03.12.2017 Politik
50 Jahre Herztransplantation
Vor 50 Jahren, am 3. Dezember 1967, führte der südafrikanische Herzchirurg Christiaan Barnard die weltweit erste Herztransplantation am Groote-Schuur-Hospital in Kapstadt durch.
Sein Patient, der 55-jährige, schwer herzkranke Gemüsehändler Louis Washkansky, überlebte nur 18 Tage nach der Transplantation des weiblichen Spenderherzens, ehe er an den Folgen einer bakteriellen Lungenentzündung verstarb. „Was damals in Südafrika gelang, revolutionierte die Herzmedizin“, erklärt Privatdozent Dr. Wolfgang Harringer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG). „Operationstechnisch war der Eingriff bereits eine besondere Herausforderung, aber viel entscheidender waren die zu diesem Zeitpunkt kaum erforschten Mechanismen und Gesetzmäßigkeiten im Kontext der Organabstoßung. Zum damaligen Zeitpunkt gab es zudem noch keine effektiv und zielgerichtet wirkenden Immunsuppressiva, die die natürliche Abstoßungsreaktion gegen das transplantierte Organ unterdrückten.“
Eigentlich überraschte Barnard mit seiner differenziert geplanten Aktion die medizinische Fachwelt weltweit. Diese hatte ihre Aufmerksamkeit nach Nordamerika gerichtet, und zwar speziell auf die Herzchirurgen Norman Edward Shumway und Richard Lower, in der sicheren Erwartung, dass sie die erste Herzverpflanzung in den USA durchführen werden. Shumway, Leiter der Abteilung für Herz- und Thoraxchirurgie der Stanford University, war federführend in der herzchirurgischen Forschung und entwickelte innovative Operationstechniken für die Herztransplantation, die Bernard während seines Aufenthaltes in San Francisco bei ihm kennengelernt und in der Folgezeit antizipiert hatte. Lediglich vier Wochen nach Barnards Erfolg, am 6. Januar 1968, gelang auch Shumway die erste Herztransplantation am Menschen. Einen weiteren Monat später, am 13. Februar 1968, führte der deutsche Herzchirurg Rudolf Zenker am Universitätsklinikum München die erste Herztransplantation durch. Sein Patient überlebte nur 27 Stunden mit dem neuen Herzen.
„Die ersten Herztransplantationen lösten eine Welle an Organverpflanzungen aus, die jedoch allesamt nicht nachhaltig erfolgreich waren. Erst durch weiterreichende Erkenntnisse über das menschliche Immunsystems und dem damit einhergehenden besseren Verständnis der Abstoßungsreaktion, wie auch der darauf basierenden Entwicklung geeigneter Arzneistoffe, wie dem Ciclosporin, einem wirksamen Immunsuppressivum, führte zu deutlich höheren Überlebenschancen organtransplantierter Patienten. Somit zeigt sich auch in diesem Zusammenhang, dass der herzchirurgische Eingriff eine zentrale Rolle in der Behandlung darstellt, die mittel- und langfristige Perspektive des Behandlungserfolgs jedoch auch von weiteren essentiellen Begleitmaßnahmen entscheidend beeinflusst wird“, so Harringer.
Bei irreversiblen akut oder chronisch herzinsuffizienten Patienten, bei denen alle konservativen, interventionellen und operativen Therapien ausgeschöpft sind, und die weitere, genau definierte Kriterien für eine Herztransplantation erfüllen, ist diese häufig die einzige Möglichkeit, das Überleben mittel- und langfristig zu sichern. „Die Patienten mit weit fortgeschrittener Herzschwäche haben vor der Herztransplantation häufig bereits eine lang andauernde Krankheitsgeschichte hinter sich. Die Herztransplantation als besondere Behandlung führt bei den Patienten häufig zu einem zuvor nicht mehr zu erreichenden Gesundheitszustand, verschafft wieder einen guten Allgemeinzustand und behebt erhebliche Einschränkungen der Lebensqualität“, betont Harringer.
Bereits vor 20 Jahren wurde die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen in einem eigens dafür geschaffenen Transplantationsgesetz verbindlich geregelt. Im letzten Jahr haben nach Angaben der für die Organtransplantation zuständigen europäischen Organisation Eurotransplant* allein in Deutschland ca. 700 Patienten auf ein geeignetes Spenderherz gewartet. Der Status der Dringlichkeit wird hierbei in die Kategorien „High Urgent“ und „Transplantable“ eingeteilt. „Wir haben bereits seit Jahren einen großen Mangel an Spenderherzen und beobachten zudem noch den Abwärtstrend der Herz-Transplantationen mit großer Sorge“, erklärt der DGTHG-Präsident. „So wurden 2016 insgesamt nur 291 Herztransplantationen in Deutschland durchgeführt. Andererseits wurden im Jahr 2016 ca. 1000 Herzunterstützungssysteme bei Patienten, die potentiell transplantiert werden müssten, implantiert, um sie überhaupt am Leben zu erhalten, bis ein geeignetes Spenderherz zur Transplantation gefunden wird. Diese sogenannten Überbrückungsmaßnahmen sind in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Entsprechend wurden im Jahr 2005 lediglich 350 Herzunterstützungssysteme implantiert.“
Die Überlebenschancen mit einem Spenderorgan sind durchaus vielversprechend. „Nach erfolgreicher Transplantation und stationärer Krankenhausbehandlung, einer zielgerichteten Rehabilitation und kontinuierlicher Immunsuppressiva-Therapie, haben herztransplantierte Patienten zumeist kaum Einschränkungen im Alltag“, so Herzchirurg Harringer.
Als Organspender kommen nur Menschen mit unumkehrbaren Hirnfunktionsausfall in Frage, deren Herz angemessen funktionsfähig ist und keine gravierenden Vorerkrankungen aufweist. Das transplantierte Organ muss mit bestimmten Merkmalen des Empfängers kompatibel sein und nach Explantation beim Spender innerhalb der darauffolgenden 4 bis 6 Stunden auf den Empfänger übertragen, also „implantiert“ worden sein. „In den vergangenen Jahren gab es durch diverse Ereignisse eine große Unsicherheit in der deutschen Bevölkerung und sicher auch einen Vertrauensverlust im Zusammenhang mit der Organspende. Daher setzen wir uns auch weiterhin für die Organspende ein, appellieren mit Nachdruck an die Spendebereitschaft und gehen auch mit gutem Bespiel voran. Alle Vorstandsmitglieder der DGTHG erklären öffentlich, dass sie ohne jegliche Bedenken Organspender sind. Denn trotz der medizinischen Innovation und dem technischen Fortschritt gibt es bis heute keine wirkliche Alternative zum menschlichen Herzen“ betont Harringer
* Stiftung Eurotransplant ist als Service-Organisation verantwortlich für die Zuteilung von Spenderorganenen in acht europäischen Ländern und arbeitet hierzu eng mit den Organspende-Organisationen, Transplantationszentren, Laboratorien und Krankenhäusern zusammen
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, Luisenstraße 58/59, 10117 Berlin, www.dgthg.de, 24.11.17
Weitere Artikel zum Thema
01.04.2022 Sektorübergreifend
SKH Stadtteilklinik Hamburg: Sektorenübergreifende Zusammenarbeit zum Wohle der Patienten
In Hamburg arbeiten Mediziner:innen verschiedener Disziplinen sektorenübergreifend und unkompliziert zusammen. Im Blick haben sie dabei die Gesundheit der Menschen im Hamburger Stadtteil Mümmelmannsberg. Aus den obersten Stockwerken der Hochhaussiedlung Mümmelmannsberg im Hamburger Osten schaut man auf Felder, Wiesen und ein Naturschutzgebiet. Hans-Jörg D. (Name geändert) wohnt seit 50 Jahren in Mümmelmannsberg und genießt jeden Morgen diesen Ausblick – in den letzten Jahren allerdings aus seinem Pflegebett.
01.04.2022 Sektorübergreifend
Intersektorale Versorgung von unfallchirurgischen Patienten
Die sektorenübergreifende Behandlung von Patienten ist schon seit vielen Jahren in aller Munde. Sie wird lautstark von Kassenseite und auch diversen politischen Parteien eingefordert – allein eine Umsetzung ist bis dato ausschließlich allenfalls sporadisch zu beobachten [2]. Der einfache Grund dafür ist, dass unser Gesundheitssystem so aufgebaut ist, dass eine Verschiebung von Patienten und Leistungen aus einem Sektor in den anderen zwangsweise zu einem Verlust von Erlösen führt.
01.04.2022 Politik
Reformpläne im Gesundheitswesen bleiben vage
Nach den nun vorliegenden Plänen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) möchte man bis Ende des Jahres eine ganze Reihe von Gesetzesvorhaben angehen.
01.04.2022 BDC|News
Editorial im April 2022: Sektorenübergreifende Versorgung – Neuer Wein in alten Schläuchen?
Gesundheitspolitische Themen sind angesichts der COVID-Pandemie weitgehend aus dem Fokus geraten; zugegebenermaßen hat das Gesundheitsministerium aktuell dringendere Aufgaben zu erledigen. Das heißt aber natürlich nicht, dass strukturelle Reformen im Gesundheitssystem nicht erst heute, sondern schon seit Jahren zwingend erforderlich wären.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.