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Den neuesten Versuch, die Novelle der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) voranzubringen, startete am 128. Deutschen Ärztetag BÄK-Präsident Klaus Reinhardt. In seiner Eröffnungsrede im Mai in Mainz appellierte er erneut an Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach, die GOÄ endlich anzugehen: „Geben Sie heute, hier und jetzt, das Startsignal für die Novelle der GOÄ, dann sind wir an Ihrer Seite“, so Reinhardt.

Reinhardt griff eine Aussage von Professor Jürgen Wasem auf, der als Sachverständiger im April in einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages gesprochen hatte und forderte: „Sie können und müssen dieses Staatsversagen beenden.“ Es sei mehr als nur ein bisschen schräg, dass der Verordnungsgeber seine Arbeit nicht erledige.

Unterdes arbeiten die Bundesärztekammer (BÄK) und der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) weiter intensiv an der Finalisierung der neuen Gebührenordnung für Ärzte. BÄK und PKV hätten gemeinsam ein modernes Leistungsverzeichnis erarbeitet. Dieses Verzeichnis bilde den medizinischen Fortschritt ab und beende das Missverhältnis zwischen zuwendungsorientierter und technischer Medizin, das sich über die Jahre entwickelt habe, so Reinhardt. Auch „bei den Bewertungen und dem finanziellen Gesamtrahmen“ habe man „den Weg zu einer Einigung gefunden“. Noch vor der Sommerpause soll das Werk ausverhandelt und zur Unterschrift fertig sein.

Die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages im April zum Thema hätte man sich allerdings sparen können, meint der Ärztenachrichtendienst. Die Debatte sei in alte Diskussionen zur Einheitsgebührenordnung abgedriftet.

Auch beim Deutschen Ärztetag gab Gesundheitsminister Lauterbach im Rahmen seiner Rede nicht das Startsignal zur GOÄ-Novellierung. Lediglich eine wohlwollende Prüfung stellte er – wieder einmal – in Aussicht.

Kommentar von Dr. Peter Kalbe, Vizepräsident BDC

Schaulaufen zur GOÄ vor dem Gesundheitsausschuss – Staatsversagen und
keinen kümmert es…

Kaum jemand wird bezweifeln, dass eine Reform der GOÄ dringend erforderlich ist. Das aktuelle Gebührenverzeichnis datiert aus dem Jahr 1982 und wurde seitdem nur marginal angepasst. Die letzten Gebührenanhebungen erfolgten zwischen 1982 und 1996. Bekanntermaßen hat daher die Bundesärztekammer unter intensiver Mithilfe der Berufsverbände und wissenschaftlichen Fachgesellschaften eine „Reform-GOÄ“ entwickelt, deren Legendierungen längst zwischen der Ärzteschaft und dem Verband der privaten Krankenversicherungen konsentiert sind. Bis auf Ausnahmen besteht auch Einvernehmen über die Gebührenhöhe. Es ist skurril, wie sich der zuständige Gesundheitsminister Karl Lauterbach um seine Aufgabe herumwindet, dieses Werk per Rechtsverordnung der Bundesregierung in Kraft zu setzen. Ein beim Neujahrsempfang der Deutschen Ärzteschaft 2023 an ihn übergebener USB-Stick mit dem kompletten Gebührenverzeichnis ging auf mysteriöse Weise verloren. Aber auch das Nachhaken beim Empfang im Jahr 2024 und der dezente Hinweis auf Umgehungsstrategien der Ärzteschaft mit erhöhten Steigerungssätzen und Abdingungen konnte den Minister nicht motivieren, den berechtigten Forderungen nach einer Modernisierung der völlig veralteten GOÄ nachzukommen. Dies mag aus der grundsätzlichen politischen Sicht der Minister-Partei erklärlich sein, denn im Hintergrund schlummert hier immer noch die Idee der Abschaffung der PKV und der Einführung einer einheitlichen Bürgerversicherung. Doch selbst dafür wäre eine moderne Gebührenordnung unerlässlich.

Auch für Experten überraschend kam nunmehr am 24.04.2024 eine einstündige Anhörung zur GOÄ auf die Tagesordnung des Gesundheitsausschusses des Bundestages. Veranlasst von der größten Oppositionspartei, die es aber in den Jahren ihrer Regierungsbeteiligung auch nicht geschafft hatte, die Reform-GOÄ umzusetzen. Der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Reinhardt argumentierte im Ausschuss sehr geschickt und hob vor allem auf die Verunsicherung der betroffenen Patienten ab, die aufgrund des Fehlens moderner Leistungslegenden im Gebührenverzeichnis immer häufiger mit schwer nachvollziehbaren Analog-Beschreibungen konfrontiert würden. Der allseits als Sachverständiger geschätzte Gesundheitsökonom Professor Wasem bezeichnete die jetzt gültige Uralt-GOÄ als „in sich schräg“ und die verschleppte Umsetzung der vorliegenden Reform-GOÄ durch die Bundesregierung als „Staatsversagen“. Trotzdem konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die jeweils dreiminütigen Statements der bekannten Player im Gesundheitswesen einschließlich des PKV-Verbands mehr oder weniger ein Schaulaufen waren. Immer wieder driftete die Diskussion in grundsätzliche Statements zur Krankenversicherung ab. Die Mitglieder des Gesundheitsausschusses nahmen alles kommentarlos zur Kenntnis, auch den Vorwurf des Staatsversagens.

Nur wer noch an den Weihnachtsmann glaubt, wird eine Rechtsverordnung des BMG zur Reform der GOÄ noch in dieser Legislaturperiode erwarten. Das stellt unsere Frustrationstoleranz als beteiligten Berufsverband auf eine harte Probe. Seit 2016 war auch der BDC intensiv in die Überarbeitung und Relativbewertung der chirurgischen Leistungen einbezogen. Das ist jetzt auch schon wieder mehr als 8 Jahre her und im Grunde müsste man schon wieder von vorne beginnen und neue chirurgische Leistungen, z. B. die robotisch assistierte Chirurgie, einpflegen. Und auch die betriebswirtschaftlich basierten Preise für die Leistungen müssten im Hinblick auf eine Inflation von mindestens 25 % seit der Kalkulation nach oben angepasst werden. Ihre BDC-Interessenvertreter zeichnen sich aber durch eine ungewöhnliche Resilienz im politischen Geschäft aus, sodass wir trotzdem am Ball bleiben werden. Gemeinsam mit der Bundesärztekammer und der DGCH werden wir weiter dafür kämpfen, dass mit der Umsetzung des vorliegenden GOÄ-Reform-Werks zumindest der erste Schritt getan wird.

Päßler O, Kalbe P: Gesundheitsminister Lauterbach und die GOÄ-Novelle. Passion Chirurgie. 2024 Juli/August; 14(07/08): Artikel 05_05.

Autoren des Artikels

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