren könnte, und reagieren deshalb im Fall der Fälle völlig unvorbereitet. Als Folge riskiert so mancher dabei sogar seine berufliche Existenz.
Aber wo hat diese fatale Haltung ihren Ursprung? Der schlichte Grund liegt in einer völligen Fehleinschätzung des Medieninteresses seitens der Mediziner: Denn während diese nach wie vor glauben, nur der „Supergau“ in Sachen Behandlungsfehler tauge als Zeitungs-Aufmacher oder TV-Reportage, können sich die Medien das Warten darauf gar nicht leisten. Allein 1.500 Tageszeitungen in Deutschland mit einer Auflage von fast
30 Millionen Exemplaren brauchen täglich „Stoff“. In TV-Magazinen und deren Internet-Ablegern wollen weitere Millionen von Zuschauern und Lesern unterhalten werden. Und weil negative Medizinstorys im Boulevardbereich Auflagen und Einschaltquoten in die Höhe schnellen lassen, geraten Ärzte selbst mit kleinsten Beratungs- oder Behandlungsfehlern und manchmal sogar unverschuldet zwischen die Fronten dieses Medienkriegs – und damit in die Schlagzeilen.
Da wird der verspätete Hausbesuch zur „unterlassenen Hilfeleistung“, der wegen Überfüllung des Wartezimmers abgewiesene Patient zum „Willküropfer“ oder das falsch dosiert eingenommene Medikament zum Beweis eines sträflichen Mangels bei der medizinischen Aufklärung.
Von allen Disziplinen stehen dabei Chirurgen in vorderster Front bei den Medien-Attacken. Da wird dann auch schon mal eine Operation, obwohl lege artis ausgeführt, von skrupellosen Anwälten als Ärztepfusch verunglimpft, um ein möglichst hohes Schmerzensgeld zu erzielen. Und dazu spannen sie noch die Medien mit „geschönten“ Fakten vor ihren Karren – leider oft mit Erfolg, weil der Arzt weder darauf vorbereitet ist, geschweige denn seine Rechte gegenüber den Medien kennt.
Dass der Chirurg von der Schiedsstelle oder einem ordentlichen Gericht später komplett entlastet wird, ist in vielen Fällen am Ende nur ein halber Sieg, wenn sein guter Ruf und seine Reputation dabei beschädigt wurden. Im schlimmsten Fall gewinnt der Mediziner juristisch, verliert aber seine berufliche Existenz.
Für den Fall der Fälle sollte also jeder Mediziner vorbereitet sein, denn sonst verliert er unter Garantie.
Gemeinsam mit dem BVOU bietet Ihnen der BDC daher zweimal im Jahr ein Seminar zu diesem wichtigen Thema an: „Medizinische Krisenkommunikation unter juristischen und medialen Aspekten“.
Holger Münsinger, Jurist und Ex-Chefredakteur der BILD-Zeitung Berlin, macht Sie dabei gemeinsam mit unserem Justitiar Dr. Jörg Heberer fit für den Krisenfall.
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