24.07.2019 Krankenhaus
Einheitliche Leitstellen, Notfallzentren und Änderungen beim Rettungsdienst geplant
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat einen Arbeitsentwurf zur Reform der Notfallversorgung an die Bundesländer verschickt. Ziel des geplanten Gesetzes ist es, die Versorgung im Notfall zu verbessern. Dafür sollen die Rettungsdienste der Länder mit den ärztlichen Bereitschaftsdiensten und den Notfallambulanzen der Krankenhäuser zusammenarbeiten.
Laut Spahn zeige sich die Güte eines Gesundheitssystems vor allem im Notfall, wenn Menschen schnelle medizinische Hilfe benötigten. Daher wolle er die Notfallversorgung neu organisieren, insbesondere mit gemeinsamen Notfallleitstellen der Länder, der Kommunen und der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVn) sowie mit integrierten Notfallzentren an Krankenhäusern. Die Pläne gehen zurück auf den “Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen” (SVR). Dieser hatte im Mai 2019 eine grundlegende Reform der Notfallversorgung empfohlen und dabei eine entsprechende Vorschlagsliste unterbreitet (vgl. “Links zum Thema”).
Da zur Reform der Notfallversorgung möglicherweise das Grundgesetz geändert werden muss, werden die Bundesländer für Spahn besonders wichtig. Sein Ministerium wolle deshalb schon früh in einen intensiven Dialog mit den Ländern eintreten, hieß es am 22.07.2019 in Berlin.
So soll die Notfallversorgung reformiert werden:
1. Schaffung einer gemeinsamen Notfallleitstelle (erreichbar
unter 112 oder 116117)
- Künftig sollen die Gemeinsamen Notfallleitstellen (GNL) die Verteilung der Patienten in medizinischen Notsituationen übernehmen.
- In diesen Notfallleitstellen werden Patienten auf der Grundlage einer qualifizierten Ersteinschätzung (Triage) in die richtige Versorgungsebene vermittelt. Dabei kann es sich um den Rettungsdienst, ein integriertes Notfallzentrum oder – während der Sprechstundenzeiten – eine vertragsärztliche Praxis handeln.
- Beim Entgegennehmen des Anrufes soll weiterhin erkennbar sein, welche Nummer der Anrufer gewählt hat.
2. Bestimmte Krankenhäuser richten integrierte Notfallzentren ein
- Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVn) und Krankenhäuser erhalten den Auftrag, integrierte Notfallzentren (INZ) einzurichten und zu betreiben.Welche Krankenhäuser solche Notfallzentren erhalten, legen die Länder über ihre Notfallversorgungsplanung fest.
- Die Notfallzentren sind jederzeit zugänglich und bieten sowohl eine qualifizierte Ersteinschätzung als auch die nötige Erstversorgung.
- In die Notfallzentren werden eine zentrale Anlaufstelle (“Ein-Tresen-Prinzip”), der ärztliche Bereitschaftsdienst der KV und die zentrale Notaufnahme des Krankenhauses integriert. Bestehende Notdienststrukturen (insbesondere sogenannte Portalpraxen) sollen in die INZ überführt werden.
- Die INZ müssen räumlich so in das Krankenhaus eingebunden sein, dass Patienten sie als erste Anlaufstelle wahrnehmen.
- Über das nächstgelegene INZ werden die Krankenkassen ihre Versicherten informieren.
3. Rettungsdienst wird eigenständiger Leistungsbereich
- Der Rettungsdienst wird als eigenständiger medizinischer Leistungsbereich im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (im SGB V) geregelt.
- Die Versorgung am Notfallort und eine gegebenenfalls erforderliche Rettungsfahrt werden als voneinander unabhängige Leistungen der medizinischen Notfallrettung geregelt. Damit sollen unnötige Fahrten ins Krankenhaus (“Leerfahrten”) vermieden und das Problem der bisher nicht vergüteten “Vor-Ort- Versorgung” gelöst werden.
- Zur bestmögliche Versorgung der Patienten sind die zur Weiterbehandlung erforderlichen Daten frühestmöglich zu übermitteln.
- Im jeweiligen Einzelfall wird entschieden, welches Krankenhaus anzufahren ist. Die Entscheidung wird durch die digitalen Dokumentation ermöglicht sowie eine bundesweite Echtzeitübertragung der bestehenden Versorgungskapazitäten.
4. Krankenhausärzte: “Die Reform ist überfällig”
Der Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands (VLK) bezeichnet die Reform als “überfällig”. Bei immer chaotischeren Zuständen in den Notaufnahmen bestehe “der dringende Bedarf, die größtenteils vom Sachverständigenrat vorgeschlagenen neuen Regelungen umzusetzen”. Dass man aber den Krankenhäusern ohne INZ in Zukunft Notfallleistungen nur noch zur Hälfte des sonst üblichen Satzes erstatten wolle, sei laut VLK nicht akzeptabel. Bei Notfallpatienten bestehe eine Versorgungspflicht, wenn sie eine Klinik aufsuchten. Sie abzuweisen, sei rechtlich nicht möglich und ethisch nicht vertretbar. Damit dürfe es auch nicht zu Rechnungskürzungen kommen.
Quelle: Krankenkassen direkt, Postfach 71 20, 53322 Bornheim, www.krankenkassen-direkt.de, 25.07.2019
Weitere Artikel zum Thema
17.12.2021 Krankenhaus
G-BA legt für Operationen bei Brust- und Lungenkrebs Mindestmengen fest
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 16. Dezember 2021 für Operationen bei Brust- und Lungenkrebs Mindestmengen festgelegt. Wenn ein Krankenhaus bei Operationen von Brust- und Lungenkrebs über Routine und Erfahrung verfügt, sind die Behandlungsergebnisse nachweislich besser.
01.12.2021 Krankenhaus
Anpassung der Mindestmenge Ösophagus: Jetzt Handeln der Zentren, Träger und Länder erforderlich
Am 01.01.2021 trat die novellierte Mindestmengenregelung (Mm-R) für resezierende komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus für Erwachsene des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in Kraft (§136b Abs. 1 Nr. 2 SGB V für nach §108 zugelassene Krankenhäuser nach Anlage Nr. 3). 26 statt bisher zehn Eingriffe je Standort und Jahr sind nun – nach einer Übergangsphase – ab 2023 erforderlich.
01.12.2021 Krankenhaus
BDC-Praxistest: Bedeutung der Neuausrichtung der NRW-Krankenhausplanung für die chirurgischen Fachgebiete
Ab 2022 soll die Krankenhausplanung (KHP) in NRW fundamental verändert werden. Basierend auf einem vom NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) vergebenen Gutachten [1] reifte die Erkenntnis, dass die Liberalisierung der KHP unter Verzicht der Teilgebietsplanung dazu geführt hatte, dass sich innerhalb der großen Gebiete der Inneren Medizin und Chirurgie viele Spezialisierungen in den NRW-Krankenhäusern (KH) entwickelten, die sich dem Einfluss der KHP entzogen haben.
19.11.2021 BDC|News
Umfrage zum Projekt „Einheitliche, sektorengleiche Vergütung”
Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) und das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) führen derzeit innerhalb des Innovationsfondsprojektes „Einheitliche, sektorengleiche Vergütung (ESV)“ gemeinsam eine Befragung unter operativ tätigen Ärztinnen und Ärzten durch.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.